Britannien

Licht und Schatten der neuen Linken

Terry Conway

Bei den Gemeinderatswahlen von Anfang Mai 2002 hat die "Socialist Alliance" [1] in England bemerkenswerte Erfolge erzielen können. Diesen Wahlergebnissen ist eine außerordentlich erfolgreiche Gewerkschaftskonferenz im März diesen Jahres vorausgegangen. Über 1000 Aktive nahmen an ihr teil. Dies sind beachtliche Errungenschaften für eine Organisation, die in ihrer gegenwärtigen Form nur wenig mehr als zwei Jahre existiert.

Während die Angriffe von New Labour auf die ArbeiterInnenklasse weitergehen, hat die Socialist Alliance sich für den Sommer und den Herbst ein ehrgeiziges Programm von Aktivitäten vorgenommen. Vor kurzem hat ein Folgetreffen von Gewerkschaftsaktiven stattgefunden, dem im Oktober eine Konferenz zur Positionsbestimmung zu Europa und dem Euro sowie im November eine Konferenz über "Globalisierung und neuer Imperialismus" folgen werden, die hauptsächlich für junge Menschen organisiert wird. Zugleich tritt die Organisation weiter in den sozialen Bewegungen auf - beispielsweise in der Solidarität mit dem palästinensischen Volk, gegen einen Irak-Krieg oder einen Krieg zwischen Indien und Pakistan und zur Verteidigung von Asylsuchenden.

Diese Aktivitäten finden nicht nur auf nationaler Ebene statt, wo die "Socialist Alliance" auf Demonstrationen und Mahnwachen mit Plakaten, Transparenten und Flugblättern in Erscheinung tritt, sondern auch auf örtlicher Ebene. Genossinnen und Genossen machen regelmäßig Informationsstände auf der Straße zu den nationalen Themen wie zu örtlichen Beispielen von Privatisierungen oder anderen Aspekten neoliberaler Politik wie dem Verkauf von Häusern der Gemeinden oder der Schließung von kommunalen Einrichtungen.

Viele Flugblätter, die von örtlichen Allianzen herausgegeben wurden, fingen mit einem Abschnitt zum Thema an "we are not going away" ["wir bleiben nicht weg/wir geben nicht auf"]. Eine wichtige Aussage unter zweierlei Gesichtspunkten: Zu den hohen Prozentsätzen der Nichtteilnahme bei den letzten Wahlgängen hat beigetragen, dass Politiker als Opportunisten betrachtet werden, die nur dann mit der Wählerschaft reden, wenn sie Stimmen haben wollen. Daher ist es für die "Socialist Alliance" wichtig zu zeigen, dass sie anders ist als die Parteien des Mainstream. Sie muss beweisen, dass sie in Basisorganisationen zur Bekämpfung des Neoliberalismus am Arbeitsplatz und im Stadtteil mitarbeitet, dass sie nicht bloß eine Wahlorganisation ist.

Der zweite Grund, weshalb diese Feststellung wichtig ist, besteht darin, dass die "Socialist Alliance" nach den letzten Unterhauswahlen das Ziel nicht wirklich erreicht hat, das sie sich jetzt selber steckt (ich komme später auf diesen Punkt zurück).

DIE ENTWICKLUNG DER "SOCIALIST ALLIANCE"

Die "Socialist Alliance" ist auf Wahlebene zum ersten Mal bei den Wahlen zu der neu geschaffenen "London Assembly" [2] im Mai 2000 größer in Erscheinung getreten. Es war eine Zeit von enormer politischer Bewegung. Drei Jahre nach der Wahl von New Labour hatte Premierminister Tony Blair dafür gesorgt, dass der nonkonformistische Labour- Linke Ken Livingstone von einem zurechtgestutzten Gremium, das den Labour-Kandidaten auswählt, nicht aufgestellt wurde.

Livingstone erklärte, er werde als Unabhängiger antreten, und erzielte einen klaren Sieg (53 %). Er trat jedoch nicht mit Kandidaten oder Kandidatinnen zu der zahnlosen "Assembly" an. [3] Die "Socialist Alliance" stellte eine komplette Liste auf und trat außerdem in allen innerstädtischen Wahlkreisen an. Die Ergebnisse konnten sich sehen lassen, denn ihr kamen die Wut über Blairs Manöver gegen Livingstone und die zunehmende Desillusionierung wegen der gebrochenen Versprechen von Labour zugute.

Diese Wahlkampagne fiel mit der Entscheidung der "Socialist Workers Party" (SWP), der größten Organisation der radikalen Linken in Britannien, zusammen, sich mit bedeutenden Kräften in der "Socialist Alliance" zu engagieren. Das stellte seitens der SWP mehr als einen organisatorischen Schwenk dar; sie hatte über 15 Jahre lang recht weitgehend isoliert von dem Rest der Linken operiert, was längerfristig angelegte Kampagnen oder Bündnisse angeht. Diese Vergangenheit bedeutete, dass es in der übrigen Linken, ob organisatorisch gebunden oder nicht, ein beträchtliches Misstrauen ihnen gegenüber gab. Von daher war die Beteiligung der SWP, die mit der vertieften Krise von New Labour wegen der Livingstone- Affäre zusammenfiel, ein deutliches Zeichen für eine positive Entwicklung.

Dann stellte die Allianz im Juni 2001 bei den allgemeinen Unterhauswahlen 200 Kandidatinnen und Kandidaten auf. In vielerlei Hinsicht war dies eine größere Herausforderung als die Wahl zur GLA, organisatorische Anstrengungen im gesamten Land waren erforderlich. Doch die Spannungen innerhalb der Allianz nahmen zu. Vor den Wahlen zur GLA war die "Socialist Party" die größte Organisation der radikalen Linken, die an der Allianz beteiligt war. Die Beteiligung der SWP stellte für sie eine Herausforderung dar, insbesondere zu einer Zeit, wo es in ihrer eigenen internationalen Organisation, dem "Committee for a Workers' International" (CWI, Komitee für eine Arbeiterinternationale, KAI), recht hoch herging. Die Mehrheit ihrer schottischen Genossinnen und Genossen war wegen Meinungsverschiedenheiten sowohl wegen des internen Funktionierens als auch aufgrund der Entwicklungsrichtung der "Scottish Socialist Party" (SSP) aus dem KAI ausgeschieden. Die "Socialist Party" reagierte eindeutig negativ auf die Beteiligung der SWP an der "Socialist Alliance", die sie als ihr "Territorium" betrachtete. Sie verlangte, dass ihren Mitgliedern in einer Reihe von Wahlkreisen vorab, ohne Abstimmung der örtlichen Mitglieder der Allianz, Kandidaturen zugesichert werden und dass es ihre Sache sei zu bestimmen, wie die Kampagne dort zu führen ist. Niemand sonst war über diese Forderung glücklich, durch die die anderen Anhänger und Anhängerinnen der Allianz in diesen Gebieten um ihre Rechte gebracht wurden. Dennoch wurde entschieden, diesem Ultimatum nachzugeben, um zu verhindern, dass die SP die Allianz verließ. Außerdem war die Organisation noch schwach, sie war noch nie zu einer Parlamentswahl angetreten und hätte eine Spaltung womöglich nicht überlebt.

Die Wahlkampagne ließ die Allianz als nationale Organisation auf die Bühne treten und hatte den Beitritt einer beträchtlichen Zahl von neuen Mitgliedern zur Folge, darunter viele, die von der Labour Party zur Allianz übertraten. Darunter waren Stadtratsmitglieder und langjährige Aktive aus verschiedenen Bereichen sowie Liz Davies, früher Mitglied der "National Exekutive", dem Parteivorstand der Labour Party, die jetzige Vorsitzende der "Socialist Alliance". Das war das Wichtigste, was die Allianz bei dieser Wahl erreichte. Es war weit bedeutsamer als die Ergebnisse an den Urnen, die nicht sonderlich spektakulär waren.

AUSEINANDERSETZUNGEN MIT DER SWP

Nach der Wahl hatte die Allianz gewisse Schwierigkeiten. Allen, die zentral an der Organisation beteiligt waren, war es klar, dass der Waffenstillstand mit der "Socialist Party" nicht für immer andauern würde. Er war notwendig gewesen, um durch den Wahlkampf zu kommen und uns als eine nationale Kraft zu etablieren, doch von nun an wirkte er als eine Hürde für die weitere Entwicklung der Allianz. Hinzu kam, dass die Organisation in jedem Fall über ihre Satzung hinausgewachsen war, die für eine kleinere, losere Organisation geschrieben worden war, und zu einer Zeit als der Raum links von Labour sich noch nicht so weit aufgetan hatte. Es gab also eine Verständigung darüber, dass im Dezember 2001 eine Satzungskonferenz stattfinden sollte. Während die Vorbereitungen hierfür auf nationaler Ebene eine Menge Energie beanspruchten, lief es vor Ort nicht so gut. Örtliche Gruppen hatten aufgrund der Erschöpfung nach der Wahlkampagne Schwierigkeiten. Als die Sommerpause dann gerade dem Ende entgegenging und Diskussionen begannen, wie Aktivitäten ausgerichtet werden sollten, war die "Socialist Alliance" mit der Frage konfrontiert, welche Position sie zum 11. September und dem einsetzenden Kriegskurs des US- und des britischen Imperialismus beziehen soll.

Ergebnisse der radikalen Linken bei Gemeindewahlen

Bei den Gemeindewahlen vom 2. Mai ging es um die Neuwahl von 60 000 Ratsmitgliedern durch etwa 20 Millionen Menschen, also die Hälfte der Wählerschaft. Die "Socialist Alliance" stellte 209 Kandidatinnen und Kandidaten auf; hinzuzählen muss man die 30 Plätze, die vereinbarungsgemäß für die "Socialist Party" reserviert waren (bevor sie aus dem gemeinsamen Rahmen ausgeschieden ist). Bei diesen Wahlen gab es eine besonders hohe Zahl von Nichtwählerinnen und Nichtwählern.

In den Wahlkreisen, wo die "Socialist Alliance" antrat, erhielten Kandidatinnen und Kandidaten 5 bis 10 % der abgegebenen Stimmen. Zwar waren die meisten Ergebnisse eher bescheiden, in einer Reihe von Wahlkreisen waren aber bemerkenswerte Ausreißer nach oben zu verzeichnen, und zwar bis zu 20 % stellenweise sogar bis 50 %.

Die "Socialist Party", die als einzige Kraft bereits Ratsabgeordnete hatte, verlor zwei Sitze und behielt ebenfalls zwei: in Coventry, wo Dave Nellist 52,8 % erhielt, und in Lewisham. In drei weiteren Orten bekam sie zwischen 20 und 30 %. Sie äußerte sich jedoch enttäuscht über ihre übrigen Ergebnisse, die sich im Rahmen der Spannweite der "Socialist Alliance" bewegen; Hannah Sell erklärte: "Diese Stimmenzahl spiegelt nicht die begeisterte Zustimmung wider, die Tausende von Menschen uns bei der Kampagne von Haustür zu Haustür entgegengebracht haben. Die Zustimmung kommt in der überwältigenden Zahl von Zeitungen, die wir bei diesen Wahlen verkauft haben, viel besser zum Ausdruck."

Die "Socialist Alliance" hat bei diesen Wahlen ihre bislang besten Ergebnisse bekommen, auch unter Berücksichtigung der niedrigen Wahlbeteiligung. In einigen Wahlkreisen wie Hackney, Wigan und Walsall liegen sie über 20 %, womit die Zahl der Stimmen gegenüber den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr verdoppelt bzw. in Wigan im Nordwesten von England verdreifacht wurde; dort erhielt Barry Conway 326 Stimmen oder 21,4 %.

In Greater London ging es um 88 Mandate, hier erhielt die "Socialist Alliance" durchschnittlich 7,5 %, also das Doppelte von dem Ergebnis bei den Wahlen zur "London Assembly" vor zwei Jahren. Bezeichnenderweise lag die Allianz in 10 von den 13 Wahlbezirken, in denen sie angetreten ist vor den Tories, mit zwischen 9,2 und 20,8 %. Diese 20,8 % erzielte der bekannte Journalist Paul Foot mit 487 Stimmen, gefolgt von Polly Matcham mit 356 Stimmen (=19,1 %) in Hackney Downs sowie Richard Peacock mit 327 Stimmen (=16,3 %) in Leacock.

 
Es gab jedoch nicht nur das Problem, wie auf diese Entwicklungen in der internationalen Politik zu reagieren war, sondern auch wie mit Meinungsverschiedenheiten in den eigenen Reihen umzugehen war, welche Rolle sie in der entstehenden Antikriegsbewegung spielen soll. Unmittelbar nach den Angriffen auf das World Trade Centre nahm die SWP zu prominenten Personen aus der Friedensbewegung und der Labour- Linken Kontakt auf und organisierte eine große Kundgebung gegen den drohenden Krieg. Das geschah in ihrem eigenen Namen, die "Socialist Alliance" als solche wurde nicht zur Beteiligung eingeladen, auch wenn es dann nach scharfen internen Auseinandersetzungen innerhalb der Allianz einen Redebeitrag der Allianz auf der Kundgebung gab.

Das war ein Beispiel für die Schwierigkeiten, die es auch schon vor dem 11. September gegeben hatte, die aber durch dieses verheerende Ereignis deutlicher sichtbar wurden. Die SWP verstand zwar das Potenzial der "Socialist Alliance" als eine Reaktion auf den neu entstandenen Raum, der auf Wahlebene links von New Labour entstanden war, sie wollte es aber auf den Bereich der Wahlen beschränken. Sicher war es richtig, dass die Antikriegsbewegung mit weitaus breiteren Kräften aufgebaut werden musste, als sie für die Allianz selber gewonnen worden waren. Dasselbe konnte in Bezug auf andere Einheitsfronten gesagt werden, an denen die SWP in dieser Zeit zunehmend beteiligt war, so die "Campaign to Defend Asylum Seekers" (Kampagne zur Verteidigung von Asylsuchenden) und die "Campaign to Defend Council Housing" (Kampagne zur Verteidigung kommunalen Wohneigentums) sowie natürlich in der Antiglobalisierungsbewegung, die bei der Wende der SWP im Mittelpunkt gestanden hatte. Der steile Niedergang der Labour- Linken sowie der kommunistischen Partei hatte zur Folge, dass die radikale Linke - und vor allem die SWP als ihr größter Bestandteil - bei solchen Entwicklungen eine zentralere Rolle spielen konnte, als es wenige Jahre vorher der Fall gewesen wäre.

Dies bedeutete, dass die SWP-Führung sich darum bemühen musste, ihre Mitgliedschaft mit neuen Arbeitsformen vertraut zu machen. Von Mitte der achtziger Jahre bis zur Jahrtausendwende hatten sie ihre Organisation mittels Zeitungsverkaufen und Propaganda aufgebaut, weniger über eine durchgängige Beteiligung an der Massenbewegung. Mit Ausnahme einer kleinen Zahl von Kadern, die seit der vorhergehenden Periode dabeigeblieben war, hatte die SWP keine wirkliche Erfahrung in der Zusammenarbeit mit breiteren Kräften. Nun musste alles anders werden. Es stand also eine Überprüfung des Ansatzes der Einheitsfront an, wobei die SWP die Allianz als eine unter mehreren Einheitsfronten betrachtete, mit ihrem besonderen Tätigkeitsbereich - Wahlen. Das Nichtbegreifen der Tatsache, dass die Allianz nicht auf dieselbe Art zu verstehen ist wie andere Einheitsfronten, führte zu Spannungen mit den anderen beteiligten Gruppierungen der radikalen Linken, aber auch mit vielen der wichtigen Personen, die keiner sonstigen politischen Organisation angehören. Der 11. September ließ diese Spannungen in den Vordergrund treten, dann wurde die Mobilisierung gegen den Krieg in Afghanistan zu der großen Priorität für die gesamte Linke.

Es gab weitere Probleme - die SWP steckte enorme Kräfte in die Antikriegsbewegung und tendierte dazu, die Allianz in den Hintergrund treten zu lassen. Das machte einigen örtlichen Gruppen der Allianz arg zu schaffen. Es gab außerdem Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Allianz, zwei kleine linke Gruppierungen kritisierten das Bündnis "Stop the War", weil es sich nicht gegen den Fundamentalismus stellte, gemeint war die Beteiligung der großen und sich radikalisierenden moslemischen Gemeinschaft...

RÜCKZUG DER "SOCIALIST PARTY"

In dieser Zeit liefen die Vorbereitungen für die Satzungskonferenz weiter, und die Spannungen mit der "Socialist Party" wurden schärfer. Unter allen anderen Parteien gab es ein Einverständnis darüber, dass eine Abmachung wie diejenige, die der "Socialist Party" bei der Unterhauswahl ihre eigenen Lehen zugebilligt hatte, nicht wieder eingegangen werden soll. Es wurde eine Satzung entworfen, die von einer individuellen Mitgliedschaft ausgeht, jedes Mitglied hat bei der Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten zu Wahlen eine Stimme. Die Führung der "Socialist Party" weigerte sich, das mitzumachen, und nachdem ihr föderalistischer Satzungsentwurf abgelehnt worden war, verließ ihre Anhängerschaft die Satzungskonferenz vom 1. Dezember 2001 und die "Socialist Alliance".

Nach dieser Spaltung setzte sich die Allianz zwei wichtige Ziele. Außer der Beteiligung an den Kommunalwahlen kam man überein, am 16. März eine größere Gewerkschaftskonferenz zu organisieren. Dabei stand die Debatte um die Nutzung der politischen Fonds der Gewerkschaften im Mittelpunkt, die in den Gewerkschaften eingesetzt hat. Die meisten britischen Gewerkschaften zahlen aus diesen Fonds beträchtliche Summen an die Labour Party. Im einzelnen variieren die Bestimmungen unter den einzelnen Gewerkschaften. Generell gilt das Prinzip, dass dieses Geld nicht für Zuschüsse an irgendeine andere Partei oder Wahlkandidatur verwendet werden darf. Da New Labour nun weiterhin Privatisierungen vorantreibt, gewerkschaftsfeindliche Gesetze [aus der Thatcher- Regierungszeit] weiterbestehen lässt und auf vielfältige andere Art und Weise nicht den Bestrebungen ihrer traditionellen Basis entspricht, ist diese Praxis zunehmend in Frage gestellt worden. Bei den Gewerkschaftstagen im Jahr 2001 hat eine ganze Reihe von größeren Gewerkschaften Resolutionen verabschiedet, in denen eine Änderung oder Überprüfung dieser Regelung vorgesehen ist.

Die Konferenz, auf der es einen Tagesordnungspunkt zum Kampf gegen Privatisierungen gab, wurde zu einem riesigen Erfolg. Sie machte es möglich, dass die Allianz in den Gewerkschaften an Profil gewonnen hat und Aktive erreichte, die sich primär als Gewerkschaftsaktive verstehen.

GEGENSCHLAG DER GEWERKSCHAFTSBÜROKRATIE

Die Konferenz hat die Organisation zugleich in eine bessere Position versetzte, um dem Gegenschlag der Gewerkschaftsbürokratie und der Presse etwas entgegenzustellen. Die rechten Gewerkschaftsführer waren weder auf ihre Niederlagen im Hinblick auf die politischen Fonds im Jahr 2001 vorbereitet, noch darauf, dass Organisationswahlen dazu geführt haben, dass in einer Reihe von Gewerkschaften klassenkämpferische Aktive zu Generalsekretären gewählt worden sind.

Dieser Gegenschlag hat dazu geführt, dass die weitestgehende Resolution in Bezug auf die Finanzierung der Labour Party, die der Feuerwehrgewerkschaft, auf dem Gewerkschaftstag 2002 wieder zurückgenommen wurde. Er hatte auch einen Versuch zur Folge, einen der neuen Gewerkschaftsvorsitzenden, Mark Serwotka von der Dienstleistungsgewerkschaft [4] , über juristische Manöver seitens der rechten Fraktion dieser Gewerkschaft aus dem Amt zu entfernen.

Andererseits ist für die Rechten nicht alles nach ihren Vorstellungen gelaufen. Auf dem Gewerkschaftstag der Gewerkschaft im öffentlichen Dienst UNISON, der größten britischen Gewerkschaft, hat der Vorstand unlängst in der Frage der Finanzierung der Labour Party erneut eine Niederlage einstecken müssen. Es wurde zwar nicht beschlossen, die Bezuschussung von New Labour zu beenden oder eine andere politische Partei finanziell zu unterstützen, es wurde aber eine gründliche Prüfung dieser Angelegenheit beschlossen und der Versuch der Bürokratie, nur eine halbherzige Überprüfung vorzunehmen, als unzureichend erachtet.

Inzwischen hat eine andere große Gewerkschaft, die GMB, ihre Gelder für Labour beträchtlich gekürzt; der entsprechende Betrag wird statt dessen für den Kampf gegen Privatisierungen eingesetzt. Am spektakulärsten ist der Beschluss des Gewerkschaftstags der "Rail, Maritime and Transport union" (RMT), nicht nur ihre pauschale Zahlung zu streichen, sondern auch kein Geld mehr an eine Reihe von prominenten Abgeordneten zu geben. Diese Abgeordneten, darunter der stellvertretende Premierminister John Prescott, lehnten es kontinuierlich ab, die Politik der Gewerkschaft zu unterstützen, zu der die Wiederverstaatlichung der Eisenbahn und die Gegnerschaft zur Privatisierung der Londoner U-Bahn gehört. Unter der neuen linken Führung von Bob Crow, einem ehemaligen Mitglied der "Socialist Labour Party", erklärte die RMT, sie werde nur für solche Labour-Kandidaten und -Kandidatinnen Geld geben, die ihre Forderungen unterstützen.

Ebenso wichtig wie diese Debatte war eine gewisse Entwicklung im Klassenkampf selber. Während die Gesamtzahl der wegen Streiks "verlorenen" Tage nach wie vor auf einem historisch niedrigen Niveau liegt, hat es eine Reihe von kurzfristigen Lohnstreiks gegeben, vor allem in London. Für die Mehrzahl der niedrig entlohnten Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist es zunehmend unmöglich geworden, sich ein Leben in der Hauptstadt zu leisten, nicht nur wegen der Lebenshaltungskosten insgesamt, sondern vor allem wegen astronomischer Ausgaben für das Woh- nen. Dies hat Lehrer und Lehrerinnen, Gemeindeangestellte, Weiterbildungsdozenten und -dozentinnen oder Feuerwehrleute veranlasst, für eine bessere Bezahlung in Aktion zu treten.

Die "Socialist Alliance" ist in allen diesen Auseinandersetzungen aktiv gewesen; im allgemeinen hat sie als Teil von breiteren linken Strömungen gearbeitet, sie sucht nicht an deren Stelle zu treten, sondern als eine Kraft in ihnen zu handeln. Die "Socialist Alliance" hat bei allen größeren Gewerkschaftskonferenzen "fringe meetings" [vergleichbar mit den "Parteiabenden" auf deutschen Gewerkschaftstagen] organisiert. Und eine Versammlung von Aktiven im Juni sollte zu einem weiteren Ausbau ihres Auftretens in den Gewerkschaften führen.

Die "Socialist Alliance" wurde durch ihre Wahlerfolge bei den Gemeindewahlen und durch ihre verbesserte Verankerung und kollektive Organisierung in den Gewerkschaften gestärkt. Nun steht die Aufgabe an, hierauf aufzubauen und weiter den Angriffen des Blairismus auf die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten auf nationaler und lokaler Ebene entgegenzutreten.

NICHT NUR EIN WAHLBÜNDNIS

In der letzten Zeit hat die Allianz ihre Verbindungen zu ähnlichen Organisationen in Europa ausbauen können. Genossen von "Rifondazione Communista" haben auf der Satzungskonferenz im Dezember 2001 gesprochen, und im Frühjahr entsandte die Allianz eine gewichtige Delegation zu ihrem Parteitag.

Die "Socialist Alliance" war auf drei Konferenzen der europäischen antikapitalistischen Linken vertreten; vor der Konferenz, die im Juni in Madrid stattfand, waren die Delegationen jedoch ausschließlich aus Mitgliedern der SWP und der ISG (International Socialist Group), der britischen Sektion der IV. Internationale, zusammengesetzt. Die Anwesenheit von Will MacMahon, eines führenden Unabhängigen, in Madrid und seine Begeisterung für diesen Prozess sind ein wichtiger Schritt für das Verständnis, dass der Prozess, der zu der Entwicklung der Allianz geführt hat, Teil von breiteren Entwicklungen in Europa ist.

Die nächsten Tests werden darin bestehen, dass die Allianz eine sozialistische Kampagne gegen den Euro führt und sich an die radikalisierende Jugend wendet. Die Auseinandersetzung um den Euro wird in mehrerer Hinsicht wichtig werden. Es ist mehr oder minder unvermeidlich, dass die Allianz die Position beziehen wird, bei dem Referendum für ein "Nein" aufzurufen, in Anbetracht dessen, dass dies die Position der SWP, der größten Gruppierung in die "Socialist Alliance", ebenso wie der ISG und vieler beteiligter Unabhängiger ist. Es gibt allerdings eine nicht unerhebliche Strömung, zu der drei kleinere Gruppierungen der radikalen Linken und einige Unabhängige gehören, die für einen "aktiven Boykott" des Referendums aufrufen, sowie eine ganz kleine Zahl von Unabhängigen, die für ein Abstimmen mit "Ja" sind. Die Allianz wird nicht nur im Oktober eine Konferenz abhalten, um ihre Position zu beschließen, sondern vorher auf örtlicher Ebene Debatten über die verschiedenen Positionen durchführen. Darauf wird sich die politische Diskussion ausrichten, wobei es gelegentlich schwierig ist zu erreichen, dass insbesondere die SWP dies als eine Priorität begreift.

Der Beschluss, eine Konferenz zum Thema "Globalisierung und neuer Imperialismus" durchzuführen, ist womöglich eine noch größerer Schritt nach vorn. Eine der größten Schwächen der Organisation war bisher ihr Altersdurchschnitt, ihre geringe wirkliche Verbindung mit der "Generation von Seattle". Diese Schwäche ist zum Teil Resultat dessen, dass die Stärken der "Socialist Alliance" bislang eher bei Wahlen gelegen haben, in geringerem Maß in Organisierung in den Gewerkschaften. Das sind im wesentlichen nicht die Bereiche, in denen sich Jugendliche politisch betätigen. Ein zusätzlicher Faktor ist die Haltung der SWP. Sie hat nicht nur dazu tendiert, die Allianz hauptsächlich als eine Wahlorganisation zu betrachten, sondern hat gleichzeitig "Globalise Resistance" als die Organisation aufgebaut, in der Aktive aus der Generation von Seattle mitmachen sollen. Dies zeigt sich deutlich daran, dass ihre studentischen Genossinnen und Genossen kaum in der Allianz mitarbeiten, sondern "Globalise Resistance" die Priorität geben.

Der Beschluss zur Organisierung dieser Konferenz ist ein wichtiger Schritt, diese Aufteilung zu überwinden; er erfolgt gleichzeitig mit der Arbeit zur Vorbereitung des Europäischen Sozialforums (ESF) in Florenz, wobei die Allianz selber daran beteiligt ist. Zunächst waren einige von uns dafür eingetreten, dass die Konferenz der Allianz vor Florenz stattfinden und dazu genutzt werden soll, die Allianz unter Jugendlichen, die sich vom ESF angezogen fühlen, aufzubauen. Der Zeitplan wurde jedoch zu voll, und eine Veranstaltung, die kurz nach Florenz stattfindet, kann die gleiche politische Rolle erfüllen. In jedem Fall ist es ein bedeutender Sieg, dass es gelungen ist, die SWP davon zu überzeugen, für diese Initiative zu stimmen. Es wird jedoch notwendig sein, dass wir uns weiter dafür einsetzen, diese Verpflichtung wirklich umzusetzen und zu erreichen, dass die "Socialist Alliance" unter jungen Menschen, die zum ersten Mal politisch aktiv werden, eine wirkliche Kraft in der Antiglobalisierungs- und der Antikriegsbewegung wird.

Aus dem Englischen übersetzt von Friedrich Dorn.
Die Anmerkungen wurden im wesentlichen aus einer französischen Übersetzung einer anderen Fassung übernommen, die in
Inprecor von Juli/August 2002 erschien.



[1] In der "Socialist Alliance" arbeiten individuelle Mitglieder und mehrere Organisationen der radikalen Linken, darunter die "Socialist Workers Party" (SWP), die "International Socialist Group" (ISG), "Worker's Power, "Worker's Liberty", die "Communist Party of Great Britain" (CPGB), "Independent Labour Network" (ILN). Die "Socialist Party" (früher: "Militant Tendency" in der Labour Party) war ursprünglich Teil der Allianz und ist im Dezember 2001 ausgetreten.
[2] Der ehemalige "Greater London Council" (GLC), der 1964 geschaffen worden war, hatte große Befugnisse; unter dem Vorsitz von Ken Livingstone war er eine Bastion des Widerstands gegen die Thatcher-Politik. Sie ließ ihn 1985 abschaffen. 1998 wurde er in Form der "Greater London Authority" (GLA) wieder eingeführt; zur GLA gehören ein Ratsgremium, die "Assembly", und ein direkt gewählter Bürgermeister.
[3] Die Befugnisse des neuen Bürgermeisters von London wurden beträchtlich vermindert; die "boroughs" (Bezirke) behalten beträchtliche Spielräume und vor allem eigenständige Steuereinnahmen, die GLA dagegen nicht, sie ist vom Zentralstaat abhängig, was ihre Einnahmen betrifft.
[4] Die "Public and Commercial Services union" (PCS) ist mit 280 000 Mitgliedern die größte Gewerkschaft im öffentlichen Dienst. In Britannien gibt es ca. 500 000 Staatsangestellte.

Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 370 (September/Oktober 2002).