Nach Sumatra ist jetzt Java das Opfer eines verheerenden Erdbebens geworden. Es ist zu befürchten, dass die gesamte Inselgruppe am Beginn einer seismisch unruhigen Phase steht.
Das Erdbeben ereignete sich am Morgen des 27. Mai mit einer Stärke von 6,3 auf der Richterskala. Obwohl das Beben sich nur in einer vergleichsweise kleinen Region ereignete, hat es nach den Schätzungen der Behörden doch mehr als 5000 Tote, etwa 20 000 Verletzte und etwa 200 000 Obdachlose hervorgerufen. Ein für die Jahreszeit ungewöhnlich starker Regen hat die Lage für die heimgesuchte Bevölkerung verschlimmert. Getroffen wurden vor allem Yogyakarta, Universitätsstadt und historisches Zentrum in der Mitte der Insel, sowie die angrenzenden dicht besiedelten Gebiete. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels sind die Informationen noch spärlich. Aber es stellt sich heute schon die Frage, die bei all diesen Naturkatastrophen immer wieder auftaucht, nämlich die nach den geographischen und sozialen Unterschieden bei der Katastrophenvorsorge.
Ein kleines Detail, das der Korrespondent von Le Monde in der Ausgabe vom 30. Mai berichtet, ruft das Offensichtliche in Erinnerung. In der landwirtschaftlich geprägten Region von Bantul haben die protzigen Bauten der Großhändler dem Beben standgehalten, aber nicht die der ärmeren Bauern. Die Mauern sind in sich zusammengefallen, weil der dort verwendete Zement zu sehr mit Sand gestreckt wurde – „Zement der Armen“. Einige internationale Hotels und Geschäfte wurden ebenfalls – aufgrund von Kosteneinsparungen beim Bau? – beschädigt.
Die Frage der vorsorgenden Politik stellt sich umso dringlicher, als Indonesien eine der am meisten durch Erdbeben und Vulkanausbrüche heimgesuchten Regionen der Erde ist: Die indo-australische Platte schiebt sich unter die eurasische Kontinentalplatte. Die benachbarte Insel Sumatra war 2004 und 2005 Schauplatz großer Erdbeben, und die Spezialisten fragen sich, ob die gesamte Inselgruppe nicht in eine „kritische“ Phase eintritt. Demnach befänden wir uns am Beginn eines Zyklus grausamer Brüche, mit – zu allem Überdruss – einem drohenden Ausbruch des Vulkans Merapî nicht weit von Yogyakarta.
Falls dies eintrifft und wenn es keine auf internationaler Ebene in Gang gesetzte Vorsorgepolitik gibt, wird die indonesische Bevölkerung eine Katastrophe nach der anderen durchleben müssen.
30. Mai 2006 Aus: Rouge, Wochenzeitung der LCR, französische Sektion der IV. Internationale, vom 1. Juni 2006 Übersetzung: D. Berger |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 416/417 (Juli/August 2006).