Ende Februar hat in Europa die erste Plenarsitzung des Internationalen Komitees (IK) stattgefunden, des Leitungsgremiums der IV. Internationale zwischen zwei Weltkongressen.
P. D.
Vier Tage hat das auf dem 15. Weltkongress im Februar 2003 gewählte IK diskutiert, und zwar dank des Einsatzes derjenigen, die für die Simultanübersetzungen gesorgt haben, auf englisch, französisch, spanisch, portugiesisch, singhalesisch und arabisch. Außer rund sechzig anwesenden Mitgliedern haben Beobachter von Organisationen, die in solidarischen Beziehungen zur IV. Internationale stehen, an den Debatten teilgenommen -- von dem "International Socialist Movement" (ISM, der wichtigsten Tendenz innerhalb der Scottish Socialist Party), "Democratic Socialist Perspective" (DSP, der größten Strömung in der australischen Socialist Alliance) und von der "International Socialist Organisation" (ISO, USA).
Ein Jahr nachdem der Weltkongress Resolutionen über die neue Weltlage und die Aufgaben der IV. Internationale verabschiedet hatte, bot das Plenum des IK Gelegenheit zu einer ersten Überprüfung der seinerzeit abgestimmten Thesen. Nach einer Einleitung von François Ollivier hat sich die Diskussion insbesondere auf die Bedeutung der "bewaffneten Globalisierung" und die Einschätzung der innerimperialistischen Widersprüche sowie auf die anhaltende Unfähigkeit des Kapitals, eine stabile "neue Weltordnung" herzustellen, auf die sozialen und politischen Krisen, die durch die Herrschaft des Finanzkapitals hervorgerufen werden, auf die Legitimationskrise des Neoliberalismus und seiner sozialliberalen Variante und auf die Einschätzung der neuen politischen Räume für den Aufbau einer radikalen antikapitalistischen Linken bezogen.
Ein besonderer Tagesordnungspunkt war der Entwicklung der globalisierungskritischen Bewegung gewidmet, deren jüngste Initiativen -- das Weltsozialforum in Mumbai (Bombay) und das Europäische Sozialforum in Paris-Saint-Denis -- einmal mehr belegt haben, dass diese Bewegung ein Potential des Widerstands gegen Neoliberalismus und Krieg darstellt. Das Forum in Mumbai stellte eine neue Stufe in der sozialen und geographischen Verwurzelung der Bewegung dar, und zugleich war es möglich, seine Radikalität zu testen. Meinungsverschiedenheiten über die politische Orientierung sind deutlicher zu Tage getreten. Ein syrischer Aktivist, der vor kurzem nach langen Jahren der Isolationshaft freigelassen wurde, berichtete, wie wichtig diese Bewegung in seinem Land ist, und über die Bedeutung von dessen Aktivitäten gegen den Krieg.
Der Erfolg der ersten internationalen Konferenz von antikapitalistischen Parteien, die in Mumbai am Rande des WSF stattgefunden hat, führte zu einer Diskussion über die gegenwärtigen Möglichkeiten zu einem Zusammenschluss der Kräfte der radikalen Linken auf internationaler Ebene. Durch diese Diskussion konnten die Unterschiede herausgearbeitet werden, die es zwischen den nationalen sowie kontinentalen Zusammenhängen (vor allem in Europa) und dem, was zur Zeit auf internationaler Ebene angegangen werden kann, in bezug auf Tempo und praktische Vorhaben gibt.
Die Analyse der Fortschritte und der Widersprüche bei der Errichtung eines staatlichen Prototyps der Europäischen Union sowie die Mobilisierungen der abhängig Beschäftigten in Europa waren Gegenstand einer weiteren Debatte im Plenum, zu der François Vercammen eine Einleitung hielt. Nach Kontinenten gebildete Kommissionen (Afrika, Asien und Pazifikregion, Europa, Lateinamerika) ermöglichten eine konkretere Diskussion über gemeinsame Aktivitäten auf regionaler Ebene. Im Plenum wurde anschließend über die Arbeit der Kommissionen berichtet.
Das Plenum hat außerdem in geschlossener Sitzung über einen Finanzbericht, einen Haushaltsplan und organisatorische Fragen (internationale Presse, Schulungen) gesprochen. Es hat ein Exekutivbüro gewählt, das mit der Koordinierung der Aktivitäten und der Debatten der Internationale beauftragt ist.
Schließlich wurde die Lage in Brasilien am Ende des ersten Jahrs der Regierung Lula ausführlich diskutiert. Diese Regierung wurde in dem internationalen Bericht als "einer der besten Schüler" des IWF bezeichnet, sie habe "sich der Logik der liberalen Gegenreform angepasst". Die Entwicklung der Lage in Brasilien wirft eine Vielzahl von Fragen zu Strategie und Taktik der Linken in der Arbeiterpartei (PT) auf, also auch unserer Genossinnen und Genossen von "Democracia Socialista" (DS). Auf ihrer Nationalen Konferenz vom November 2003 hatte die DS bekräftigt, dass es notwendig ist, innerhalb der PT für deren Reorientierung zu kämpfen und dafür an das traditionelle klassenkämpferische Engagement der Partei anzuknüpfen. Der Ausschluss von einigen Abgeordneten, darunter die Senatorin Heloisa Helena von der DS, macht diese Perspektive komplizierter. Das Internationale Komitee hat beschlossen, eine internationale Diskussion über die Lage in Brasilien zu eröffnen und hierfür ein internes Bulletin einzurichten.
Aus dem Französischen übersetzt von Friedrich Dorn. |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 390/391 (Mai/Juni 2004).