Liebe Genossen und Freunde,
ich warte gegenwärtig darauf, dass der Senat meinen Rücktritt akzeptiert, den ich nicht zurückgezogen habe und nicht zurückziehen werde. Derweil werde ich in den kommenden Tagen meine Stimme in einer Vertrauensabstimmung der Prodi-Regierung abgeben. Ich möchte hiermit meine Gründe dafür darlegen, dass ich der Regierung mein Vertrauen aussprechen werde, jedoch in einer Art, die ich als technisch bezeichnen möchte, da ich gleichzeitig Prodis 12 Punkte ablehne.
Ich werde im Senat unmissverständlich klarstellen, dass sie auf meine Unterstützung des Afghanistan-Einsatzes ebenso wenig zählen können wie in der Frage der Hochgeschwindigkeitstrasse TAV im Susatal oder der Gegenreform des Rentensystems. Ich werde nicht für diese Maßnahmen stimmen, auch wenn das eine weitere Regierungskrise hervorrufen sollte. Und selbstverständlich werde ich weiterhin mit euch gegen die Militärbasis in Vicenza kämpfen.
Indem ich mich weigerte, für die Außenpolitik der Regierung zu stimmen, hatte ich nicht vor, mich als Politiker in Pose zu werfen oder eine Regierungskrise zu provozieren. Ich tat dies aus Verantwortung gegenüber meinen Überzeugungen und gegenüber jenen, die wie ich sich einer Außenpolitik sehr fern fühlen, die weiterhin Kriege führt, auch wenn diese noch so multilateral sind; die das neoliberale Modell für Europa unterstützt; und die meint, Soldaten in die ganze Welt zu schicken, sei eine Methode, in der Arena der internationalen Politik wichtig zu sein. Ich tat es aus der Ablehnung der Vorstellung heraus, dass etwas, das nichts anderes als eine militärische Besatzung ist, als „zivilisierende und Friedensmission“ verstanden werden soll. Und ich wollte eine kleine Geste der Unterstützung des außergewöhnlichen Kampfes gegen den Bau der amerikanischen Militärbasis in Vicenza leisten, die das Land zerstören und ein zentrales Instrument der Interventionsstrategie der Vereinigten Staaten im Rahmen ihres totalen und andauernden Krieges sein wird. Ich bereue diese Geste in keiner Weise und würde sie jederzeit wieder machen. Sie war der Ausgangspunkt für meine Meinungsverschiedenheit mit der Regierung in Fragen der Außenpolitik und stand in Verbindung mit meiner entschiedenen Opposition gegen den Krieg in Afghanistan und die Entscheidung der Regierung, die Ausweitung der Militärbasis in Vicenza um die doppelte Größe zu erlauben. Das hatte mein Abstimmungsverhalten zu bedeuten. Damit stellte ich mich gegen die Linie meiner Partei, aber in einer Frage, die ich für jeden politisch Aktiven grundlegend halte: Nein zum Krieg!
Ich glaube nicht, dass ich für die Krise der Regierung verantwortlich bin. Die Hauptverantwortung liegt bei der Regierung selbst und bei den politischen Entscheidungen, die sie in den letzten Monaten getroffen hat. Mit diesen hat sie sich schrittweise von allen entfernt, die sie gewählt haben. Die Krise entstand zum Teil aus undurchsichtigen Gründen und zum Teil, weil der reformistische Flügel der Mitte-Links-Regierung, L'Unione, die Situation dramatisieren wollte, um die alternative Linke zum Schweigen in einer der wichtigsten Fragen zu zwingen. Die Krise wurde genutzt, um alle Forderungen zum Schweigen zu bringen und um die neo-liberale Richtung der Regierungspolitik endgültig festzulegen. In diesem Sinne war die Debatte im Senat eine Erpressung, besonders in der Frage Vicenza. Aus diesem Grunde habe ich auch so gestimmt.
Die Lösung der Krise scheint meine Analyse zu bestätigen. Die 12 Punkte, die Prodi vorgestellt hat, besiegeln die neoliberale Wende und drücken den klaren Wunsch aus, eine Politik der Opfer und des multilateralen Krieges zu bestätigen. Das Ziel der Angriffe gegen mich, das Gespenst einer Rückkehr Berlusconis an die Macht, mit dem meine Gegner herumwedeln, sollen genau diese einfache Wahrheit verdecken: Die Bilanz der Prodi-Regierung aus den vergangenen Monaten ist sehr negativ, und wir müssen mit noch Schlimmerem rechnen. Dieses Urteil teilt meine Partei offensichtlich nicht, denn sie unterstützt die neue Regierung aus vollem Herzen. Und es ist von der Zivilgesellschaft, den Bewegungen, den Gewerkschaftsspitzen, den Vertretern des radikalen Pazifismus und den Demonstranten vom 17. Februar in Vicenza sehr unterschiedlich aufgenommen worden. Die Angst vor einer Rückkehr einer rechten Regierung ist tatsächlich sehr stark verbreitet. Einige meinen, dass die Möglichkeit eines gemeinsamen Kampfes mit der Prodi-Regierung noch nicht vergeben ist und dass ihr Fortbestand den Rahmen bilden kann, innerhalb dessen bessere Ergebnisse oder zumindest eine demokratische Dialektik erreicht werden kann.
Da ich nicht der Verantwortliche für den Fall der Regierung war, denke ich, dass es richtig ist, den Gehalt dieser Absichten zu überprüfen, die Debatte mit dem größten Teil der Bewegung weiter zu führen und mit jenen zu diskutieren, die dies glauben und daher meinen, dass die Prodi-Regierung erhalten bleiben sollte. Aber ich glaube, dies können wir nur tun, wenn wir in einigen Punkten sehr klar sind. Ich werde nie bereit sein, für den Krieg in Afghanistan zu stimmen oder die Sozialpolitik dieser Regierung zu unterstützen.
Ich glaube nicht, dass die Zukunft einfach wird. Die 12 Punkte sind ein Rückschritt und ein Schlag ins Gesicht für die Bewegungen und die Parteien der alternativen Linken. Was ich erwarte, ist eine Phase, in der es nötig sein wird, soziale Opposition gegen die Maßnahmen der Prodi-Regierung aufzubauen. Diese Opposition muss sich auch im Parlament widerspiegeln. Das ist mein Ziel. Um es anders auszudrücken: Es ist möglich, sich dafür zu entscheiden, der Regierung Widerstand entgegenzusetzen und dabei auf bestimmten Prinzipien und Beschränkungen zu bestehen, die meiner Meinung nach grundlegend sind: Prinzipien, die uns an die Arbeiterbewegung binden, an die Bürgerinitiativen in ihrem Kampf gegen die TAV und für die Umwelt, und an die Friedensbewegung, die wir kürzlich in Vicenza gesehen haben. Dies sind die Prinzipien, die meine politische Aktivität bestimmen. Das ist kein abstraktes idealistisches Weltbild, sondern ein politisches Projekt, dem ich mein ganzes Leben lang verpflichtet war.
In den vergangenen 15 Jahren haben sich diese Prinzipien und Überzeugungen vollständig mit jenen der Rifondazione Comunista gedeckt. Vor wenigen Tagen jedoch hat meine Partei mich für „unhaltbar“ erklärt, weil ich dem historischen Programm der PRC treu geblieben bin. Ich habe die Rifondazione von Anfang an mit aufgebaut, ich habe sie gegen Angriffe verteidigt, ich habe hunderte Stunden in Diskussionen mit den arbeitenden Männern und Frauen in Turin und ganz Italien verbracht.
Die Drohung mit Parteiausschluss ist bitter und gleichzeitig eine große Enttäuschung. Aber sie ist das Ergebnis einer grundlegenden Veränderung der Prioritäten und der Aktionen der PRC: bestimmte höhere Ideale werden in den Dienst eines wackligen politischen Projektes gestellt, und auf diese Weise wird ein Prozess der Deformation der Linken betrieben, der mir die Sprache verschlägt. Und gleichzeitig wird eine grundlegende Qualität unserer Politik geopfert: die Übereinstimmung von Gewissen und Handlung. Deren Fehlen ist heute die Wurzel der „Krise“ jener Politik, die wir zehn Jahre lang verteidigt haben. Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte der Linken, dass jenen, die im Parlament Nein zum Krieg sagen, vorgeworfen wird, sich aus Arroganz zu isolieren, „edle Seelen“ zu sein, aber „unfähig, realistisch zu sein“, „unverantwortlich“ oder „idealistisch“. Diese Angriffe schmerzen mich nicht. Aber ein Projekt, an das ich geglaubt habe, dem ich mich voller Energie hingegeben habe, löst sich heute aufgrund der Handlungen jener auf, die sich entschlossen haben, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind.
Weil ich meine Überzeugungen und meine Verbindungen mit der Bewegung respektiert habe, habe ich offensichtlich meine Partei verraten und die Regierung zum Rücktritt gezwungen. Ich glaube nicht, dass ich so wichtig bin und eine so grundlegende Rolle gespielt habe. Vielleicht treten hier eher Gegensätze innerhalb der gesamten Linken und zwischen der Regierung und den Menschen zutage. Diese Beziehung ist mehr als geschwächt, wie die Umfragen und die Demonstrationen der Unzufriedenheit belegen.
Was mich angeht, so kann ich nur so weiter reden und handeln wie in den letzten Tagen. Falls der Senat meinen Rücktritt verweigert, also solange ich im Senat bleibe, werde ich gegen Kriege stimmen, denn das Nein zum Krieg und meine Verbindung zur Arbeiterbewegung sind die Richtlinien meiner politischen Aktivität: Sie sind immer das A und O einer antikapitalistischen und Klassenperspektive.
Ich möchte euch nun für die Solidaritätsadressen danken, die ihr mir geschickt habt. Einige davon haben mich wirklich berührt. Ehrlich gesagt glaube ich nicht wirklich, dass ich sie verdient habe, einfach weil es in dieser Welt unnormal erscheint, was jedem ernsthaften Menschen normal erscheinen sollte: im Einklang mit den eigenen Überzeugungen zu handeln.
Wenn meine kleine Geste dabei geholfen hat, diese Logik wieder zu stärken, die einige verächtlich als zu „idealistisch“ abtun, dann war sie zu etwas gut.
In jedem Fall ist dies mein Weg, und ich hoffe, ihn an eurer Seite weiter zu beschreiten.
Noch einmal danke,
Franco Turigliatto, Rom, 27. Februar 2007 |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 426/427 (Mai/Juni 2007).