USA:

Universitäten: Verschlankung oder Magersucht?

Die Yale University ist Vorreiter der Entwicklung zur verschlankten und profitablen Hochschule in den USA. Absolventen übernehmen immer mehr Lehraufgaben, werden aber nur als "Anerkennungspraktikanten" bezahlt. Dies hat studentischen Widerstand ausgelöst und alte wie neue Fragen aufgeworfen.

Erst die nationale Arbeitsmarktaufsicht musste bestätigen, was sowieso jeder wusste: dass die Absolventen, die Studenten an der Yale University unterrichten, keine Praktikanten sind, wie von der Hochschule behauptet, sondern Angestellte der Yale Corporation. Noch während sie diesen Kampf gegen ihre eigenen Studenten ausfocht, unternahm sie den Versuch, die Jobs gewerkschaftlich organisierter Beschäftigter in den Kantinen des Campus auszulagern und zu beseitigen. In beiden Fällen demonstrierte die Universität, dass sie sich, wie das übrige Amerika der Bosse, dem Ziel verschrieben hat, Yale in eine schlanke und profitable Maschine zu verwandeln.

HOCHSCHULE - IN WESSEN INTERESSE

Seit den sechziger Jahren beinhalteten studentische Aktivitäten - bei allen Unterschieden der Form zu den jeweiligen Zeitpunkten - eine Analyse der Beziehung der Universität zu den Anforderungen des globalen Kapitals. Während der Berkley-Free-Speech-Bewegung von 1964 geriet das elementare Recht, Geld für die Bürgerrechtsbewegung zu sammeln, in Konflikt mit der "Mission" des Präsidenten der University of California, Clark Kerr. Diese (aus reaktionärem Blickwinkel sogar sehr weitsichtige) Mission bestand darin, die Bedürfnisse des Kapitals über eine gut durchorganisierte Hierarchie von Bildungsinstitutionen direkt zu befriedigen. Die multiversity (Vielfalt), wie sie von Kerr genannt wurde, sollte in ihren oberen Etagen wissenschaftliche Elite und auf den untergeordneten Ebenen gut geschulte Techniker produzieren. Die Absolventen jeder Ebene sollten am Ende ihren Platz in der Maschine kennen. In einem klassischen Text, der von der Free-Speech-Bewegung inspiriert wurde, "The Mind of Clark Kerr" (etwa: "Die Gedanken/Absichten des Clark Kerr"), erklärte der sozialistische Schriftsteller Hal Draper das Denken, das hinter Kerr`s multiversity steckt, und half so einer neuen, sich radikalisierenden Generation zu verstehen, dass es voll und ganz gerechtfertigt ist, gegen dieses Projekt zu rebellieren.

Spätere Kämpfe im ganzen Land thematisierten die Komplizenschaft der Universitäten mit der militärischen Forschung und mit Rekrutierungsausschüssen der US-Army während des Vietnamkriegs oder den Abriss von sozial schwachen und afrikanisch-amerikanischen Vierteln zugunsten von Universitätsneubauten. Das Gleiche galt für das autoritäre Ausbeutungsverhältnis der Universität zur eigenen Cafeteria und zu seinem Wartungs- und Instandhaltungspersonal und für Stiftungsgelder für das Südafrika der Apartheid.

Zur selben Zeit wurden Forderungen laut, das Denken an den Hochschulen, das von der restriktiven Verherrlichung einer selektiven, elitären, eurozentristischen und patriarchalen Kultur gekennzeichnet war, zugunsten anderer Sichtweisen zu erweitern. Diese Kämpfe waren sehr nützlich, weil sie den intellektuellen Kontext erweitert haben - international und im Hinblick darauf, dass Frauen dieselbe Öffentlichkeit und derselbe Platz im "Kanon" gebühre wie Männern. Das Gleiche gilt für die Forderung nach einer Integration plebejischer Kultur. Es kommt nicht von ungefähr, wenn die ersten Angriffe in der Zeit der Reaktion als Ziel - neben der affirmative action (Quotenregelung für Frauen und Minderheiten) - die damals auf diesen Gebieten erkämpften Verbesserungen haben.

Die heutigen Studenten sehen sich mit einem auf vielen Ebenen stattfindenden Bildungsabbau und dem Niedergang der sozialen Bewegungen der siebziger und achtziger Jahre konfrontiert. So ist es kein Wunder, dass sich immer mehr Studenten, vor die trostlose Wahl gestellt, später entweder einmal mit Seele und Körper den Forderungen der Unternehmerwelt zu verschreiben oder in Zukunft auf der Straße zu liegen, zur Arbeiterbewegung hingezogen fühlen. Diese bietet sowohl für den studentischen Idealismus als auch für die eigene soziale Gegenwehr ein Betätigungsfeld.

DIE HOCHSCHULE ALS FELD DER AUSEINANDERSETZUNG

Der erbitterte Kampf der Tutoren von Yale (Yale Teaching Assistents) um Anerkennung ihrer Organisation stellt einen Wendepunkt dar. Ähnliche Kämpfe finden auch an anderen Universitäten statt.

Es ist immer noch wahr, dass die Universitäten verschiedene Plätze auf den einzelnen Ebenen der Bildungshierarchie einnehmen. Auch wenn sie als Tutoren ausgebeutet werden, haben Absolventinnen oder Absolventen von Yale oder einer anderen Eliteuni immer noch einen bevorzugten Status als Praktikanten und künftige festangestellte Lehrkräfte. Absolventen von Universitäten ohne größeres Prestige werden später als Gastdozenten nur stunden- oder semesterweise bezahlt, ohne Versicherung. So mancher Doktor endet auch als Taxifahrer.

Man sollte daher die Bedeutung der Absolventen der Yale oder anderer Universitäten für die Gewerkschaften nicht unterschätzen. Ihre Erfahrungen werfen ein Schlaglicht auf den Charakter der "umstrukturierten" schlanken Hochschule: Während Unterstützungen verschwinden und das Unterrichtsvolumen immer größer wird, müssen viele Studenten immer härter arbeiten und angesichts einer täglich unsicherer werdenden Zukunft einen immer größeren Schuldenberg anhäufen. Das ist etwas ganz anderes als das freie City College im New York der Dreißiger oder als das staatliche System Kaliforniens in den Fünfzigern und Sechzigern.

An der Universität von Arizona werden 87 Prozent der Vor-Examenskurse von Absolventen oder Zeitkräften unterrichtet, was die Universität nur einen Bruchteil dessen kostet, was sie für festangestellte Dozenten ausgeben müsste. An der Universität von Florida erhält ein Professor mit einer vollen Stelle für die Seminare für zwei Semester in zwei Klassen 60.000$, während ein Tutor für das doppelte Pensum im selben Zeitraum gerademal 16.000$ erhält.

Die Flexibilisierung an der Universität spiegelt den Trend in der gesamten Ökonomie wieder, wo einige Leute in mehreren Halbtagsjobs arbeiten und permanent Überstunden machen müssen, während andere arbeitslos oder nur geringfügig beschäftigt sind.

STUDENTEN UND DIE GEWERKSCHAFTEN

Mehr und mehr Absolventen werden als Beschäftigte der Universität im Kampf gegen die sozialen Missstände, die sie selbst betreffen, aktiv. Zur selben Zeit werden immer mehr Studenten an die Gewerkschaften herangeführt und als die nächste Generation von Gewerkschaftsaktivisten qualifiziert in Initiativen wie dem "Gewerkschaftssommer", über die Gewerkschaftsschule oder während der verschiedenen "Teach-ins mit der Arbeiterbewegung" überall im Land, auf denen die neue Sweeny-Trumka-Führung des Gewerkschaftsbundes AFL-CIO auftrat. Die Bedeutung dieses studentischen Interesses an wiederauflebenden Gewerkschaftsaktivitäten sollte nicht unterschätzt werden. Es wird großen Einfluss auf die künftige Gestaltungen der Institutionen im Bereich der Bildung und der Arbeitswelt haben. Diese neue Generation von Gewerkschaftsaktivisten sollte aber auch an einer anderen Tradition studentischer Proteste festhalten: gesundes Misstrauen gegenüber jeder Form von Autorität.

Wenn der "real existierende AFL-CIO" es fertig bringt, neue Mitglieder und Organisatoren unter den Studenten für sich zu gewinnen, dann ist das eine wichtige Öffnung der Gewerkschaft, die man trotzdem mit wachem Auge verfolgen sollte. Ein Dialog zwischen organisierten Beschäftigten, Studenten und Intellektuellen wäre zweifelsohne zu begrüßen. Aber braucht die Gewerkschaftsführung nicht erst einmal selbst einen Dialog mit ihren eigenen Mitgliedern? Studenten könnte durchaus die Frage kommen, warum ausgerechnet sie "zu Teach-ins mit der Arbeiterbewegung" eingeladen werden und nicht die Millionen von organisierten Beschäftigten.

Kann die Gewerkschaft keine Aktivisten aus ihren eigenen Reihen mehr gewinnen? Vertraut sie ihrer eigenen Basis nicht? Und in der Tat, warum müssen einige ältere Kandidaten, die die Gewerkschaftsschule der AFL-CIO absolviert haben, miterleben, "wegen früherer Organisationserfahrung" abgelehnt zu werden? Studenten könnten sich auch fragen, wie es sein kann, dass nur 14% der Arbeitskräfte organisiert sind und warum nur ganz bestimmte Schichten abhängig Beschäftigter im Mittelpunkt des neuen Organisationsaufschwungs stehen.

Sicherlich, Organisationsarbeit unter jungen Akademikern und in Belegschaften von Dienstleistungsbetrieben, genau wie Kampagnen zur Gewinnung von Arbeiterinnen und Arbeitern des zweiten Arbeitsmarktes, sind wichtige Initiativen. Aber warum tut sich zur selben Zeit die Führung der Automobilgewerkschaft UAW noch immer so schwer damit, den Versuch zu unternehmen, die unorganisierten Beschäftigten, die als Scheinselbständige und in Subunternehmen für die Autoindustrie arbeiten, zu organisieren? Und warum billigt die UAW das zweistufige Lohnsystem, über das Teilzeitarbeiter und Neueingestellte im Namen der Konkurrenzfähigkeit der Autokonzerne geringere Löhne erhalten?

Studentischen Aktivisten, die den Gewerkschaften, ob nun als frisch gewonnene Organisatoren oder als Mitglieder an der Basis, beitreten, wird eine sorgfältige Analyse dieser Probleme sehr hilfreich sein. Zwangsläufig üben auch aktivere und fortschrittlichere Gewerkschaftsbürokraten eine disziplinierende Kontrolle über Aktivisten und Belegschaften aus, und es bedarf schon sehr viel Raffinesse, um sich als Organisator genügend Spielraum für Aktionen zu verschaffen.

Aktivisten an der Uni und im Betrieb sollten sich auch von vornherein über das Defizit der Gewerkschaftsbewegung in Sachen innerer Demokratie im Klaren sein. Oder sich daran erinnern, dass auch der neue Gewerkschaftschef Sweeney die "Teamsters for a Democratic Union" nie als ein Modell für Gewerkschaftsreformen akzeptiert, geschweige denn begrüßt hat. Ganz im Gegensatz dazu erlebten die zumeist aus Mittelamerika stammenden Hausmeister der Hotels in Los Angeles innerhalb der SEIU (Service Employees International Union), übrigens Sweeneys eigene Gewerkschaft, einen solchen organisatorischen Aufschwung, der schließlich zum Wahlsieg ihrer eigenen Liste gegen die alte Garde in der von Weißen dominierten Führung führte.

Trotz alledem fühlt sich eine neue Generation von aktiven Studenten wegen der sich innerhalb und außerhalb der Hochschulen verschlechternden Situation zur Arbeiterbewegung hingezogen. Viele Grundzüge der Organisation von Aktionen für die Rechte von abhängig beschäftigten Absolventen gelten auch für eine große Bandbreite anderer Kämpfe.


Dieser Artikel erschien erstmals als Editorial der US- amerikanischen Zeitschrift Against the Current Nr. 70 (September 1997).
Übersetzung und Bearbeitung: Torsten Albrecht
Anmerkungen durch die Redaktion


[1] Der National Labor Relations Board entscheidet über die Anerkennung von Gewerkschaften der lohnabhängig Beschäftigten an ihren jeweiligen Arbeitsplätzen und führt entsprechende Wahlen durch.
[2] Die Yale University in New Haven (Connecticut) ist die drittälteste Universität der USA. Sie wurde 1701 gegründet und einige Jahre später nach ihrem Förderer Elihu Yale benannt. Sie ist privat organisiert, erhält aber Millionen Steuerzuschüsse von der Stadt New Haven. Sie hat einen sehr guten Ruf, so daß ihre Absolventen überdurchschnittlich gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Gleichzeitig haben aber auch Kämpfe an dieser Eliteschmiede stets nationale Bedeutung.
[3] Material ist über die Graduate Employees' Organization (GEO), IFT/AFT/AFL-CIO, 1001 S. Wright Street, Champain IL 61820, USA erhältlich. Zu den Kämpfen in Yale siehe auch Against the Current Nr. 63.
[4] Im November 1995 wurde John Sweeney an die Spitze des AFL-CIO gewählt und kündigte eine neue, kämpferischere Gewerkschaftspolitik an. Eine ernüchternde Bilanz dieser Versprechen zog Dianne Feeley in Inprekorr Nr. 306.
[5] Die Teamsters sind die Transportarbeitergewerkschaft in den USA. Im Sommer letzten Jahres organisierten sie den aufsehenerregenden Streik bei UPS. Diesem Streik ging 1991 ein Führungswechsel voraus, als die klassenkämpferische Strömung "Teamsters for a Democratic Union" (Teamster für eine demokratische Gewerkschaft) die früheren korrupte Gewerkschaftsführung ablöste. Siehe hierzu auch den Beitrag an anderer Stelle in diesem Heft.


"Troublemakers" in die Gewerkschaft

Auf der Konferenz der Zeitschrift Labor Notes im letzten Frühjahr sprach ich auf einem Forum "Young Troublemakers and the New AFL-CIO" (etwa: "Junge Störenfriede und der [Gewerkschaftsbund] AFL-CIO"). Vor einem 40köpfigen Auditorium, zu zwei Dritteln junge Leute, sprach ich über studentische Aktionen zur Unterstützung der Arbeiterbewegung, während zwei andere auf dem Podium über ihre Erfahrungen als Vollzeit-Hilfskräfte der Gewerkschaften berichteten. Daraus entwickelte sich eine stundenlange Diskussion über den Platz studentischer Aktivsten innerhalb der Arbeiterbewegung; weniger darüber was sie machen sollen, als vielmehr was sie nicht machen sollten.

Das Ergebnis des Forums war wenig überraschend, wenn man die Richtungskrise kennt, in der studentische Unterstützer der Arbeiterbewegung heute stecken. Die Identitätspolitik der 80er Jahre wird schrittweise durch brennendes Interesse an Klassenpolitik und einen Boom an Klassenbewusstsein und gewerkschaftlicher Aktivität unter den US-amerikanischen College-Studenten ersetzt. Dieser Wandel wurde durch eine zunehmend auf Gelegenheitsjobs basierende Wirtschaft hervorgerufen, in der ein akademischer Abschluss nicht länger einen sicheren Arbeitsplatz garantiert und die neue [kämpferischere] AFL-CIO- Führung der organisierten Arbeiterbewegung ein positiveres Image verschafft hat.

Ablesen kann man diesen Wandel etwa an dem breiten Interesse für das Gewerkschaftssommer-Programm, der massiven Nachfrage (3000 Exemplare in einem Jahr) für den studentischen Organisationsleitfaden Agents of Change (Agenten des Wandels), der breiten Beteiligung an "Teach-Ins" oder der Entstehung von universitätsübergreifenden Strukturen wie dem Northeast Student Labor Solidarity Network (Studenten-Arbeiter- Solidaritätsnetzwerk Nordost - SLSN). Zeitungen der Linken und der Gewerkschaften berichten oft über solche Studentengruppen, die meist "Student Labor Action Coalitions (Studenten-Arbeiter- Aktionsbündnisse - SLACs) genannt werden. Sogar Publikationen wie Washington Post und Newsweek sind schon auf die jungen Leute als Faktor in der "neuen" amerikanischen Arbeiterbewegung aufmerksam geworden. Das mögliche Potential wird aber noch durch die ernste Orientierungskrise begrenzt.

Viele Studenten werden wegen krasser Ungerechtigkeiten ihrer eigenen Hochschule gewerkschaftlich aktiv (wie in Yale). Studenten, die nie vorher im Leben an die Arbeiterbewegung gedacht haben, fühlen sich durch die Schurkereien ihrer Verwaltung moralisch herausgefordert. Andere gehen aus einer allgemeinen Verbundenheit mit Gerechtigkeit und Aktivität in den Gewerkschaftssommer und kehren energiegeladen auf den Campus zurück, um Aufmerksamkeit und Aktivität unter ihren Kommilitonen zu fördern.

Doch wenn dann das ursprüngliche Projekt zuende ist, bleiben die SLACs mit einem Vakuum an Richtung und Zweck zurück. Weder ihre Erfahrungen mit Flugblattverteilen im Gewerkschaftssommer noch die Büroarbeiten haben sie darauf vorbereitet, neue eigene Kämpfe zu planen. Was übrigbleibt sind kleine, entschlossene Kerne von Aktivisten, denen eine Kampagne fehlt, um neue Menschen in die Bewegung hineinzuziehen, und denen Erfahrung fehlt, um sie selbst zu planen.

Die Welt der "erwachsenen" Aktivisten ist voll von Leuten, die mehr als interessiert sind, diese Lücke mit ihren eigenen Anfragen und Projekten zu füllen. Manchmal werden die SLACs dann als studentische Hilfstruppe gesehen, ein paar mehr Körper für eine Streikpostenkette. Im besten Fall kann das für beide Seiten nützlich sein: Studenten brauchen Kampagnen, an denen sie arbeiten, Bildung, Erfahrung und Leitung; Gewerkschaften müssen Flugblätter verteilen, Telefongespräche führen, Streikposten vor Betrieben aufstellen und Beziehungen zu Menschen schaffen, die Teil der Zukunft der Arbeiterbewegung sind. Doch wenn Gewerkschaften davon träumen, Studenten einzufangen, die ihre Arbeit machen, stellen nachdenkliche Aktivisten sich natürlich die Frage, warum sie nicht statt dessen (oder zusätzlich) ihre eigenen Mitglieder zu mobilisieren versuchen.

Inzwischen gibt es neue Überlegungen beim AFL-CIO. Eine Zeitschrift für studentische Aktivisten wurde gegründet, die bisherige ineffektive Jugendorganisation aufgelöst, um Platz für etwas Besseres zu schaffen.

Andere warten diese Pläne nicht ab. Aktivisten von der Student Labor Coalition (SLC) am Bard College sprachen das unorganisierte Cafeteria-Personal an und hörten von deren Unzufriedenheit mit ihren Arbeitsbedingungen. Die Studenten beriefen eine Versammlung ein, zu der sie die Beschäftigten, Studenten und die zuständige Gewerkschaft HERE einluden. SLC wurde dann zum Motor der gewerkschaftlichen Organisierung: Sie organisierten Hausbesuche und ein Teach-In und gewannen schließlich die überwältigende Zustimmung von Studenten und Lehrkörper. Vier Monate später beschlossen die Beschäftigten, der Gewerkschaft beizutreten und begannen Tarifverhandlungen mit dem College.

Solche Geschichten erzählt AFL-CIO natürlich gerne, um so mehr, als die Studenten, die das SLC gründeten, sich auf einem Gewerkschaftssommer kennengelernt hatten. Aber wie wäre das ausgegangen, wenn die Studenten statt an die hochinteressierte HERE an eine der zigmal häufigeren Gewerkschaften geraten wären, die sie einfach abgewimmelt oder ihre Kampagne selbst übernommen hätte, ohne ihnen irgendeine sinnvolle Aufgabe zu geben?

Einige Aktivisten mit klassenpolitischem Interesse versuchen jenseits der studentisch-gewerkschaftlichen Partnerschaften Bewegungen um studentenspezifische Fragen wie freien Zugang oder Werbeaktionen an ärmeren Schulen aufzubauen. Nach dem gewerkschaftlichen Sieg in Yale im Dezember 1996 wurde die SLAC dort zur Speerspitze eines breiten Bündnisses für Programme finanzieller Unterstützung wirtschaftlich benachteiligter Studentinnen und Studenten.

Das klingt romantisch, aber die Leute, die am besten mit leuchtenden Augen über den Aufbau "einer Studentenbewegung" schwärmen, haben meist die größten Schwierigkeiten, praktisch zu erklären, wozu das gut sein soll. Alle Studentenbewegungen sind definitionsgemäß begrenzt, besonders in den USA, wo die Studiengebühren selbst einer öffentlichen Hochschule das Dreifache eines durchschnittlichen Haushaltseinkommens übersteigen.

Tatsache ist, dass die Trennung zwischen "Studentenfragen" und "Arbeiterfragen" gar nicht klar genug ist, um die Ideologie einer unabhängigen Studentenbewegung zu stützen oder zu begründen, dass Studenten für die Arbeiterbewegung "Außenstehende" seien. Oft wird ausgeführt, dass die Studenten von heute die Arbeiter von morgen seien, aber tatsächlich sind sie das schon heute: Nur wenige können es sich noch leisten, neben ihrem Studium nicht auch zu arbeiten.

In Yale waren die aktivsten SLAC-Mitglieder beim Kampf um die Tarifverträge zugleich studentische Mitglieder der Gewerkschaft der Mensabeschäftigten - und diese Studenten, die häufig finanzielle Unterstützungen beziehen, waren unter den wichtigsten Befürwortern einer SLAC-Kampagne für die Reform der finanziellen Unterstützungen.

Warum sollte sich eine Gewerkschaftsgruppe um finanzielle Unterstützungen kümmern, fragten einige der stureren Denker von Yale. Die Antwort der SLAC, dass sie die Uni-Gruppe geworden sei, die sich der Klassenfragen annimmt, und die in dieser Antwort implizierte Verknüpfung zwischen Gewerkschaftskämpfen und der Reform finanzieller Unterstützungen, lässt für eine produktive Lösung der Identitätskrise der SLACs landesweit hoffen. Die Idee, dass Studentinnen und Studenten, die ihre Rechte bei der Arbeit und auf der Hochschule fordern, ihren Platz nicht nur als Verbündete sondern als Bestandteil der Arbeiterbewegung haben müssten, sollte von den studentischen Aktivisten genau geprüft werden. Die Wirkung, die Kampagnen für finanzielle Unterstützung, für affirmative action (Quotenregelungen für benachteiligte Gruppen) und universitäre Demokratie auf die Außenwelt haben, hängt jedenfalls entscheidend davon ab, ob sie auf sich selbst begrenzt sind oder das Ziel haben, Studentinnen und Studenten in neue Bündnisse einzubeziehen.


Sara Marcus
Die Autorin war während der Kämpfe in Yale aktiv im SLAC und unterrichtet heute am Oberlin College.
Aus: Against the Current Nr. 70 (September 1997).

Dieser Artikel erscheint in Inprekorr Nr. 316