Nach einem Vertreter der Mehrheit in den Leitungsgremien der LCR trugen zwei Genossen, die der Minderheit angehören, vor dem Internationalen Komitee den hier folgenden alternativen Bericht vor. Auf diese Einleitungen folgte eine Debatte über die politische Lage und die Politik der französischen Sektion. (Red.)
Der Kontext der Wahlen, die in diesem Jahr in Frankreich stattfinden, ist nicht zu verstehen, ohne dass zwei politische und soziale Ereignisse der beiden letzten Jahre in die Betrachtung einbezogen werden:
Der Sieg des „Nein” bei dem Referendum [vom 29. Mai 2005] über die liberale [1] europäische Verfassung, ein Sieg, der mit den Stimmen der WählerInnen der Linken (die Mehrheit der WählerInnen der Sozialistischen Partei stimmten mit Nein, während die Leitung der PS für das Ja eintrat) und dank einer Mobilisierung der antiliberalen Linken (PCF, LCR, linke SozialistInnen, GlobalisierungskritikerInnen, Linke aus den Grünen bzw. Ökologiebewegungen) errungen worden ist. Monatelang traten Olivier Besancenot, Marie-George Buffet (PCF), José Bové (bekannte Persönlichkeit der globalisierungskritischen Bewegung), Jean-Luc Mélenchon (PS-Linke) auf zahlreichen Kundgebungen gemeinsam auf, an denen Tausende teilnahmen. Damit stellte sich die Frage nach einer Konkretisierung dieses Kräfteverhältnisses innerhalb der Linken, das sich zum Nachteil der sozialliberalen Orientierung [2], wie sie von der Führung der Sozialistischen Partei (PS) vertreten wird, verschoben hat.
Im Frühjahr 2006 veranlasste die mächtige Bewegung der Jugendlichen und der abhängig Beschäftigten die Regierung der neoliberalen Rechten zum ersten Mal zum Rückzug; sie wollte allen unter 25-jährigen prekäre Arbeitsverträge aufzwingen, den Ersteinstellungsvertrag (Contrat Première Embauche, CPE), durch den die Unternehmer das Recht auf Entlassungen ohne Angabe eines Grunds bekommen hätten. Nach drei Monaten massiver Demonstrationen gingen zwei Mal drei Millionen DemonstrantInnen auf die Straße; auf der Ebene von Demonstrationen war dies die stärkste Bewegung seit 1968. Sie bestätigte, dass ein Jahr nach dem Referendum der Widerstand gegen den Liberalismus in der Gesellschaft weiter die Oberhand hatte.
Auf der Linken und in weiten Kreisen kam eine ungeheuer große Hoffnung auf, dass es gelingen würde, diese linken antiliberalen Bestrebungen auf das Feld der Wahlen 2007 zu übertragen. Die Idee einer „antiliberalen linken Einheit” war populär, anstelle vieler und verzettelter Kandidaturen, die jeweils unter eigener Flagge antreten und dennoch identische politische Positionen vertreten. Es entstand die Idee eines Wahlbündnisses all dieser Kräften, mit gemeinsamen Kandidaturen bei den Wahlen im Jahr 2007 – denen für die Präsidentschaft im April und für das Parlament im Juni.
Es gab einen neuen Aufruf zur Sammlung aller Kräfte, die mit diesem Ziel einverstanden sind. Dazu sollten an der Basis in den Orten „collectifs unitaires” (Einheitskomitees) gebildet werden. Zur besten Zeit gab es dann zwischen 600 und 700 Komitees, die über die gesamte Fläche des Landes verteilt waren und an denen sich etwa 15 000 Menschen beteiligten. Darin waren nicht nur das gesamte Spektrum, das die gemeinsame Kampagne für das linke „Nein” bei dem Referendum getragen hat, sondern vor allem auch zahlreiche aktive GewerkschafterInnen und Aktive aus sozialen Bewegungen; sie sahen endlich eine Chance, dass sich ein politischer Raum entwickelt, in dem sie einen Platz finden würden, um ihre Kämpfe vor Ort auf das politische Terrain zu übertragen.
Es galt also von einer Kampagne, bei der es um die Ablehnung des Liberalismus gegangen war, zur positiven Formulierung einer Alternative im Hinblick auf Programm, politische Positionierung und Strategie weiterzugehen, was die Klärung der Beziehungen zu der Sozialistischen Partei, die Haltung zur Rechten, zu einer Linksregierung und einer parlamentarischen Mehrheit einschließt.
Ein schwieriges Problem musste gelöst werden, das mit dem besonderen Rahmen der Institutionen der Fünften Republik zu tun hat: In Frankreich gibt es zwei Wahlrunden. Bei den Parlamentswahlen gibt es etwa 580 Wahlkreise, in denen in zwei Wahlgängen je ein Abgeordneter bzw. eine Abgeordnete gewählt wird. [Es ist ein reines Mehrheitswahlrecht, d. h. die Stimmen für die Zweit- Drittplatzierten usw. fallen unter den Tisch.] Es gibt also keine proportionale Verteilung der Sitze. Und Frankreich ist eines der wenigen Länder in Europa, in dem der Präsident per allgemeiner Wahl bestimmt wird. Es gibt nicht einmal wie in den USA einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin, was erlauben würde, ein Gespann aus zwei KandidatInnen zusammenzusetzen; auf dem Stimmzettel steht nur ein Name. Das ist ein Rest des Gaullismus und des starken Staats, in dem der Kandidat für die Präsidentschaft dem Volk und den Bürgern und Bürgerinnen als jemand gegenübertritt, der quasi über den Parteien und den Wahlkörperschaften steht; in diesem Staat hat er die Befugnis, den Premierminister zu ernennen, verfügt über außerordentliche Macht, die von keiner parlamentarischen Instanz kontrolliert wird, und hat sogar das Recht, die Nationalversammlung aufzulösen, wenn er das will. Diese Institutionen haben das politische Leben viele Jahre lang geformt, und die politischen Parteien mussten sich fast alle diesen Vorgaben anpassen.
Alle dachten zu dieser Zeit, wenn die politischen Fragen gelöst werden könnten, fände man eine Lösung für die Kandidatur: nämlich eine Person, die von allen akzeptiert wird, einfach ein Namen auf dem Stimmzettel, eine Person, mit der die bekannten Figuren (Buffet, Besancenot, Bové etc.) bei gemeinsamen Kundgebungen und Auftritten in den Medien erscheinen würden.
Bei den Parlamentswahlen wäre es möglich, in den 580 Wahlkreisen gemäß einer landesweiten Absprache die KandidatInnen von den verschiedenen politischen Kräften aufzustellen.
Die LCR hat zwar erklärt, sie sei für derartige Kandidaturen, sie hat jedoch im Juni 2006 eine Nationale Konferenz einberufen, bei der eine Mehrheit (60 %) beschloss, die Kandidatur von O. Besancenot zu starten; dabei wurde allerdings behauptet, man würde sie zurückziehen, wenn später ein Einheitsabkommen gefunden werde. Die Minderheit (40 %) vertrat den Standpunkt, es käme darauf an, sich zuerst in die Einheitsbewegung zu integrieren und unser ganzes Gewicht zur Geltung zu bringen, damit die Übereinkunft die bestmögliche wird, bevor wir die Kandidatur von O. Besancenot in Gang setzen, die den Anschein erweckt, als wollten wir die Einheit nicht wirklich.
Diese Meinungsverschiedenheit innerhalb der LCR hat sich in zwei möglichen Orientierungen konkretisiert. Und im Unterschied zu vorausgegangenen Debatten in der LCR, die interne Auseinandersetzungen gewohnt ist, kam die Meinungsverschiedenheit nun öffentlich zum Ausdruck, und zwar in Form von unterschiedlichen Redebeiträgen in öffentlichen Versammlungen und in der Bewegung der Komitees seitens der „Mehrheit der LCR” und der Minderheiten, die im Namen der „einheitsorientierten Strömung” der LCR das Wort ergriffen haben. Die Entwicklung der Ereignisse führte zur Akzentuierung der unterschiedlichen Stellungnahmen, ohne dass bislang jedoch die Einheit der Organisation in Frage gestellt worden wäre, da beide Orientierungen in der LCR wie außerhalb als legitim betrachtet werden.
Im September wurde eine erste Etappe abgeschlossen: Auf einer Versammlung mit 500 Delegierten der Komitees und der politischen Kräfte wurde ein Dokument angenommen [3], in dem der politische Rahmen bestimmt wurde:
Man will alle Kräfte für eine antiliberale linke Alternative zu den Wahlen zusammenbringen, um innerhalb der linken Wählerschaft die Vorherrschaft der sozialliberalen Politik der PS ins Wanken zu bringen.
Es gilt die Rechte und die extreme Rechte beim zweiten Wahlgang zu schlagen, indem man für den bestplatzierten Kandidaten bzw. Kandidatin der Linken stimmt, ohne Bedingungen und ohne Verhandlungen. Es lag auf der Hand, dass man eine Antwort auf den mächtigen Willen geben musste, Nicolas Sarkozy zu schlagen: Wenn die Rechte nach ihrem Sieg 2002 ein weiteres Mal vorne liegt, würde man es mit einer Situation zu tun bekommen, die dem zweiten Mandat von Margaret Thatcher in Großbritannien ähneln würde, also einer Offensive zur Zerstörung des machtvollen antiliberalen Widerstands.
Nachdem es die Erfahrung mit der „gauche plurielle” (pluralen Linken) in den Jahren von 1997 bis 2002 gab, in denen die PCF sich an der Regierung von Lionel Jospin beteiligt hatte, wurde eine Haltung zu einer Linksregierung definiert. Das war eine Schlüsselfrage zur Überprüfung der Politik der PCF. Der Text der Übereinkunft hielt eindeutig fest: ”Wir werden nicht an einer Regierung mitmachen, die vom Sozialliberalismus [4] dominiert werden wird und die von ihrer Zusammensetzung und ihren Vorhaben her sich nicht die Mittel geben würde, endlich mit dem Liberalismus zu brechen und die den Erwartungen an sie nicht entsprechen würde. Die Sozialistische Partei insbesondere hat ein Programm verabschiedet, das einem klaren Buch mit dem Liberalismus den Rücken zukehrt. Für uns steht es außer Frage, auf dieser Grundlage über einen Regierungsvertrag zu verhandeln, deren Handlungsweise einmal mehr Enttäuschung hervorrufen und unausweichlich zur Rückkehr einer noch härteren Rechten führen würde.” Es wurde weiter ausgeführt: ”In dem Fall, dass wir nicht an der Regierung teilnehmen werden, wird unsere Fraktion in der Versammlung sich nicht an einer Mehrheit beteiligen, die zur Unterstützung dieser Regierung gebildet wird, sie wird aber für jede gesetzliche Bestimmung votieren, die in Richtung der Interessen der Bevölkerung geht. Wir werden unsere parlamentarische Vertretung auch dazu nutzen, um zusammen mit denjenigen, die sich an den sozialen Mobilisierungen beteiligen, einer Reihe von positiven Maßnahmen zum Durchbruch zu verhelfen oder die negativen Maßnahmen rückgängig zu machen, und um unser Programm in Gesetze zu gießen und umzusetzen. Wir werden uns vorbehalten, die Art und Weise des Regierungshandelns und ihrer Mehrheit während der gesamten Legislaturperiode zu bewerten und öffentlich zu diskutieren.”
Damit war man sehr weit weg von dem, was beispielsweise Rifondazione in Italien akzeptiert hat: von der Beteiligung an einer Koalitionsregierung nicht nur mit der sozialliberalen Linken, sondern auch mit der rechten Mitte, der Regierung Prodi, und an einer [parlamentarischen] Mehrheit, die diese Regierung unterstützt. Die Ablehnung der Beteiligung an einer sozialliberalen Regierung seitens der PCF zeigte einen gewissen Bruch mit deren traditionellen Positionen. Nachdem sie bei Wahlen auf ein sehr niedriges Niveau gefallen ist, wollte sie nicht noch tiefer sinken, indem sie sich an eine unpopuläre sozialliberale Regierungspolitik anhängt. Natürlich hieß das nicht, dass die PCF nicht ein weiteres Mal erneut ihre Meinung ändern würde und dass es in ihr nicht Strömungen gäbe, die der Politik von Bündnissen mit der PS nachtrauern. Doch hatten der Erfolg des ”Nein” und des antiliberalen Widerstands sie zu der Überzeugung gebracht, dass sie gestützt auf die antiliberale Einheitsbewegung, in der sie vorherrschend bleiben wollte, in die nächste Periode gehen sollte, um sich zu erholen und einst eroberte Positionen wieder zu gewinnen.
Für die LCR war dies eine bedeutende Gelegenheit, um voll und ganz an dieser Bewegung teil zu nehmen, zu handeln und auf die Widersprüche in den beiden großen französischen Linksparteien einzuwirken, die durch diese Bewegung bewirkt worden war.
Die LCR-Mehrheit hat mit Einwänden in Form von zwei Änderungsanträgen, die nicht gerade überzeugend waren, auf die Übereinkunft reagiert; mit den Anträgen sollte die Beteiligung an einer Regierung und an einer Parlamentsmehrheit mit der PS ausgeschlossen werden; aber in Anbetracht des Texts der Übereinkunft, der das bereits aussagte, erschien das als ein Vorwand. Sie verlangte die Streichung der Passagen, die auf das Schlagen der Rechten durch den Aufruf für die Stimmabgabe für den/die bestplatzierte/n Kandidaten/Kandidatin bei der zweiten Runde abheben; das wurde aber in der gegenwärtigen Situation als nicht akzeptabel abgelehnt.
Deswegen begab die LCR-Mehrheit sich in der Bewegung in die Situation eines „Beobachters”, sie hörte auf, sich ernsthaft in die Komitees einzubringen, während die Minderheit, die „LCR unitaire” (einheitsorientierten LCR), weiter in ihr arbeitete, um sie in die richtige Richtung voranzubringen.
Im Oktober war eine weitere Etappe erreicht: Auf einer nationalen Versammlung, an der 600 VertreterInnen der Einheitskomitees teilnahmen, wurde ein Dokument mit 125 Programmpunkten angenommen, mit denen die besten Forderungen aufgegriffen wurde, die in der sozialen, der Antikriegs- und der globalisierungskritischen Bewegung erarbeitet worden sind. [5] Alle nennenswerten Maßnahmen, die von der auf Gesellschaftsveränderung gerichteten Linken und den sozialen Bewegung vertreten werden, fanden sich darin wieder: Sie beziehen sich auf Entlassungen, Löhne, öffentliche Dienste, Einwanderung, Wahlrecht für AusländerInnen, Ablehnung jeder Militärintervention – im Nahen Osten ebenso wie in Afrika, Solidarität mit Palästina usw. Ein einziger bedeutsamer Punkt sorgte für eine Auseinandersetzung und wurde mit einem positiven Kompromiss gelöst: die zivile Nutzung der Atomenergie; die traditionelle Position der PCF ist bejahend, während die ökologisch orientierten Kräfte und wir für den Ausstieg aus der Atomenergie eintreten; es wurde vorgeschlagen, dass die Frage mit einem Referendum gelöst werden soll, das nach einer öffentlichen Debatte in der gesamten Gesellschaft gelöst werden soll, wobei während dieser Debatte ein Moratorium für den Bau neuer Atomkraftwerke gelten soll.
Die LCR-Mehrheit hat in diesen Debatten nicht viel einzuwenden gehabt, sie hat daran nicht teilgenommen, nachdem sie sich ab September an den Rand begeben hat. Die Minderheit war stark präsent und trat für die traditionellen politischen Auffassungen der LCR auf, meistens erfolgreich.
Nach der politischen Übereinkunft blieb innerhalb der Komitees die Frage der Kandidaturen zu lösen. O. Besancenot und die LCR haben sich an den Rand gestellt, Olivier wollte nie ein Anwärter auf die Kandidatur aus der Bewegung heraus sein; aber trotzdem kamen in all diesen Monaten viele Aufrufe, er solle sich in die Sammlungsbewegung integrieren. Außer den beiden Hauptfiguren (Bové und Buffet) kamen durch die Diskussionen andere Kandidaturen ins Gespräch – Personen, die keine Partei repräsentierten, jedoch die Zustimmung von allen hätten finden können: Clémentine Autain, Yves Salesse, Claude Debons – Persönlichkeiten aus der Einheitsbewegung. Es kam darauf an, der PCF begreiflich zu machen, dass die Kandidatur ihrer Generalsekretärin [Marie-George Buffet] die Bewegung nicht zusammen bringen kann, denn das würde sie in der großen Öffentlichkeit auf einen begrenzten Bereich um die kommunistische Partei herum reduzieren. In den Komitees kamen Diskussionen und Konsultationen in Gang. José Bové zog sich [im November 2006] ohne große Erklärung zurück, er kritisierte die PCF, die ihre Generalsekretärin durchdrücken wollte, stellte aber vor allem fest, dass die Komitees sich nicht prioritär für seine Kandidatur ausgesprochen hätten. Er blieb der Bewegung zwei Monate lang fern, um Mitte Januar wieder aufzutauchen, nachdem eine Petition, die außerhalb der Bewegung initiiert worden war, ihn wieder ins Spiel gebracht hatte.
Jetzt konnte es nur noch darum gehen, zu erreichen, dass die PCF eine Kandidatur von jemandem akzeptiert, die oder der nicht Mitglied der PCF ist, während sie nach dem Rückzug von Besancenot und von Bové zur dominierenden Kraft in der Bewegung geworden war. Und es war das Ziel, diese beiden zurück zu gewinnen.
Am 9. und 10. Dezember gelang es nicht, auf einer Versammlung mit über 800 Delegierten die Frage [der Kandidatur] zu entscheiden; die Bewegung war aber stark genug, die PCF, die eine Mehrheit im Saal stellte, daran zu hindern, Marie-George Buffet als die Kandidatin der Komitees durchzubringen. Die PCF geriet in eine beispiellose Krise: Unmittelbar danach entschied sie, ausdrücklich gegen den Willen der Einheitsbewegung vorzugehen und Buffet als Kandidatin im Namen der Partei antreten zu lassen; dazu wurde eine interne Abstimmung durchgeführt. Dabei stimmten 10 000 von den 50 000 Mitgliedern, die teilnahmen, gegen die Kandidatur der Generalsekretärin, da sie eine andere Kandidatur lieber gesehen hätten, durch die die Einheit der Einheitsbewegung bewahrt geblieben wäre. Ganze Föderationen und Sektionen [Bezirksverbände], nämlich die am meisten in der Bewegung engagierten, stimmten gegen die Mehrheit der Parteiführung, was ein äußerst bemerkenswertes Ereignis gewesen ist, wenn man das interne Funktionieren der PCF in Rechnung stellt. Einige traten aus, mehr aber entschieden sich dafür, sich [innerhalb der Partei] zusammenzuschließen, um die Debatte fortzuführen. Diejenigen, die sich „communistes unitaires” nannten, bildeten einen öffentlich auftretenden Verein.
Die PCF machte zum ersten Mal eine derartige Krise durch, die Opposition stand auf einer linken antiliberalen Grundlage. Einmal mehr war die LCR bei dieser Kontroverse und diesen Diskussionen nicht dabei, mit ihrer Ablehnung einer Einheitspolitik hat sie eine Gelegenheit verpasst, um Einfluss auszuüben und sich mit diesem Protest zu verbinden. Die LCR-Minderheit stand an der Seite der einheitsorientierten Mitglieder der PCF und der Komitees.
In der Zeit unmittelbar nach diesem Scheitern waren viele Aktive, aber auch viele WählerInnen enttäuscht, sie empfanden große Verbitterung. Die einer Partei eigene politische Logik wurde für die Spaltung verantwortlich gemacht, wo doch ein politisches Übereinkommen möglich war und eine beträchtliche Dynamik auf Wahlebene und in der Politik erzeugt worden wäre.
Die LCR fand sich isoliert – nicht nur in weiten Teilen ihrer Wählerschaft, sondern auch unter SympathisantInnen und ihr sympathisierend gegenüber stehenden AkteurInnen der sozialen Bewegung. Innerhalb der LCR verurteilten bekannte Mitglieder, ehemalige Mitglieder und Vorzeigefiguren für den politischen Einfluss der LCR – auch solche, die nicht Mitglieder der Minderheiten waren – diese Politik, die den Kandidaten der LCR um jeden Preis und gegen die Einheitsdynamik durchsetzen wollten.
Die Führung der PCF wurde für das Scheitern verantwortlich gemacht, die Krise brach auf, und die Wahlkampagne von Marie-George Buffet gewann keinerlei Dynamik.
Die PCF muss für ihr brachiales Vorgehen mit einer Krise bezahlen, wie sie noch nie da gewesen ist. Viele dachten zunächst, sie träfe diese Entscheidung, um zu ihrer Politik des Bündnisses mit der PS zurückzukehren. Eine einflussreiche Strömung innerhalb der Partei und ihrer Führung tritt für diese Perspektive ein, doch scheint die gegenwärtige Führung ihr nicht auf diesem Weg zu folgen. Es stellt sich heraus, dass die PCF, die im Hinblick auf Wahlergebnisse sehr weit unten ist und nicht mehr sehr viele MandatsträgerInnen hat (22 Abgeordnete, die sie nicht mit Sicherheit behalten wird, sowie in Gemeinden, die die PS droht abzuräumen), der Auffassung ist, eine ”Erholungskur in der Opposition” werde ihr eher gut tun. Und zwar umso mehr, als die Präsidentschaftswahl nicht viele andere Wahlmöglichkeiten bietet: Entweder gewinnt die Rechte, dann stellt sich die Frage des Regierens nicht. Oder die Kandidatin der PS gewinnt, und was die neu formatierte PS dann suchen wird, ist dann eher eine Öffnung hin zur „Mitte”.
Für die Weigerung, den Platz für eine Einheitskandidatur jemand anderem zu überlassen, gibt es zwei Gründe:
Interessant war diese Sammlungsbewegung für die PCF nicht nur deshalb, weil sie sich hier mit der radikalen Linken zusammenfand, sondern weil so die Grundlagen für eine Sammlung entstanden, die Sektoren der Opposition der PS einschließen und somit auf Kernschichten der linken Wählerschaft abzielen könnte. Dass man sich seitens der PCF vielfach auf die Situation in Deutschland bezog, legt davon Zeugnis ab, ebenso das Auftreten von Oskar Lafontaine auf Kundgebungen von Marie-George Buffet. Die PCF wartete ab, um zu sehen, wie die Strömungen der PS, die bei der EU-Verfassung für das „Nein” eingetreten waren, nach der Kür von Ségolène Royal reagieren würden, was eine Rechtswende der PS unter Beweis gestellt hatte. Es geschah eben nichts: Nach dieser Kandidatenkür schlossen die Strömungen des „Nein”, mit Ausnahme von einigen ganz wenigen, die Reihen mit der übrigen Partei, um gegen die Rechte Front zu machen. Die einzige Strömung, die als solche in der Sammlung dabei war, Mélenchons PRS [Pour la République Sociale], gab Ende Dezember ihre Bankrotterklärung ab. Sicher waren die Widersprüche innerhalb der PS vor einer Wahl, in der es darum geht, die Rechte nicht siegen zu lassen, geglättet. Und sie werden wieder stärker hervortreten, wenn die PS mit der Umsetzung ihrer Politik in der Regierungsverantwortung konfrontiert ist. Dies war in Deutschland der Fall, wo eben unter der Regierung Schröder der Bruch [von SPD-Mitgliedern] hinter Lafontaine [mit ihrer Partei] stattfand. Nachdem die PCF den Rückzug von Besancenot und Bové festzustellen hatte, blieb ihr nur noch die Hinnahme einer Koalition mit kleinen Strömungen der radikalen Linken, ohne Gegengewicht vonseiten der sozialistischen Linken. Die PCF zog es vor, die Kampagne auf ihre eigene Rechnung zu führen und durchbrach den Konsens der Komitees. Die wahre Differenz zwischen PCF und LCR lag in folgendem: Wie sollten die Konturen der Sammlungsbewegung aussehen? „Radikale antiliberale Linke” oder „Linke der pluralen Linken”, wie Olivier Besancenot den Gegensatz formulierte, oder „Linke der Linken”, wie die PCF es gerne gehabt hätte? Das ist eine Debatte, die es fortzusetzen gilt, das war aber keine unüberbrückbare Differenz, die die LCR daran gehindert hätte, in ein Bündnis hineinzugehen – im Gegenteil, die Debatte hätte im Verlauf von dessen Verwirklichung stattgefunden.
Der zweite Grund hat mit den Traditionen der PCF zu tun. Um die stalinistische Ära, die ihre Arbeitsweise und das Parteiverständnis geprägt hat, zu beenden, nahm die gegenwärtige Führung nur eine zaghafte und nicht sonderlich weit gehende Reform in Angriff. Die „Öffnung” der PCF hat sich darauf beschränkt, dass sie bei vorausgegangen Wahlen gemeinsamen Listen mit kleinen Kräften in ihrem Schlepptau zustimmte, wobei sie selber das Schwergewicht bildete. Dadurch dass sie dieses Schema in einer machtvollen einheitsorientierten Bewegung reproduzieren wollte, prallte sie mit dieser Bewegung zusammen. Sie zeigte dabei, wie unfähig sie war, deren Sinn zu begreifen. Es gab nur einige kleine Ansätze in Bezug auf Überlegungen und Debatten in der PCF über ein „Hinausgehen” über die Partei zugunsten einer anderen Kraft. Die Kultur der Partei und ihrer Mitglieder bleibt ausgesprochen „identitär”, auf Verteidigung „der Partei” ausgerichtet, und solche Reflexe trieben ebenfalls in Richtung eines Zusammenpralls mit den Komitees.
Die Krise, die nun ausgebrochen ist, reicht außerordentlich tief. Was aus der PCF wird, bleibt für alle die, die sich die Frage einer neuen politischen Organisation der Linken stellen, eine Frage, um die man nicht herumkommt. Trotz ihres Niedergangs bleibt die PCF eine der Linkskräfte, die noch die meisten Verbindungen zu den einfachen Schichten der Bevölkerung hat (weit mehr als die LCR mit ihren gleichauf liegenden Werten bei [Umfragen zu den] Präsidentschaftswahlen, und auch mehr als die PS, die sich – vor dem Hintergrund der Ausübung von Regierungsverantwortung – schwer tut mit der Verankerung in diesen Schichten).
Nachdem er seine Kandidatur in den Komitees zurückgezogen hat, ist José Bové Ende Januar zurückgekommen, um zu verkünden, er kandidiere nun doch. Getragen wurde er von einer doppelten Bewegung: einer Petition, die 30 000 Unterschriften bekommen hatte und die außerhalb der Komitees entstand und von einigen organisiert worden ist, die das Projekt der Bildung einer politischen Strömung hinter ihm haben (bestimmte Strömungen der Ökologie- und der globalisierungskritischen Bewegung), sowie der Vorstellung, dies biete die letzte Chance, um PCF und LCR zu zwingen, mitzumachen und seine Kandidatur mitzutragen.
Ein Teil der Komitees hat sich, vor dem Hintergrund des aufgestauten Grimms gegen die LCR und die PCF dafür entschieden, sich dieser Kandidatur zu bedienen, mit der Hoffnung, den Druck zugunsten der Einheit aufrecht zu erhalten, während ein anderer Teil der Komitees sich dafür entschied, keinen Kandidaten zu unterstützen und weiter für das Ziel zu arbeiten, die gesamte antiliberale Linke zusammenzubringen.
Die Kandidatur von José Bové hat die LCR nicht erschüttert: Der Vorschlag der Minderheiten, Besancenot solle sich mit Bové treffen, um über eine gemeinsame Kandidatur zu diskutieren, so dass zumindest eine teilweise Einheit hergestellt worden wäre, lehnte die Mehrheit der LCR ab. Von daher kann die Kandidatur von Bové, die einer Strömung legitim erscheint, nicht so wirken, dass sie das Zusammengehen ermöglicht. Indem sie als dritte Kandidatur, die aus der Einheitsbewegung hervorgegangen ist, in Erscheinung tritt, unterstreicht sie eher noch deren Scheitern. Bei den Umfragen stagnieren die drei oder vier KandidatInnen, die sich auf den Antiliberalismus beziehen, zwischen jeweils 2 und 3 %. Die Komitees sind darüber gespalten, ob die Bové-Kandidatur opportun ist oder nicht. Manche versuchen, auf diesem Wege eine alternative politische Kraft zu bilden, die einen Raum zwischen PCF und LCR besetzen und die sich gegen beide aufbauen würde, womit das Ziel der Einheitsbewegung zugunsten eines noch wenig definierten Ziels aufgegeben würde.
Bei der Präsidentschaftswahl 2007 wird es also keinen gemeinsamen antiliberalen Kandidaten geben, und das ist eine Niederlage, die von Tausenden von politisch Aktiven und Millionen von WählerInnen als solche empfunden wird.
Die politischen Differenzen, die von der Führung der LCR genannt worden sind, erschienen als Vorwand, um ihre separate Kandidatur um jeden Preis zu rechtfertigen. Und zwar um so mehr, als die Übereinkunft eine Koalition vorsah, in der jede Partei oder politische Kraft ihre Autonomie behielt. Unserer Ansicht nach sind die Gründe für die Weigerung der Mehrheit der LCR, sich in die Bewegung zu integrieren, folgende:
Die Mehrheit der LCR hat keine Bilanz der Politik gezogen, die sie 2003/2004 betrieben hat; diese Politik beruhte auf einer Übereinkunft mit Lutte Ouvrière (LO), ist auf Wahlebene gescheitert und hat danach nicht im geringsten zu einem Effekt des politischen Zusammengehens geführt. Die Ergebnisse sanken von 10 % der Stimmen 2002 auf 4 % bei den Regionalwahlen 2004 und auf 2,5 % bei den Europawahlen – diese Politik hat zur Isolierung geführt, dadurch dass Rechte und Linke gleichgesetzt wurden und dass man sich weigerte, einen Dialog mit den auf der politischen Bühne existierenden antiliberalen Kräften aufzunehmen.
Die LCR ist selbst auch Opfer des französischen Präsidialsystems geworden: Angesichts dessen, dass sie einen jungen Kandidaten hat, der über die Massenmedien gut ankommt, hat sie sich über die politischen Einwände ihres aktiven Umfelds hinweg gesetzt, auch mit der Hoffnung, ihr Kandidat werde ein vorzeigbares Ergebnis bekommen (zwischen 3 und 4 %), und sie hat ihr Ziel auf die Konkurrenz mit LO und PCF reduziert. Anstatt bei dem Aufbau einer Einheitsbewegung einen Schritt nach vorne zu tun (der dazu in der Lage gewesen wäre, eine Dynamik in Gang zu setzen und über 10 % der Stimmen zu erreichen), hat sie eine Kandidatur vorgezogen, die die Identität unserer Strömung hochhält. Das wird für das politische Zusammengehen keinem Schritt nach vorne ermöglichen, und selbst ein gutes Wahlergebnis [beim ersten Gang der Präsidentschaftswahlen] wird sich bei den Parlamentswahlen nicht wiederholen, da wir ja wissen, dass die LCR weder die Verwurzelung noch die Verankerung in der Bevölkerung hat, um das gleiche Kräfteverhältnis zu erreichen.
Vor allem ist die LCR Opfer einer Art von Konservativismus geworden. In Anbetracht von 2500 Mitgliedern und einem Wahlergebnis, das manchmal 4 % der Wählerschaft erreicht, könnten viele Sektionen der Internationale diese Situation beneiden. Das ist jedoch noch kein Zeichen dafür, dass wir das verheißene Land erreicht haben und dass es ausreichen würde, dieses Ergebnis „zu verwalten“ und ansonsten auf die soziale Krise warten, in der wir dann als eine revolutionäre Partei auftauchen werden. Seit vielen Jahren haben wir in der LCR und in der Internationale die Überzeugung gewonnen, dass es Strömungen und Aktive zusammenzuführen gilt, um zu breiten und Massenparteien zu gelangen und die Perspektive einer radikalen Gesellschaftsveränderung voranzubringen, selbst wenn die RevolutionärInnen darin zu Anfang in der Minderheit sind. Wir stellten uns den Aufbau der revolutionären Partei nicht mehr als ein lineares Wachstum unserer Sektionen vor. Diese Errungenschaft, die wir gemeinsam hatten, wird von der Mehrheit der LCR in Frage gestellt.
2006/2007 ging es in Frankreich jedoch nicht in erster Linie um eine Diskussion um den Aufbau einer neuen Partei. Die antiliberale einheitsgerichtete Sammlung ähnelte nicht den Prozessen, aus denen das entstanden ist, was mensch „breite Parteien” der antikapitalistischen Linken genannt hat. In mehreren europäischen Ländern haben Gruppierungen, die aus der radikalen Linken entstanden sind, eine intelligente Politik der Öffnung zu führen verstanden (in Portugal, Großbritannien, Schottland, Dänemark…). In Frankreich sind alle Versuche, mit den Kräften der radikalen Linken eine breite Partei zu bilden, fehlgeschlagen; alle Versuche der LCR, mit LO Übereinkünfte zu erreichen, sind auf die sektiererische Politik von LO gestoßen. Dieses Mal ging es um etwas anderes: darum, ein Wahlbündnis aufzubauen, den Test einer erster Etappe für eine breitere Sammlung zu machen, auf der Basis eines antiliberalen Antikapitalismus, ein bisschen wie mit dem Bündnis WASG bei den Wahlen 2005. Hätte das Wahlbündnis in Frankreich das Licht der Welt erblickt, hätte sich selbstverständlich die Frage gestellt, wie der politische Raum zu organisieren ist, den man einnimmt, vielleicht zu einer Föderation von Parteien, Strömungen und Komitees überzugehen und auf längere Sicht auf alle Fälle zu einer politischen Sammelformation voranzuschreiten. Die LCR hat es aber abgelehnt, auch nur bei der Sammlung zu den Wahlen mitzumachen, sie wollte nicht den ersten Schritt tun. Aus Angst, sie könnte „aufgesaugt” werden und um kein Risiko einzugehen, hat sie es vorgezogen, sich auf die Pflege des eigenen Gärtchens ihrer Partei und ihres Kandidaten zurückzuziehen.
Diese Politik wirft Fragen auf: Wenn wir kein Vertrauen mehr in unsere Ideen und unser Programm haben (das nicht dazu da ist, im Kühlschrank aufbewahrt zu werden, sondern dazu bestimmt ist, einen beträchtlichen Teil der Arbeiterklasse davon zu überzeugen, eine Kraft der Aktion und der Transformation zu werden), wenn wir nicht mehr dazu in der Lage sind, es mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit abzugleichen, wenn wir nicht darum bemüht sind, die politischen Kräfteverhältnisse innerhalb der Linken durchgreifend zu verändern, dann wird das zu einem Konservatismus, der mit unserem erklärten Ziel der Veränderung der Gesellschaft kaum in Einklang zu bringen ist.
Einige Genossinnen und Genossen der Internationale haben die Tendenz, den Aufbau der politischen Bewegung und die Frage der sozialen Kämpfe in der Debatte voneinander zu trennen: Es würde ihnen zufolge ein entschlossener und prinzipienfester Kern genügen, um in die sozialen Kämpfe zu intervenieren, die schließlich das entscheidende Element sind. Damit vergisst man, dass die Konkretisierung einer Alternative auf politischem Terrain ihrerseits die sozialen Kämpfe befördert und dass umgekehrt die sozialen Kämpfe den Aufbau auf politischem Gebiet fördern sollten. Um einen nützlichen politischen Raum herauszubilden – nützlich in dem Sinne, dass Tausende von Aktiven in Gewerkschaften und Verbänden damit einen Ansprechpartner bekommen –, damit ein politischer Raum Struktur gewinnt, in dem eine beträchtliche Fraktion der Arbeiterklasse und der Jugend sich wiederfindet und sich organisiert, dafür ist eine politische Sammlung nötig: von parteilosen Aktiven, von Strömungen mit unterschiedlicher Tradition und Geschichte, aus der radikalen Linken, aus der kommunistischen und der sozialistischen Partei, aus ökologisch orientierten und alternativen Strömungen. Eine Sammlung, die sich den Fragen stellen muss, vor denen jede Partei steht, die ansatzweise einen bedeutenden Teil der Bevölkerung repräsentiert: die Fragen der Regierung, der parlamentarischen Mehrheit, der Präsenz in den lokalen und regionalen Institutionen, ohne die antiliberalen Grundsätze zu verraten, ohne sich in Bündnissen zu kompromittieren, die den Kampf beeinträchtigen und die die Durchsetzung neuer sozialer Errungenschaften verhindern würden.
Eine Absage an solch eine offensive einheitsorientierte Politik in Frankreich wird ihre Auswirkungen auf Europa haben. Die Verallgemeinerung einer „französischen Wende” muss verhindert werden, damit würden wir uns an den Rand der Phänomene der Neuformierung in Europa stellen. Wir können es nicht gebrauchen, dass die trotzkistischen politischen Kräfte in dem Land, in dem sie eine ansehnliche eigenständige Kraft erlangt haben, jedwede Möglichkeit einer Einheitssammlung für eine linke Alternative „einfrieren”.
Es ist noch möglich die Politik der LCR zu verändern, und wir werden uns darum bemühen. Es wird bei der Präsidentschaftswahl keinen Einheitskandidaten geben, und unter diesen Bedingungen muss Olivier Besancenot antreten. Es ist aber noch möglich, über einen Ansatz und eine Vereinbarung zu den Parlamentswahlen im Juni zu diskutieren. Es wird 580 Kandidatinnen und Kandidaten geben, es kann eine Vereinbarung getroffen werden, dass die LCR, die PCF, die Kräfte um José Bové, die Einheitskomitees, die die ganzen Querelen überlebt haben (und das sind recht viele) sich in 150 bis 300 Wahlkreisen auf gemeinsame Kandidatinnen bzw. Kandidaten einigen. Es muss natürlich eine Vereinbarung geben, dass man die Rechte schlagen, im Parlament in völliger Unabhängigkeit eine antiliberale Politik betreiben, sich nicht auf der Grundlage einer sozialliberalen Politik an einer Regierung und einer parlamentarischen Mehrheit beteiligen wird. Die Lage in Frankreich ist nicht stabil. Wenn die Rechte gewinnt, wird die gesamte Linke, auch die PS, auseinander brechen, sie wird sich neu aufstellen müssen. Wenn die Linke gewinnt, besteht die Möglichkeit einer Übereinkunft zwischen einem Teil der PS und der rechten „Mitte” (Bayrou und UDF), wie in Italien oder in Deutschland.
Eine „Wende in Richtung Einheit” seitens der LCR wäre nach der Besancenot-Kandidatur notwendig. Das Scheitern der Einheit bei der Präsidentschaftswahl entzieht der Notwendigkeit nicht den Boden, hartnäckig auf diese Art von Einheit hinzuarbeiten, auf der Ebene der unmittelbar gegebenen Situation in Frankreich, aber zweifelsohne auch für eine ganze Periode in Europa. Wenn für die Parlamentswahl in Frankreich eine Vereinbarung zustande käme, würde die antiliberale Linke auch zur Nichtregierungslinken, denn zurzeit ist die PCF nicht darauf aus, in eine sozialistische Regierung einzutreten. (Wenn sie hier ihre Meinung ändern würde, würde ihre interne Krise einen Höhepunkt erreichen, denn es würden erneut Tausende von Mitgliedern gegen die Führung aufstehen. Dann müsste man in dem Diskussionsprozess dabei sein, um in dieser Krise einen gewissen Einfluss auszuüben.)
Dies ist übrigens eine Situation, die sich der Tendenz nach auf europäischer Ebene wiederfindet: Je weiter sich die liberale Offensive entwickelt, desto mehr kommen die traditionellen Parteien [der Linken] unter Druck und verstärken ihre Wende zum Sozialliberalismus [6]; auf der anderen Seite zeichnen sich aber noch stärker Perspektivkrisen in diesen Parteien ab. In Deutschland hat die Regierungspolitik Schröders und dann die Bildung der Großen Koalition ein Zusammengehen eines Flügels der SPD mit der PDS und einem Teil der radikalen Linken bewirkt. In Italien löst die Regierungskoalition von Prodi eine Krise in Rifondazione aus. In Frankreich steht die PCF heute, die keine Wiederholung der „pluralen Linken” hinkriegen kann und will, vor schweren Widersprüchen, und morgen wird das für die PS so sein. Man muss sich darauf vorbereitet haben, um aktiv in diese Krisen einzugreifen, die zunehmen werden.
Was unsere italienischen Genossinnen und Genossen gemacht haben, ist ein gutes Beispiel. Es war notwendig, dass sie vor 15 Jahren mit ihren begrenzten Kräften in Rifondazione eintraten, in das Produkt der Spaltung der italienischen kommunistischen Partei. Als sie mit dem Eintritt von Rifondazione in die Regierung Prodi konfrontierte waren, haben sie sowohl ihre Unabhängigkeit gegenüber der Regierung als auch ihre Treue zur sozialen Bewegung unter Beweis gestellt, ohne jedoch eine Politik des Schlimmeren zu betreiben und für die Rückkehr von Berlusconi an die Macht verantwortlich zu werden. Die Italien-Debatte wird bei der Parlamentswahl in Frankreich wichtig werden, wegen einer PCF, die es zurzeit ablehnt, den Weg von Rifondazione zu gehen, aber zögert, welche Politik sie einschlagen soll. All diese Debatten werden in der europäischen Linken geführt werden. Wir müssen es verstehen, da eine Antwort zu geben – nicht nur mit einer Bekräftigung der Prinzipien, die wir vom Straßenrand aus deklamieren, sondern mit einer konkreten Politik der Herstellung von Sammlungsprojekten, die die Grundsätze der Klassenunabhängigkeit bewahren, und die den Lohnabhängigen eine Gelegenheit bieten, sich in die Debatten um eine alternative Politik zu der des Sozialliberalismus einzubringen. In diese Prozesse werden wir unsere Vorstellungen einbringen und vorantreiben.
27. Februar 2007 |
Aus dem Französischen übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Friedrich Dorn. |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 426/427 (Mai/Juni 2007).