In Venezuela findet ein revolutionärer Prozess statt, der sich durch Brüche mit dem alten Regime im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich sowie einem teilweisen Bruch mit dem Imperialismus auszeichnet. Venezuela hat sich mit dem Willen, sein Projekt mit den Ansätzen zur Veränderung auf lateinamerikanischer Ebene zu verknüpfen, auf den Weg der Gesellschaftsveränderung begeben.
In den letzten Jahren sind die Entwicklung von ausgesprochen bemerkenswerten Programmen öffentlicher Gesundheitsversorgung, die Alphabetisierungskampagne und die Kampagne zur Rückkehr zum Lernen, die Priorität, die der Bildung von Kooperativen, der Agrarreform und der Reform der Fischerei eingeräumt worden ist, beachtliche Zeichen für die Priorität auf das Soziale gewesen, die dieser Prozess transportiert.
Auf internationaler Arena hat Venezuela sich dafür entschieden, dem US-Imperialismus die Stirn zu bieten (Ablehnung des „Plan Colombia“, Ablehnung von ALCA/FTAA, Ablehnung der Stationierung von US-SoldatInnen auf seinem Territorium, Annäherung an Kuba, Verurteilung der imperialistischen Kriege). Venezuela wird für die globalisierungskritische Bewegung mehr und mehr zu einem Bezugspunkt.
Die Mobilisierung des Volkes ist das zentrale Element, das die politischen Brüche möglich gemacht hat – sei es durch die erfolgreiche Mobilisierung gegen den Staatsstreichs im April 2002, sei es durch die Volksorganisation an der Basis, ohne die es die sozialen Aktivitäten (Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnungen, Wasser usf.) nicht geben würde.
Bei dem Prozess werden die bürgerlich-demokratischen Institutionen respektiert. Trotz der Bemühungen und Versuche, den Staat umzuwandeln, bleiben die Institutionen weiterhin von klientelistischen Praktiken und Korruption geprägt, was die von der Regierung beschlossene Politik beeinträchtigt.
Der revolutionäre Prozess ist noch nicht zu einem revolutionären Sieg für die unterdrückten Klassen geworden. Widerstand kommt von der venezolanischen Rechten, aber auch bestimmten Sektoren der „chavistischen“ Mehrheit. Es ist noch nicht ausgemacht, ob bei dem Prozess die revolutionäre Dynamik oder die Tendenzen zu loyaler Verwaltung des Kapitalismus die Oberhand gewinnen.
Wir werden eine Informations- und Solidaritätskampagne mit dem revolutionären Prozess aufnehmen: Wir legen auf den Webseiten der IV. Internationale eine Seite zu Venezuela an; wir bemühen uns um politischen und gewerkschaftlichen Austausch; wir machen die positiven Ergebnisse in puncto Gesellschaftsveränderung bekannt; für uns ist wichtig, dass unter Beweis gestellt wird, dass etwas anderes als die sozialliberale Option möglich ist, ein grundlegender Aspekt für die Mobilisierung des Volks, wenn man die Konfrontation mit den herrschenden Klassen aufzunehmen bereit ist.
Im Kontext unserer Solidarität mit der bolivarianischen Revolution unterstützen wir die Sektoren, die die Radikalisierung der Revolution zur zentralen Achse ihrer politischen Aktivitäten machen. Wir nehmen mit diesen Sektoren Kontakt auf, um politische Zusammenarbeit einzuleiten, sie zu unseren internationalen Treffen einzuladen, mit ihnen über unsere Konzeption des Aufbaus von Parteien und der Rolle einer Internationale zu diskutieren.
Eines der „Kapitel“ des Weltsozialforums 2006, das im Januar 2006 in Venezuela stattfinden soll, wird ein zentrales Moment für die globalisierungskritische Bewegung werden, um Verbindungen zu knüpfen und die Solidarität mit den Volksorganisation in Venezuela zum Ausdruck zu bringen.
Unsere Genossinnen und Genossen sollten sich an den Aktivitäten im Zusammenhang mit dem bolivarianischen Prozess wie dem Kongress der Volksmacht, dem Weltjugendfestival im August 2005 beteiligen.
Wir melden uns in unseren Gewerkschaften zu Wort, um auf den neuen Gewerkschaftsdachverband UNT (Unión Nacional de los Trabajadores – Nationaler Verband der Arbeitenden) aufmerksam zu machen, für Solidaritätsaktivitäten einzutreten und soweit möglich GewerkschafterInnen zu Solidaritätsaktionen einzuladen.
Wir nehmen uns vor, zu dem venezolanischen Prozess das Beste an unseren Erfahrungen im Zusammenhang mit der partizipativen Demokratie beizutragen, insbesondere in Zusammenarbeit mit unseren brasilianischen GenossInnen.
1. März 2005 Übersetzung: Friedrich Dorn. |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 402/403 (Mai/Juni 2005).