Frankreich

Neue Antikapitalistische Partei:
Abschlusserklärung der nationalen Konferenz

Wir, die wir dieses Projekt umsetzen, sind einige Tausend: ob Arbeiter, ob aus Stadt oder Land, ob mit oder ohne Arbeit, ob mit oder ohne Aufenthaltserlaubnis, ob Jugendliche oder Rentner oder prekär Beschäftigte, ob in Parteien, Gewerkschaften oder Verbänden aktiv, ob politisch erfahren oder Neuling auf diesem Gebiet, sind wir organisiert in über 300 Komitees – mit aufsteigender Tendenz.

Diese Dynamik entsteht aus dem Bewusstsein heraus, dass wir nicht tatenlos bleiben können angesichts eines globalisierten kapitalistischen Systems, das die Welt an die Wand fährt. Inmitten einer Wirtschafts-, Finanz-, Energie- und Nahrungsmittelkrise, deren Folgen unabsehbar sind, kennt dieses System mehr denn je nichts anderes als die Jagd nach Profit und opfert dafür Millionen von Menschen. Das gesamte ökologische Gleichgewicht ist bedroht und der Kapitalismus kann als Verursacher dieses Problems nichts zu seiner Lösung beitragen, ebenso wenig wie andere Systeme, die immer noch mehr produzieren wollen. In dieser Welt, in der die Ungleichheit immer mehr zunimmt, werden Hungerrevolten zunehmend auf der Tagesordnung stehen. Verantwortlich dafür ist die Politik der imperialistischen Mächte und der ihnen ergebenen Institutionen wie IWF und WTO und die schamlose Spekulation mit Grundnahrungsmitteln. Der „grenzenlose Krieg”, den Bush und seine Verbündeten – darunter Frankreich – verfügt haben, breitet seinen Horror überall in der Welt aus.

Hierzulande gehen Sarkozy und Unternehmerverband immer mehr in die Offensive und demonstrieren damit die Arroganz der Herrschenden. Selten hat die Rechte so unverblümt ihre Politik zu Lasten der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung betrieben. Selten haben die Besitzenden, die Aktionäre und die Unternehmer ihre Profitgier so offen über die elementaren Bedürfnisse der Bevölkerung gestellt. Natürlich herrscht allerorten Verbitterung, weil alle Errungenschaften, das Solidarprinzip und die öffentlichen Dienste infrage gestellt werden, weil man nicht mehr über die Runden kommt, die Lebens- und Wohnbedingungen immer schlechter werden, Rassismus und Diskriminierung grassieren und der Staat immer weiter nach innen aufrüstet. Diese Verbitterung muss produktiv gewendet statt in Ablenkungsmanöver vergeudet zu werden, in denen sie wirkungslos verpufft. Es darf keinen „sozialen Dialog” mit der Regierung geben, keine Zersplitterung, keine Streiks, die nach Salamitaktik tage- oder sektorenweise stattfinden. Sondern wir alle können und müssen hier und jetzt gemeinsam und entschlossen handeln und die Kämpfe und Streiks auf alle ausdehnen. Nur so können wir die Regierung und ihre Gegenreformen schlagen!

In diesem Sinne müssen wir uns in einer Partei zusammenschließen, die keine Gelegenheit auslässt und niemanden beiseite lässt. Dies kann keine Partei sein, die Feuer und Wasser zu vereinen sucht, nämlich diejenigen, die den Kapitalismus stürzen und jene, die sich mit ihm arrangieren wollen. Genauso wenig kann es eine Regierungskoalition geben zwischen denen, die die Rechte der Arbeiter verteidigen, und denen, die die Macht der Aktionäre verteidigen; zwischen denen, die mit der neoliberalen Politik brechen wollen, und denen, die sie umsetzen; zwischen denen, die ein Europa der ArbeiterInnen aufbauen wollen, und den Protagonisten eines Europa, in dem freie Konkurrenz und Profitstreben regieren. Daher wollen wir eine Partei, die von der Sozialdemokratie vollständig unabhängig ist und die Interessen aller Ausgebeuteten bis zur letzten Konsequenz verteidigt.

Wir rufen Euch alle auf, gemeinsam eine Linke aufzubauen, die keinen Verzicht übt, eine kämpferische, antikapitalistische, internationalistische, antirassistische, ökologische und feministische Linke, die sich gegen jede Diskriminierung auflehnt. Um die Welt zu ändern, brauchen wir eine Partei, die das System bis ans Ende bekämpft, um einen revolutionären Wandel der Gesellschaft zu vollziehen. Die Linke, die wir wollen, muss sich auf internationaler und besonders europäischer Ebene organisieren und auch bei den Wahlen antreten, ohne dabei zu vergessen, dass allein die Mobilisierungen für soziale, kulturelle und Umweltinteressen diese Veränderungen durchsetzen können.

Vor dem Hintergrund vergangener Erfahrungen werden wir gemeinsam und nach reichlicher Diskussion eine neue demokratische und sozialistische Perspektive für das 21. Jahrhundert erarbeiten. Wir haben kein Modell vor Augen und schon gar nicht die so genannten „kommunistischen” Regimes des vergangenen Jahrhunderts, aber wir haben Ziele. Nämlich die Diktatur zu beseitigen, die das Kapital über die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft ausübt, und die breiteste Demokratie aufzubauen, die die Menschheit je gekannt hat, in der die „unsichtbare Hand des Marktes” durch kollektive Entscheidungen ersetzt wird.

Es werden immer mehr, die diese Herausforderung annehmen wollen. Individuen, aktive Gruppen, revolutionäre politische Strömungen, Anarchisten, Kommunisten, Sozialisten, Umweltaktivisten, Globalisierungsgegner, …: Fahren wir fort, uns zu vereinigen! Jeder kann und muss in seinem Dorf, Wohnviertel, Betrieb, Uni oder Schule und seinem Rhythmus entsprechend dazu beitragen, dieses pluralistische und demokratische Instrument zu schaffen. Ob es gelingt, liegt an uns. Vorwärts!

Saint-Denis, 29.6.2008
Übersetzung: MiWe



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 442/443 (September/Oktober 2008).