Am 2. und 3. Juni fand in Lissabon der fünfte Nationale Kongress des portugiesischen Bloco de Esquerda (Linksblock) statt (www.bloco.org). Seit ihrer Gründung 1999 hat sich diese Einheitsorganisation der antikapitalistischen Linken in Portugal gefestigt und im Land verankert; sie ist heute mit 4200 Mitgliedern, einer aktiven Präsenz in Kämpfen und sozialen Bewegungen, 350 gewählten GemeindevertreterInnen und acht Parlamentsabgeordneten eine bedeutende Kraft. Jean Batou von der linken Schweizer Zeitung SolidaritéS sprach Anfang Juli mit Francisco Louçã, dem Kandidaten des Linksblocks bei den Präsidentschaftswahlen im Januar 2005 (5,3% der Stimmen).
Der Linksblock versteht sich als eine pluralistische sozialistische Partei. Wie positioniert ihr euch im Hinblick auf den zentralen Aspekt eines sozialistischen Programms im ursprünglichen Sinn des Wortes, nämlich der Vergesellschaftung der großen Produktions- und Distributionsmittel, des Kredits etc.? Wie geht ihr in eurem Programm an die Schlüsselfrage des Eigentums an den großen Produktionsmitteln heran? Ist es möglich, eine antikapitalistische Linke zu gründen, ohne in dieser Frage eine klare Haltung einzunehmen? |
Als der Linksblock vor acht Jahren gebildet wurde, trafen wir eine politische Entscheidung, die ich immer noch für richtig halte: Grundlage der Partei sind die für unsere Intervention entscheidenden politischen Auseinandersetzungen und nicht ein a priori festgelegter ideologischer Zusammenhalt. Wir haben damit sehr unterschiedliche Strömungen zusammengebracht – aus der KP, aus der maoistischen und aus der trotzkistischen Tradition ebenso wie aus unabhängigen sozialen Bewegungen. Wir waren damals in einer sehr defensiven Situation, und dieses Herangehen hat uns in die Lage versetzt, politische Initiativen zu ergreifen und einen Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben. Wir haben also nicht damit begonnen, über gemeinsame historische Bezüge zu diskutieren, sondern über die konkrete politische Intervention.
Als SozialistInnen haben wir uns kurz nach unserer Gründung definiert. Dabei haben wir uns sowohl vom „realen Sozialismus“ (dem Stalinismus, den Erfahrungen der Sowjetunion, der Ostblockstaaten und Chinas) als auch von der Sozialdemokratie einschließlich ihrer aktuellen sozialliberalen Variante abgegrenzt. Wir führen einen antikapitalistischen Kampf – in diesem Sinne verteidigen wir die Idee des kollektiven Eigentums.
Was dabei wirklich wichtig ist, insbesondere für Organisationen, die früher kleine Minderheitengruppen waren, ist, dass wir um Einfluss auf die Massen ringen und dafür nach geeigneten Instrumenten suchen. Wir haben unsere sozialistischen Ideen in konkrete Vorschläge übersetzt, die in den Besonderheiten des politischen Lebens in Portugal wurzeln. So haben wir kürzlich die Vergesellschaftung der Wasser- und Energieversorgung vorgeschlagen. Eine unserer Hauptkampagnen in diesem Jahr dreht sich um die Verteidigung, Modernisierung und Reform des öffentlichen Gesundheitssystems. Damit konkretisieren wir unsere Perspektive der Vergesellschaftung auf der Grundlage sozialer Bedürfnisse und aktueller Kämpfe.
Liest man das Dokument der Mehrheit auf eurem letzten Kongress, fällt auf, dass ihr die soziale Frage deutlich anders angeht als die Umweltfrage. Zu ersterer stellt ihr Defensivforderungen auf – gegen Privatisierung, Verteidigung der sozialen Sicherheitssysteme –, also ein antiliberales Programm, das mit einer linkskeynesianischen Perspektive vereinbar ist. Zur Umweltfrage dagegen sagt ihr: Ein so gravierendes Problem wie der Klimawandel erfordert die Infragestellung der kapitalistischen Logik selbst. Mir scheint, dass euer Ansatz hier bis hinein in die Formulierungen viel radikaler ist. Besteht hier nicht eine gewisse Spannung zwischen einem Minimalprogramm in sozialen Fragen, das der Verteidigung „realisierbarer“ Ziele entspricht – ein Begriff, der bei euch wiederholt auftaucht –, und der Notwendigkeit eines radikalen Bruchs mit dem Kapitalismus, namentlich in der ökologischen Frage? |
Der Bruch mit dem Kapitalismus ist in jedem Fall die einzige kohärente Strategie. Wir teilen nicht die linkskeynesianische Perspektive, weil sie eine Perspektive des Marktes ist, die in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg eine materielle Grundlage hatte, aber heute nicht mehr möglich ist. Wir sind allerdings der Auffassung, dass die Linke sich nicht darauf beschränken kann, Propaganda für den Sozialismus zu machen, sondern Einfluss auf das Bewusstsein und die Handlungsfähigkeit der Menschen nehmen muss. Die Vorstellung, die einzige Alternative sei der Sozialismus – der kein unmittelbares Ziel sein kann –, sorgt im linken Denken für Verwirrung. Um zu kämpfen, muss man alles fordern, und trotzdem: Nicht alles ist möglich. Diesen Trugschluss muss man überwinden.
Wie überall in Europa versucht auch die portugiesische Bourgeoisie, die Lohnnebenkosten zu drücken, um sich einen höheren Anteil des Steueraufkommens anzueignen. Also müssen wir den öffentlichen Dienst als demokratische Errungenschaft, für die wir kollektiv die Verantwortung tragen, verteidigen und die Mehrheit der Bevölkerung für ein solches Ziel gewinnen. Dieser Kampf ist nicht defensiv, ganz im Gegenteil. Denn indem wir konkrete, also realisierbare Vorschläge machen, sehen die Leute, dass diese umsetzbar sind. Das machen wir im Gesundheitsbereich wie in der Sozialpolitik. Beispielsweise waren wir die einzige Partei, die als Alternative zum wichtigsten Vorhaben der mehrheitlich sozialistischen Regierung, nämlich der Reform der Sozialversicherungen, eine konkrete Alternative vorgelegt hat, wie der Sozialstaat finanzierbar ist, die Steuern ausgestaltet werden sollen und die Solidarität zwischen den Generationen gewährleistet werden kann. Das hat uns einen erheblichen Einfluss verschafft, weil alle verstehen konnten, dass das einzige Argument der BefürworterInnen des Sozialabbaus, die diesen als unausweichlich präsentierten, falsch ist. In diesen Fragen muss man klar Stellung beziehen.
In der Frage des Klimawandels hat unser Kongress dagegen eher eine grundsätzlichere programmatische Position bezogen, zweifellos, weil es das erste Mal war, dass wir uns dazu geäußert haben. Wir mussten erklären, warum marktwirtschaftliche Lösungen à la Al Gore bezüglich der Änderung der Konsumgewohnheiten, der Produktionsformen, der Reichtumsverteilung, der Nord-Süd-Beziehungen etc. in eine Sackgasse führen. Daher haben wir einen didaktischeren Stil gewählt.
In den letzten 20, 25 Jahren haben die diversen neoliberalen Angriffe des real existierenden Kapitalismus zu sozialen Rückschritten geführt, die tief greifende Spuren im Klassenbewusstsein hinterlassen haben. So lässt sich ein genereller Rückgang der Solidarität feststellen. Alle versuchen, in erster Linie ihre eigene Haut zu retten. Die bürgerliche Ideologie fasst immer mehr Fuß. Die Gesellschaft ist vielfach zersplitterter als je zuvor und den materiellen und ideologischen Angriffen des Kapitals voll ausgesetzt. Das führt zu immer neuen Spaltungen: zwischen Berufstätigen und Arbeitslosen, zwischen fest und prekär Beschäftigten, zwischen In- und AusländerInnen, zwischen Alten und Jungen, Männern und Frauen etc. Diese allgemeine Schwächung der Widerstandsfähigkeit zeugt von einer qualitativen Verschlechterung des Kräfteverhältnisses. Für einen anhaltenden Widerstand reicht es in dieser Situation nicht, die sozialen Bewegungen um antiliberale Ziele zu sammeln. Sie müssen vielmehr wieder aufgebaut werden, was eine andere Zielvorstellung voraussetzt, nämlich die einer radikalen sozialen Veränderung, vergleichbar mit dem, was für die Arbeiterbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg der Sozialismus war. Wie siehst du das? |
Die Linke hat keine umfassende Antwort auf dieses Problem; denn die einzig mögliche Antwort kann sich nur auf gesellschaftliche Erfahrungen, auf die Schaffung neuer Traditionen des Kampfes stützen. Aber ich glaube, dass es dennoch zwei Ansätze einer Antwort gibt. Das erste ist die Fähigkeit zur politischen Initiative, das zweite der Aufbau neuer sozialer Netzwerke, neuer Formen gesellschaftlicher Intervention. Der Schlüssel zur Strategie der sozialistischen Linken liegt darin, wo immer möglich die Initiative zu ergreifen, in die Offensive zu gehen und daran festzuhalten. Ich habe großen Respekt für Kerngruppen und die Tradition der europäischen radikalen Linken. Ich glaube aber, dass eine Partei zum Scheitern verurteilt ist, wenn sie nicht fähig ist, in nationalen politischen Diskussionen als eine Kraft aufzutreten, auf die sich die Menschen beziehen, besonders durch ihre Fähigkeit zur Initiative. Die Erlangung dieser politischen Handlungsfähigkeit ist unerlässlich, um zu einem Bezugspol zu werden.
Dazu zwei Beispiele aus unserer Geschichte: Der Linksblock entstand 1999 zu einer Zeit, als Portugal trotz des Vormarsches liberaler Ideen, Individualismus und Erosion des politischen Bewusstseins eine einzigartige Solidaritätsbewegung mit der Bevölkerung von Osttimor erlebte, das damals noch nicht unabhängig war und von der indonesischen Armee unterdrückt wurde. Es gab einen landesweiten Streik und tagelange Demonstrationen, also eine Mobilisierung, der keine materiellen Interessen zugrunde lagen. Wie war das möglich in einem vorwiegend defensiven Klima? Die Antwort ist politischer Natur: Gewisse Spannungen können den Ausschlag zu bedeutenden Mobilisierungen rund um konkrete Themen geben. Das andere Beispiel ist unser jüngster Erfolg beim Referendum zur Abtreibungsfrage, bei der 60 Prozent für eines der fortschrittlichsten Gesetze Europas gestimmt haben, und das in einem erzkatholischen Land, in dem die Kirche einen enormen Einfluss auf die Politik ausübt. Dieser Erfolg war nur Dank der Mobilisierungsfähigkeit der BefürworterInnen des straffreien Schwangerschaftsabbruchs möglich. So konnten die Zentrumsparteien und die Rechte gespalten und Abgeordnete aus dem rechten Lager in das Kielwasser der Kampagne gezogen werden. Die zentrale Frage lautete: Wie kann man nur zulassen, dass nach wie vor Frauen eingesperrt werden, nur weil sie abgetrieben haben? Damit wurde eine völlig neue Ausgangslage für die politische Diskussion geschaffen.
Man muss sich vor einer Scheinradikalität hüten, die in Wirklichkeit nur auf Passivität hinausläuft, weil man den Eindruck hat, dass eh nichts realisierbar ist. Tatsächlich kann eine ganze Menge realisiert werden, sofern man sich dort, wo Fortschritte möglich sind, zur Initiative entscheidet und Machtverhältnisse schafft.
Im Grunde genommen hast du aber Recht. Die sozialen Bewegungen des 21. Jahrhunderts haben eine tiefgreifende Reorganisation nötig. Die Gewerkschaften tun sich schwer, prekär Beschäftigte zu organisieren. Man muss andere Formen von Netzwerken und gesellschaftlichen Organisationen schaffen. Darin haben wir ein wenig Erfahrung gesammelt. Beispielsweise ist es uns vor einem Jahr gelungen, im ganzen Land einen Marsch für Beschäftigung zu organisieren. Jeden Tag gab es mehrere öffentliche Veranstaltungen, an denen viele ArbeiterInnen teilnahmen. Zum Teil nahmen ArbeiterInnen von Betrieben, die vor dem Konkurs stehen oder geschlossen werden sollen, mit uns Kontakt auf. Wir haben dieses Problem bereitwillig aufgegriffen; denn in Portugal beträgt die Erwerbslosigkeit etwa 10 Prozent, und die Beschäftigten sehen keine Alternative. In einigen Fällen konnten wir dennoch wichtige Erfolge erringen. Bei Volkswagen im Süden von Lissabon, einer der wichtigsten Fabriken des Landes mit mehreren tausend Beschäftigten, spielen Mitglieder des Linksblocks eine führende Rolle in der Belegschaftsvertretung. Hier haben die Beschäftigten auf Lohnerhöhungen verzichtet, damit einige hundert prekär Beschäftigte einen festen Arbeitsvertrag erhalten. Dies hat das Vertrauen in solidarische Lösungen gestärkt, und das unter extrem defensiven Bedingungen.
Ende der Neunzigerjahre ist mit der globalisierungskritischen Bewegung eine Kraft entstanden, die mit bisherigen Traditionen bricht. Es entstand eine neue Formen von Internationalismus. Die Globalisierungskritik schafft es aber kaum, bedeutende soziale Bewegungen zu lancieren, was von gewissen Beschränkungen zeugt. In euren Kongressunterlagen erwähnt ihr zwei Beispiele von Mobilisierungen, die ohne die globalisierungskritische Bewegung nicht denkbar gewesen wären: die französischen Jugendlichen, die gegen die Erstanstellungsverträge (CPE) auf die Straße gingen, und die griechischen Studierenden, die gegen die Bologna-Reform protestierten. Doch diese Proteste sind von begrenzter Tragweite. Besteht nicht die Gefahr, dass sich die Globalisierungskritik ohne bedeutende soziale Bewegungen totläuft, ihre Veranstaltungen und Sozialforen zu Ritualen verkommen, ohne dass sie fähig wird, gesellschaftliche Initiativen anzustoßen, die für eine Gegenoffensive unerlässlich sind? |
Diese Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen. Trotzdem ist es der globalisierungskritischen Bewegung gelungen, eine eindrucksvolle Antikriegsbewegung mit einer neuen, attraktiven und produktiven Organisationsform aufzubauen. Millionen von Menschen konnten damit in einer Massenbewegung ihrem Protest Ausdruck verleihen – ein entscheidender Faktor, um Imperialismus und Krieg nach und nach die Stirn zu bieten. Du hast aber Recht mit der Feststellung, dass die Bewegung Mühe hat, breite soziale Schichten zu organisieren. In Portugal war die globalisierungskritische Bewegung wesentlich erfolgreicher im Hervorbringen von Ideen als im Organisieren und Ergreifen von Initiativen. Es gab zwei Portugiesische Sozialforen, die aber nur sehr geringe Ausstrahlung hatten. Das erste war noch besser, weil sich hier der Gewerkschaftsbund im Bemühen um Einheit daran beteiligt hatte; doch das zweite war mit einigen hundert Personen schlecht besucht, was auf die zwanghafte Kontrollsucht der Kommunistischen Partei Portugals (PCP) zurückzuführen ist, die zahlreiche soziale Initiativen daran hinderte, sich zu beteiligen. [1] Diese Spannungen verhinderten ein autonomes Auftreten der globalisierungskritischen Kräfte in Portugal. Als organisierte Bewegungen haben die Sozialforen daher keinerlei Einfluss erlangt.
Die Antikriegsbewegung war zwar ein eindrückliches Produkt der globalisierungskritischen Bewegung, sie hat sich aber vor allem gegen den US-Imperialismus und die endlose Kriegspolitik von George W. Bush gerichtet. Wurden da nicht Illusionen in den europäischen Imperialismus genährt? An eurem letzten Kongress habt ihr jegliche Unterstützung für Interventionen portugiesischer oder anderer europäischer Truppen in Afghanistan kritisiert. Was denkst du über den Schwenk der Mehrheit von Rifondazione in Italien zugunsten der Fortsetzung der militärischen Interventionen von NATO-Staaten, sofern die UNO dahintersteht, insbesondere in Afghanistan und – in einem anderen Kontext – im Libanon? |
Es stimmt, dass sich die Antikriegsbewegung gegen den US-amerikanischen und britischen Imperialismus entwickelt hat. Die Haltung von Chirac und Schröder hat natürlich Illusionen genährt. Ich glaube aber, dass diese Spaltung des imperialistischen Lagers auch eine Folge der Mobilisierung der öffentlichen Meinung gegen den Krieg war. Es ist also auch ein Erfolg, verhindert zu haben, dass sich die verschiedenen imperialistischen Länder geschlossen rund um die imperialistische Supermacht USA gruppiert haben. Tatsächlich finden heute aber sehr wichtige Diskussionen statt. In Italien führt Rifondazione meines Erachtens einen doppelten Diskurs: In der Regierung wird die imperialistische Intervention in Afghanistan hingenommen, in der Europäischen Linkspartei (ELP) wird dagegen einer Resolution zugestimmt, die den Rückzug der Truppen aus Afghanistan fordert. Dasselbe in Italien selbst: Man kann nicht an einer Demonstration gegen den Ausbau von amerikanischen Militärbasen teilnehmen und wenige Tage später für dasselbe Projekt stimmen. Die Leute verstehen, dass hier ein Widerspruch vorliegt, was zu Problemen zwischen Rifondazione und der Antikriegsbewegung geführt hat. Dennoch spielte Rifondazione eine wichtige Rolle in der Führung dieser Bewegung, und das war auch eine der Stärken der Partei in den Jahren 2003/2004. Hier besteht ein Defizit, das in eine ausgesprochen gefährliche Situation münden kann. Denn eine Partei muss sich ihrer Ziele, insbesondere in der Frage von Krieg und Frieden, sehr sicher sein, denn das sind entscheidende Fragen für das Leben von Völkern. Die sozialistische Bewegung in ihrer besten Tradition war darin sehr klar, von Jean Jaurès angefangen bis Rosa Luxemburg. Es gibt keine linke Politik ohne klare Opposition gegen Krieg, Militarismus und Imperialismus.
Der Linksblock ist eine Sammlung der antiliberalen sozialistischen Linken, an der die PCP nicht teilnimmt. Auf europäischer Ebene ist der Linksblock Teil der ELP, die von Kräften dominiert wird, die aus der kommunistischen Bewegung kommen. Wie erklärst du den Sonderweg, den die PCP gegenüber dem Linksblock eingeschlagen hat, und die Tatsache, dass ihr kaum auf die PCP eingeht? |
Der Linksblock hat sich in Opposition zur liberalen Politik, also zur sozialdemokratischen Sozialistischen Partei (PS), aber auch zur PCP aufgebaut. Wir repräsentieren eine dritte Kraft, eine Alternative hinsichtlich Programm und Fähigkeit zur Initiative. Unser strategisches Ziel ist es, das Kräfteverhältnis in der Linken und in der Gesellschaft insgesamt zu verändern. Die PCP stellt eine Organisationsform stalinistischer Tradition dar, in der die Partei die Führung über die Gewerkschaft, die Frauen- und Jugendbewegung usw. innehat. Das verhindert, dass die Gewerkschaft einheitlich die Interessen der Lohnabhängigen vertreten kann, und beschränkt ihre Fähigkeit, prekär Beschäftigte und andere soziale Schichten zu organisieren. Die gesellschaftliche Kraft der PCP hängt wesentlich von dieser Art von einseitiger Vereinnahmung der Gewerkschaftsbewegung ab. Mit dieser Praxis, die die Basisbewegungen schwächt, muss gebrochen werden. Der Linksblock hat sich als politische und soziale Kraft konstituiert, um dazu beizutragen, dass die sozialen Kräfte wieder selbst initiativ werden können. Das Verhältnis zur PCP ist also geprägt durch Auseinandersetzungen und Diskussionen, zum Teil auch Gemeinsamkeiten, auch wenn wir klar eine andere Vision vertreten.
In ihrer gesamten Geschichte war die PCP auf die Sowjetunion orientiert; jetzt ist sie die Partei der KP Chinas. Mit der Spaltung der italienischen Kommunistischen Partei, die zur Entstehung der Rifondazione geführt hat, lässt sich das nicht vergleichen.
Was die ELP betrifft, der wir angehören, sind die KPs gespalten. Die ELP vertritt ein offenes, nichtstalinistisches Konzept. Sie ist eher ein Netzwerk, mit der Komintern nicht zu vergleichen. Die PCP gehört der ELP nicht an. Die Beschlüsse der ELP sind für uns nicht bindend. Es handelt sich um eine vernetzte Zusammenarbeit, die vom Willen der nationalen Parteien abhängig ist. Die Rot-Grüne Allianz aus Dänemark und Respect aus England sind assoziierte Mitglieder. Die in der ELP vertretenen KPs haben sich mehr oder weniger gewandelt, während die PCP versucht, ein paralleles Netzwerk mit den osteuropäischen Parteien, den KPs Chinas, Vietnams, Kubas etc. aufzubauen.
Der Linksblock hat immer mehr Abgeordnete im Parlament und in Gemeinden. Mit 350 gewählten MandatsträgerInnen auf kommunaler Ebene sind nahezu 10 Prozent der Mitglieder in solchen Vertretungen. Bringt euch das nicht Probleme? Können sich durch das Gewicht dieser Abgeordneten die politischen Prioritäten und Termine nicht zugunsten von Fragen verschieben, die von diesen Institutionen vorgegeben werden, und damit auf Kosten der prioritären Bedürfnisse der sozialen Bewegungen gehen? Ganz zu schweigen vom Einfluss, den gewählte MandatsträgerInnen hinsichtlich materieller und symbolischer Privilegien haben können, auch wenn diese relativ bescheiden sind. Was unternimmt der Linksblock, um sich gegenüber dieser Gefahr zu wappnen? |
Wenn sich eine Partei der Wahl stellt und Personen gewählt werden, müssen sie diese Funktionen natürlich übernehmen. In einer bürgerlichen Demokratie erhält jede Massenpartei Abgeordnete, und die politische Polarisierung kann sich in Wahlerfolgen ausdrücken, selbst wenn es zwischendurch Rückschläge und Niederlagen gibt. In Portugal erhalten die MandatsträgerInnen auf kommunaler Ebene keine Gehälter, in den größeren Städten gibt es eine Gemeindeversammlung pro Woche, in kleineren oft nur einmal pro Monat oder zwei Mal im Jahr. Dazu kommen einzelne Kommissionen. Die Gemeindeversammlungen haben sehr wenig Macht, es sind eher politische Diskussionsforen. Einzelne Mitglieder üben auch Funktionen in Stadtregierungen aus, die proportional gewählt werden. Im Normalfall sind sie in der Minderheit, außer in einer Kleinstadt mit rund 30 000 EinwohnerInnen nahe Lissabon. Es stimmt schon, dass durch diese Präsenz politische Antworten auf lokale Probleme gefragt sind. Auch diese sind wichtig, z. B. Fragen des Wohnungsmarkts, des Transports, des öffentlichen Dienstes, der Bildung. Oft hängen sie direkt mit der Finanz- und Budgetpolitik zusammen, aber auch mit der Organisierung der Gesellschaft im ganzen Land. Damit können wir eine Opposition aufbauen, die über das lokale Leben besser informiert ist.
Das zwingt uns, viel Energie und Kader auf die Themen zu verwenden, die auf kommunaler Ebene anstehen. Diese Arbeit muss gut gemacht werden. Man muss versuchen, über die Sitzungszimmer hinaus an die Bevölkerung zu gelangen und ihr zu zeigen, was auf dem Spiel steht. Die PCP geht dagegen oft Bündnisse mit der Rechten ein, um Posten in der Exekutive zu erhalten, da die PS und die Regierungsparteien einen herrschenden Block bilden. Das erklärt, warum sie sich in mehreren Großstädten wie Porto, Sintra und Coimbra an rechten und rechtsextremen Stadtregierungen beteiligt hat. Am wichtigsten ist aber, auf nationaler Ebene in zentralen Kampagnen ein gemeinsames politisches Profil zu bewahren. Seit einem Jahr haben wir z. B. unsere Kräfte vor allem auf den Arbeitsmarkt gerichtet und uns direkt mit den UnternehmerInnen und der Regierung konfrontiert; ebenso auf die Frage der Abtreibung. Daraus bezieht der Block seine Anerkennung.
Dem Linksblock ist es gelungen, verschiedene recht unterschiedliche politische Strömungen zusammenzuführen: nicht nur neue Kräfte und Generationen, sondern auch ältere marxistisch-leninistische, trotzkistische Traditionen, die aus KP-Minderheiten hervorgegangen sind. Wurden durch diese Zusammenarbeit Fortschritte ermöglicht? |
Ich möchte nicht verallgemeinern. Die Lage in Portugal ist sicher nicht auf andere Länder übertragbar. In Frankreich diskutiert die LCR beispielsweise über eine breite antikapitalistische Partei. Die Erfahrungen von SolidaritéS in der Schweiz sind wieder anders. Es gibt aber in all diesen Erfahrungen und Diskussionen der europäischen Linken auch viele Gemeinsamkeiten: den Willen zum Aufbau eines breiteren politischen Rahmens, der offensiver ist und der die sozialen AktivistInnen organisieren und eine sowohl politische als auch soziale Linke darstellen kann. Der Weg, den wir gewählt haben, beruht im Wesentlichen auf dem Vertrauen, das im Prozess der Bildung einer gemeinsamen Leitung auf der Grundlage gemeinsamer politischer Aufgaben entsteht. Dieses Vertrauen muss in der konkreten Umsetzung, in Erfolgen und Rückschlägen einer Prüfung unterzogen werden. Man muss versuchen, die verschiedenen Sensibilitäten einzubinden, einen Konsens und Zusammenhalt zu suchen. Wenn das gelingt, wird es möglich, Politik zu machen. Denn zwischen Propaganda, Ideen und Verteidigung eines Programms, so gut es auch sein mag, und der Fähigkeit, dies in eine politische Waffe zu übertragen, indem man breitere gesellschaftliche Schichten dafür interessiert und sie mobilisieren kann, besteht ein großer Unterschied. Wenn neue Kräfte auf uns zukommen, dann deshalb, weil wir Überzeugungen vertreten, Kampagnen durchführen, Beispiele für Kämpfe bieten, die es zu führen gilt, und weil wir neue Organisationsformen der Linken diskutieren. Wir erreichen Tausende Menschen, indem wir die Frage ins Zentrum stellen, wie sich die aktuellen Kräfteverhältnisse verändern lassen und worauf wir unsere Anstrengungen konzentrieren sollen, um den Gegner zurückzudrängen.
Die Generation der Nach-68er wurde in ideologisch sehr homogenen politischen Organisationen geschult. Wissensaneignung, Schulung und Theoriearbeit spielten eine enorme Rolle, was oft auf Kosten der Fähigkeit ging, in einem breiteren Rahmen politisch aktiv zu sein. Wie geht ihr das Problem der Kaderbildung an, die sich in der Praxis der Bewegungen nicht von selbst löst, also die Vermittlung von Analyse und einer soliden theoretischen Ausbildung? |
Die theoretischen Auseinandersetzungen und historischen Kenntnisse unserer Generation sind eine immense Errungenschaft. Nichts wäre möglich ohne diesen kritischen Blick auf die Geschichte der Arbeiterbewegung, ohne dieses Bemühen, einen lebendigen Marxismus zu schaffen. Ich bin der Ansicht, dass die sozialistische Linke diese Überlegungen aufgreifen und vertiefen muss. Unser Glück ist vielleicht, dass wir für die Fortsetzung dieser Bemühungen im Rahmen eines veränderten Kapitalismus und einer gewandelten Arbeiterklasse den Marxismus als das heranziehen können, was er ist: ein Arbeitsinstrument.
Unser letzter Kongress hat beschlossen, ein Schulungszentrum zu schaffen, das sich vor allem an Aktive aus den sozialen Bewegungen richtet. Die ersten Kurse beginnen jetzt und behandeln die Geschichte der Revolutionen des vergangenen Jahrhunderts – die Oktoberrevolution, den Bürgerkrieg in Spanien, die Revolutionen in China, Kuba, Vietnam, Mai 68, die portugiesische Revolution. Es sollen die strategischen Fragen reflektiert werden, die sie aufgeworfen haben. Wir fangen auch an, eine Theoriezeitschrift zu publizieren.
Wir wollen auch neue Kommunikationsmittel entwickeln, da die Rolle, die Zeitungen noch vor zehn Jahren gespielt haben, heute durch interaktive Medien abgelöst wird. Unsere Internetseite hat sich eindrucksvoll entwickelt, mit täglich Tausenden von Zugriffen. Wir publizieren dort ein wöchentliches Dossier über politische und historische Fragen, das auf ein breiteres Publikum zielt, und verbreiten Radiosendungen, die heruntergeladen werden können. Schließlich wollen wir audiovisuelle Produkte entwickeln – vom Clip bis zum Dokumentarfilm –, die als Grundlage für Bildung und Diskussion, aber auch für Kampagnen des Linksblocks dienen sollen. Zudem führen wir Studien-Weekends durch, an denen wir über Strategien, Geschichte, gewerkschaftliche und ökologische Kämpfe, aber auch kulturelle Fragen diskutieren. Das jüngste fand im September zum Thema „Sozialismus 2007“ statt.
Aus: SolidaritéS Nr. 112, 22.8.2007 (www.solidarites.ch) |
Übersetzung: hgm und Tigrib |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 432/433 (November/Dezember 2007).