Venezuela

Referendum in Venezuela

François Sabado u. Sébastien Ville

Das Gezeter der Rechten und eines Teils der Medien wurde durch die Fakten widerlegt: Das Venezuela unter Chávez ist keine Diktatur. Die millionenfachen AnhängerInnen des Ja oder Nein konnten ihr Wahlrecht uneingeschränkt ausüben und in den Straßen des Landes demonstrieren. Der “Putschistenoberst” – wie die Pressekonzerne ihn zu nennen pflegen – ist keineswegs der Diktator, als den ihn die Rechte und ihre Lakaien in den Redaktionsstuben uns präsentiert haben. Das Ergebnis des Kopf-an-Kopf-Rennens war kaum bekannt, als Chávez seine Niederlage eingestand. Die nach 1999 erworbenen demokratischen Rechte sind nach wie vor intakt und die politische Diskussion bleibt heftig …

Eine Frage jedoch drängt sich auf: Warum hat Chávez verloren? Etwa 200 000 Stimmen fehlten ihm beim Referendum. Während beide Seiten jeweils etwa 4,5 Millionen Stimmen auf sich vereinen konnten, konnte das chavistische Lager seine AnhängerInnen nicht mobilisieren: 3 Millionen, die bei den letzten Wahlen noch für Chávez gestimmt hatten, blieben diesmal den Urnen fern. Die Opposition gewann 300 000 Stimmen hinzu, was in etwa der Erosion des bolivarischen Lagers am rechten Rand entspricht (Podemos, der sozialdemokratische Flügel des Blocks, und General Baduel, der die “marxistische” Entwicklung von Chávez offen bekämpft).

Noch sind umfassende Erklärungen verfrüht, aber unbestreitbar ist, dass Chávez Millionen Stimmen unter den einfachen Leuten verloren hat. Der von ihm zur Abstimmung gestellte Verfassungsentwurf entsprach nicht den Erwartungen eines guten Teils der venezolanischen Bevölkerung. Nach diesem ersten Wahlsieg der Opposition ist Chávez nach innen geschwächt. Gestärkt gehen die konservativsten Flügel in der Koalition hervor, die weiterhin für Mäßigung plädieren werden, besonders was den Aufbau der PSUV anlangt.

Auch außerhalb seines Lagers hat Chávez Federn gelassen, selbst wenn seine Wiederwahl 2006 nicht vor Ablauf des halben Mandats 2009 durch ein neuerliches Referendum zur Abwahl infrage gestellt werden kann. Unglücklicherweise trägt die radikale Linke Lateinamerikas nun die Lasten dieser Niederlage, da Venezuela für alle Lateinamerikaner, die für gesellschaftliche Transformationsprozesse eintreten, in den letzten Jahren zum Bezugspunkt geworden ist. Daher haben auch die klassenkämpferischen Kräfte einen Rückschlag erlitten.

Im übrigen entspricht diese Niederlage der Verschlechterung in den Beziehungen zwischen der Regierung und den kämpferischsten Kräften der bolivarischen Revolution, die schon seit langem für eine antikapitalistische Perspektive in Venezuela eintreten. Sichtbarer Ausdruck hiervon sind die Stimmverluste in der einfachen Bevölkerung. Seit Monaten zeigt sich bei Chávez die Tendenz, sich mehr an dem Flügel zu orientieren, der der Bürokratie und Korruption zuneigt, statt an den Vertretern der Radikalisierung und Selbstverwaltung des gesellschaftlichen Wandlungsprozesses. Seine bonapartistischen Neigungen haben Chávez dazu veranlasst, sich mehr auf seinen staatlichen Machtapparat zu verlassen als auf die Massenbewegung. Verloren hat er nicht, weil er zu sehr, sondern weil er zu wenig für die Schaffung einer tatsächlichen Macht des Volkes eingetreten ist.

Wir werden auch weiterhin den revolutionären bolivarischen Prozess unterstützen. Ohne Bedenken stehen wir auf der Seite von Chávez gegen die Rechte und die Imperialisten aller Lager. Und wir werden weiter auf Seiten unserer venezolanischen GenossInnen kämpfen für eine Radikalisierung des Prozesses und dabei ihre Vorschläge unterstützen, mit dem Imperialismus und dem venezolanischen Kapitalismus zu brechen.

Quelle: Rouge 2230


Übersetzung:MiWe



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 434/435 (Januar/Februar 2008).