Libyen

Nieder mit dem Regime von Gaddafi!
Sofortige Einstellung der imperialistischen Intervention!
Solidarität mit der libyschen Revolution!

Erklärung des Büros der Vierten Internationale

Die Intervention der westlichen Mächte in Libyen stellt eine Wende der Lage in der arabischen Welt dar. Seit Beginn der sozialen und politischen Schockwelle, die alle Länder der arabischen Welt erfasst hat, hat die 4. Internationale für die demokratischen und sozialen Interessen der arabischen Völker und gegen ihre Tyrannen Partei ergriffen. Das hat uns veranlasst, die tunesische und die ägyptische Revolution an der Seite der revolutionären SozialistInnen dieser Länder zu unterstützen. Daher haben wir alle demokratischen Forderungen dieser Massenmobilisierungen – Recht auf freie Meinungsäußerung, auf freie gewerkschaftliche und politische Organisierung, Pluralismus, Pressefreiheit – und die sozialen Forderungen – Lohnerhöhungen, Schaffung von Arbeitsplätzen, Kampf gegen die Teuerung der Lebenshaltungskosten – unterstützt, wie wir auch den Sturz der Diktaturen und die Forderungen nach einem wirklichen Bruch mit den alten Regimes in einer demokratischen und sozialistischen Perspektive unterstützt haben.

Entsprechend dieser Politik haben wir die Mobilisierungen und dann den Volksaufstand in Libyen zum Sturz der Gaddafi-Diktatur von Anfang an unterstützt. Solidarität mit den Mobilisierungen der Bevölkerung in Libyen bedeutet, alles zu tun, um dem Volk gegen Gaddafi zu helfen: totales Embargo der Waffenverkäufe an die Diktatur, Einfrieren der Vermögen des libyschen Regimes im Ausland, Organisierung von medizinischer und humanitärer Hilfe sowie Nahrungsmittellieferungen für die Hunderttausende vom Regime verfolgten LibyerInnen. Unterstützung des libyschen Volks und Schutz der ZivilistInnen würde heißen, ihm die militärischen Mittel zu liefern, um sich gegen die Massaker von Gaddafis Söldnern zu verteidigen und sich selbst von der Diktatur zu befreien. Die arabischen Völker und Armeen, an erster Stelle die TunesierInnen und die ÄgypterInnen, können bei solcher militärischer Hilfe eine entscheidende Rolle spielen.

      
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Ziel der französischen, britischen und US-amerikanischen Bombardierungen ist nicht, „die Zivilbevölkerung zu schützen“, wie in der Resolution Nr. 1973 des UN-Sicherheitsrats behauptet wird, mit der über Libyen eine „Flugverbotszone“ verhängt worden ist. Je mehr Tage ins Land gehen, desto „vager“ erscheinen die Ziele dieser UN-Resolution. Geht es wirklich um den Schutz der Zivilbevölkerung? Warum wird dann das Risiko der Bombardierung anderer ZivilistInnen eingegangen? Oder geht es vielmehr darum, mit Gaddafi Schluss zu machen oder seinem Regime ein Abkommen bzw. eine Teilung Libyens aufzuzwingen? Das Risiko einer Eskalation, die auf eine oder mehrere Interventionen mit Bodentruppen hinauslaufen kann, ist – im Gegensatz zu dem, was die Resolution besagt – nicht von der Hand zu weisen. Tatsächlich geht es darum, dass die imperialistische Koalition in der Region wieder Fuß fassen und den im Gang befindlichen revolutionären Prozess vereinnahmen will, indem Regierungen in ihrem Sold eingesetzt werden oder Druck auf die im Gang befindlichen Prozesse ausgeübt wird. Auch die strategischen Ölinteressen sollten nicht vergessen werden. Und wie kann man schließlich jenen ausgesprochen heuchlerischen Regierungen Glauben schenken, die Irak und Afghanistan besetzen und uns erzählen, sie wollten „die Zivilbevölkerung schützen“, es aber geschehen lassen, dass die Bevölkerung in Bahrain, im Jemen, in Syrien oder Gaza massakriert wird?

Unterstützung der libyschen Revolution und für den Sturz der Gaddafi-Diktatur heißt heute humanitäre und militärische Hilfe für die Aufständischen und Beendigung der imperialistischen Intervention. Das libysche Volk steht nicht allein. Sein Kampf ist Teil der gegenwärtigen revolutionären Welle, die die arabische Welt erschüttert. Mehr denn je ist es an den arabischen Völkern, ohne neokoloniale Intervention der westlichen Mächte ihr Geschick in die eigenen Hände zu nehmen.

23. März 2011
Übersetzung: Friedrich Dorn



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 474/475 (Mai/Juni 2011).