IV. Internationale
Zur Klimaerwärmung
Resolution des Internationalen Komitees der IV. Internationale
In Erwägung der Tatsachen,
- dass allgemein anerkannt die Klimaerwärmung mehrheitlich durch Treibhausgasemissionen verursacht wird, die hauptsächlich aus der Verbrennung fossiler Energieträger und der Bodenbewirtschaftung (Entwaldung, intensive Landwirtschaft, schlechte Bodennutzung etc.) herrühren;
- dass laut IPCC [1] eine Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2050 um mindestens 60% nötig wäre, um eine schwerwiegende Klimaänderung mit unberechenbaren Folgen zu verhindern;
- dass die neuesten verfügbaren Zahlen zur Konzentration von CO2 und CO2-Äquivalenten zeigen, dass wir uns bereits im unteren Bereich der gefährlichen Bandbreite (450 bis 550 ppmv CO2-Äqu.) befinden, wobei die Konzentration der entsprechenden Treibhausgase in der Atmosphäre rasch zunimmt;
- dass der Klimawandel schon heute spürbare Folgen insbesondere für die ArbeiterInnen und die unterprivilegierten Massen, namentlich in den beherrschten Ländern, hat;
- dass diese Veränderungen in den kommenden 50–100 Jahren Hunderte Millionen von Menschen durch Ansteigen des Meeresspiegels, Ausbreitung gewisser Krankheiten, Produktivitätseinbrüche in der Landwirtschaft gewisser Regionen, Verringerung der Artenvielfalt und Wassermangel zu gefährden drohen (es ist zu erwarten, dass ohne entschiedene Anstrengungen in der Klimapolitik bis 2100 bis zu drei Milliarden Menschen die Leidtragenden sein werden);
- dass angesichts dieser Bedrohungen der kapitalistische Umgang mit Katastrophen und Klimabedrohungen (Katrina in New Orleans, Pazifikinseln und andere insb. durch den Anstieg der Ozeane bedrohte Regionen) befürchten lässt, dass der Imperialismus eine malthusianische, kriegerische Politik von beispielloser Tragweite und Grausamkeit verfolgen wird;
- dass die Ziele des Kyoto-Protokolls völlig unzureichend sind, um der Gefahr zu begegnen, und dass sie durch die Weigerung der USA sowie die flexiblen Mechanismen zusätzlich abgeschwächt werden, die zudem sowohl für das Recht der Völker auf Entwicklung als auch (mittels des sog. Effekts der „low hanging fruits“) für die Artenvielfalt (Kohlenstoffsenken) perverse Folgen haben dürften;
- dass der wirtschaftliche Wettbewerb und die strategische Rivalität zwischen den imperialistischen Blöcken zu einem noch schlechteren Kompromiss als dem Kyoto-Protokoll führen kann, was den Kampf für das Klima („freiwillige Verpflichtungen“, Unverbindlichkeit, keine Fristen) wie auch das Recht der Völker auf Entwicklung und generell ökologische Gesichtspunkte (Atomkraft) betrifft;
- dass das Kyoto-Protokoll angesichts der Tatsache der Nichtratifizierung durch die USA und Australien (selbst wenn es von den Unterzeichnerländern vollständig eingehalten würde) für die Gesamtheit der Industriestaaten gegenüber dem Vergleichsjahr nur eine Senkung der Emissionen um 1,7 Prozent pro Jahr bringen würde (EEA [2] Report Nr. 8/2005, S. 9);
- dass das technische Potenzial der erneuerbaren Energien (direkte oder indirekte Sonnen- und geothermische Energie) den heutigen weltweiten Energiebedarf 6 bis 7 Mal decken würde und bestens die Vermeidung schwerer Klimakatastrophen bei gleichzeitiger Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse und des Umweltschutzes ermöglichen würde;
- dass wir die Atomenergie als Alternative ablehnen, da sie teuer, außerordentlich gefährlich und in Bezug auf den Kohlenstoffkreislauf ebenfalls nicht neutral ist;
- dass die Stabilisierung des Klimas (höchstens 2°C Temperaturerwärmung gegenüber der vorindustriellen Ära) eine globale Energierevolution erforderlich macht, die namentlich 1) den Wechsel zu erneuerbaren Energien unabhängig von den Mehrkosten, 2) eine massive Reduktion der primären Nachfrage in den Industriestaaten und 3) einen massiven Transfer von so genannten „klimafreundlichen“ Technologien an Entwicklungsländer erfordert;
- dass diese Frage insgesamt die ArbeiterInnenbewegung im Allgemeinen und revolutionäre MarxistInnen im Besonderen vor eine Reihe von neuen Aufgaben sowie wichtigen programmatischen und strategischen Herausforderungen stellt,
hat das Internationale Komitee der IV. Internationale beschlossen:
- sich an gemeinsamen Mobilisierungen zur Rettung des Klimas zu beteiligen, wie sie insbesondere in der Folge des Londoner Sozialforums entstanden sind. Insbesondere mobilisieren wir für die weltweiten Demonstrationen zum Klimawandel, die im November 2006 auf Anregung des WSF von Caracas stattfinden. Dazu beteiligen wir uns am Organisationskomitee für dieses Demonstrationen, das sich im Rahmen des Vorbereitungstreffens für das Europäische Sozialforum am 4. März 2006 in Frankfurt/M. trifft;
- ein besonderes Augenmerk auf die Klimafrage und die Klimapolitik zu legen, insbesondere durch die Presse der Sektionen und der Internationale;
- das vom 15. Weltkongress beschlossene „Ökologieseminar“ der Analyse des Klimawandels und seiner Folgen zu widmen, um eine programmatische Ausrichtung und eine politische Linie zu diesem Thema zu erarbeiten. Das IK ruft zu diesem Zweck dazu auf, ein internationales Netzwerk von GenossInnen zu bilden, die über Kenntnisse in den unterschiedlichen betroffenen Wissenschaftsgebieten verfügen, um ein oder mehrere Arbeitsdokument(e) zum Thema „Energierevolution und sozialer Wandel“ zu verfassen;
- das Thema innerhalb Jahresfrist erneut auf die Tagesordnung zu setzen.
Internationales Komitee der IV. Internationale, 14. Februar 2006 |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 414/415 (Mai/Juni 2006).
[1] Zwischenstaatlicher Ausschuss zu Fragen des Klimawandels (Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC), wurde 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP und der Weltorganisation für Meteorologie WMO ins Leben gerufen. Das der Klimarahmenkonvention beigeordnete Panel hat die Hauptaufgabe, Risiken des Klimawandels zu beurteilen und Vermeidungsstrategien zusammenzutragen. Der Sitz des IPCC Sekretariats befindet sich in Genf. (Anm. d. Red.)
[2] Europäische Umweltagentur.