Der folgende Aufruf wurde auf dem Kongress der LCR (24.–27. Januar 2008 in La-Plaine-Saint-Denis bei Paris) verabschiedet.
Durch die Wahlniederlage der etablierten Linken am 6. Mai 2007 hat die reaktionäre Rechte in Person von Sarkozy, dem Duzfreund der Bosse und Milliardäre, nunmehr freie Bahn. Der soziale Krieg, den sie betreiben, bedeutet Gewalt im Alltag und Unterdrückung. Er ist Teil der Logik der kapitalistischen Globalisierung, die die ArbeiterInnen der ganzen Welt gegeneinander ausspielen will, um sie besser ausbeuten zu können. Die wahnwitzige Jagd nach Profit, die diese Herren der Welt betreiben, bedroht das Überleben der Menschheit überhaupt, indem sie die Erde ausplündert und zerstört. Dieses System produziert regelmäßige Krisen und immer sind es die Völker, die die Rechnung bezahlen. Zu diesen sozialen und ökologischen Kriegen kommen noch die imperialistischen Kriege hinzu.
Die Politik der etablierten Linken steht dem ohnmächtig gegenüber, weil sie die Profitlogik, das Konkurrenzprinzip und die Abschaffung der Öffentlichen Dienste akzeptiert. Für seine überfallartige Offensive gegen den Großteil der Bevölkerung bedient sich Sarkozy seiner Macht – und für die Unternehmer wirkt ihr Verband MEDEF. Und welche Mittel haben wir, um die Anliegen der breiten Bevölkerung politisch wirksam zu vertreten? Was steht uns zur Verfügung, um breite Mobilisierungen aufzubauen, mit denen eine andere Verteilung der Reichtümer durchgesetzt werden kann?
Es ist höchste Zeit, wieder in die Offensive zu kommen. Seit einigen Jahren dringen Unzufriedenheit, Aufruhr und wiedererwachte Bereitschaft zum Widerstand an die Oberfläche. Aus den breiten Mobilisierungen und Kämpfen der Lohnabhängigen, SchülerInnen und Studierenden, BewohnerInnen der „Problemviertel“ und der ImmigrantInnen … erwächst neue Hoffnung. Aber allzu oft bleiben sie ohne greifbares Ergebnis, zumal in den Gewerkschaften die Ideologie der Sozialpartnerschaft den Klassenkampf und das Streben nach gesellschaftlicher Veränderung verdrängt hat.
Das Fehlen eines Instruments, das die Einzelkämpfe zu einer gemeinsamen Bewegung bündelt und so die Mächtigen in die Defensive drängt und ein neues Kräfteverhältnis schafft, macht sich bitter bemerkbar. Hoffnung braucht auch die Vision, dass eine andere Welt möglich ist. Vielen Menschen ist der Wunsch nach einem solchen Instrument gemein, einer Partei nämlich, die für die anstehenden Mobilisierungen taugt und dazu dient, eine radikale, revolutionäre Veränderung der Gesellschaft vorzubereiten und somit auch den Kapitalismus, dasPrivateigentum an den wesentlichen Produktionsmitteln, die Plünderung der Erde und die Zerstörung der Umwelt zu überwinden.
Wir wollen eine Gesellschaft, die den sozialen Bedürfnissen gerecht wird und die frei ist von allen Formen der Ausbeutung und Unterdrückung nach Klasse, Geschlecht, Alter und Herkunft. Eine Gesellschaft, in der sich die Demokratie nicht in der Stimmabgabe bei Wahlen erschöpft, sondern allen ermöglicht, mitzuentscheiden.
Der nationale Kongress der LCR wendet sich daher an alle – ob Einzelpersonen, engagierte Belegschaften oder politische Strömungen – die sich in einem organisierten, kämpferischen, landesweiten und demokratischen politischen Rahmen zusammenfinden wollen, in einer Partei, die auch auf internationaler Ebene gemeinsame Bande mit gleichgesinnten Kräften knüpft.
Wir wenden uns an die Frauen und Männer, ob mit oder ohne Ausweispapiere, die glauben, dass ihr Leben mehr wert ist als der Profit; an die Jugend, die zum Widerstand ruft, wenn ihre Zukunftsperspektive bedroht wird; an die AktivistInnen in Verbänden und Gewerkschaften, die tagtäglich in ihren Betrieben und Stadtvierteln initiativ sind; an die sozialistischen. antineoliberalen, kommunistischen und grünen Aktivisten, die das Lavieren in der Politik, die falschen Versprechungen und halbherzigen Maßnahmen satt haben; an die antikapitalistischen, revolutionären AktivistInnen, an alle landesweiten oder örtlichen politischen Organisationen oder Strömungen, die glauben, dass es an der Zeit ist, sich über die alten Differenzen hinweg zusammenzuschließen; und v. a. an diejenigen, die bis heute noch nicht die Partei gefunden haben, die ihnen hinreichend Motivation verschafft hätte, sich entsprechend zu engagieren …
Bauen wir eine Partei auf, die sich die Lehren aus den Kämpfen von gestern und heute aneignet: der Arbeiter- und Umweltbewegung, der internationalistischen und Antiglobalisierungsbewegung, des Feminismus und des Antirassismus. Eine Partei, die gegen die Ausbeutung kämpft, gegen alle Formen der Unterdrückung und Diskriminierung und für die Befreiung der Menschen als Individuum und als Kollektiv. Wir wollen eine internationalistische Partei aufbauen, die die Ausplünderungspolitik der südlichen Länder und die die von Frankreich, der EU und den USA ausgehende militärische Logik ablehnt. Eine unabhängige Partei, die – besonders im Gegensatz zur Sozialdemokratie – sich weigert, dieses System mit zu verwalten. Eine Partei, die mit dem Kapitalismus und den Institutionen der herrschenden Klasse bricht. Eine demokratische Partei, deren Funktionsweise es der Bevölkerung ermöglicht, ihre Mobilisierungen selbst zu lenken, um zukünftig in der Lage zu sein, die sozialen und wirtschaftlichen Abläufe bestimmen zu können. Schaffen wir eine Partei, die den Sozialismus des 21. Jahrhunderts erfindet.
Mit diesem Aufruf wollen wir ohne Verzug einen Aufbauprozess in Gang setzen, der zur Gründung einer neuen antikapitalistischen Partei führt.
Es liegt jetzt an uns, in den Unternehmen und Wohnvierteln, an den Arbeitsplätzen, Schulen und Universitäten auf örtlicher, regionaler und nationaler Ebene uns zusammen in Initiativkomitees zu organisieren, um die Schaffung eines solchen kollektiven Instrumentes in die Hand zu nehmen. Diese Komitees werden sich auf allen Ebenen zusammenschließen müssen, in den Städten, Departements, Arbeitsbereichen und landesweit. An ihnen liegt es, ihre politischen Aktivitäten selbst in die Hand zu nehmen und zu diskutieren und auch initiativ zu werden, um eine geeignete Gesamtdynamik in Gang zu setzen.
Anhand der Zwischenbilanzen wird in örtlichen Treffen und auf landesweiten Versammlungen eine demokratische Vorgehensweise ausgearbeitet werden können, die den unterschiedlichen Auffassungen und Werdegängen Rechnung trägt und die Vorbereitungen für einen Gründungskongress der neuen Partei organisiert.
Diese Partei wird denen gehören, die sich darin engagieren. Insofern ist es jetzt Sache all derjenigen, die „Partei ergreifen“ wollen, einen gemeinsamen Entscheidungs- und Aufbauprozess anzugehen.
Übersetzung MiWe |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 436/437 (März/April 2008).