Auch wenn der Streik der schwarzen Minenarbeiter in Marikana mit zwischenzeitlichen Lohnerhöhungen zwischen 10 und 20 % weit hinter den ursprünglichen Forderungen zurückgeblieben ist, bleibt der folgende Artikel hinsichtlich der Tragweite der Ereignisse auf die südafrikanische Gesellschaft aktuell. Inzwischen (Mitte Oktober) befinden sich fast 100 000 Bergarbeiter im wilden Streik und blockieren trotz Massenentlassungen die Platinminen. Die Kritik am ANC wegen dessen Unvermögen, die schwarze Bevölkerung am Rohstoffreichtum teilhaben zu lassen, wächst, und Präsident Zuma verliert immer mehr die Initiative und beschränkt sich mittlerweile darauf, einen „konstruktiven sozialen Dialog“ einzufordern. Das Vertrauen der internationalen Investoren in das Krisenmanagement der Regierung schwindet ebenso wie der Kurswert des Rand. Die Aktien der Rohstoffkonzerne geraten unter Druck und der Platinpreis explodiert. Und ein Ende der größten Erhebungen seit dem Sturz der Apartheid ist nicht in Sicht. [AdÜ]
Martin Legassick
Das Massaker vom 16. August in Marikana mit mindestens 34 toten und über 80 verletzten Bergleuten hat Wut und Entsetzen über Südafrika hinaus hervorgerufen. Die Geschichte unseres Landes könnte dadurch einen entscheidenden Wendepunkt erfahren haben.
Die Stadt Marikana liegt in einer Ödnis, die im Winter von dürrem Gras überzogen ist und wo sich hie und da bewachsene Steinhügel (kopjes) finden. Die drei Minen, die der Lonmin [1] gehören – Karee, West und East Platinum – liegen am Rande der Stadt. Zwei davon sind von einer Siedlung mit Wellblechhütten umgeben, zwischen denen Wäscheleinen gespannt sind. Dort, in Enkanini, lebt die Mehrzahl der Bergleute.
Überragt wird die Siedlung von den Gebäuden der Minengesellschaft und einem riesigen Umspannwerk mit Strommasten, die das Gelände zerschneiden. Diese Verschachtelung von Bergbau und Energieerzeugung in einem sog. mineral-energy complex (MEC) ist spezifisch für die südafrikanische Wirtschaft und wurde Ende des 19. Jh. als Modell auf Grundlage der billigen Arbeitskraft der schwarzen Wanderarbeiter entwickelt. Mittlerweile wurde lediglich das Gold durch Platin als Hauptabbauprodukt ersetzt.
Südafrika liefert drei Viertel des weltweiten Platinbedarfs, der bspw. beim Bau von Fahrzeugkatalysatoren sowie bei der Schmuckerzeugung entsteht. Als Goldproduzent hingegen ist das Land vom ersten auf den fünften Platz zurückgefallen. Die Bergarbeiter stammen noch immer vorwiegend aus der Provinz Ostkap, die während der Apartheid am meisten von der Wanderarbeit betroffen war. Ein Drittel der Beschäftigten sind Leiharbeiter, die gegen niedrigen Lohn und ohne jede soziale Absicherung arbeiten.
Die Hauer in den Platinminen arbeiten unter Tage bei Temperaturen von 40–45 °C unter beengten, feuchten und stickigen Bedingungen, ständig bedroht durch herab fallendes Gestein. Die 3000 Bergleute, die dabei täglich ihr Leben aufs Spiel setzen, sind in den Streik getreten, um Lohnerhöhungen von monatlich 4000 auf 12 000 Rand durchzusetzen.
Die enormen gesellschaftlichen Gegensätze im heutigen Südafrika kommen gerade in diesem Nebeneinander von MEC und Enkanini zum Vorschein. In dem Elendsquartier teilen sich 50 Menschen eine Toilette im Freien, aus den wenigen Wasserhähnen tröpfelt ein Rinnsal, Krankheiten werden über die Abwässer aus den undichten Rohren verbreitet und die Kinder suchen sich ihre Nahrung auf den Müllhalden. [2]
Unter der ANC-Regierung seit dem Ende der Apartheid 1994 haben die Gegensätze noch weiter zugenommen. Die Unternehmensvorstände kassieren Millionen an Gehältern und Boni, während fast ein Drittel der Menschen von 432 Rand [3] oder weniger im Monat leben müssen. Die Gehälter der drei Spitzenmanager von Lonmin lagen 2011 bei 4,6 Mio. Rand (Sunday Independent, 26. August 2012). Einzelne Schwarze, die nach 1994 infolge eines Abkommens der weißen Kapitaleigner mit der Regierung in die Unternehmensvorstände gehievt wurden, glänzen durch unglaubliche Verschwendungssucht. Cyril Ramaphosa, ehemaliger Generalsekretär der National Union of Mineworkers (NUM) und jetziger Direktor von Lonmin, hat unlängst einen seltenen Büffel zum Preis von 18 Mio. Rand gekauft – was umso größere Empörung unter den Bergleuten von Marikana hervorgerufen hat, als er lediglich 2 Mio. Rand für die Beerdigungskosten der ermordeten Bergmänner spendete. Die Arbeitslosigkeit in Südafrika liegt real bei 35–40 % und höher noch unter den Frauen und Jugendlichen, und damit weltweit an erster Stelle.
In den Medien war zu sehen, wie die Polizei mit Maschinenpistolen auf die streikenden Bergleute schoss, die von den Hügeln herab auf sie zu rannten, und wie die tödlich Getroffenen zu Boden fielen. Die Polizei hatte eine Sperre aus Stacheldraht errichtet mit einer 5 m breiten Lücke, durch die die Bergleute zurück nach Enkanini zu flüchten versuchten, um dem Tränengas und den Wasserwerfern zu entkommen.
Die meisten Toten gab es jedoch nicht dort, wie beschämender Weise durch Nachforschungen der Universität von Johannesburg statt durch Journalisten enthüllt wurde. Denn das Gros der Streikenden flüchtete vor der Polizei in die genau entgegengesetzte Richtung. Auf einem hinter der Hügelsiedlung gelegenen „kopje“ sind noch die Spuren der Blutlachen zu sehen. Die gelben Markierungen der Polizei auf diesem „Todeshügel“ zeigen, wo vormals die Leichen lagen, und die vorgenommenen Etikettierungen reichen bis zum Buchstaben „J“. Auch aus Hubschraubern wurde auf die flüchtenden Arbeiter geschossen und andere wurden, nach Angaben der Bergleute, von Panzerfahrzeugen der Polizei zerquetscht. Binnen weniger Tagen hat die Polizei auf dem ganzen Gelände die Gummigeschosse, Patronenhülsen und Tränengasgranaten beseitigt. Nur verkohlte Grasflecken weisen noch darauf hin, dass die Polizei Spuren durch gezieltes Abbrennen verwischt hat.
Die Zahl der Todesopfer liegt ziemlich sicher über den offiziellen Angaben von 34, da noch immer Arbeiter vermisst werden.
Allem Anschein nach hat die Polizei keineswegs in Panik auf die Arbeiter geschossen, in der Annahme, dass diese sie mit Stöcken und Macheten angreifen würden. Warum sollte sie dann eine schmale Lücke im Stacheldraht lassen? Und warum tötet sie Arbeiter, die von den Polizeistellungen wegrennen? Vielmehr war es eiskalter Mord, den eine hochgerüstete Polizei begangen hat, um den Streik zu brechen, und zwar auf Befehl von ganz oben. Die Autopsien haben jüngst ergeben, dass den meisten Arbeitern in den Rücken geschossen wurde, was zeigt, dass sie auf der Flucht niedergemacht wurden.
Infolge der globalen kapitalistischen Krise ist der Absatz von Neufahrzeugen und damit der Platinpreis zurückgegangen, was auf die hohen Profite von Lonmin drückt. Das Unternehmen weigerte sich, mit den Streikenden zu verhandeln und drohte stattdessen in altbewährter Manier mit Massenentlassungen. Da durch den Streik täglich 2500 Feinunzen Platin im Gegenwert von 3,5 Mio. Dollar weniger gefördert werden, war das Unternehmen natürlich bestrebt, den Streik zu zerschlagen. Ein Vorstandsmitglied aus der Platinindustrie wird mit den Worten zitiert, dass, wenn die Löhne auf 12 500 Rand erhöht würden, „der gesamte Platinabbau dichtgemacht werden müsse“ (New Age, 20. August 2012).
Das Massaker hat sich jedoch als Bumerang für die Unternehmer erwiesen und nur den Zorn und die Entschlossenheit der Bergleute von Marikana, den Streik aufrecht zu erhalten, verstärkt. „Lieber sterben wir, als auf unsere Forderung zu verzichten“, hieß es auf einer Protestkundgebung am 22. August in Johannesburg. Nach dem Massaker hat sich der Streik sogar noch auf die Beschäftigten der Unternehmen Royal BaFokeng Platinum und Anglo American Platinum ausgeweitet, und selbst ein Generalstreik in dem Sektor ist inzwischen nicht mehr auszuschließen.
Riah Phiyega, der Polizeichef, besuchte unmittelbar vor dem Massaker die Polizei in Marikana. Am Tag des Massakers selbst erklärte ein Polizeisprecher: „Heute ist der Tag X“ (Business Report, 17. August 2012). Nach den Morden meinte Phiyega: „Wir haben richtig gehandelt“ (The Star, 20. August 2012). Die ANC-Regierung handelt als Komplize bei diesen Morden im Dienst der weißen Bergwerkunternehmer.
Das Massaker ist typisch für das gewaltsame Vorgehen von ANC und Polizei gegen soziale Proteste, das bereits in den vergangenen Jahren mehrere Opfer gefordert hat, u. a. den Führer der South African Municipal Workers Union (SAMWU), Petros Msiza. Natürlich verliert der ANC dabei seine moralische Autorität, die er sich in den Jahren des Befreiungskampfes erworben hat. Nach dem 16. August versuchte Jacob Zuma, der südafrikanische Präsident, diese Klippe zu umschiffen, indem er sich von den Morden distanzierte und die tragischen Ereignisse bedauerte. Bei seinem Besuch in Marikana sechs Tage danach wurde er von den Kumpels kühl empfangen, obwohl er offizielle Trauer ausgerufen und eine Untersuchungskommission eingerichtet hatte. Damit versucht er, sich und den ANC zu rehabilitieren, bevor er sich im Dezember auf der ANC-Konferenz in Mangaung zur Wiederwahl stellen muss. Dementsprechend ist der Zeitplan: Die Kommission soll ihren Bericht in fünf Monaten – und damit nach der Konferenz – vorlegen und bis dahin soll alle öffentliche Diskussion darüber abgewiegelt werden.
Die Minenarbeiter trauen dieser offiziellen Kommission wenig und fordern eine unabhängige Untersuchungsinstanz und die Aufhebung der Anklagen gegen die 259 verhafteten Kumpel. Wie einer von ihnen sagt: „Derselbe, der den Schießbefehl gegeben hat, hat nun die Kommission ernannt.“ (Business Day,23. August 2012).
Der frühere und inzwischen ausgeschlossene Jugendführer des ANC, der Populist Julius Malema, versucht von den Ereignissen zu profitieren, indem er – mit Vorwürfen an die Adresse des Präsidenten – Marikana einen Besuch abstattet und den Familien der Getöteten seine Unterstützung anbietet. Auch die anderen Führer der parlamentarischen Opposition haben sich wie die Aasgeier als Delegation am 20. August in Marikana eingefunden, um ihr Beileid abzustatten. Bei der dortigen Prozession machten sich gleich 20 Prediger gegenseitig das Mikrofon streitig.
Nach Medienberichten ist die Gewalttat Folge der Rivalität zwischen der NUM und der Association of Mineworkers and Construction Union (AMCU). Dies ist insofern unsinnig, als die Grubenarbeiter mit ihrem Streik direkte Verhandlungen mit der Konzernleitung erzwingen und nicht durch irgendeine Gewerkschaft vertreten sein wollten. Und auch auf den Versammlungen nach dem Massaker in Marikana und auf der Protestveranstaltung am 22. August wurde nochmals ausdrücklich darauf verwiesen. Auch zuvor war der Streik gewaltsam verlaufen und hatte bereits vor dem Massaker zehn Opfer – sechs Bergarbeiter, zwei Wachleute und zwei Polizisten – gefordert.
Die National Union of Mineworkers (NUM) gilt mit ihren 300 000 Mitgliedern als traditionelle Vertreterin der Bergarbeiter und ist während des Anti-Apartheid-Kampfes entstanden. Sie kann auf eine kämpferische Tradition zurückblicken, wie den Streik von 1987 unter der Führung von Cyril Ramaphosa. Nach 1994 jedoch orientierte sie zunehmend auf Sozialpartnerschaft und mit Lonmin hatte sie ein zweijähriges Abkommen über jährliche Lohnerhöhungen von 8–10 % geschlossen.
Als die Bergarbeiter für Lohnerhöhungen um mehr als das Doppelte in den Streik traten, versuchte die NUM abzuwiegeln. Nach Aussagen der Streikenden war die NUM für den Tod von zwei Bergarbeitern zu Beginn des Streiks verantwortlich. Frans Baleni, der Generalsekretär der NUM, sprach noch zwei Tage vor dem Massaker von den Streikenden als „kriminellen Elementen“ (Business Report, 15. August 2012). Das Massaker erklärte er zu einem „bedauerlichen“ Ereignis, für das er aber nicht die Polizei verantwortlich machte, sondern „dunkle Kräfte, die die Arbeiter verführen“. [4] Balenis Gehalt beträgt monatlich 77 000 Rand, d. h. zehnmal so viel wie das der Bergarbeiter. Mitglieder der NUM in Marikana haben ihre T-Shirts mit dem Gewerkschaftslogo zerrissen und weggeworfen, und auf der Protestkundgebung am 22. August in Johannesburg wurde ein Redner der NUM von den Kumpels aus Marikana ausgebuht.
Nutznießer der Lage ist die AMCU, die vor dem Streik nur 7000 Mitglieder in Marikana hatte, und zwar in Karee, wo nicht gestreikt wurde. Sie waren nach einem Streik im Vorjahr gemeinsam mit einem desillusionierten NUM-Sekretär übergetreten. Inzwischen schließen sich auch Arbeiter der West and East Platinum der AMCU an.
Die Gewerkschaft ist entstanden, nachdem ihr gegenwärtiger Vorsitzender Joseph Mathunjwa 1999 von einem Kohlebergwerk in Mpumalanga entlassen und dann auf Druck der Beschäftigten hin wieder eingestellt, zugleich jedoch von der NUM wegen „gewerkschaftsschädigenden Verhaltens“ disziplinarisch belangt worden war. Nach seinem anschließenden Ausschluss aus der NUM (deren damaliger Vorsitzender Gwede Mantashe bezeichnenderweise inzwischen Generalsekretär des ANC ist) gründete er die AMCU.
Inzwischen gehören ihr 30 000 Arbeiter der Kohlen-, Chrom- und Platinminen in Mpumalanga, der Kohlenbergwerke in KwaZulu-Natal, der Chrom- und Platinminen in Limpopo oder der Eisen- und Manganbergwerke in Nordkap an. Auch unter der 30 000-köpfigen Belegschaft der Impala Platinum (ein Riesenkomplex mit 14 Schächten) in Rustenburg, wo im Februar/März 4300 Arbeiter sechs Wochen lang streikten und es vier Tote gab, konnte sie Mitglieder gewinnen. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Vertretung der besonders ungesicherten Leiharbeiter. Momentan lässt sich schwer abschätzen, ob sie sich zu einer festen Organisation unter den Platinbergarbeitern entwickeln kann oder ob sie bloß populistische Rhetorik betreibt.
Die AMCU gehört dem Gewerkschaftsverband National Council of Trade Unions (NACTU) an, der Konkurrentin der Congress of South African Trade Unions (COSATU). Beide waren aus dem Kampf gegen die Apartheid hervorgegangen, die COSATU ist jedoch wegen ihrer Regierungsnähe unter Kritik geraten.
Die Streiks in den Platinminen und das Massaker in Marikana fallen in die Zeit unmittelbar vor dem 11. Kongress der COSATU Mitte September. Zwischen der COSATU und dem ANC gibt es seit langem Differenzen wegen dessen Wirtschaftspolitik, und in jüngster Zeit spitzen sich innerhalb der COSATU die Differenzen darüber und über die Frage, ob Zumas Wiederwahl zum ANC-Vorsitzenden und damit (voraussichtlich erneut) zum Staatspräsidenten unterstützt werden soll. Der Vorsitzende der COSATU, Sdumo Dlamini, unterstützt gemeinsam mit der NUM und der National Health and Allied Workers’ Union (NEHAWU) Zumas Kandidatur. Der Generalsekretär der COSATU, Zwelinzima Vavi, sowie die National Union of Metalworkers of South Africa (NUMSA) und die South African Municipal Workers Union (SAMWU) hingegen sind in dieser Frage eher zurückhaltend. Andere Gewerkschaftsverbände sind sich uneins.
In dem politischen Bericht, den Vavi dem Kongress vorlegen wird, ist von einem „völligen Versagen des Staates“ (was sich auf die Unfähigkeit der Regierung bezieht, die Schulen in Limpopo mit Schulbüchern zu versorgen) und von „wachsender sozialer Distanz zwischen der Führung und der Basis des ANC“ die Rede (Mail and Guardian, 10.–16. August 2012).
Auf ihrem Kongress im Juni verabschiedete die NUMSA eine Resolution für die Verstaatlichung der Industrie, in der es heißt, „dass Landeszentralbank, Bergwerke, Ländereien und strategisch wichtige und monopolistische Industriezweige umgehend und entschädigungslos verstaatlicht werden müssen, wenn wir nicht infolge der Armut, Arbeitslosigkeit und extremen Ungleichheit in der gegenwärtigen südafrikanischen Gesellschaft in Anarchie und Gewalttätigkeit versinken wollen“. (Notabene sprechen sich auch Julius Malema und der Jugendverband des ANC für eine Verstaatlichung der Minen aus, wohinter jedoch die Absicht korrupter schwarzer Geschäftsleute vermutet wird, sich durch den Verkauf ihrer Anteile an den Staat bereichern zu wollen.)
Die NUM ist in puncto Verstaatlichung zurückhaltender. Einer ihrer Sprecher meinte kürzlich: „Wir sind für Verstaatlichungen, aber nur, wenn sie kein Chaos stiften“. In einem Papier vom Juni kritisiert die NUM „den Ruf nach Verstaatlichung zur Lösung … der Herausforderungen als populistische Demagogie“ – wobei mit Herausforderungen die sozialen und ökonomischen Bedingungen sowie das Unvermögen der Bergbauindustrie, notwendige Veränderungen vorzunehmen und sich an die Bergbau-Charta [5] anzupassen, gemeint sind (miningmx, 19. August 2012).
In seinem o.g. Bericht verweist Vavi auch auf „die wachsende Distanz zwischen Führung und Basis in den COSATU-Gewerkschaften“ (Mail and Guardian, 10.–16. August 2012) – eine Feststellung, die auch die NUM betrifft. In einem kürzlich geführten Privatgespräch warnte der Generalsekretär der NUM Vavi davor, seinen „Privatfeldzug“ fortzuführen, wenn er sein Mandat auf dem COSATU-Kongress behalten wolle.
Das Massaker wird nun sicher auch den Verlauf des Kongresses beeinflussen und die Differenzen stärker hervortreten lassen. Manche Beobachter rechnen mit einer Spaltung der COSATU während oder nach dem Kongress. Beide Flügel in der Gewerkschaftsführung müssen sich jedoch dem Mitgliederverlust der NUM und dem Erstarken der AMCU und anderer Gewerkschaften, die unzufriedene COSATU-Mitglieder rekrutieren, stellen.
In einer Erklärung vom 23. August spricht die COSATU von „einer koordinierten politischen Strategie, die von ehemaligen, im Unfrieden geschiedenen Gewerkschaftsführern mit der Absicht betrieben wird, das Klima der Gewalt und Einschüchterung in die Gründung separater sog. Gewerkschaften umzumünzen, um die Gewerkschaftsbewegung zu spalten und zu schwächen“. Weiter heißt es, dass der COSATU-Kongress „darüber diskutieren muss, wie wir diesem Versuch, die Arbeiterbewegung zu spalten und zu schwächen, entgegen treten … und diesen spalterischen Scheingewerkschaften und ihren finanziellen und politischen Hintermännern das Wasser abgraben können“. Mit diesem Verweis auf die bedrohte Einheit der Arbeiter lassen sich die Differenzen in der COSATU möglicherweise zudecken und die einflussreiche KP Südafrikas (CPSA) wird sicherlich auf diese Strategie zurückgreifen. Natürlich sind die wirklichen Spalter in der Führung der NUM, die die Arbeiter zum Austritt aus der Gewerkschaft veranlassen, weil sie deren Interessen nicht hinreichend vertreten.
Wenn es zu einer Spaltung der COSATU käme und die AMCU und andere oppositionelle Gewerkschaften mit diesen abgespaltenen Gruppierungen zusammen fänden, wären günstige Voraussetzungen vorhanden, eine Arbeitermassenpartei zu propagieren, die dem ANC mit einem linken Programm gegenüber treten und die Machtfrage stellen kann. Diese Konstellation ergäbe sich aus gleichzeitigen Spaltungen traditioneller Arbeiterorganisationen und dem Entstehen neuer Organisationen. Allerdings ist dieses Szenario für die nahe Zukunft wenig wahrscheinlich.
Wie der Kongress in Mangaung für Zuma ausgehen wird, ist noch offen. Viel wird davon abhängen, welche Folgen das Massaker nach sich ziehen wird. Angeblich gibt es bereits Vorbehalte gegen Zuma aus den Reihen der ANC-Führung (Sunday Times, 26. August 2012). Wenn der ANC die Wogen der Empörung nicht erfolgreich glätten kann, könnte das Entsetzen über das Massaker den Anfang vom Ende der ANC-Herrschaft einläuten. Auf alle Fälle wird nichts mehr so sein wie zuvor.
Martin Legassick ist Mitglied der Democratic Left Front, einer antikapitalistischen Einheitsfront. Nach dem Massaker bereiste er Marikana. Übersetzung: MiWe |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 6/2012 (November/Dezember 2012).