Das Internationale Komitee stimmt den wesentlichen Punkten der Orientierung zu, die im Rahmen des Seminars zum Klimawandel entwickelt wurden, die das Internationale Institut für Forschung und Bildung (IIRE) organisiert und das vom 22. bis 27. Februar 2008 stattgefunden hat:
1. Die verschiedenen kapitalistischen Vorschläge, die in der Diskussion sind, um über 2012 hinaus ein Klimaabkommen zustande zu bringen (insbesondere das „Klimapaket“ der Europäischen Kommission für 2013 bis 2020, der Stern-Report, die sogenannte Warner-Lieberman-Gesetzesinitiative in den USA) sind völlig unzureichend, um einen Temperaturanstieg auf der Erde über den gefährlichen Punkt hinaus (+2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Periode) zu verhindern.
2. Wir stehen dem kriminellen Zynismus und der Verantwortungslosigkeit des kapitalistischen Systems und seiner politischen Repräsentanten gegenüber, die – entgegen jeglicher nicht ignorierbarer wissenschaftlicher Evidenz hinsichtlich der Beschleunigung der Erderwärmung und ihrer Konsequenzen – Leben, Gesundheit, Ernährung, Wasserressourcen und Arbeitsplätze von Hunderten Millionen von Menschen in Gefahr bringen und der Biosphäre irreparablen Schaden zufügen. Sie bevorzugen Technologien, die gefährlich (wie die Kernenergie), zerstörerisch (wie die massive Produktion von Biosprit) oder geradezu lächerlich sind – allerdings manchmal mit sozialen Konsequenzen – (CO2-Einlagerung), anstatt die Wachstumsideologie und die Jagd nach Profit in Frage zu stellen.
3. Es hat sich eine positive weltweite Bewegung zum Kampf für das Klima entwickelt, die sich insbesondere in den Demonstrationen 2006 und 2007 in London, im Juni 2007 in Spanien („Tag der Sonne“) und im November 2007 in Australien zeigte und allgemein an den Aktionen der „Global Climate Campaign“ (Weltweite Klimakampagne) – ein Beispiel, dem zu folgen ist, speziell im Hinblick auf die zweijährige Verhandlungsphase, die im Dezember 2009 zu einem neuen Klimaabkommen führen soll.
4. Die breitestmögliche Aktionseinheit auf weltweiter Ebene ist nötig, um durch massenhaften Druck die Regierungen zum Handeln im Sinne der drei Empfehlungen des „Intergovernmental Panel on Climate Change“ (IPCC) zu zwingen (1. die Treibhausgasemissionen der industrialisierten Länder müssen bis 2020 zwischen 25 und 40% gegenüber heute gesenkt werden; 2. der Höchststand der Emissionen muss in den kommenden 10 bis 15 Jahren erreicht sein; 3. bis 2050 muss eine Reduktion von 50% bis 85% erfolgen) und dabei gleichzeitig die sozialen und demokratischen Rechte ebenso zu respektieren wie das Recht eines jeden auf eine menschenwürdige Existenz.
5. Aus Gründen der Vorsicht und angesichts der Unsicherheiten in den Prognosen, die auf wissenschaftlichen Klimamodellen basieren, ist es zwingend, die Reduktionsziele im oberen Bereich der IPCC-Empfehlungen anzusiedeln, um den Schaden so weit als möglich zu begrenzen – auch wenn unglücklicherweise gewisse Schäden unvermeidlich sind infolge der Tatsache, dass die globale Erwärmung bereits Realität ist.
6. Es gibt zahlreiche soziale Bewegungen, die zur Entwicklung einer Alternative zum kapitalistischen Produktivismus beitragen (insbesondere indem sie gegen die Ausbeutung von Öl- und Gasvorkommen kämpfen und für die Erhaltung der Regenwälder, die Rechte der Ureinwohner, für eine ökologische Landwirtschaft, für eine alternative Abfallpolitik, die dem Recycling Vorrang einräumt, gegen die unkontrollierte Ausweitung des Land-, Luft- und Seetransports, für eine nachhaltige Energienutzung, gegen Nuklear- und Waffenindustrie, gegen Flexibilisierung und das Wachstum von Zeit- und Teilzeitarbeit, für die rationelle Wassernutzung – und den freien Zugang zu letzterem als öffentlichem Gut, das nicht privatisiert werden darf –, gegen Werbung und Überkonsumption, für einen nicht den Warengesetzen unterliegenden Transfer von Wissen und Technologie). Diese Bewegungen sollten ermutigt werden, direkt in den weltweiten Kampf für die Rettung des Klimas einzutreten.
7. Der Kampf um die Verteidigung des Klimas kann nicht ohne aktive Beteiligung der Enteigneten und Unterdrückten, die die absolute Mehrheit der Menschheit darstellen, gewonnen werden. Er muss daher ihre legitimen Forderungen und sozialen Ansprüche einschließen, insbesondere in Bezug auf Beschäftigung und soziale Absicherung. Besondere Aufmerksamkeit muss dabei der Teilnahme der Arbeiter- und Bauernorganisationen, der Frauenbewegung, der Ureinwohner und der Umweltschutzorganisationen gewidmet werden, ebenso wie der der Jugend und der marginalisierten sozialen Schichten, damit ihre Forderungen in die Ziele und die Form der Aktionen einfließen.
8. Wir lehnen kapitalistische Rezepte ab (Markt für Verschmutzungsrechte, CO2-Steuer, „saubere“ Investitionen zur Schaffung von CO2-Verschmutzungsrechten, Subventionen für Unternehmen, Unterordnung der Forschung unter kapitalistische Verwertungsinteressen, Abbau sozialer Sicherung und anderer Ausgleichsregelungen…). Sowohl im Kampf gegen den Klimawandel wie bei den Anstrengungen, mit den Folgen fertig zu werden, verstärken derartige Maßnahmen unvermeidlich imperialistische Herrschaft wie kapitalistische Konkurrenz und Gewalt und damit auch Ausbeutung, Unterdrückung, Konkurrenz unter den Arbeitenden, Verletzung von Rechten und den Würgegriff der herrschenden Klasse in allen Lebensbereichen.
9. Nuklearenergie stellt aus vielen Gründen (besonders wegen der fehlenden Lösungen für die Entsorgung des Mülls, der Verbindung mit der Rüstungsindustrie und dem Risiko der Proliferation, der schlechten Effizienz, der insgesamt gesehen eher mittelmäßigen CO2-Bilanz und der extremen Zentralisierung, die das Gegenteil von Dezentralisierung und Wärmerückgewinnung bedeutet) keine Waffe gegen den Klimawandel dar. Die Bewegung muss den Druck der Lobby für den Ausbau dieser Industrie konsequent bekämpfen.
10. Der Klimawandel führt aufgrund des interimperialistischen und interkapitalistischen Wettlaufs um Ressourcen – insbesondere um fossile Energieträger, aber auch zur Verteidigung der Ölrenditen und anderer damit verbundener Privilegien – zu einer neuen alarmierenden und zunehmenden Gefahr von Kriegen.
11. Wir weisen die sich in bestimmten bürgerlichen Kreisen wieder ausbreitende neo-malthusianische Ideologie zurück. Sie basiert auf einem barbarischen und säbelrasselnden kapitalistischen Krisenmanagement – zum Schaden der ärmsten Völker, der Armen insgesamt, der Arbeiterklasse, der Opfer der Katastrophen, zum Schaden derer, die gezwungen sind, auszuwandern, und insbesondere der Frauen.
12. Deshalb weisen wir jeglichen Versuch zurück, den Klimawandel mit der demographischen Entwicklung in Zusammenhang zu bringen, insbesondere in den unterentwickelt gehaltenen Ländern. Es gibt einen unabweisbaren Zusammenhang zwischen Entwicklung und demographischem Wandel. Wir bekräftigen ausdrücklich das Recht der Frauen zu entscheiden, ob sie Kinder haben wollen oder nicht, ein Recht, das impliziert, dass Frauen freien Zugang zu den Techniken der Geburtenkontrolle und zu Abtreibung haben.
13. Die entwickelten Länder müssen positiv auf den großzügigen und verantwortungsvollen Vorschlag des ecuadorianischen Präsidenten Correa antworten, der, um die Biodiversität zu schützen und um zur Stabilisierung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre beizutragen, vorschlug, ein bedeutendes Ölgebiet im Tropenwald im Austausch gegen eine teilweise Kompensation der Einnahmeverluste für sein Land nicht auszubeuten. In diesem Kontext weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass die industrialisierten Länder des Nordens ihre historische Verantwortung für die Katastrophen, die sich als Folge des Klimawandels in den Ländern des Südens ereignen, anerkennen müssen.
14. Angesichts der durch neoliberale Politik verschärften kapitalistischen Logik , muss dringend ein Weltplan entwickelt werden, der eine Energie-Revolution (Ressourceneinsparung, höhere Energieeffizienz, Wechsel von fossilen zu erneuerbaren Energiequellen – geothermische und solare in ihren verschiedenen Formen –, Dezentralisierung, eine radikale Neuordnung der Transportsysteme für Menschen und Güter…) mit den unvermeidlichen Maßnahmen zur Anpassung und zum Umbau verbindet, und zwar unabhängig von Kosten und Profiten, unter Respektierung der gleichen Rechte aller Menschen, Kohlenstoff im Rahmen der von der Biosphäre gesetzten biologischen und physikalischen Grenzen zu verbrauchen bzw. zu emittieren.
15. Ein solcher Plan setzt einen Bruch mit der Wachstumslogik, mit kapitalistischer Globalisierung und Konsumlogik voraus (Ausschaltung aller Bereiche, die nutzlos oder schädlich sind wie Waffen oder Werbung; Abbau des auf fossilen Energieträgern basierenden Industriebereichs; Umschulung der Arbeiter und eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit; partielle Verlagerung der landwirtschaftlichen Produktion und Konsumption), die Erneuerung des öffentlichen Sektors, das kollektive Eigentum an den Energieressourcen, eine breite Umverteilung des Reichtums zwischen Ländern und Klassen (Schuldenstreichung für den Süden; hohe Besteuerung der Profite im Energiesektor und von Erbschaften…), wie auch die Einbeziehung der breiten Masse durch demokratische Kontrollmechanismen.
16. Die Linke einschließlich der Vierten Internationale ist in der Frage des Klimawandels sehr spät dran. Aus diesem Grund müssen wir in Inprecor und International Viewpoint konsequent verfolgen, was in Bezug auf Klima und Klimapolitik vor sich geht. Die Sektionen der Vierten Internationale müssen diese Frage in ihre Propaganda und Aktivitäten aufnehmen. Im Februar 2010 werden wir erneut ein Klimaseminar organisieren.
17. Die Energie-/Klimakrise macht es noch dringlicher, eine Neubestimmung des sozialistischen Projekts als globales ökosozialistisches Projekt vorzunehmen (das sowohl die Befriedigung der realen menschlichen Bedürfnisse auf Basis demokratischer Entscheidungen einschließt, wie auch die vorausschauende Verwaltung der Biosphäre). Die Bildung des internationalen ökosozialistischen Netzwerks stellt hierfür einen bedeutenden Schritt dar.
18. Der nächste Weltkongress der Internationale wird sich mit einer Resolution zum Kampf gegen den Klimawandel, zu programmatischen Alternativen und zu ihren Konsequenzen für das sozialistische Projekt befassen.
Internationales Komitee, Februar 2008 Übersetzung aus dem Englischen: Thadeus Pato |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 438/439 (Mai/Juni ).