Im Gegensatz zu den europäischen Verhältnissen vom Ende des 19. Jahrhunderts bzw. Beginn des 20. Jahrhunderts an ist es der Arbeiterbewegung in den Vereinigten Staaten nie gelungen, sich eine unabhängige politische Vertretung zu verschaffen. Die radikale Linke in den USA ist daher um so marginaler, als sie sich nicht auf eine Tradition von politischer Unabhängigkeit der Arbeiterklasse stützen kann. Sie ist klein und wird – auch wenn im Laufe der sechziger Jahre maoistische Organisationen entstanden waren – von der trotzkistischen Tradition dominiert, sei es der "orthodoxen" oder der Variante, die aus der "shachtmanistischen" [1] Strömung hervorgegangen ist. Der Trotzkismus in den USA ist lange mit der Socialist Workers Party (SWP), einer der Gründungsorganisationen der IV. Internationale, gleichgesetzt worden. Sie war bis in die achtziger Jahre die größte Organisation der radikalen Linken in den USA.
Die SWP ist von der Repression der McCarthy-Periode [in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre, Anm. d. Ü.] geschwächt worden. Es gelang ihr jedoch zu überleben, wenngleich um den Preis einer Isolierung und einer Stimmung wie in einer von Feinden "umzingelten Festung". Sie nahm 1963 an der Wiedervereinigung der IV. Internationale teil und entwickelte sich in der Bewegung gegen den Vietnamkrieg. Ende der siebziger und im Laufe der achtziger Jahre begann sie mit ihrer aus der Studentenbewegung hervorgegangenen neuen Führung nach und nach, die theoretischen Grundpfeiler des Trotzkismus (insbesondere die Theorie der permanenten Revolution) in Frage zu stellen und sich zugleich ein internes Regime zuzulegen, das immer weniger mit den Traditionen freier Debatte und des Rechts auf Bildung von Tendenzen und Fraktionen vereinbar war, wie es für die IV. Internationale charakteristisch ist. Die lange Krise der US-amerikanischen SWP, die sich daraus ergab, hatte ab 1982 insbesondere den Ausschluss von sämtlichen Mitgliedern mit Minderheitspositionen und schließlich den Bruch mit der IV. Internationale im Juni 1990 zur Folge. [2] Heute ist die SWP (USA) eine sektiererische, marginale, auf sich selbst bezogene Organisation, die nicht mit anderen linken Organisationen oder mit den sozialen Bewegungen zusammenarbeitet.Aus der SWP Ausgeschlossene versuchten sich zusammenzuschließen, was dann nach gewissen Schwierigkeiten zur Bildung von zwei neuen Gruppen geführt hat, die solidarische Beziehungen zur IV. Internationale unterhalten (die Gesetzgebung der USA untersagt es politischen Parteien, sich einer Internationale anzuschließen):
Die bedeutendste revolutionäre Organisation in den USA, die International Socialist Organisation (ISO), hat etwa 1000 Mitglieder. Sie ist 1977 von Mitgliedern der International Socialists gegründet worden, die wegen deren Politik der "Proletarisierung" (Hereinschicken von studentischen Mitgliedern in die Betriebe, was damals in der radikalen Linken der USA weit verbreitet war) mit ihnen brachen, und gehörte bis 2001 zu der International Socialist Tendency (IST), deren bekannteste Organisation die britische SWP ist. Die ISO ist in den meisten Bereichen aktiv und baut sich zentral um einen ausgedehnten Verkauf ihrer Wochenzeitung, des Socialist Worker, und ihrer zweimonatlichen Zeitschrift International Socialist Review auf. Sie wurde zu der Sitzung des Internationalen Komitees der IV. Internationale im Februar 2004 eingeladen und hat einen Genossen geschickt, der als Gast teilnahm.
Seit neuerem ist auch in den USA die Bereitschaft zur Zusammenarbeit von revolutionären Kräften zu bemerken. Gelegentlich, wie in New York oder in San Francisco, beteiligen sich ISO und Solidarity an einem größeren Diskussionszusammenhang, der auch linke Organisationen einschließt, die der Demokratischen Partei näher stehen. Solidarity und ISO sind sich auch in Wahlkampagnen, wie der Nader-Kampagne im Jahr 2000 oder bei bestimmten Kandidaturen der Grünen Partei, begegnet. Socialist Action mochte an diesen Kampagnen nicht teilnehmen, weil sie ihrer Meinung nach keinen Bruch mit der Bourgeoisie zum Ausdruck bringt.
Es gibt noch ein paar andere kleine Organisationen, die einen gewissen, zumindest punktuellen Einfluss haben. Die nennenswerteste ist die Workers World Party (WWP), die aus einer Abspaltung von der SWP im Jahr 1957 entstanden ist. Diese Gruppierung, die dem Stalinismus recht nahe ist (sie hat beispielsweise explizit Miloševic unterstützt), leitet das Netzwerk ANSWER an, eines der beiden landesweiten Antikriegsbündnisse (das andere in den gesamten USA vertretene Bündnis – "United for Peace and Justice" – ist ein Bündnis von fortschrittlichen Kräften, kommunistischer Partei, "Committee of Correspondance" usw.). Die WWP hat sich vor kurzem in zwei Gruppen gespalten. Zu nennen wären noch die Maoisten von der Revolutionary Communist Party, die bei brutalen Polizeiübergriffen sehr aktiv sind und führend in dem Netzwerk "Not in Our Name" mitarbeiten, das am Anfang der Antikriegsbewegung eine Rolle gespielt hat. Schließlich gibt es noch das Committee of Correspondance for Democracy and Socialism, das 1991 aus einer „eurokommunistischen“ Abspaltung von der KP entstanden ist. Es hat wenige und sehr stark auf die Demokratische Partei bezogene Mitglieder, hat aber weiterhin einige bekannte Persönlichkeiten der US-Linken in seinen Reihen.
Die Green Party stellt einen Sonderfall dar: Sie ist eine viel breitere Organisation als die gerade erwähnten, die aber auch politisch und organisatorisch viel weniger homogen ist. Die Grünen spielen jedoch auf der Wahlebene eine bedeutende Rolle, vor allem in bestimmten Staaten wie Kalifornien.
Aus Inprecor 494, Beitrag der Redaktion ohne Autorenangabe. Aus dem Französischen übersetzt von Friedrich Dorn. |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 394/395 (September/Oktober 2004).