1. Als Präsident Estrada seine Politik der Kriegstreiberei gegen die Islamische Befreiungsfront der Moro (MILF) auf Mindanao begann, glaubte er, den Krieg binnen weniger Wochen beenden zu können. Dafür mobilisierte er bis zu drei Viertel seiner bewaffneten Streitkräfte (Luftwaffe, Infanterie und Marine), die von Eliteeinheiten geführt wurden, die im Rahmen des Stationierungsabkommens US-amerikanischer Streitkräfte auf den Philippinen (Visiting Forces Agreement, VFA) in den USA trainiert worden waren.
2. Das Ziel dieses Krieges ist die militärische Schwächung der MILF, um sie an den Verhandlungstisch zu bekommen, wo die Regierung ihr ihre Friedensvorstellungen aufzwingen will. Unter Einsatz von aus den USA geliefertem modernstem Gerät (GPS-Systeme, Satellitenphotos, schwere Waffen) haben die philippinischen Streitkräfte die 47 Lager der MILF angegriffen, auch die Lager, wo die Brigade Alex Bongcayao der revolutionären proletarischen Armee, der bewaffneten Einheit der Rebolusyonaryng Partido ng Maggaqawa ng Pilipinos (Revolutionäre Arbeiterpartei der Philippinen, RPMP) ihre Kräfte an der Seite der MILF stationiert hat.
3. Seit mehr als 50 Jahren kämpft das Volk der Moro für sein Recht auf Selbstbestimmung. Es hat allen Kolonisatoren und Eindringlingen auf den Philippinen seit mehr als 300 Jahren seinen Widerstand entgegengesetzt. Sein Kampf für die Selbstbestimmung wird heute von der Islamischen Befreiungsfront der Moro und den Islamischen Bewaffneten Streitkräften Banga (FAIB) weitergeführt. Die RPMP unterstützt diesen Kampf des Volkes der Moro.
4. Der militärische Lösungsversuch von Estrada für ein Problem, welches kein militärisches ist, ist gescheitert. Er hat zur zwangsweisen Vertreibung von fast einer Millionen Menschen auf Mindanao, darunter viele Kinder und alte Leute, geführt, die heute gezwungen sind, in den Plastikzelten der "Evakuierungszentren" zu leben. Hunderte von Kindern sind bereits aus Mangel an Nahrung und ärztlicher Hilfe in den Lagern gestorben.
5. Die RPMP, die zusammen mit anderen fortschrittlichen Organisationen handelt, kämpft mit den drei auf Mindanao lebenden Völkern, den Moro, den Lumad (ein indigenes Volk) und der christlichen Mehrheit für das Ziel einer umfassenden Lösung der Probleme auf der Insel. Diese Aktivitäten haben schon zu bedeutsamen Fortschritten geführt, aber das Estrada-Regime und der US-amerikanische Imperialismus trachten zu verhindern, dass es weitere Fortschritte gibt.
6. Es ist kein Zufall, dass die militärische Offensive von Estrada auf ihrem Höhepunkt zu einem Wiederaufleben der fundamentalistischen islamischen Gruppe Abu Sayyaf geführt hat. Diese Gruppe hat Christen und ausländische TouristInnen auf einer malaysischen Insel, die in der Nähe von Mindanao liegt, in ihre Gewalt gebracht. Diese Tat zierte die Titelberichte der lokalen wie der internationalen Presse. Anfänglich hatte die Gruppe politische Bedingungen für eine Freilassung der Geiseln gestellt. Die Propaganda-Maschine der Regierung Estrada hat es geschafft, MILF und Abu Sayyaf in einen Topf zu werfen. Die terroristischen Handlungen der letztgenannten Gruppe haben der Regierung als Vorwand gedient, die Christen auf Mindanao zu bewaffnen und sie nicht nur gegen Abu Sayyaf, sondern auch gegen die MILF und die moslemische Bevölkerung allgemein zu mobilisieren. Christen und Moslems, die über eine lange Zeit friedlich zusammengelebt haben, wurden so gegeneinander aufgebracht.
7. Nachdem Tausende Menschen getötet worden sind und ihre Häuser und Pflanzungen massiv zerstört wurden, hat Estrada seinen militärischen Sieg verkündet, da er das wichtige Lager der MILF (Abuba kir) einzunehmen vermochte. Die Führung der Front hat daraufhin zum Djihad (heiliger Krieg) aufgerufen, mehr um ihr Land und ihre Sache zu verteidigen als ihre Lager. Ende Juli hat Estrada seine Vertreter zum Treffen der Minister der Organisation der islamischen Konferenz (OIC) in Kuala Lumpur geschickt, um zu verhindern, dass die MILF dort einen Beobachterstatus erhielt. Eine Woche später begab er sich in die Vereinigten Staaten, um von Präsident Clinton eine Erhöhung der Militärhilfe zu erbitten.
8. Die Kriegstreiberpolitik der Regierung Estrada richtet sich nicht allein gegen die MILF. Die strategische Rolle von Mindanao für den Erfolg des neoliberalen Projektes der kapitalistischen Globalisierung auf den Philippinen ist der wichtigste Kriegsgrund: Es ist ein Krieg gegen alle, die der kapitalistischen Globalisierung Widerstand entgegensetzen. Die RPMP ist eine der wichtigsten Kräfte, die für eine Beendigung dieses Krieges kämpfen, sowohl auf Mindanao wie auf den Philippinen insgesamt. Sie hat die Initiative für Friedenskonferenzen an der Basis vor Ort wie auf internationaler Ebene ergriffen und sie hat humanitäre Projekte ins Leben gerufen, die den vom Krieg entwurzelten Menschen helfen sollen.
9. Gegenwärtig führt die MILF eine Guerilla-Gegenoffensive gegen die Streitkräfte der Philippinen durch. Der Krieg hat die Ressourcen der Regierung aufgezehrt und das Haushaltsdefizit übersteigt das mit dem IWF ausgehandelte Niveau bereits um 30 Prozent. Auf dem Höhepunkt ihrer Militäroffensive hat die Regierung mehr als eine Million Dollar am Tag ausgegeben. Hierin liegt ein wesentlicher Grund für die Wirtschaftskrise auf den Philippinen.
10. Diese Krise hat sich im Verlauf der letzten drei Wochen verschärft, weil Präsident Estrada in einen schweren Skandal verwickelt ist. Jemand aus seiner Umgebung hat seine Verwicklung in geheime Geldtransaktionen öffentlich gemacht. Nun sieht sich Estrada im Kongress einem Amtsenthebungsverfahren ausgesetzt. Die bürgerlichen Parteien haben sich diesen Skandal zunutze gemacht, um ihn noch mehr zu schwächen.
11. In dieser schwierigen Situation ist es dringend notwendig, die Solidarität aller fortschrittlichen Parteien und Gruppen auf der Welt zu organisieren, um die Kriegspolitik der Regierung Estrada, die sie mit direkter und indirekter Unterstützung des US-amerikanischen Imperialismus gegen das Volk der Moro führt, zu beenden. Das Volk der Moro, das für seine Selbstbestimmung kämpft, und die fortschrittlichen Organisationen, die diesen Kampf führen, brauchen dringend unsere Unterstützung.
12. Die RPMP führt an der Seite des Volkes der Moro einen revolutionären Kampf für das politische Ziel der Selbstregierung, wobei die Organisierung der arbeitenden Klasse und der Bauern soweit entwickelt und gestärkt werden soll, dass der proletarische Inhalt dieses Selbstbestimmungsrechts gesichert wird. Die IV. Internationale spricht ihre volle internationalistische Solidarität mit den GenossInnen der RPMP aus und verpflichtet sich, ihre politische und materielle Unterstützung fortzusetzen.
Vom Internationalen Exekutivkomitee (IEK) der IV. Internationale am 30. Oktober 2000 einstimmig angenommen; der Vertreter der RPMP (die in den Gremien der Internationale einen Beobachterstatus hat) war anwesend.