Hochschulstreik in Griechenland

Seit Ende November sind zahlreiche Hochschulen von den Studentinnen und Studenten besetzt. Sie fordern die Rücknahme des neuen Bildungsgesetzes, das Minister Arsenis, der frühere Verteidigungsminister, Anfang September durch das Parlament gepeitscht hat.

Dieses Gesetz ist kurz gesagt eine Anti-Reform, die das Bildungssystem ins Mittelalter zurückkatapultiert. Seine Kernaussage ist, daß der Staat nicht länger für die Bildung der Jugend verantwortlich ist, sondern daß es die Entscheidung jedes einzelnen Individuums sei, ob er oder sie sich bilden wolle. Weiterhin werde der Staat keinerlei Recht auf Arbeit garantieren (weder das Recht auf Arbeit in dem erlernten Beruf noch irgendwelche Arbeitsbedingungen oder Lohnstandards).

Die Absolventen der Lehrerschulen sollen nicht länger als Lehrer akzeptiert werden, sondern zunächst zwei weitere Semester Erziehungstraining und ein Praxissemester (unbezahlte Arbeit) absolvieren. Danach ist ihnen dann gestattet, ein Examen abzulegen und sich entsprechend ihrer Note in die Warteschlange einzureihen. Bislang ging es streng nach der Reihe, d.h. wer als erster sein Examen abgelegt hatte, bekam auch erster einen Job. Die Lehrerinnen und Lehrer waren der einzige Bereich des öffentlichen Dienstes, wo die politischen Parteien nicht "ihren Leuten" die Jobs zuschieben konnten.

Zwei Mitglieder der Gewerkschaft arbeitsloser Lehrer in Saloniki haben am 10. Oktober einen Hungerstreik begonnen. Jetzt, nach fast zwei Monaten Hungern, ist ihr Zustand sehr kritisch. Sie können jeden Tag ins Koma fallen.

Am 27. November wurde die Hochschule für Mathematik als erste Universitätseinrichtung in Saloniki besetzt (die Universität von Saloniki ist die größte und konservativste in Griechenland). Die Besetzung hier wird von Mitglieder der OKDE (IV. Internationale) geleitet. Besetzungen weiterer Hochschulen sowie kurzzeitig auch des Bildungsministeriums von Makedonien-Thrazien kamen hinzu. Zentrum der Besetzungen ist jetzt das Studentenhaus, das in einen Hotelbetrieb umgewandelt werden soll, in dem die Studenten hohe Mieten zahlen und jederzeit kündbar sein sollen. Inzwischen sind auch die meisten Universitäten in Athen besetzt und täglich kommen weitere hinzu. Am 12.12. fand in der Hauptstadt eine landesweite Demonstration statt.

Alle politischen Parteien sind gegen die Besetzungen, auch die KP. An vielen Hochschulen stellt die KP den Anti-Besetzungsblock und wird von rechten und PASOK-Studenten unterstützt. Die Besetzungen werden von Vollversammlungen organisiert, an denen oft mehr Studenten teilnehmen als an den jährlichen Wahlen zur Studentenvertretung.

Unter dem Druck der Besetzungen hat das Verwaltung der Universität von Thrazien einen ersten Rückzieher gemacht: das "Programm Freie Studien", bei dem nach amerikanischem Vorbild ein reduziertes Studienpensum ohne zusätzliche Mittel und ohne Beschäftigungsgarantie angeboten werden sollte, wurde gestrichen.


Spiros Sgouras

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Dieser Artikel erscheint in Inprekorr Nr. 315