Soziale Gerechtigkeit gegen Terrorismus

Terror gegen die Zivilbevölkerung verurteilen wir in jeder Form und unter allen Umständen. Das bedeutet heute vor allem, dass wir die Entführung von Zivilflugzeugen und die schrecklichen Bombardierungen verurteilen, die Tausende von Menschenleben gefordert haben. Wie alle sind wir sprachlos angesichts des bloßen Ausmaßes dieses Massenmords und zugleich tief bewegt von der Solidarität und dem gemeinsamen Handeln der Menschen auf den Straßen New Yorks, die sich in dieser Katastrophe gegenseitig helfen.

Wir sind Sozialistinnen und Sozialisten und revolutionäre Gegner des US-Imperialismus. Als solche setzen wir auf die Entwicklung des Bewusstseins der Bevölkerung - vor allem der arbeitenden Klasse, der Mehrheit der Gesellschaft -, um diesem System von Ausbeutung und Beherrschung der Welt entgegen zu treten. Unsere Art des Kampfs hat nichts gemein mit dem Vorgehen derer, die terroristische Waffen gegen die Gesellschaft einsetzen, seien es nun einheimische Faschisten wie [der Oklahoma-Attentäter, d.Üb.] Timothy McVeigh, Agenten des Staatsterrorismus oder Kräfte, die sich selbst zu Vertretern der unterdrückten Völker der Welt ausrufen.

Die Angriffe des 11. Septembers sind ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit von Weltrang. Ohne jede Einschränkung verurteilen wir diese Taten und die Täter, wer auch immer sie gewesen sein mögen. Die Tausende arbeitender Menschen, die im World Trade Center verbrannten, sind unschuldig an den Verbrechen des Imperialismus, genauso wie die Hunderte afrikanischer Zivilisten, die 1998 in den Straßen von Tansania und Kenia bei den Attentaten auf die dortigen US-Botschaften starben.

Diese Angriffe sind nicht nur ein Abschlachten unschuldiger Menschen, sie sind auch ein schwerer Schlag gegen die Kämpfe für soziale Gerechtigkeit - vom palästinensischen Kampf für Selbstbestimmung bis zu den Mobilisierungen gegen die Institutionen des globalen Kapitalismus.

Wir verurteilen Terrorakte auch, wenn sie von unserer eigenen Regierung verübt werden. Flüchtlingslager und Städte in Palästina werden von amerikanischen F-16-Flugzeugen und Hubschraubern zerstört, die von den Vereinigten Staaten an die israelischen Verteidigungsstreitkräfte geliefert wurden. Beim US-Bombardement auf Bagdad wurde absichtlich auch die der Wasser- und Stromversorgung zerstört, von der die Zivilbevölkerung abhängig ist. Und die Sanktionen gegen den Irak fordern 5000 Todesopfer unter den irakischen Kindern jeden Monat - was etwa dem geschätzten Gemetzel im World Trade Center entspricht.

Wer für soziale Gerechtigkeit eintritt, darf nicht vergessen, dass der 11. September auch der 28. Jahrestag eines der größten Terrorakte der jüngeren Geschichte ist: des US-geförderten Pinochet-Putschs in Chile, der eine Herrschaft des Massenmords gegen die Arbeiterbewegung und die Bevölkerung des ganzen Landes entfesselte.

Die Attentäter des 11. Septembers haben nichts gemein mit den Kämpfen der unterdrückten Völker. Trotzdem ist es tragische Realität, dass viele Menschen in der Welt im "Erfolg" dieser Greueltaten etwas gesehen haben, dem sie meinten applaudieren zu können - Menschen, die jede Hoffnung auf ein besseres Leben für sich und ihre Kinder in einer von den Vereinigten Staaten beherrschten Welt verloren haben. Erinnern wir uns, dass diejenigen, die vom Rassismus und den Institutionen des globalen Kapitalismus unterdrückt sind, zu den Opfern des Terrorismus zählen, nicht zu den Tätern.

Deshalb ist es um so wichtiger, dass die Menschen in den Vereinigten Staaten der US-Regierung nicht die freie Hand geben, die sie wünscht, um im Namen eines umfassenden Schlags gegen den Terrorismus Vergeltung an den Opfern des US-dominierten globalen Kapitalismus zu üben.

Um den wichtigsten Punkt noch einmal zu unterstreichen: Die enormen Verbrechen der US-Regierung können durch gewaltsame Angriffe auf einfache Menschen dieses Landes nicht wiedergutgemacht werden. Genauso wenig kann Gerechtigkeit durch Vergeltungsschläge des US-Militärs erreicht werden, denen die Bevölkerung irgendwelcher Ländern zum Opfer fällt, deren Regierungen am Ende für das Verbrechen des 11. September für schuldig erachtet werden.

Wir rufen alle Menschen auf, der von Medien und Regierung geschürten Hysterie zu widerstehen, deren Ziel es ist, dem politischen und militärischen Establishment der Vereinigten Staaten freie Hand für eine neue Runde massiver Gewalt zu geben.

Wir alle sollten die Gefahr schwerer Einschränkungen der demokratischen Rechte im Namen der nationalen Sicherheit fürchten und diese nicht akzeptieren. Wir sollten uns gegen Versuche stellen, arabische Amerikaner zur Zielscheibe von Übergriffen und Dämonisierung zu machen, und gegen die mögliche Zerschlagung der Bewegung für globale Gerechtigkeit. Dies würde unweigerlich zu einer neuen Repressionswelle führen, die sich gegen die Rechte der Arbeiterbewegung in den Vereinigten Staaten richtet.

Die Unterdrückung von demokratischen Freiheiten und Bürgerrechten kann nur durch den Willen der Bevölkerung zum Widerstand dagegen begrenzt werden. Wer für soziale Gerechtigkeit eintritt, für den ist jetzt nicht die Zeit sich zu verstecken, sondern einzutreten für Demokratie und die Werte unseres Kampfs - eines Kampfs für eine Welt, die so organisiert ist, dass sie wirklich das Leben jedes Menschen hochschätzt; höher als den Profit.

Diese Erklärung wurde vom Politischen Komitee von Solidarity am 13. September 2001 herausgegeben. Solidarity ist eine revolutionäre, sozialistische, demokratische, feministische, antirassistische Organisation in den USA.
Übersetzung: Björn Mertens
Quelle: http://www.igc.org/solidarity/pc_september11.html



Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von Inprekorr.