Myanmar

Hintergründe zur Krise in Birma und die Notwendigkeit der Solidarität

Danielle Sabaï

Demonstrationen haben in Birma Seltenheitswert. Die unter der Kontrolle einer ausgesprochen repressiven Militärjunta stehende Bevölkerung hat die gewaltsame Niederschlagung der Demonstrationen für Demokratie 1988 noch nicht vergessen. Damals kamen mindestens 3000 DemonstrantInnen ums Leben, Tausende wurden verhaftet. Und doch hat die in Armut und Not lebende, demokratischer Rechte beraubte, der Willkür ausgelieferte Bevölkerung trotz strikter Überwachung durch paramilitärische Milizen die Junta erneut herausgefordert. Die Demonstrationen ließen sich nicht aufhalten und waren die größte Mobilisierung der letzten 20 Jahre. Mitte August gingen die Menschen in Rangun erstmals auf die Straße, als die Benzinpreise um zwei Drittel erhöht, der Dieselpreis verdoppelt und der Preis von Erdgas verfünffacht wurde. Die Bevölkerung war über diese unerwartete, extreme Preiserhöhung schockiert. Viele mussten plötzlich mehr als die Hälfte ihres Einkommens für den öffentlichen Transport ausgeben, der sich aufgrund der steigenden Brennstoffpreise verteuerte, oder, wenn möglich, zu Fuß gehen.

Die Militärjunta hatte diese Proteste vorausgeahnt und ihre Milizen in Alarmbereitschaft versetzt, um die DemonstrantInnen einzuschüchtern. Dennoch kam es täglich in zahlreichen Städten zu friedlichen Demonstrationen, die meist von StudentInnen initiiert wurden. Lange hielten sich Armee und Aufstandsbekämpfungseinheiten der Polizei im Hintergrund. Die ersten Demonstrationen wurden durch Handlanger der Union Solidarity and Development Association (USDA) und die paramilitärische Gruppe „Swan Arr Shin” (die „Allmächtigen”) unterdrückt, die von der Regierung unterstützt werden. Berichten zufolge ließ das Regime auch Kriminelle auf die DemonstrantInnen los, die extra aus den Gefängnissen geholt wurden. [1]

Schon in den ersten Wochen wurden Hunderte friedliche DemonstrantInnen, die gegen ihre schwierige wirtschaftliche Lage protestierten, von der Polizei festgenommen und zu schweren Gefängnisstrafen verurteilt. [2] JournalistInnen wurde verboten, über die Ereignisse zu berichten, und die Mitglieder der Nationalen Liga für Demokratie (NLD), der die seit Verleihung des Friedensnobelpreises 1991 weltweit bekannte Aung San Suu Kyi angehört, wurden streng überwacht, verfolgt und verhaftet. [3] Ab Ende August wurden bedeutende PolitaktivistInnen, viele von ihnen NLD-Mitglieder, verhaftet, darunter Min Ko Naing und Ko Ko Gyi. [4] Andere konnten flüchten, wie die in Fragen des Arbeitsrechts engagierte Su Su Nway [5] oder Phyu Phyu Thin, die ein HIV-Programm leitet.


Mönche vereint mit dem Volk


Anfang September nahmen die Demonstrationen einen neuen Verlauf, als sich ihr buddhistische Mönche in Pakokku im Verwaltungsbezirk Magwe anschlossen. Rund 500 Mönche, die Schilder mit der Aufschrift „Mönche vereint mit dem Volk” trugen, nahmen an einer Demonstration für die Rücknahme der Preiserhöhungen und die Freilassung der Verhafteten teil. Die Kundgebung wurde brutal niedergeschlagen, ein Mönch kam ums Leben. Das schürte die Wut der Mönche, die mehrere Behördenvertreter festhielten, als diese kamen, um sich für die Repression zu entschuldigen. [6] Damit nahm die Bewegung eine Wende hin zu politischen Forderungen.

Nach diesen Zusammenstößen kam es in allen größeren Städten zu Massenkundgebungen, wobei die Mönche zuerst allein demonstrierten, um die Bevölkerung zu schützen, und später mit deren Unterstützung. Die mehrheitlich sehr jungen Mönche organisierten sich in einem „Bündnis birmesischer Mönche” und stellten drei Hauptforderungen: die Entschuldigung der Regierung für die in Pakokku begangenen gewaltsamen Übergriffe, Wirtschaftsreformen und die Freilassung der politischen Gefangenen, u. a. Aung San Suu Kyi.

Die AktivistInnen für Demokratie und die Bevölkerung setzten stark auf das Engagement und die Unterstützung der buddhistischen Mönche, die sehr geachtet sind und wiederholt eine sehr fortschrittliche Rolle im Land gespielt haben. Sie hatten schon früh gegen die englische Kolonialmacht aufbegehrt und während des Studentenaufstands 1988 eine bedeutende Rolle gespielt. Das Vorgehen gegen die Mönche in Pakokku war daher für die Militärjunta sehr riskant und ist vielleicht dem Übereifer eines lokalen Handlangers zu verdanken.

Das seit 45 Jahren herrschende Militärregime genießt in der Bevölkerung keinerlei moralische oder politische Legitimität und hat versucht, sich diese durch Förderung und Schutz der buddhistischen Tradition zu verschaffen. [7] 1979 wurden ein Oberster Mönchsrat (Sangha Maha Nayaka) sowie Räte auf allen Ebenen (Städte, Gemeinde, Verwaltungsbezirke) eingeführt, um die Mönche und Klöster zu überwachen. Alle traditionellen Zeremonien, Kloster- und Tempelbauten mussten vom örtlichen Vertreter der Sangha Maha Nayaka bewilligt werden. Mönche, die dem Rat nicht beitreten wollen, werden streng überwacht. Gleichzeitig überhäuften die Militärs Mönche und Klöster, die ihre Autorität akzeptieren, mit Opfergaben. In einem zutiefst durch den buddhistischen Glauben geprägten Land müssen die Militärmachthaber sich auch um „Verdienste” bemühen, um „die Folgen ihrer Brutalität in ihrem zukünftigen Leben abzuschütteln”. [8] Das erklärt die Wirkung des von Mönchen organisierten Boykotts von Opfergaben der Militärs und ihrer Familien auf die Junta, die es wagt, sich als Staatlicher Friedens- und Entwicklungsrat (SPDC) [9] zu bezeichnen und die Mönche eindringlich warnte und beschwor, sich nicht in politische Ereignisse einzumischen.


Militarisierung der Gesellschaft


Die Kontrolle des Militärregimes beschränkt sich nicht auf die Religionsgemeinschaften. Seit dem Staatsstreich von General Ne Win 1962 beherrscht die birmesische Armee (Tatmadaw) nahezu alle Bereiche des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens. Außerhalb der Armee gibt es keinerlei Mobilität oder Aufstiegsmöglichkeit. Von der lokalen zur nationalen Ebene steht die gesamte Reichtums- und Landverteilung unter Kontrolle der Armee.

Auf wirtschaftlicher Ebene kontrolliert die Armee zwei der mächtigsten Unternehmen Birmas, die Union of Myanmar Economic Holdings (UMEH) und die Myanmar Economic Cooperation (MEC). Erklärtes Ziel der UMEH ist es, „den Bedarf der Armeeangehörigen und ihrer Familien zu decken” und „die zentrale logistische Stütze der Armee zu werden”. Das Ziel der MEC ist der „Transfer der zur Verteidigung des öffentlichen Sektors vorgesehenen Mittel auf den Privatsektor”. Sie ist befugt, Geschäfte in nahezu allen Bereichen zu tätigen, die für sie interessant sind. Alle Auslandsinvestitionen in Birma müssen von der Myanmar Investment Commission (MIC) bewilligt werden, die direkt unter Kontrolle der Junta steht, womit diese die Gewinne aus Investitionen in Unternehmen leiten kann, die von der Armee kontrolliert werden. [10] Total und andere Konzerne, die in Birma investieren oder investiert haben, können noch so sehr beteuern, keine Politik zu machen. Kein einziger Cent dieses von ihnen erwirtschafteten Geldes kommt der Bevölkerung zugute. Vielmehr bereichern sich die Militärs und sichern damit ihre Herrschaft.

Um ihre Macht über die Bevölkerung zu festigen, gründete das Militärregime im September 1993 die bereits erwähnte USDA, die als Organisation der Zivilgesellschaft dargestellt wurde, aber direkt mit Than Shwe, dem Oberbefehlshaber der Armee, in Verbindung steht, dem mächtigsten Mann im Land und seit 1992 Chef der Junta. Die USDA rühmt sich, unterdessen 22,8 Millionen Mitglieder zu zählen, also rund die Hälfte der Bevölkerung. Tatsächlich wird StudentInnen und der Bevölkerung vermittelt, ein Beitritt sei verpflichtend; zudem wurden viele ohne ihr Wissen aufgenommen. Andererseits setzt man sich Schikanen aus und verwirkt Bildungs- und Berufschancen, wenn man die Mitgliedschaft verweigert. In der Vereinigung selbst werden Studenten dazu aufgefordert, ihre StudienkollegInnen zu überwachen. Die Mitgliedschaft in der USDA ermöglicht den Zugang zu Englisch- und Informatikkursen sowie außerschulischen Aktivitäten und Sport. 1996 benutzte das Regime die USDA, um gegen Mitglieder der NLD vorzugehen. Seither beteiligen sich USDA-Mitglieder oft an vorderster Front an der Repression. Auf ihr Konto geht auch der Angriff und versuchte Anschlag auf Aung San Suu Kyi im Jahr 2003. [11]


Finanzinteressen gegen Menschenrechte


Im Gegensatz zu den Ereignissen 1988 wird diesmal in den internationalen Medien viel über Birma berichtet. Damit wurden die Lebensumstände der Bevölkerung und der repressive Charakter des Regimes weithin bekannt. Welchen Mut die DemonstrantInnen aufbringen, die mit ihrem Widerstand Prügel, Folter, Gefängnis und Tod riskieren, muss nicht mehr bewiesen werden. So wären eine scharfe Verurteilung durch die „internationale Gemeinschaft“ und eine kräftige Unterstützung der demokratischen Kräfte sowie realer Druck zu erwarten gewesen.

Die Reaktionen blieben jedoch weit hinter den Erwartungen zurück, denn Menschenrechte und Demokratie fallen gegenüber den Finanzinteressen kaum ins Gewicht. Außer den Vereinigten Staaten hat kein einziger Staat und keine einzige Organisation zwingende Maßnahmen angekündigt, um die Junta zum Einlenken zu bewegen.

Am 6. September verurteilte das Europaparlament die Menschenrechtsverletzungen und beschuldigte das Regime, eine Bedrohung für Südostasien darzustellen. Gleichzeitig erklärte EU-Kommissarin Vivian Reding: „Myanmar zu isolieren ist kein Weg, um Veränderungen herbeizuführen (…). Wir glauben nicht, dass verschärfte Maßnahmen die Regierung zu Schritten in die von uns gewünschte Richtung bewegen und das Leid der Bevölkerung Birmas erleichtern würden.” [12]

Obwohl die EU zu Birma geschlossen das Anliegen vertritt, „eine legitime Zivilregierung zu etablieren, die die Menschenrechte einhält” [13], haben sich die Mitglieder der Union auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt. Einzelne Länder wie Großbritannien, die Republik Tschechien, die Niederlande, Irland und Dänemark würden zwar eine schärfere Gangart befürworten, Frankreich, Deutschland, Österreich, Spanien und Polen sind zur Zeit aber dagegen. Ihre Haltung erklärt sich vor allem aus Wirtschaftsinteressen, die sie in diesem Land verfolgen. Trotz regelmäßiger Aufrufe zur Freilassung von Aung San Suu Kyi hat sich Frankreich immer für die Verteidigung der französischen Finanzinteressen in Birma eingesetzt. Ohne Zögern wurde der Total-Konzern, einer der größten Investoren in Birma, dem der Rückgriff auf Zwangsarbeit vorgeworfen wird, unterstützt. [14] Total bestimmt maßgeblich die Erdgasgewinnung in Yadana, die der birmesischen Regierung zwischen 200 und 450 Millionen US-Dollar jährlich einbringt, also rund 7 % des geschätzten Staatshaushalts. [15]

Die gegenwärtigen Maßnahmen der EU-Kommission schließen ein Embargo über den Verkauf von Waffen und Kriegsmaterial sowie ein Verbot jeglicher nichthumanitärer Hilfe und der Investition in gewisse staatliche Unternehmen ein. Strategische Sektoren, die der Junta Geld bringen und ihr helfen, sich an der Macht zu halten, wie Bauholz, Edelsteine, Erze, Erdgas und Erdöl, sind von den Maßnahmen aber nicht betroffen. [16] Der finanzielle Druck der EU ist damit wirkungslos und scheinheilig. Wirksame Sanktionen sind nur im Rahmen eines völligen Investitionsverbots denkbar oder zumindest eines Verbots, das sich auf Bereiche bezieht, die für das Überleben der Junta entscheidend sind.

In politischer Hinsicht zeigt sich die EU nicht viel entschlossener. In den letzten Jahren hat die EU-Kommission ihre Subventionen für Projekte zum Ausbau von Menschenrechten und Demokratie abgebaut. Die Vereinigung Info-Birmanie betont, die EU habe Anfang 2007 im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Resolutionsentwürfe zu Birma nur halbherzig unterstützt. [17]


Rückhalt in der Region


Aus Asien haben die demokratischen Kräfte Birmas genauso wenig Unterstützung zu erwarten. Die Nachbarländer, allen voran China und Indien, sind Großabnehmer für Rohstoffe, die Birma im Überfluss besitzt, und haben beschlossen, ihre Augen vor den systematischen Menschen- und Kinderrechtsverletzungen zu verschließen. In Indien und China werden ArbeiterInnen (Erwachsene wie Kinder) schließlich auch hart ausgebeutet. Die geografische Lage Birmas ist für Indien, das eine Politik der Ostöffnung verfolgt, und für China, das hofft, die Meerenge von Malakka umgehen und sich über den Indischen Ozean Zugang zur Erdölversorgung aus dem Nahen Osten verschaffen zu können, ausgesprochen interessant.

a) China und Birma pflegen seit jeher gutnachbarschaftliche Beziehungen. Birma war das erste Land außerhalb des kommunistischen Ostblocks, das die Volksrepublik China 1949 anerkannte und mit seinem Nachbarn 1961 einen Freundschafts- und Nichtangriffspakt unterzeichnete. Nach der Niederschlagung der Proteste auf dem Tian-Anmen-Platz 1989 war die birmesische Führung ebenfalls die erste, die die Regierung in Peking ihrer Sympathie versicherte. Umgekehrt war die chinesische Führung die erste, die der Junta in Birma Waffen, Flugzeuge, Fregatten und anderes Kriegsmaterial verkaufte. [18] China hat auch stark in die Infrastruktur des Landes (Häfen im Indischen Ozean, Straßen etc.) investiert. Es importiert im großen Stil Holz und Erze aus Birma. Seit Anfang 2007 hat China seine Unterstützung für Birma deutlich intensiviert, um seine Wirtschafts- und Finanzverbindungen zu stärken, die der Entwicklung der an Birma grenzenden Provinz Yunnan dienen sollen. Politisch erachtet China Birma als Trojanisches Pferd des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN), da es zu stark unter dem Einfluss der Vereinigten Staaten stehe.

China hat sich kürzlich vorsichtig dem internationalen Druck gegen die Repression angeschlossen, hält aber an seiner Politik der „Nichteinmischung in innere Angelegenheiten” Birmas fest. China war sehr daran gelegen, dass Birma „einen dem Land gemäßen demokratischen Prozess” einleitet und „so rasch wie möglich die innere Stabilität wiederherstellt”. Das Wohlergehen der birmesischen Bevölkerung hat darin wenig Platz. Peking ist sehr beunruhigt über die momentane Instabilität, die die erheblichen chinesischen Investitionen in Birma gefährden und die Grenzregion zwischen beiden Ländern destabilisieren könnte, was eine starke Bevölkerungsverschiebung nach sich ziehen könnte. In jüngster Vergangenheit haben sich über eine Million Chinesen in Birma niedergelassen. [19]

b) Indien verhielt sich ebenfalls abwartend und gab erst am 26. September, als die Junta Truppen gegen die Demonstrierenden einsetzte und mehrere Zivilpersonen tötete, seiner „Sorge” über die Niederschlagung der Mobilisierung Ausdruck. Nach den engen Beziehungen der birmesischen Militärführung und Indien befragt, gab der indische Wirtschaftsminister den Botschaftern der Vereinigten Staaten und Großbritanniens anlässlich eines Besuchs in Thailand zu verstehen, „das Kardinalprinzip der indischen Außenpolitik sei stets die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten (…). Es ist Sache der Bevölkerung Birmas, seine Regierung zu wählen”. [20] Die Birmesen, deren Forderungen nach Demokratie und einem Regierungswechsel mit blutiger Repression beantwortet werden, wissen das sicherlich zu schätzen.

Fern ist die Zeit der gegenseitigen Unterstützung von Jawaharlal Nehru und Aung San, Held der nationalen Unabhängigkeit Birmas. Vor dem Hintergrund erhöhter Spannungen und der Gefahr unbarmherziger Repression zögerte Indien nicht, am 23. September seinen Erdölminister Murli Deora nach Birma zu entsenden. [21] Indien wollte überprüfen, ob einerseits die in Birma entdeckten Kohlenwasserstoffvorkommen ausgebeutet und andererseits die Entscheidung Birmas gekippt werden könne, das Erdgas, das zwei indische Konzerne gemeinsam mit birmesischen Unternehmen die Off-shore-Fundstätten im Indischen Ozean entdeckt hatten, nicht an China, sondern an Indien zu verkaufen.

Indien ist entschlossen, seine Beziehungen zu Birma um jeden Preis auszubauen, um China das Terrain streitig zu machen. New Delhi plant eine Reihe von Projekten, vom Bau einer Pipeline zwischen der birmesischen Küste und Indien bis zum Bau eines Hafens in der Bucht von Bengalen, der den Nordstaaten (die nur zu 2 % an den Subkontinent angebunden sind) einen Zugang zu den Handelsstraßen zu sichern und die indische Politik gegenüber den ASEAN-Ländern („Look East Policy”) voranzutreiben. [22] Dass Birma von der internationalen Gemeinschaft als Paria-Staat erachtet wird, hat Indien nicht daran gehindert, militärische Kooperationsabkommen mit der Junta anzustreben. Indien soll Birma laut Human Rights Watch im Austausch gegen die Bekämpfung indischer Rebellen, die Birma als Rückzugsbasis für ihre Unabhängigkeitsbestrebungen benutzen, leichte Kampfhubschrauber und Spitzentechnologie für Kampf- und Marineüberwachungsflugzeuge angeboten haben.

c) Japan ist seit den 50er-Jahren die wichtigste Quelle für „Entwicklungshilfe” an Birma. Seit dem 17. Februar 1989 hat Tokio den militärischen State Law and Order Restauration Council (SLORC) anerkannt [23] und die während des Staatsstreichs aus Gründen der politischen Instabilität ausgesetzte Hilfe [24] wieder aufgenommen. In der gegenwärtigen Krise rief Japan die Junta zwar zur „Zurückhaltung” auf, gab aber zu verstehen, dass es sich trotz der Bilder der Erschießung eines japanischen Journalisten durch birmesische Soldaten aus nächster Nähe an einer Demonstration möglichen Handelssanktionen gegen Birma nicht anschließen werde. Japan beschreibt seine Investitionen in den Handel als „öffentliche Entwicklungshilfe” (PAD), die es nicht überdenken will. Diese Hilfsgelder sind Japans Mittel, Einfluss in der Region zu nehmen und gleichzeitig das verfassungsmäßige Verbot einzuhalten, Militärkräfte ins Ausland zu entsenden. [25]

d) Thailand ist der drittwichtigste Investor in Birma und Hauptabnehmer für Erdgas aus Birma, aus dem das Militärregime allein im Jahr 2005/2006 eine Milliarde Dollar generierte und im Jahr darauf, vor allem aufgrund von Preissteigerungen, sogar das Doppelte. Thailand schreckt nicht davor zurück, unter Beihilfe der regierenden Junta die birmesischen Ressourcen auszubeuten. Der staatliche thailändische Elektrizitätskonzern EGAT (Electricity Generating Authority of Thailand) unterzeichnete eine Absichtserklärung mit der Junta, die den Weg zum Bau mehrerer Staudämme am Salween-Fluss an der Grenze zwischen Thailand und Birma ebnet, um die thailändische Industrie mit Strom und Wasser zu versorgen. Falls diese Pläne realisiert werden, wird sich daran nicht nur die Junta bereichern können, sondern sie bedeuten auch eine ökologische und menschliche Katastrophe. Der erste Staudamm, Hatgyi Dam, ist in einem Gebiet des Teilstaates Karen vorgesehen, in dem das birmesische Militär gewaltsam DorfbewohnerInnen vertrieben und ihre Häuser zerstört hat.

Im Jahr 2006 bombardierte die Armee Dörfer der Karen, um sie aus der Region zu vertreiben. Verschont wurden nur Erwachsene und Kinder, die gezwungen werden, auf den Staudammbaustellen zu arbeiten. Viele Frauen und Mädchen wurden von Soldaten vergewaltigt. Ein Großteil des von Karen-Rebellen kontrollierten Gebietes wird durch den Staudamm überflutet werden, wogegen das birmesische Militär natürlich nichts einzuwenden hat. Ein weiterer Staudamm ist in Shan geplant und soll der größte Asiens werden. Er ist in einem Gebiet vorgesehen, wo zivile Shans seit 1996 ebenfalls zu Hunderttausenden gewaltsam vertrieben wurden. Während in Thailand das Abholzen von Teak-Bäumen verboten ist, wird dieses Edelholz in großem Stil aus Birma importiert. Teak ist die zweitwichtigste offizielle Einnahmequelle des Regimes, mit der 2004/2005 427 Millionen Dollar erwirtschaftet wurden. Durch die legale wie illegale Abholzung von Teak werden die Urwälder so schnell zerstört, dass diese Ökosysteme bis 2020 vollständig verschwunden sein könnten. [26]

e) Südkorea veranschaulicht ebenfalls bestens die Heuchelei und Doppelzüngigkeit zahlreicher Staaten gegenüber Birma. Korea, dessen Bevölkerung in Menschenrechtsfragen sehr sensibel reagiert, hat den Verkauf von Waffen an Birma verboten. Trotz des Sanktionsrisikos schreckte das Unternehmen Daewoo International nicht davor zurück, Kriegsmaterial und Technologie auszuführen und eine Waffenfabrik auf birmesischem Boden zu errichten. Ihr damaliger Vorsitzender Lee Tae-Young muss sich dafür soeben vor Gericht verantworten. Andererseits hat Daewoo International, das 60 % der drei Erdgasfelder in Birma besitzt, gerade ein neues Vorkommen mit 219,2 Milliarden Kubikmetern an förderbarem Erdgas entdeckt, das größte von einem koreanischen Unternehmen je entdeckte Vorkommen mit einem Volumen, das den gesamten Bedarf Südkoreas für sieben Jahre decken würde. Die koreanische Regierung gab schnell zu verstehen, dass sie wünsche, das Erdgas solle ins Land gelangen. [27]

Um das Bild abzurunden, sei noch erwähnt, dass viele Staaten zwar keinen direkten Handel mit Birma betreiben, aber nicht zögern, Waffen und alles mögliche andere Material, das die Junta für militärische Zwecke einsetzt, an die Schweiz, Singapur und Pakistan zu verkaufen, die sie an das birmesische Militärregime weiterverkaufen. [28]


„Politik des konstruktiven Engagements”


Die Diktatur in Birma verdankt ihr Überleben im Wesentlichen den von Ländern wie Indien, China und Frankreich großzügig im Land getätigten Finanzinvestitionen. Versuche, auf politischer Ebene Druck auszuüben, sind verpufft. Die ASEAN-Politik [29] gegenüber Birma ist dafür ein glänzendes Beispiel. Birma wurde 1997 Mitglied den ASEAN-Verbund aufgenommen. Dessen Mitgliedsländer, insbesondere Malaysia, Indonesien und Singapur, verteidigten ihre Position gegenüber der internationalen Kritik mit dem Argument, ein Staat, der Menschenrechte verletze, dürfe nicht isoliert bleiben, um seine Misshandlungen fortzusetzen. Der damalige malaysische Regierungschef Mahatir Mohammed meinte: „Wenn Birma ausgeschlossen bleibt, ist es frei, sich wie ein Verbrecher oder Paria aufzuführen, während es als Mitglied gewissen Normen unterliegt.” [30] Im Sprachgebrauch der ASEAN hieß das „Politik des konstruktiven Engagements”. Sie sollte die Junta auf den Weg demokratischer Reformen bringen. In den zehn Jahren der Mitgliedschaft Birmas im ASEAN ließ die Junta allerdings keinerlei Bereitschaft zu demokratischen Reformen erkennen. Ihr repressives Vorgehen gegenüber der politischen Opposition und ethnischen Minderheiten verschärfte sich seit 2000 sogar, als hätte ihr der Beitritt moralisch den Rücken gestärkt. Der kontinuierliche Strom an Flüchtlingen aus Birma insbesondere nach Indien und Thailand, der Drogenhandel, die Ausbreitung von Aids und neuerdings der Mangel an Kontrolle gegenüber der Vogelgrippe bedrohen die Sicherheit der gesamten Region. Dennoch bauen manche ASEAN-Länder ihre Handelsbeziehungen mit der birmesischen Regierung weiter aus, als wäre nichts geschehen, und sind nicht bereit, sie aufs Spiel zu setzen.


Eine Häufung trauriger Rekorde


Das machthabende Militärregime in Birma hat nie andere Ziele verfolgt als persönliche Bereicherung und Machterhalt. Seit dem Sturz der demokratisch gewählten Regierung von U Nu im März 1962 wurde kein einziger Versuch einer der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes und der Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung förderlichen Politik unternommen. [31] Die verschiedenen Militärjuntas sind vielmehr an verschiedensten Drogengeschäften und der Plünderung der Rohstoffe des Landes beteiligt.

Jahrzehnte der Reform unter dem Vorzeichen des „birmesischen Wegs zum Sozialismus” [32] führten gleichsam zum wirtschaftlichen Ruin und zum Zusammenbruch der Institutionen im Bildungs- und Gesundheitsbereich usw. Die Wirtschaft ist so rückständig, dass Birma den Vereinten Nationen zufolge zu den ärmsten und am stärksten unterentwickelten Ländern der Welt zählt.

Die einzigen noch bestehenden Institutionen sind die Armee und der Klerus. Birma sticht in verschiedener Hinsicht besonders negativ hervor:

Birma ist dank Komplizenschaft der Polizei und der Armee offenbar zum zweitgrößten Opiumhersteller und ersten Hersteller von Amphetaminen weltweit aufgestiegen. Die Drogen werden über Indien, China, Thailand und Bangladesh ins Ausland gebracht, mit oft verheerenden Folgen. Aufgrund des verbreiteten Drogenkonsums durch Spritzen findet sich in der Grenzregion zwischen China und Birma eine der höchsten Infektionsquoten mit HIV in Asien. Auf indischer Seite hat das Fehlen eine entsprechende Reaktion seitens Indiens und Birmas [35] sowie der fehlenden Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern zu einer katastrophalen humanitären Lage geführt. Rund 730 Dörfer des Teilstaates Mizoram sollen bereits von Drogen betroffen sein. 60 % der Angehörigen des Singpho-Stamms im indischen Bundesstaat Arunachal Pradeh sollen drogenabhängig sein und in Manipur nicht weniger als 50 000 Menschen. [36] Entlang der Grenze zwischen Birma und Thailand ist die Lage nicht viel besser. Die United Wa State Army (UWSA) konnte der Junta 1989 im Gegenzug zu einem Waffenstillstand abringen, dass diese die Augen vor dem von ihr betriebenen Drogenhandel verschließt. Die ursprünglich entlang der chinesischen Grenze im Bundesstaat Shan angesiedelten Wa wurden ermächtig, sich in den Staaten entlang der Grenze zu Thailand anzusiedeln, wo sie ihren „Handel” ausdehnen konnten. 2001 vollzog Thaksin Shinawatra, der neue thailändische Regierungschef, eine politische Wende in der bewegten historischen Beziehungen zwischen den zwei Ländern, um sich „für beide Seiten gewinnbringenden Wirtschaftsabkommen” zu verschreiben. Obwohl er einen „Krieg gegen Drogen” vom Zaun brach, der in Thailand zu über 2000 außergerichtlichen Tötungen führte, beschränkte Thaksin den Einsatz der thailändischen Luftwaffe auf die Grenzregion, um die Aktivitäten der Drogenhändler der Wa nicht zu behindern. [37]


Bildung und Gesundheit


Einer der tragischsten Aspekte in der Bilanz der Diktatur betrifft den Bildungs- und Gesundheitsbereich. Die Grundschule ist offiziell gratis, doch sind nicht genügend Mittel vorhanden, um normal funktionieren zu können. Bücher, Hefte, Stift und die Unterhaltskosten müssen von den Eltern getragen werden. In einem Land, wo die Mehrheit der Bevölkerung unter dem von der Weltbank als absolute Armutsgrenze angegebenen Betrag von 1 Dollar pro Tag lebt, hat dies einen extrem niedrigen Bildungsstand zur Folge. „Für die Jahre 1998 und 1999 hat der Staat weniger als 7 % seiner Ausgaben in Bildung investiert, gegenüber 49 %, die in die Armee geflossen sind.” [38] Gemäß Unicef, deren statistische Angaben mit Vorsicht zu genießen sind, da sie im Wesentlichen von der Regierung Birmas kommen, schließen 79 % der Kinder einen Grundschulzyklus vollständig ab. Da dies auch Wiederholungsjahre einschließt, lässt sich ableiten, dass weniger als die Hälfte der SchülerInnen die letzte Stufe der Grundschule erreichen, was in einem Unicef-Bericht auch bestätigt wird. Denselben Quellen ist zu entnehmen, dass nur knapp ein Drittel der SchülerInnen bis zur Sekundarstufe kommen. Seit der Erhebung 1977 und bis zum Jahr 2000 waren die Hochschulen öfters geschlossen als geöffnet. Dies ist eines der Mittel der Militärjunta, um die Proteste im Studentenmilieu einzudämmen. [39]

Einem Bericht von ForscherInnen der Berkeley- und der John-Hopkins-Universität zufolge [40] stellt die Politik der „öffentlichen Gesundheit” der birmesischen Junta ein Problem für die Gesundheit auf nationaler, regionaler und weltweiter Ebene dar. Die Gesundheitsausgaben gehören zu den tiefsten weltweit. Nur 3 % des Staatshaushalts fließen in diesen Bereich. Das jährliche Budget für HIV-Behandlung und -Prävention liegt bei 22 000 Dollar bei einer Bevölkerung von rund 50 Millionen EinwohnerInnen. Die Lebenserwartung bei der Geburt liegt daher nur bei 61 Jahren, und die Kindersterblichkeit bei 76 ‰ (Quelle Unesco für 2004). Zum Vergleich: In Indonesien liegt die Lebenserwartung bei Geburt bei 67 Jahren und die Kindersterblichkeit bei 30 ‰.

Das Gesundheitssystem wurde so sehr ausgehöhlt, dass es nicht in der Lage ist, die schwerwiegenden Gesundheitsprobleme des Landes zu lösen. Malaria, HIV/Aids und Tuberkulose sind landesweit verbreitet. Im Jahr 2005 waren 34 % aller Tuberkulosefälle – und damit doppelt so viele wie etwa im benachbarten Thailand – resistent gegen alle Behandlungen. Nahezu 90 % der Bevölkerung leben in malariaverseuchten Gebieten; so entfällt auch die Hälfte aller verzeichneten Malariafälle in Asien auf Birma. Der Bericht zeigt auf, dass fast 70 % aller in Birma verkauften Malaria-Medikamente gefälscht oder schlecht dosiert sind, was die Gefahr von Resistenzen erhöht. Dasselbe gilt für Tuberkulose. Seit dem Putsch 1988 wurden Hunderttausende Birmesen umgesiedelt oder sind in die angrenzenden Länder, vor allem Thailand, Bangladesh und Indien, geflüchtet, meist ohne einen Flüchtlingsstatus in diesen Ländern zu erhalten. Über zwei Millionen Birmesen leben beispielsweise illegal in Thailand, nur 140 000 wurden offiziell als Flüchtlinge anerkannt. Dies trägt zum Aufkommen bzw. Wiederaufkommen von Krankheiten wie Tuberkulose, Dengue-Fieber und Syphilis in den Nachbarländern bei. Die Nichtanerkennung des Flüchtlingsstatus zwingt Millionen von ImmigrantInnen aus Birma in die Illegalität, zur Prostitution oder zur Annahme von gefährlichen, unterbezahlten Stellen. Der Zugang zu Gesundheitsdiensten ist ihnen verwehrt, und ihre durch den illegalen Status bedingte hohe Mobilität erschwert die Unterstützungsarbeit durch NGOs. Das trägt zur Weiterverbreitung von Infektionen wie die mit dem Aids-Virus bei. Das Problem hat bereits derartige Proportionen angenommen, dass das thailändische Gesundheitsministerium eine Gefährdung des öffentlichen Gesundheitssystems einräumen musste. [41] Seit 2005 hat sich die Situation mit der Verhärtung der Politik der Junta gegenüber NGOs und karitativen Organisationen, deren Arbeitsmöglichkeiten im Land eingeschränkt wurden – was einige von ihnen, wie das Internationale Rote Kreuz (IKRK) und Ärzte ohne Grenzen (MSF), zum Rückzug bewogen hat –, noch mehr verschärft.


Soforthilfe dringend gefragt


Seit ihrer Machtergreifung hat die birmesische Militärjunta selbst die elementarsten Rechte der birmesischen Bevölkerung mit Füßen getreten, während ihr keinerlei Wille zu Reformen oder zur Wiederherstellung einer Zivilregierung zugute gehalten werden können. Der kürzlich einberufene Nationalkonvent, der der Ausarbeitung einer neuen Verfassung diente, ist nur eine weitere politische Farce, mit der die Junta ihre Macht hinter einem angeblich partizipativen Prozess festigen will. Die Armee hat den gesamten Prozess sehr sorgfältig überwacht, 99 % der Delegierten ausgewählt, die Opposition ausgeschlossen und Fragen, Vorschläge und Bemerkungen der Delegierten verboten. Diese durften auch nicht mit der Presse sprechen. Das Ergebnis ist eine von Generälen für Generäle geschriebene „Verfassung” [42], ohne jegliche Hoffnung auf Änderung oder eine Verbesserung der Lage.

Das Leiden der Bevölkerung Birmas dauert schon allzu lange an, und Aufrufe der UNO oder anderer Regierungen zur „Mäßigung” sind ein weiterer Skandal. In der brutalen Repression der letzten Septemberwoche wurden sicher mehrere hundert Zivilpersonen und Mönche umgebracht und Tausende verhaftet. Doch anders als 1988 konnten Millionen Menschen weltweit zusehen, wie Zivilpersonen, die friedlich für ihre elementarsten Forderungen des Rechts auf ein anständiges Leben, auf Freiheit etc. auf die Straße gingen, umgebracht wurden. Regierungen, die die birmesische Junta unterstützen, stehen diesmal klar am Pranger und sind moralisch verurteilt. China, Indien, Russland, aber auch die ASEAN-Länder, Südkorea oder Japan können ihre Heuchelei nicht mehr länger verbergen.

Die ASEAN-Staaten bringen zwar ihre Abscheu gegenüber der Gewalt der Junta zum Ausdruck, haben aber keinerlei konkrete Zeichen gesetzt, dass sie gewillt wären, auch nur die geringste Maßnahme zu ergreifen. Zumindest können all diese Länder nicht mehr länger verheimlichen, dass sie lukrative Geschäfte mit der Junta tätigen und sich an der Ausplünderung der Rohstoffe beteiligen.

Die Vereinten Nationen, die Europäische Union und die Vereinigten Staaten haben auf die Unterdrückung der DemonstrantInnen sofort reagiert. Ihre Aufrufe zur „Zurückhaltung” und zum „Einsatz von friedlichen Mitteln zur Wiederherstellung der Stabilität” sind dennoch Heuchelei. Wer glaubt schon, dass eine der unbarmherzigsten Diktaturen der Welt, deren verrückter Regierungschef Than Shwe unter einer Paranoia leidet, sich von solch zurückhaltenden Worten einschüchtern lässt?

Europäische und amerikanische Großkonzerne wie Total und Chevron haben seit vielen Jahren Niederlassungen in Birma. Mit ihrem Handel und ihrer Tätigkeit bereichern sie direkt die Junta. Das Volk ist dagegen zu Zwangsarbeit verurteilt, hat Angst und lebt im Elend. Diese Situation ist untragbar, und Argumente, die zur Untätigkeit führen, sind fehl am Platz.

China kann eine Schlüsselrolle spielen, die birmesischen Militärs zu einem Wandel zu zwingen. Es ist aber nicht das einzige Land, das die blockierte Situation aufbrechen kann, wie oft behauptet wird, um sich der eigenen Verantwortung zu entziehen. In jedem Land muss Druck ausgeübt werden, um den Handel und Finanzinvestitionen mit der Junta zu unterbinden. Oft heißt es, wenn sich ein Unternehmen zurückzieht, sei sofort ein anderes zur Stelle. Das mag sein, doch der Rückzug eines Unternehmens wie Total kann für die Junta unmittelbar oder ein paar Monate lang einen echten Einkommensverlust bedeuten, ohne dass es die Bevölkerung trifft, die von diesem Geldsegen in keiner Weise profitiert. Ganz abgesehen von der Frage, wie es moralisch zu rechtfertigen ist, Geschäfte mit dieser Diktatur zu machen.

Auf Ebene der Europäischen Union müssen die Sanktionen ebenfalls ausgebaut werden, insbesondere das Verbot, in den für die Militärjunta einträglichsten Sektoren zu investieren, wie Edelhölzer, Erze, Erdöl und Erdgas. Ebenso muss jeder Handel mit Birma verboten werden. Mit dem Boykott von Konzernen wie Total und Chevron, die ihre Niederlassungen in Birma haben, ist unmittelbar zu beginnen.

Auf internationaler Ebene dürfen sich die Vereinten Nationen nicht damit begnügen, einen „friedlichen Dialog zwischen beiden Seiten” zu fordern. Sie müssen die Ausschreitungen der Junta explizit verurteilen und alles dafür tun, dass so schnell wie möglich eine Zivilregierung gebildet wird. Diese Regierung muss soziale Notmaßnahmen ergreifen, die die Bevölkerung so sehr braucht, und die demokratischen Freiheiten wiederherstellen, um mittelfristig die Wahl einer wirklichen Konstituierenden Versammlung zu erlauben, die alle Teile der birmesischen Gesellschaft berücksichtigt.

Erlaubt sein sollte einzig humanitäre Hilfe, die nicht von der Junta und den von ihr kontrollierten Verbänden vereinnahmt wird.

China hat realen Einfluss auf die birmesische Junta. Angesichts der bevorstehenden Olympischen Spiele, die 2008 in Peking stattfinden werden, achtet China sehr auf sein Image und legt Wert darauf, nicht gerade mit den reaktionärsten Diktaturen in Verbindung gebracht zu werden. Druck auf die chinesische Regierung lässt sich durch eine Kampagne ausüben, die klar vermittelt, dass die Philosophie der Olympischen Spiele unvereinbar ist mit der Unterdrückung demokratischer Freiheiten in China wie in Birma und anderenorts. [43]

30. September 2007

Danielle Sabaï ist Inprekorr-Korrespondentin in Südostasien.

Aus dem Französischen: Tigrib



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 434/435 (Januar/Februar 2008). | Startseite | Impressum | Datenschutz


[1] Burma’s Democracy Challenge Flickers Out. Aung Zaw. The Irrawaddy Online, 3.9.2007. Für die birmesische Junta ist es durchaus üblich, gewöhnliche Straftäter gegen DemonstrantInnen einzusetzen.

[2] In der Stadt Taunggok im Teilstaat Arakan wurde der Demonstrant Soe Win zu 4 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er allein mit einem Schild demonstriert hatte, in dem er die Freilassung von PolitaktivistInnen wie Aung San Suu Kyi und die Exkommunizierung von General Than Shwe, Chef der birmesischen Militärjunta, forderte. Burma Protests: the Situation on September 12. The Irrawaddy Online

[3] Myanmar. Friedliche Demonstrationen müssen von den Behörden bewilligt werden. Amnesty International, 31.8.2007. http://www.amnesty.fr/index.php/amnesty/s_informer/communiques_de_presse/myanmar_les_autorites_doivent_autoriser_les_manifestations_pacifiques

[4] Paw U Tun alias Min Ko Naing und Ko Ko Gyi sind zwei führende Mitglieder einer Studentengruppe der 1988er-Generation. Sie haben 1988 bei der Organisierung der Großdemonstrationen mitgewirkt. Das Militärregime reagierte darauf mit der Ermordung von mindestens 300 Studierenden und AktivistInnen. Min Ko Naing und Ko Ko Gyi wurden 2004 und 2005 nach 15 Jahren hinter Gittern und jahrelanger Folter und Misshandlung freigelassen. Die Liste der 14 wichtigsten verhafteten AnführerInnen der Proteste findet sich auf der Website der World Organisation against torture (OMCT): http://www.omct.org/index.php?id=&lang=eng&actualPageNumber=1&articleId=7216&itemAdmin=article

[5] Hundertausende Menschen in Birma werden zu Zwangsarbeit verpflichtet oder sind Opfer bzw. bedroht von anderen Menschenrechtsverletzungen. Der ständige Rückgriff auf Zwangsarbeit ist oft begleitet von Folter und anderen Formen der körperlichen und psychischen Gewalt. Siehe dazu die World Organisation against torture, die ein Netzwerk von 280 Nichtregierungsorganisationen koordiniert, das sich die Verhinderung von Folter und anderen grausamen, unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlungen zum Ziel setzt.
http://www.omct.org/index.php?id=&lang=eng&actualPageNumber=1&articleId=5485&itemAdmin=article

[6] Burma Protests: the Situation, vom 5. September und Folgetagen. The Irrawaddy Online.

[7] Birma ist ein multiethnisches Land mit 52 Millionen EinwohnerInnen. Zwei Drittel sind Birmesen, das restliche Drittel setzt sich aus rund 100 Nationalitäten zusammen, darunter Karen, Karenni, Mon, Shan, Kachin, Rakhine und Rohingya. Etwa 80 % der Bevölkerung sind buddhistisch.

[8] The Politic of Piety: Pageantry and the Struggle for Buddhism in Burma. Stephen MacCarthy. Working Paper Series Nr. 85. SEARC.

[9] 1997 verkündigte die Militärjunta einen Namenswechsel. Le State Law and Order Restoration Council (SLORC) wurde in „State Peace and Development Council“ (SPDC) umbenannt.

[10] The Gathering Storm. Infections, Diseases and Human Rights in Burma. Universität Berkeley und John Hopkins Universität, Juli 2007. http://www.hrcberkeley.org/download/BurmaReport2007.pdf

[11] Ebenda.

[12] Reuters: EU calls rights violations in Myanmar a scandal, 7.9.2007.

[13] The EU’s relations with Burma/Myanmar. Überblick. http://ec.europa.eu/external_relations/myanmar/intro/index.htm

[14] Info-Birmanie: France-Culture est-elle la voix de la diplomatie française? http://www.info-birmanie.org/images/stories/birmanie%20france-inter.pdf

[15] Total pollue la démocratie. Lettre ouverte aux actionnaires. (Total verschmutzt die Demokratie. Brief an Aktionäre) FIDH http://www.birmanie.net/birma/pdf/AGLettreOuverterevODS.pdf

[16] Info-Birmanie. L’UE doit renforcer sa position commune sur la Birmanie. 27.8.2007. http://www.info-birmanie.org

[17] http://www.info-birmanie.org/images/stories/depuis%20le%2015%20ao%FBtib.pdf

[18] Many Firsts with China. Aung Zaw. www.burmanet.org/news/2007/09/14/irrawaddy-many-firsts-with-china-aung-zaw.

[19] Les nouvelles de Birmanie Nr. 20, Juin 2007.

[20] Deutsche Presse-Agentur: Indian foreign minister grilled on Myanmar. Freitag, 14.9.2007. http://www.burmanet.org/news/2007/09/14/deutsche-presse-agentur-indian-foreign-minister-grilled-on-myanmar/

[21] http://www.mizzima.com/MizzimaNews/News/2007/Sep/67-Sep-2007.html

[22] India and Burma: Such Good Friends. Nava Thakuria. 26.2.2007. Asia sentinel. htpp://www.asiasentinel.com/index.php,option=com_content&task=view&id=397&Itemid=31

[23] Der neue Name, den sich die Militärjunta nach dem Staatsstreich 1988 gegeben hat.

[24] Japan’s Aid Relations with Military Regimes in Burma 1962–1991. The Kokunaika Process. Donald M. Seekins.

[25] Ebenda.

[26] HNS-Info. Teck de Birmanie: luxe au Nord, dictature au Sud. http://www.hns-info.net/article.php3?id_article=10002.

[27] South Korea Has a Burma Problem. Correspondant. 24.8.2007. Asia Sentinel.

[28] Burma’s Generals on a Buying Spree. David Fullbrook. 18.11.2006. Asia Sentinel.

[29] Der Zusammenschluss der Südostasiatischen Nationen ASEAN wurde 1968 auf Initiative der Vereinigten Staaten gegründet, um den kommunistischen Einfluss in Asien zu bekämpfen.

[30] Engaging Burma. The ASEAN Experience. Mario Aguja. 6.4.2006. In Europe solidaire sans frontières (ESSF, www.europe-solidaire.org).

[31] U Nu war zwischen 1948 und 1962 mit Ausnahme einer kurzen Unterbrechung zwischen 1958 und 1960 Regierungschef der Union Birma. Er trat die Nachfolge von Aung San, der treibenden Kraft der Unabhängigkeitsbestrebungen Birmas, an, der 1947 ermordet wurde. Aung San ist zu einer legendären Figur des Landes geworden. Er ist der Vater von Aung San Suu Kyi, der wichtigsten Führungspersönlichkeit der NLD, die in Umfragen bei den Wahlen 1990, die die Militärjunta unter dem Druck der Straße anberaumen musste, auf 80 % der Stimmen kam.

[32] Nach dem Staatsstreich 1962 verkündete General Ne Win eine Reihe von institutionellen und politischen Reformen unter dem Banner des „birmesischen Wegs zum Sozialismus”. An den Reformen war nichts „Sozialistisches” außer dem Namen. Zwischen 1962 und 1988 lebte Birma mehr oder weniger autark im Rhythmus abwegiger Wirtschaftsreformen, die dieses rohstoffreiche Land in unsägliche Armut stürzten.

[33] Die Zwangsarbeit kommt nicht direkt am Standort zum Tragen, doch die Zivilpersonen werden zwangsweise für die gesundheitsgefährdende Rodung des Dschungels entlang der Pipeline eingesetzt. Dabei erkranken viele an Malaria. Wird sie der französische Außenminister und Mitbegründer von Ärzte ohnen Grenzen, Bernard Kouchner, gesund pflegen? Siehe auch Kouchners Bericht unter http://birmanie.total.com/fr/publications/rapport_bkconseil.pdf

[34] Zu diesem Thema liegt reichhaltige Literatur vor. Siehe beispielsweise das Interview with Brad Adams, outlining Burmese Ethnic Minority Communities’ Ongoing Horrors.Human Rights Watch. http://hrw.org/english/docs/2005/09/22/burma11774.htm

[35] 1994 unterzeichneten Indien und Birma ein Handelsabkommen, das den unbegrenzten Zugang zu einer Zone von 40 Kilometern beiderseits der 1643 Kilometer langen Grenze erlaubt. Damit wurde insbesondere der Drogenhandel in beide Richtungen erleichtert.

[36] Burma Briefing. October–December 2005. A Campaign by the Asian Center for Human Rights and Mizzima News.

[37] The Gathering Storm. Infectious Diseases and Human Rights in Burma. University of Berkeley and John Hopkins. Juli 2007. http://www.hrcberkeley.org/download/BurmaReport2007.pdf

[38] Les enfants sacrifiés de la junte birmane. Hebdo Net N°52 http://www.birmanie.org/Fichiers/File/NETHEBDO/hebdo52.html

[39] UNICEF in Myanmar: Protecting Lives, Nurturing Dreams. Unicef Report 2004. Siehe auch The Gathering Storm, Fußnote 37.

[40] Siehe Fußnote 37.

[41] Siehe Fußnote 37.

[42] Nähere Informationen zum Nationalkonvent unter Human Rights Watch. http://hrw.org/

[43] Ein Jahr vor den Olympischen Spielen hat „Reporter ohne Grenzen“ eine Kampagne lanciert, um für die Frage von Menschenrechten in China zu sensibilisieren: http://www.rsf.org/article.php3?id_article=23181