Kroatien

Erfahrungen und Botschaften der studentischen Blockaden

Im Sommer 2009 wurden in Kroatien zahlreiche Universitätseinrichtungen besetzt, um sich gegen Sozialabbau zu wehren und ein kostenloses Bildungssystem durchzusetzen. Die Organisation Radnička borba (Arbeiterkampf), in der sich die Anhängerinnen und Anhänger der IV. Internationale in Kroatien organisieren, gab dazu im Oktober folgenden Text heraus.

Radnička borba

Die Blockaden von Fakultäten in ganz Kroatien, die insgesamt einen Monat gedauert haben und mit der Besetzung der philosophischen Fakultät in Zagreb begannen, sind zweifellos gegenwärtig der Höhepunkt der Entwicklung und Artikulation der sozialen Bewegung in Kroatien. Die Wichtigkeit dieser Ereignisse geht nicht nur aus der konsequenten Betonung der grundlegenden Forderung der Studenten nach einem kostenlosen Bildungswesen, sondern auch aus der breiten Anwendung von Methoden der Blockade und aus dem Verständnis dafür hervor, dass es nur auf diese Weise möglich ist, einen effektiven Kampf für das angegebene Ziel zu führen. Im Kampf für die Verwirklichung eines kostenlosen Bildungswesens haben die Kolleginnen und Kollegen an ungefähr zwanzig Fakultäten eine ungekannte Energie, Opferbereitschaft und, wenn nötig, Tapferkeit in den Konflikten mit der Verwaltung und den studentischen Bürokratien gezeigt. Sie haben damit allen unterdrückten Gruppen, in erster Linie den Arbeitern, gezeigt, dass es nötig ist, auf diese Weise und mit diesen Methoden für seine Rechte zu kämpfen. Die in diesen Ereignissen gemachten Erfahrungen werden in der weiteren Entwicklung des Klassenkampfes wertvoll sein.

Wegen all des Gesagten ist es sehr leicht, in eine unkritische Glorifizierung der Bewegung zu verfallen, aber stattdessen muss es unser Ziel sein, eine ernsthafte kritische Analyse ihres Verlaufs und ihrer Eigentümlichkeiten zu bieten, besonders im Kontext der Gesamtentwicklung des Klassenkampfes und der augenblicklichen politisch-ökonomischen Situation. Nur auf diese Weise können wir aus den bisherigen Erfahrungen der Bewegung lernen und uns so für zukünftige Kämpfe vorbereiten.


Studenten als gesellschaftliche Gruppe und die Fakultätsblockaden


Noch kurz vor dem Beginn der Blockaden konnten wir ohne jede Übertreibung konstatieren, dass die Studenten passiv, uneinig und unorganisiert sind, weit entfernt von einem Zustand, in dem sie klar und präzise als Gruppe ihre Forderungen artikulieren und offensiv nach außen vertreten könnten. Die Blockaden haben in einer blitzartigen Abfolge der Ereignisse einen großen qualitativen Sprung in einen völlig widersprüchlichen Stand der Dinge bedeutet – mit unglaublicher Geschwindigkeit haben sie bis dahin passive und eingeschläferte Studenten gezwungen, aktiv zu werden, zu kämpfen, sich zu radikalisieren, Position zu beziehen, zu agitieren, Konflikte mit der Verwaltung und den rückständigen Angehörigen ihrer Gruppe einzugehen und so trotz des Drucks ihre Plena vor den Fakultäten in Sonne und Regen abzuhalten. Die Jahre der in aller Stille angestauten Unzufriedenheit, unterbrochen von gelegentlichen studentischen Protesten, haben plötzlich, dank der Arbeit eines kleinen Teils der bewusstesten Studenten, der die Übernahme der Philosophischen Fakultät in Zagreb ermöglicht hat, in einem überraschenden Aufblitzen eine Lawine studentischer Bewegung im ganzen Land hervorgebracht. An diesem Beispiel sehen wir völlig klar die Dynamik der Entwicklung des Klassenkampfes. Zum Unterschied gegenüber dem, was diejenigen behaupten, die sich bemühen, den Widerstand der unterdrückten Gruppen zu betäuben, brauchen wir nicht die Mehrheit zu haben (und um sie nur still mit Propaganda zu kämpfen), um den Kampf gegen die bestehende Ordnung wiederaufzunehmen – wenn wir den Kampf konsequent führen und dabei die Interessen der unterdrückten Gruppen kompromisslos vertreten, werden wir durch den Kampf selbst die Mehrheit gewinnen. Dies hat sich im Verlauf aller großen Arbeiter- und sozialen Bewegungen in der Geschichte ereignet, und dies hat auch der Verlauf dieser Blockaden bestätigt – die Minderheit der bewusstesten und kämpferischsten Studenten hat es im Verlauf der Blockade sehr schnell geschafft, die Masse derjenigen Studenten auf ihre Seite zu bekommen, die noch bis gestern inaktiv und gleichgültig waren und sich innerhalb weniger Tage in opferbereite Aktivisten verwandelt haben.

Mit den benannten Blockaden hat sich die studentische Population als einzige unterdrückte Gruppe formiert, die in diesem Moment der eigenen Lage und der eigenen Forderungen in vollem Maße bewusst ist und bereit, diese Forderungen zu artikulieren und kompromisslos zu vertreten. Es ist eine Tatsache, dass dies nicht allein auf die objektiven materiellen Umstände zurückzuführen ist, da ja die Lebens- und Arbeitsbedingungen für die industrielle Arbeiterklasse viel schwerer sind, sondern auf die immense Bedeutung subjektiver Faktoren verweist – der Organisation, des Grades des Zusammenhalts der Gruppe, propagandistischer und politischer Arbeit usw.

Die studentischen Blockaden weisen noch auf eine weitere wesentliche Tatsache hin, vor der man auf keinen Fall die Augen verschließen darf – die Heterogenität der Studenten als Gruppe aufgrund der großen Unterschiede der einzelnen Schichten der studentischen Population. Wir denken da nicht an individuelle Charakterunterschiede, sondern vorzugsweise an jene, die mit der Klassenzugehörigkeit in Verbindung stehen. Es ist völlig logisch, dass arme Studenten fast instinktiv und am tiefsten mit der Idee des kostenlosen Bildungswesens verbunden sein werden, während reiche Studenten entweder gleichgültiger sein werden oder unter den Einfluss der Propaganda für ein System der „Vorzüglichkeit“ (bzw. einer linearen Bezahlung) und der Feindschaft gegenüber der Idee des kostenlosen Bildungswesens geraten werden (das lineare Modell begünstigt die reichste Schicht der Studenten). Zwischen diesen beiden Extremen gibt es eine ganze Kette von Übergangspunkten, was in Verbindung mit der Unentschlossenheit eines Teils der Studenten steht. Trotz der starken gegen ein kostenloses Bildungswesen gerichteten ideologischen Propaganda und trotz der bedeutenden Lohnunterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen der Arbeiter, ermöglicht die Tatsache, dass die Mehrheit der Menschen (und so auch die Eltern der Studenten oder die Studenten selbst) zu den Arbeitern gehört, dass die Mehrheit der Studenten die Forderung nach einem kostenlosen Bildungswesen unterstützt. Hier sprechen wir die ganze Zeit nur über die gesellschaftliche Tendenz und haben überhaupt nicht die Absicht zu behaupten, unsere Aussagen ließen sich auf individuelle Fälle anwenden.

Die früher angeführten großen Unterschiede haben sich völlig klar an den Fakultäten gezeigt, an denen sich die Verwaltung offen gegen die Blockade gestellt und es geschafft hat, einen Teil der rückständigsten studentischen Schichten (die Minderheit) auf ihre Seite zu ziehen, vorzugsweise der Mitglieder der Studentenunion und ihrer Anhänger (von der Analyse der Verhältnisse der Studentenunion und der Plena wird später die Rede sein). Völlig entgegen der gemäßigten Tendenz in der studentischen Bewegung und der Logik der Intervention von Liberalen und NGO-Szene liegt es uns völlig fern, zum Fetisch der „studentischen Einheit“, der „friedlichen Lösung von Konflikten“ und der „Versöhnung“ beizutragen und so die Interessen der studentischen Bewegung und ihre Entwicklung zu opfern und damit zu ermöglichen, dass die rückständigsten Schichten die fortschrittlichsten bremsen und mit sich ziehen. Nicht nur dass eine solche Differenzierung und ein offener Konflikt zwischen denen, die für, und denen, die gegen die Blockade sind, nicht schlecht sind, sondern Klarheit in der Sache, die Isolierung jener, die die Bewegung in die Rückständigkeit führen, und so eine klarere Artikulation der Standpunkte der studentischen Bewegung und ihre beschleunigte Entwicklung ermöglichen. Die Logik der „Versöhnung“ und der „studentischen Einheit“ hat in den Fällen, wo sie triumphiert hat, nur zur Abtötung der Proteste geführt, zur Unterwertung der Mehrheit gegenüber der Minderheit - der Fortschrittlichen gegenüber den Rückständigen, und daher zum notwendigen Verfall und zu erfolglosen Blockaden. Dies wird uns ein Denkzettel für die Zukunft sein, dass wir ähnliche gemäßigte Einladungen zu „Versöhnung“, „friedlicher Lösung von Konflikten“ und „Einheit“ als (bewussten oder unbewussten) Wunsch nach einer Zerschlagung der Bewegung begreifen, der in süßliche Phrasen eingehüllt ist, und sie mit Abscheu zurückweisen.

An einem Teil der Fakultäten, an denen die Blockade geglückt ist, sind die benannten Unterschiede unaufhörlich in Form von ständigen Versuchen bestimmter Gruppen der Studenten zum Ausdruck gekommen, die Blockade zu brechen. Dies hat man ebenfalls sehr schön gesehen bei der Gelegenheit der Diskussion über den Vorschlag der Verwaltung, das Bildungswesen solle kostenlos werden „für all diejenigen, die mehr als 40 ECTS-Punkte im Jahr erreichen“ (hier können wir nicht alle mit diesem Vorschlag verbundenen Probleme behandeln, aber der zentrale Punkt ist, dass jede Bezahlung des Studiums eine direkte Diskriminierung auf sozialer Grundlage bedeutet). Dort kam es zu einer klaren Teilung in die Unterstützer des Vorschlags und diejenigen, die konsequent der ursprünglichen Forderung nach einem kostenlosen Bildungswesen treu geblieben sind.

Es ist von großer Wichtigkeit, dass die kämpferischsten Studenten sich der großen Unterschiede und Spaltungen innerhalb der studentischen Population bewusst werden und vor ihnen nicht flüchten, sondern anstreben, die Mehrheit der Studenten für die kompromissloseste und kämpferischste Linie zu gewinnen und dabei den politischen Konflikt mit allen offen austragen, die die Sache bremsen oder in die Rückständigkeit ziehen (durch das Bedürfnis nach und die Bildung von ständigen oder zeitweiligen Fraktionen) und um die Mehrheit auf dem Plenum kämpfen.


Das studentische Plenum


Die Logik der Durchführung der Blockade und der Lösung aller Fragen, die sich der studentischen Bewegung stellten, beruhte auf der Anwendung breitester direkter Demokratie. Alle Entscheidungen wurden nach Diskussion und Abstimmung auf täglichen Plena getroffen, auf denen völlig gleichberechtigt alle Interessierten mitwirken konnten. Alle Studenten konnten sich zum ersten Mal an der Entwicklung studentischer Politik und der Lösung von Fragen beteiligen, die für sie von ausschlaggebendem Interesse sind; endlich wurde diese Funktion einer kleinen Zahl karrieristischer und opportunistischer formaler „studentischer Vertreter“ aus der Hand genommen, die eng mit dem Willen der parlamentarischen politischen Parteien verbunden sind, und so allen Studenten übergeben. Das Plenum als Organ hat auch, zum Unterschied von der Institution der „studentischen Vertretung“, reale politische Macht repräsentiert, fähig zur gleichberechtigten Verhandlung mit der Fakultätsverwaltung und dem Ministerium. Seine Macht ist aus der Masse der Studenten hervorgegangen, die es geschaffen haben und so im Stande waren, den Unterricht zu blockieren und die Fakultät unter ihre Kontrolle zu bringen.

Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum das Plenum die bestmögliche Form studentischer Demokratie ist und warum es am besten auf die Aufgaben antwortet, die sich den Studenten stellen. Vor allem ist es am natürlichsten, dass über die Fragen, die alle betreffen, unmittelbar alle entscheiden und nicht irgendwelche abgeschlossenen Grüppchen oder die kleine Zahl aufgedrängter Vertreter. Das Plenum beseitigt vollständig die Teilung in die studentische politische Elite und die gewöhnliche Masse der Studenten. Während das studentische Parlament die Studenten lähmt und passiviert, indem es ihre politische Aktivität auf den Gang zu seltenen Wahlen beschränkt und auf der einen Seite eine Masse bildet, die über nichts entscheidet, sowie auf der anderen Seite eine kleine Zahl Auserlesener, die berufen ist, für alle zu entscheiden (und natürlich dem Opportunismus, dem Missbrauch ihrer Stellung, dem Diebstahl usw. geneigt), schließt das studentische Plenum alle interessierten Studenten in die politische Arbeit ein, treibt sie an, sich zu engagieren, ihre Positionen zu überdenken und zu verteidigen. Auf diese Weise schafft das Plenum unaufhörlich Aktivismus, Kritikfähigkeit, Engagiertheit und Selbstbewusstsein bei den Studenten. Im Einklang damit erschwert das Plenum die Manipulation der Studenten und den Verrat an den studentischen Interessen durch opportunistische Gruppen. Die kleine Zahl ausgewählter Delegierter, befreit vom imperativen Mandat, wäre auch Kompromissen, Aufgabe und Kapitulation infolge des Drucks oder der Bestechung durch Fakultätsverwaltung und Ministerium geneigt. Das Plenum ist durch die Weise seiner Arbeit und die für es charakteristische Massenpartizipation in hohem Maße vor dieser Gefahr geschützt. Gegenüber allem, was vor dem Begin der Blockaden die Skeptiker und Kritiker der direkt-demokratischen Weise der Verwaltung behauptet haben, hat sich völlig klar gezeigt, in welch überraschendem Maße ein solches System effektiv und den Aufgaben angemessen ist, um die sich die Studenten kümmern. Man soll vor der Tatsache nicht die Augen verschließen, dass in der Regel nicht die Mehrheit aller Studenten an den Plena teilgenommen haben. Das kann den Liberalen im Lichte ihrer abstrakt-demokratischen Konzeptionen Probleme bereiten (eine nicht kleine Zahl von ihnen findet sich in offenem Widerspruch mit sich selbst und ihren Konzeptionen wieder, weil sie die Blockade unterstützen; Žarko Puhovski [1] ist währenddessen konsequent geblieben), aber in keinster Weise uns. Dem Plenum verleiht die Tatsache vollständige Legitimität, dass alle kommen und an seiner Arbeit teilnehmen können. Diejenigen, die nicht kommen, verzichten freiwillig auf ihre Rechte und überlassen es den anderen, statt ihrer zu entscheiden. Aber wie viele Studenten auch gekommen sind oder nicht – das Recht auf Entscheidung können nur diejenigen haben, die zum minimalen Opfer bereit sind, zu kommen und sich an der Arbeit des Plenums zu beteiligen. Man kann nicht zulassen, dass im Namen irgendwelcher abstrakt-demokratischen Konzeptionen die passivsten und rückständigsten Schichten der studentischen Population die studentische und soziale Bewegung lähmen und so die direkte Demokratie sabotieren.

Eine weitere Sache muss im Zusammenhang mit dem Plenum besonders betont werden – das Plenum ist die einzige Einrichtung, die adäquat die Entwicklungsdynamik der sozialen Bewegungen ausdrücken kann. Wir dürfen die Gesellschaft nämlich nicht als statisches Gebilde begreifen, sondern als Struktur in ständiger Veränderung – das gilt besonders für die Perioden einer deutlich sichtbaren Entwicklung der sozialen Bewegungen, die bemerkenswert dynamisch und reich an Ereignissen sind. Im Verlauf der studentischen Revolte entwickeln sich die Dinge und wechseln innerhalb weniger Stunden – neue Probleme melden sich, die Machtverhältnisse wechseln, die Bewegung erweitert sich oder stagniert, das Bewusstsein der Studenten ändert und radikalisiert sich, die Masse der Unentschlossenen oder sogar früherer Gegner der Bewegung schließen sich den Blockaden an usw. Weil das Plenum sich täglich trifft, drückt es direkt alle angeführten Bewegungen aus, besonders unter dem Aspekt einer ständigen Veränderung der Linie, die in ihm augenblicklich die Mehrheit hat. Alle anderen Formen der Entscheidung sind nicht im mindesten imstande, in diesem Maße die angeführten komplexen Bewegungen auszudrücken; vielmehr vertreten sie infolgedessen in bestimmten Momenten Ansichten und Standpunkte, die den Studenten völlig fremd sind und mit der Bewegung keinerlei Verbindung haben (obwohl es sehr leicht möglich ist, dass das am Anfang nicht der Fall war). Das Mandat der „studentischen Vertreter“ dauert mehrere Jahre, und mögen sie auch im Augenblick, wo sie gewählt wurden, die Standpunkte der Mehrheit vertreten haben – im Rahmen der sozialen Bewegung können sich diese innerhalb von einigen Tagen (und nicht etwa Jahren) wesentlich verändern. Eine ähnliche Sache ist es mit dem Referendum als Form der Artikulation – ein Referendum findet in einem bestimmten Augenblick der Entwicklung der Bewegung statt und kann eventuell den augenblicklichen Stand der Dinge ausdrücken. Aber die Entwicklung der Bewegung selbst wird diesen augenblicklichen Stand der Dinge notwendig entkräften und zu irgendeinem anderen Stand der Dinge führen. Die Logik des Referendums tendiert daher dazu, die Entwicklung der Bewegung zu bremsen und sie an einem bestimmten Punkt abzutöten und ist daher eine Gefahr für ihre weitere Entwicklung. Dies wussten die Gegner der Blockade außerordentlich gut, die die Durchführung eines Referendums über die Blockade an einigen Fakultäten beantragt haben, womit sie natürlich angestrebt haben, die Sache an dem Punkt zu bremsen, der ihnen selbst am besten passt. Die Durchführung eines Referendums beispielsweise in den Kroatischen Studien in Zagreb ist eines der Dinge (neben der liberalen Konzeption der „studentischen Einheit“ und „Versöhnung“), die den Misserfolg der Blockade ermöglicht haben.

An der Stelle, an der wir über die Notwendigkeit der Abschaffung des Kapitalismus sprechen und über die Grundzüge der neuen Gesellschaft, die an seiner Stelle entstehen muss, des Sozialismus, haben wir in den programmatischen Grundlagen von Radnička Borba konstatiert, dass man ihn erreicht mit „der Sozialisierung der Produktionsmittel, der Bildung von Arbeiterräten und der Übernahme der Verwaltung der Fabriken und Produktiosmittel durch sie mit Hilfe der Beratung mit Fachleuten, der Bildung einer autonomen Selbstverwaltungsstruktur, die die Arbeiter schaffen und die daher aus der Basis hervorgeht und von unten nach oben aufsteigt und auf demokratisch geplante Weise die Kontrolle über die Produktion übernimmt“ und weiter, dass die für diese Gesellschaft charakteristische Demokratie „sich gründet auf die Existenz gesellschaftlicher Räte in allen Strukturen und auf allen Ebenen, an deren Arbeit alle Interessierten teilnehmen, durch die sie Fragen lösen, die für sie von konkretem Interesse sind, und daher wählen sie ihre Vertreter und ihre Führung, die jederzeit absetzbar sind, nicht mehr als den durchschnittlichen Arbeiterlohn erhalten und nach dem allgemeinen Stimmrecht gewählt werden. So verhält es sich in allen gesellschaftlichen Institutionen, aber vor allem in Verwaltung, Gerichts- und Bildungswesen.“

Das studentische Plenum repräsentiert durch die Logik seines Funktionierens und seine Eigentümlichkeiten den Keim gerade einer solchen Art von Organisation. Wir streben nicht nur an, dass das Plenum der einzige und ständige studentische Körper wird, sondern dass die gesamte politische und ökonomische Struktur der Gesellschaft (besonders die Sphäre der Produktion materieller Güter) auf der Grundlage der Verwaltung durch die Interessierten beruht – ohne Monopole, ohne die Teilung Elite – Masse, ohne Kapitalisten, ohne Scheindemokratie! Außer der breitestmöglichen direkten Demokratie Entscheidung durch alle Interessierten und folglich demokratische gesellschaftliche Kontrolle über Produktion und Verteilung (vorzugsweise durch die Arbeitermacht in den Fabriken)! Die große Wichtigkeit des studentischen Plenums geht daraus hervor, dass es die erste Erscheinung eines solchen Typs von Organisation darstellt, die aus sozialen Kämpfen in der jetzigen kroatischen Gesellschaft hervorgeht. Die Studenten haben den Arbeitern völlig klar gezeigt, welcher Weg zu gehen ist, um aus der Krise herauszukommen – sich vereinen, Fabriken besetzen, Streikausschüsse bilden (die nach dem gleichen Prinzip funktionieren wie das studentische Plenum) und die Produktion auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene übernehmen. Dann werden Arbeiter und Studenten gemeinsam die Zerschlagung der repressiven Mechanismen des Staates der Kapitalisten-Krösusse und die Bildung einer Macht durchsetzen können, die auf Arbeiterräten und studentischen Plena beruht. Anders als viele denken ist das studentische Plenum nicht nur eine Ansammlung von Studenten, ein Treffen irgendeiner unabhängigen Initiative, ein Organ zivilen Ungehorsams usw., sondern eine neue Struktur, eine neue Institution, gegründet auf unmittelbarer Demokratie; ein Organ der Macht der Massen, das durch seine Funktionslogik mit allen existierenden Institutionen zusammenprallt (Studentenunion und „Vertreter“, Senat der Fakultät, Ministerium, Parlament, Staat..). Es ist die politische Form, der zweifellos die Zukunft nicht nur der studentischen Bewegung, sondern der ganzen Gesellschaft gehört.

Bei allen bisherigen Ereignissen hat sich klar gezeigt, dass die Studentenunion [2] und das studentische Plenum durch ihre Funktionslogik unvereinbar sind und zusammenprallen. Dort, wo ein studentisches Plenum eingerichtet wurde, hat die Studentenunion vollständig jeden Sinn verloren. Allen Studenten ist klar geworden, dass alle Funktionen, die die Studentenunion erfüllt, das Plenum ohne irgendwelche Probleme erfüllen kann, eher noch unermesslich besser und demokratischer. In der großen Mehrheit der Fälle waren daher die Mitglieder der Studentenunion aus völlig verständlichen Gründen (zusätzlich zu den früher angegebenen Gründen politischer und klassenmäßiger Natur) die größten Feinde der Blockade und des Plenums. In den Fällen, wo die „studentischen Vertreter“ dem Plenum und den Blockaden zugestimmt haben, waren sie der opportunistischste, gemäßigtste und wankelmütigste Teil der Bewegung (es ist völlig sicher, dass auch in der Studentenunion anständige Einzelne mit den besten Absichten existieren, aber das betrifft uns hier nicht, wir sprechen über die allgemeine Tendenz und die Studentenunion als Institution). Es ist völlig offenkundig, dass studentisches Plenum und Studentenunion nicht koexistieren können und jede Idee in diesem Sinne verfehlt ist – das erstere ist unmittelbar demokratisch, die letztere ist bürokratisch; das erstere aktiviert die Studenten und weckt sie auf, die letztere passiviert sie und schläfert sie ein; das erstere gehört deswegen zur Zukunft, die letztere zur Vergangenheit. Unser Wunsch muss völlig klar sein – die Abschaffung der Studentenunion und die Übertragung all ihrer Funktionen auf das studentische Plenum. Im Streben nach diesem Ziel sind einige Dinge ein Hindernis für uns – erstens befindet sich das Plenum als politischer Körper gegenwärtig nicht im Rahmen der bestehenden rechtlichen Vorschriften, während Existenz und Arbeit der Studentenunion mit Regelwerken auf der Ebene des Ministeriums und der Universität geordnet sind. Aber das muss uns nicht übermäßig bekümmern. Die Rechtsordnung hat einen realen Sinn nur dann, wenn hinter ihr irgendeine gesellschaftliche Macht steht; wenn das nicht so ist, kann man sie ohne irgendwelchen Widerstand im Verlauf einiger Sekunden abschaffen. Es ist eine Tatsache, dass reale Macht, verkörpert in Tausenden von Studenten, hinter dem Plenum steht, das sie eindeutig als ihr Organ begreifen, aber nicht hinter der Studentenunion. Was ein ernsthaftes Problem darstellt, ist die Tatsache, dass Plena im wahren Sine des Wortes nur an etwa zwanzig Fakultäten eingerichtet wurden, an denen die Blockade durchgeführt wurde. Außerdem muss bedacht werden, dass die Kraft des Plenums und sein Einfluss sich von Fakultät zu Fakultät außerordentlich unterscheiden, und die Frage ist, inwieweit es gelingen wird, in der Periode zwischen dem Ende dieser Welle von Blockaden und dem Beginn von neuen Blockaden (die, wie wir hoffen, zu Beginn des Herbstes stattfinden werden) Plena abzuhalten. Zu dieser einen der größten Schwächen der Entwicklung der bisherigen Bewegung im organisatorischen Sinne tritt die Tatsache hinzu, dass keine ausreichend festen Verbindungen zwischen den einzelnen Plena im Sinne des Aufbaus einer einheitlichen Struktur geschaffen wurden und so keine einheitliche Koordination der Plena auf nationaler Ebene gebildet wurde („Plenum der Plena“). Die Studentenunion wiederum verkörpert eine überall aufgebaute und entwickelte Struktur, neben einer klar aufgebauten Hierarchie. Aber wie auch immer – wir sind sicher, dass die Entwicklung der sozialen Bewegung unaufhörlich neue und wieder neue Plena schaffen wird und außerdem die bestehenden stärken und die inaktiven neu beleben wird, neben der Schwächung der Positionen der Studentenunion . Das heißt nicht, dass wir friedlich warten und die Sache dem zufälligen Verlauf der studentischen Organisationstätigkeit überlassen können. Es ist die Pflicht der bewussten Studenten, unaufhörlich alles zu unternehmen, was möglich ist, die Kraft der Plena zu stärken, das Niveau der Integration zwischen den einzelnen Plena auszubauen, überall ein Plenum zu bilden, wo dies möglich ist; und so auch auf die Notwendigkeit der Abschaffung der Studentenunion und der Übertragung all ihrer Befugnisse auf das Plenum hinzuweisen.


Die studentische Revolte im Kontext des existierenden Bildungssystems, seiner Institutionen und des Bolognaprozesses


Die studentische Revolte, die am 20.4.2009 mit der Besetzung der Philosophischen Fakultät begonnen hat, war zugleich die erste klare Manifestation des Wunsches nach einem kostenlosen Bildungswesen von Seiten einer bedeutenden Zahl von Studenten. Wenn wir den studentischen Protest von letztem Jahr gegen die Kommerzialisierung des Bildungswesens ausnehmen (der nicht übermäßig massenhaft war), haben sich alle früheren Äußerungen von Unzufriedenheit auf gemäßigte Forderungen beschränkt, wie auch auf jene, die man leichter durchsetzen kann – kostenloses Diplom, klare Definition der Anforderungen an den ersten Abschluss, Anpassung alter und neuer Diplome, eventuell Verminderung der Unkosten des Studiums...Im Verhältnis dazu ist die Forderung nach einem kostenlosen Bildungswesen weit radikaler, tiefer und weitgehender. Die Logik der Entwicklung gesellschaftlicher Veränderungen und der sozialen Bewegung hat diese Forderung geschaffen, die man noch vor einiger Zeit nur von einer schlagkräftigen Minderheit der studentischen Organisationen hören konnte, hat sie überall verbreitert und Akzeptanz für sie geschaffen; diese Organisationen treiben nicht selten die früheren Gegner dieser Forderung an, sich dem Kampf für ihre Verwirklichung anzuschließen. Was von besonderer Wichtigkeit ist und was wir am Anfang angeführt haben ist, dass die Studenten bei dieser Gelegenheit entschieden haben, die Methode der Blockade als einziges effektives Mittel der Verwirklichung der Forderung zu nutzen. Mit der unfehlbaren Methode von Versuch und Irrtum ist das Bewusstsein entstanden, dass es keinen Sinn hat, dem Ministerium Beschwerdebriefe zu schreiben, Anwälte zu engagieren, nur gelegentliche Protestversammlungen zu organisieren (Protest ist zweifellos wichtig, und seine Wichtigkeit ist vor allem organisatorischer, mobilisatorischer und so auch propagandistischer Natur – aber man kann nicht erwarten, dass er als wirksames Mittel für die Erfüllung der Forderung dienen kann). All diese Methoden sind schon hundertmal erprobt worden und haben keinerlei Ergebnis gebracht. Es ist offensichtlich geworden, dass die Anwendung von Methoden nötig ist, die die Anwendung von Zwang einschließen, etwa Blockaden. (Jede Tätigkeit, die Zwang oder Einschränkung für eine bestimmte Versammlung Einzelner bedeutet, stellt de facto eine bestimmte Form der Anwendung von Zwang (und daher Gewalt) über uns dar. Wir finden nicht, dass es nötig ist, vor dieser Tatsache zu fliehen oder ihretwegen zu erschauern. Jede Gewalt, die zur Verwirklichung eines progressiven Ziels nötig ist und es dabei nicht kompromittiert oder durch die Logik ihrer Anwendung seine Verwirklichung in Frage stellt, ist völlig gerechtfertigte Gewalt. Deswegen sind die Liberalen in ihrer ganzen Betroffenheit außerordentlich lächerlich – sie rechtfertigen die Blockade, reden über „gewaltfreien zivilen Widerstand“ usw., aber sehen nicht, dass es die Blockade denjenigen Studenten und Professoren, die es wünschen, verunmöglicht, Vorlesungen zu besuchen, und dies stellt einen plastischen Anblick der Anwendung materieller Gewalt dar. Noch einmal haben wir bei einem Teil ausgelutschte sentimentale Phrasen statt einer konsequenten und objektiven Analyse). Daher haben alle Studenten begriffen, dass man nicht die Institutionen bitten und von ihnen die Lösung des Problems erwarten sollte, sondern für seine Forderungen kämpfen muss. Die massenhafte Annahme dieser einfachen Tatsache markiert den Übergang auf eine viel höhere Ebene des Bewusstseins der Studenten als gesellschaftlicher Gruppe, was zweifellos eine der unausbleiblichen Vorbedingungen für künftige Siege darstellt. Dieser Standpunkt enthält, wenn auch noch in gutem Maße implizit, ein feindliches Verhältnis gegenüber den Institutionen in der Sphäre der Bildung, und zwar nicht nur gegenüber Institutionen als Institutionen, die diese oder jene konkreten Menschen schaffen, sondern gegenüber Institutionen eines solchen Typs überhaupt. Was ein Hindernis einer weiteren schnellen Entwicklung in diese Richtung darstellt, ist das ständig präsente Bedürfnis nach der Personifikation des Feindes. Es ist klar, dass die Studenten, in erster Linie aus Gründen propagandistischer Natur, ihre Feindschaft gegenüber Einzelnen betonen müssen, die verantwortliche und sichtbare Funktionen erfüllen – z.B. Dragan Primorac [3]. Darin liegt nichts Schlechtes. Das Problem dabei ist nur, dass diese Weise des Auftretens zusätzlich die Verbreitung der Ansicht ermutigen kann, die alle Ursachen der Probleme in unfähigen und inkompetenten Menschen, Verantwortungslosigkeit, Korruption usw. sieht. Damit vernachlässigt man das strukturelle Wesen der Probleme. Auf jeden Fall sind bestimmte Einzelne auf der Ebene des Ministeriums, der Universität usw. verantwortlich für die Förderung des bestehenden Zustands, und als solche müssen sie auch die Folgen ertragen. Aber diese sind nur Akteure im Zusammenhang einer Struktur mit eingebauter Tendenz zu einem solchen Verhalten. Solange sich die Funktionsweise des Ministeriums, der Universität und damit jeder Fakultät nicht ändert, gibt es keine Abhilfe für die grundlegende Ursache der Probleme. Wir finden, dass es von außerordentlicher Wichtigkeit ist, dass wir alle das begreifen und, geführt von dieser Erkenntnis, unsere Aktivitäten lenken. Was ist das Wesen dieser “wesentlichen Änderungen“? Die Abschaffung der existierenden Institutionen, die das bürokratische Kommandieren von oben nach unten gewährleisten, das mit den Interessen des Kapitals und des politischen Establishments verbunden ist, und so eine Logik der Unterordnung, des Karrierismus und der Passivität schaffen! Direkt-demokratische Verwaltung und Kontrolle von Seiten der Studenten und Professoren selbst, die die Bildung eines Systems gewährleisten wird, in dessen Mittelpunkt ausschließlich das Wissen steht! Dann wird nichts vom Ministerium, der Universität und der Fakultät bleiben, wie wir sie heute kennen...Das ist das, was wir, noch immer in erheblichem Maße unbewusst, mit der Einführung von Plena und dem Kampf für ein kostenloses Bildungswesen begonnen haben zu machen. Wir brauchen nur noch entschiedener im gleichen Sinn weiterzumachen.

Die Forderung nach einem kostenlosen Bildungswesen hat eine offensichtliche und starke soziale Dimension. Sie zielt darauf, ein Bildungswesen zu schaffen, das allen zugänglich ist. Im Kontext des Kampfes für dieses Ziel zeigen sich inzwischen auch seine Mängel, was die soziale Dimension angeht. Er bleibt nämlich nur auf das Gebiet der Bildung beschränkt, aber für den armen Studenten ist genauso wichtig, was außerhalb dieses Gebietes passiert und was es beeinflusst – die Anreisekosten, Wohnkosten und andere Lebenshaltungskosten. Diskriminierung auf sozialer Grundlage in Fragen der Bildung kann daher nicht allein infolge der Einführung eines kostenlosen Bildungswesens verschwinden. Die Verwirklichung dieses Ziels würde jedoch einen großen Sieg und einen Riesenschritt vorwärts in diese Richtung bedeuten. Diese beiläufig angedeutete Kritik hat ihr Äquivalent in der Beschränkung der Forderung nach einem kostenlosen Bildungswesen auf die Sphäre der Bildung selbst. Diese Forderung hat nämlich neben ihrer sozialen Dimension auch eine klare Dimension der Gegnerschaft zur Kommerzialisierung des Bildungswesens (Kommerzialisierung bedeutet im Kern eine starke Unterordnung des Wissens und damit der Bildung unter Prinzipien, die ihm fremd sind und sich außerhalb seiner finden, etwa der Profit). Währenddessen hat sich die studentische Revolte, was wir als ihre größte ideelle Schwäche betrachten, auf die Betrachtung der Kommerzialisierung des Bildungswesens unter dem Aspekt der Zahlung von Studiengebühren und der Kosten beschränkt und dabei übersehen, dass die Kommerzialisierung aus den Prinzipien des bestehenden Bildungssystems bzw. aus der Durchführung des Bologna-Prozesses hervorgeht. Die Bologna-Reformen werden sogar völlig unkritisch als gottbegnadet genommen und eine Lösung für ein akzeptables Modell eines kostenlosen Bildungswesens wird ausschließlich in ihrem Rahmen gesucht. Damit führt man den Kampf gegen die Kommerzialisierung des Bildungswesens in eine stillschweigende Akzeptanz des Bildungssystems, das aus seiner eigenen Logik heraus die Kommerzialisierung des Bildungswesens erzeugt. Das ist ein offensichtlicher Widerspruch, den man in irgendeiner Entwicklungsphase der Studentenbewegung überwinden und auflösen muss. Wir sind uns bewusst, dass viele Studenten Illusionen haben und sich in einem Dilemma befinden, was den Bologna-Prozess betrifft, was noch zusätzlich durch seine unvollständige Durchführung verstärkt wird. Um diese Illusionen aufzulösen, ist es zunächst nötig, eine Analyse des bunten und konfusen Pakets durchzuführen, das aus geringfügigen und großen, wesentlichen und unwesentlichen Veränderungen besteht und das man uns als Bologna-Prozess präsentiert; und außerdem ins Auge zu fassen, was für ihn wirklich wesentlich ist und was nur eine unwesentliche Hinzufügung oder nur eine Folge des wesentlichen Teils. Am leichtesten wird dies für uns, wenn wir uns fragen: Welcher Logik folgt der Prozess? Was sind seine Ziele? Wessen Interessen vertritt er? Welche Gruppen sind am meisten an seiner Durchführung interessiert? Was für ein Verhältnis hat er zum Markt, zu den Reichen und zu den Armen? Wir finden, dass die Fragen selbst schon Antworten nahelegen. Schauen wir uns das Ziel der Integration der europäischen Universitäten an. Diese Integration findet nicht statt, wie einige dies außerordentlich naiv denken, damit Studenten reisen können und studieren, wo immer sie es wünschen (das können sowieso nur die Reichsten), sondern infolge der Entwicklung des Binnenmarktes und seiner weiteren Integration, die Mobilität der hochgebildeten Kader und die Vereinheitlichung von Abschlüssen verlangt. Was ist mit dem Bestreben nach einer Verkürzung der Studienzeiten, warum wird es so tollwütig verfolgt? Sicher nicht wegen des Altruismus derer, die den Bologna-Prozess vorantreiben und anstreben, dass die Studierenden immer weniger Zeit verlieren, sondern wegen des Bedarfs des Marktes nach hochqualifizierter Arbeitskraft, der Senkung von Kosten usw. Es existiert ein grundlegendes Bestreben, das das Herz des Bologna-Prozesses ist – das Bestreben nach der Anpassung des höheren Bildungswesens an die Bedürfnisse des Marktes. Diese „Anpassung“ geschieht auf sehr einseitige Weise – der Markt bleibt, wie er ist, aber die Bildung ändert sich und strebt danach, sich dem Markt immer besser anzupassen. Es handelt sich um ein marktzentriertes System, in dem die Bildung in ihrer himmlischen Sphäre, zusammen mit den anderen Planeten, um den unbeweglichen und unangreifbaren Markt in der Mitte kreist. Es ist völlig klar, was das bedeutet. Das Prinzip des Marktes ist Profit, die Prinzipien der Bildung sind Wissen, Schaffen und Erkenntnis. Diese Prinzipien sind völlig unvereinbar, und ihre Versöhnung im Rahmen eines Systems ist nur durch die gewaltsame Unterordnung einer Art von Prinzipien unter die andere möglich, bzw. durch die Unterordnung der Bildung unter die Prinzipien des Marktes. Der Bologna-Prozess ist der starke und konsequente Ausdruck dieses Bestrebens, das vorzugsweise von den Interessen des Kapitals ausgeht, das in seinen Forderungen völlig klar ist – es wünscht eine immer größere, immer schnellere und immer effektivere Selbstbefruchtung, die neuen Profit gebärt. Die weitgehenden Konsequenzen sind außerordentlich klar und erschreckend – vollständige Spezialisierung und „Fachidiotismus“ bis zu einem Maß, das völliges Unverständnis für die Prinzipien des Gebietes selbst bedeutet, Zurücksetzung wissenschaftlicher Untersuchungen, die nicht direkt auf dem Markt anwendbar sind, Verfall von auf dem Markt unrentablen Beschäftigungen usw. – mit einem Wort: der Verfall des Wissens selbst und der Bildung infolge der Unterordnung unter Prinzipien, die dem Wissen und der Bildung völlig fremd sind. Daher halten wir den Kampf gegen den Bologna-Prozess unter dem Aspekt der Forderung nach seiner Abschaffung für einen absoluten Imperativ im Rahmen der Studentenbewegung. Es ist nötig, unablässig auf seine wahre Natur hinzuweisen und die Studenten für den Kampf gegen ihn zu werben – solange wir es nicht schaffen durchzusetzen, dass Schulter an Schulter mit der Forderung nach einem kostenlosen Bildungswesen die Forderung nach der Abschaffung des Bologna-Prozesses und der Schaffung eines Bildungswesens steht, dessen Zweck nicht der Profit sein wird, sondern die Entwicklung vollendeter, entwickelter und kreativer intellektueller Arbeiter.


Die studentische Revolte im Kontext des bestehenden sozio-ökonomischen Systems und der Entwicklung der sozialen Bewegung


Bei der Gelegenheit der Besprechung der studentischen Revolte muss man die Spezifität des Moments im Blick behalten, in dem sie sich ereignet hat. Sie ereignete sich infolge einer ökonomischen Krise, die durch einen gewaltsamen Schlag gegen den Lebensstandard der Arbeiter, Studenten und Rentner gekennzeichnet ist. Diese Tatsache allein reicht schon aus, damit wir die sozial stark intonierte Studentenbewegung als großen Schritt vorwärts betrachten im Sinne der Organisierung des Widerstands der Unterdrückten gegen den unerträglichen Stand der Dinge. Die Studenten haben mit ihrer Tat allen übrigen Unterdrückten, die noch schwanken, gezeigt, dass der Kampf für die eigenen Rechte mit der Anwendung von Gewalt und Druck gegenüber den Institutionen verbunden sein muss, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Petitionen und Appelle nichts bewirken werden, außer die Agonie hunderttausender Arbeiter, Arbeitsloser und Rentner zu vertiefen. Die Studenten waren sich von Anfang an zumindest auf instinktiver Ebene dieses Aspekts ihres Kampfes bewusst, wie auch der Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit mit den anderen Unterdrückten – vorzugsweise den Arbeitern. Zum ersten Mal werden einige konkrete Schritte gemacht, die klar auf die Schaffung eines Bündnisses aus Arbeitern und Studenten gerichtet sind. Die studentische Revolte hat offene Hilfe und Beistand der Gewerkschaften erhalten, deren Vorsitzende an den Plena teilgenommen haben. Auch die Gewerkschaften haben im Laufe der studentischen Revolte große Streiks angekündigt wegen des Regierungsplans, die Löhne der Beschäftigten im Staatsdienst um 6 % zu kürzen. Das war der entscheidende Punkt in der weiteren Entwicklung der sozialen Bewegung. Die Folge von Arbeiterstreiks und -protesten, verbunden mit den studentischen Blockaden der Fakultäten, würde eine deutliche Stärkung der sozialen Bewegung und die Stärkung der Positionen der Unterdrückten ermöglichen und zusätzlich eine Verbindung von Arbeitern und Studenten im Kampf selbst; dies würde die Arbeiterbewegung durch ihre Verbindung mit den Studenten stärken und den Studenten neue Energieressourcen durch ihre Verbundenheit mit den Arbeitern geben – unter anderem auch ihren Professoren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Bewegung in kurzer Zeit auch auf andere Gruppen von Arbeitern ausweiten würde, unter anderem auch auf die industrielle Arbeiterklasse. Die Studenten könnten dann den Arbeitern in einem kombinierten Kampf demonstrieren, wie ein Plenum und direkte Demokratie funktionieren, die die Arbeiter, daran zweifeln wir nicht, in relativ kurzer Zeit im Verlauf ihrer Kämpfe am Arbeitsplatz entdecken würden und beginnen würden sie einzuführen. Der Staat, die Reaktionäre und auch die Kapitalisten würden von Panik ergriffen und die Machtverhältnisse würden in kurzer Zeit beginnen sich umzudrehen. Leider ist von dem Angeführten nichts geschehen, obwohl wir nicht daran zweifeln, dass man früher oder später in der Entwicklung der sozialen Bewegung diesen Punkt wird erreichen müssen, trotz aller Hindernisse – ansonsten werden wir nicht imstande sein, die Ziele zu verwirklichen, für die wir kämpfen. Die Hauptschuld dafür trägt die Führung der Gewerkschaften, die nachgiebig einer Vereinbarung mit der Regierung zugestimmt hat, im Einklang mit der die Löhne sich der Inflation erst 2010 anpassen werden, und die erwähnten 6 % werden in dem Moment zurückgegeben werden, in dem das BSP sechs Monate hintereinander um 2 % gewachsen sein wird. Ein solcher für die Arbeiter nachteiliger Kompromiss könnte noch nicht einmal in der allerstabilsten sozialen Situation toleriert werden, und was sollen wir erst sagen, wenn wir die Sache im Kontext der Rezession und der Aufrüttelung der sozialen Bewegung betrachten. Mit der Unterschrift unter die angeführte Vereinbarung wird die Entwicklung der sozialen Bewegung für eine gewisse, hoffentlich nicht zu lange, Periode gebremst.

Bei der Gelegenheit der Besprechung der Verhältnisse unter Arbeitern und Studenten als gesellschaftlichen Gruppen, deren Verbundenheit bisher nur auf deklarativem und symbolischen Niveau verwirklicht ist, aber nicht im lebendigen Klassenkampf, ist es unbedingt nötig, auch den besonderen Fall dieses Verhältnisses unter dem Aspekt der Beziehung zwischen Studenten und Fakultätsprofessoren zu betrachten. Das Verhältnis der Professoren an den blockierten Fakultäten und an den Fakultäten, die versucht haben, eine Blockade gegenüber der Studentenbewegung durchzuführen, umfasste das ganze Spektrum von begeisterter Annahme bis zu offener Feindschaft. Dabei war aber der in der Wirklichkeit selbst, nicht auf der Ebene von Deklarationen, am häufigsten anzutreffende Fall Passivität und Gleichgültigkeit. Die Professoren waren auf jeden Fall in der Lage, indem sie die Mechanismen gewerkschaftlicher Tätigkeit nutzten, offen die Studentenbewegung zu unterstützen und offen und ohne Einschränkung die studentischen Forderungen zu stützen und sie als ihre eigenen zu begreifen. Das hätte gewaltige Bedeutung für die Studenten gehabt, besonders in den Momenten, in denen die Bewegung begann sich zu erschöpfen. Aber im besten Fall sahen wir eine schwankende verbale Unterstützung am Werk, die gleichzeitig von Opportunismus und Angst vor Sanktionen der höheren Instanzen durchsetzt war. Eine solche Labilität hat als Grundlage die klassenspezifischen Eigentümlichkeiten dieser Gruppe, im Einklang mit denen sie sich an der Spitze der arbeitenden Bevölkerung befindet, neben relativ hohen Löhnen und sicheren Lebensbedingungen, infolge deren die Kampfbereitschaft der Mehrheit ihrer Mitglieder sich, allgemein gesprochen, gering artikuliert, wie auch die Bereitschaft, sich auf irgendein Risiko oder eine offene Konfrontation einzulassen.

Früher haben wir festgestellt, dass die Studenten sich fast instinktiv den Arbeitern als Verbündeten zugewendet haben. Trotzdem scheint es so, dass eine große Zahl von Studenten noch kein volles Bewusstsein über die Gründe für die Schaffung eines immer engeren Bündnisses von Arbeitern und Studenten hat und sich diese Gründe daher in einer gewissen Zahl der Fälle in der Tatsache erschöpfen, dass „unsere Forderungen sich an die gleiche Adresse richten.“ Wir werden daher versuchen, diese Frage etwas detaillierter zu analysieren. Vor allem sind die Gruppen der Arbeiter und Studenten am engsten durch die Tatsache verbunden, dass die Mehrheit der Studenten aus Arbeiterfamilien stammt, dass ein guter Teil der Studenten arbeitet und daher auch zur Gruppe der Arbeiter gehört; und endlich dass die meisten Studenten (ob sie nun ihr Studium beenden oder nicht) intellektuelle oder physische Arbeiter sein werden. Weiterhin haben wir früher gezeigt, dass man die Forderung nach der Abschaffung der Diskriminierung im Bildungswesen auf sozialer Grundlage nicht durch einen Kampf in der Sphäre der Bildung allein erfüllen kann, weil sie in hohem Maße aus den Lebensbedingungen hervorgeht. Diesen Kampf kann man im vollen und wahren Sinne des Wortes nur mit vereinten Anstrengungen der Arbeiter und Studenten für eine Verbesserung der Lage und der Lebensbedingungen der breitesten Schichten der Bevölkerung führen. Das bedeutet Kampf für ein kostenloses Gesundheitswesen, für eine Erhöhung der Löhne, für die Verkürzung der Arbeitszeit, für mehr Beschäftigung, für die Unterstellung der Geschäftsführung der Banken unter die Kontrolle des Volkes, für eine extrem progressive Besteuerung, die den Allerärmsten eine Verbesserung des Lebens auf der Grundlage der Belastung der Reichsten ermöglicht, für die Rückgängigmachung der ungesetzlich durchgeführten Privatisierung, für die Konfiskation von auf diese Weise erworbenem Vermögen und seine Anwendung in der Produktion und so auch für Projekte, die von Interesse für die Arbeiterklasse und die Armen sind, für eine drastische Erhöhung der Produktion unter Arbeiterkontrolle...Es ist nicht nur so, dass der studentische Kampf durch die Verbundenheit mit den Arbeitern viel stärker wird, sondern er kann seine Ziele ohne dieses Bündnis überhaupt nicht verwirklichen. Das Bündnis von Arbeitern und Studenten ist nicht nur eine schöne und nützliche Idee, sondern ein absoluter Imperativ. Die Aufmerksamkeit muss auf diese eine außerordentlich wesentliche Sache gelenkt werden. Früher haben wir gezeigt, wie das bestehende Bildungssystem in seinem Wesen konsequent die Interessen des Kapitals auf dem Gebiet der Bildung vertritt. Es ist noch einfacher zu erkennen, wie die schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen – hohe Arbeitslosigkeit, niedrige Löhne, niedrige Renten, die Schaffung eines privaten Gesundheitswesens nur für Reiche etc. – aus den Interessen des Kapitals hervorgehen, deren natürliches Medium die Naturgewalt des Marktes ist, zum Schaden der breitesten Schichten der Bevölkerung. Die Logik des Kapitals ist die Erlangung und Vergrößerung von Profit um jeden Preis, und diese Logik ist den Interessen der Studenten, Arbeiter und Rentner vollständig entgegengesetzt. Daher sind das neoliberale makroökonomische System, als gegenwärtige Phase der kapitalistischen Produktionsweise, und der Bologna-Prozess nur zwei verschiedene Aspekte derselben Sache – der tollwütigen Offensive des Kapitals und seines Bestrebens, seine erbarmungslose Diktatur auf alle Bereiche auszudehnen, um die Ausbeutung zu vergrößern und immer höhere Profite zu verwirklichen. Im Lichte dessen wird das Bedürfnis nach einem immer festeren Bündnis von Arbeitern und Studenten noch offensichtlicher, das sich scharf gegen die Logik des Kapitals richtet. Das ist eng mit einer früher berührten Frage verbunden – dem fehlenden Verständnis für die strukturelle Natur der Probleme und daher der Zuschreibung von Verantwortung für die herrschenden Zustände an unfähige Einzelne, eine schlechte Regierung, Korruption etc. Wir haben früher gesagt, dass ein solcher Ansatz eigentümlich für die Mehrheit der Studenten ist, aber für die Mehrheit der Arbeiter gilt das ebenfalls. Wie wir früher zusammengefasst haben, sind diese Dinge nur subjektive Elemente, die sich im Kontext einer fest eingerichteten Struktur mit klarer Entwicklungslogik artikulieren – der kapitalistischen Produktionsweise. Wir haben früher konstatiert, dass man ein von Kommerzialisierung befreites Bildungswesen nicht im Zusammenhang des Bologna-Prozesses verwirklichen kann, wenn man in Betracht zieht, dass die Kommerzialisierung des Bildungswesens sein Wesen ist. Ähnlich ist es im Rahmen des bestehenden sozio-ökonomischen Systems, das vollständig den Interessen des Großkapitals folgt, nicht möglich, eine Bildung zu verwirklichen, die sich nur um Wissen und nicht um Profit dreht. Denn es ist völlig klar, dass es nicht möglich ist, im Rahmen einer bestimmten Struktur langfristig eine mit ihr verbundene Struktur aufrechtzuerhalten, die auf völlig entgegengesetzten Prinzipien beruht. Das gilt auch für die Forderung nach einem kostenlosen Bildungswesen – ein kostenloses Bildungswesen ist als Forderung nicht stabil und langfristig im Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise aufrechtzuerhalten, schon gar nicht in einem Umfeld wie Kroatien, das kolonial mit dem europäischen und weltweiten Großkapital verbunden ist. Ein kostenloses Bildungswesen und das kapitalistische Prinzip der immer größeren Profitmaximierung stehen im allerschärfsten Widerspruch, den man langfristig nur mit der Vernichtung einer der beiden Seiten auflösen kann. Die Verwirklichung eines Bildungssystems, dessen einziges Ziel die Schaffung von gebildeten und kreativen intellektuellen Arbeitern ist, in dem Bildung kostenlos und allen zugänglich sein wird, wie auch einer Gesellschaft, die jedem Arbeit garantiert, von der er anständig leben kann, Sicherheit, adäquate Gesundheitsversorgung und sozialen Schutz für alle, ist nur unter der Voraussetzung der Abschaffung der Naturgewalt des Marktes, der Diktatur des Kapitals und der Herrschaft der Profitlogik möglich und daher durch die Unterstellung der Produktion der materiellen und geistigen Güter unter gemeinsame demokratische und planmäßige Kontrolle aller Mitglieder der Gesellschaft. Das studentische Plenum, das zu sehen wir die Gelegenheit hatten, stellt durch die Prinzipien seiner Arbeit zweifellos eine Form der direkt-demokratischen Machtausübung dar, die die neue Gesellschaft kennzeichnen wird, für deren Entstehung wir kämpfen.

Quelle: http://www.radnickaborba.org/2009/10/07/iskustva-i-pouke-studentskih-blokada/

Übersetzung: Heiko Bolldorf



Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von Inprekorr Nr. 460/461 (März/April 2010) (nur online).


[1] Vorsitzender des kroatischen Helsinki-Komitees, H.B.

[2] Die Studentenunion (Studentski zbor) wurde 1996 auf Beschluss des Parlaments gegründet und ist eine stark formalisierte Vertretung der Studierenden. Sie ist Mitglied des Europäischen Studentenunion (ESU) – d.Red.

[3] Kroatischer Bildungsminister, H.B.