Gerade mal ein paar Tage nach dem überwältigenden Sieg des NEIN bei der Volksabstimmung verkehrt die griechische Regierung dieses Votum ins Gegenteil – in eine bedingungslose Unterwerfung unter das Sparprogramm.
OKDE-Spartakos
Der Druck seitens der EU, die Erpressung durch die Bourgeoisie, die Angriffe seitens der Pro-Memorandum-Parteien (Nea Dimokratia, Pasok und To Potami) sowie das Trommelfeuer der herrschenden Medien – dies alles lief schon vor dem Referendum. Dagegen liegt die Entscheidung, mit diesen Lager zu kooperieren – und damit gegen die Arbeiterklasse, die für das Nein zum Memorandum gekämpft hat – einzig und allein bei Syriza. In Abstimmung mit diesen Leuten hat Syriza den „Institutionen“ am 10. Juli einen Vertragsentwurf vorgelegt und am 15. Juli dem neuen Memorandum zugestimmt, während zugleich vor dem Parlament die staatlichen Prügelgarden gegen die DemonstrantInnen vorging, gegen einzelne von ihnen – darunter zwei Gewerkschaftsaktivisten der OKDE – auch juristisch. [1]
Die Syriza-Regierung hat ein drittes Memorandum vorgelegt und unterschrieben, das noch härtere Maßnahmen vorsieht als die vorigen. Dafür war sie auf die Stimmen der alten bürgerlichen Parteien angewiesen, was – nebenbei bemerkt – darauf hindeutet, dass sie nicht mehr lange im Amt sein wird. Das neue Memorandum umfasst Kürzungen bei Renten und Löhnen, eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre, eine drastische Anhebung der MWSt auf Güter des täglichen Bedarfs (was besonders die einfachen Leute trifft) sowie umfassende Privatisierungen von Häfen, Flughäfen, Bahn, Elektrizitätsnetz usw. Im Gegenzug kann sie noch nicht einmal ein symbolisches Zugeständnis der Gegenseite vorweisen: Der IWF bleibt weiter an Bord, die Technokraten der Troika kehren nach Athen zurück und eine ausdrückliche Reduzierung der Schulden ist nicht in Sicht.
Insofern wirkt es geradezu lächerlich, in diesem Memorandum irgendeinen Fortschritt zu sehen oder nach Entschuldigungen zu suchen. Die Anhänger von Syriza argumentieren, dass die Bevölkerung auf einen Bruch mit dem Euro nicht vorbereitet war. Das Gegenteil ist wahr: Trotz aller Einschüchterungsversuche und in vollem Bewusstsein über die möglichen Risiken hat die einfache Bevölkerung mit NEIN gestimmt. Tatsache ist, dass sich die Regierung dafür hergegeben hat, Maßnahmen zu ergreifen, die die Interessen der griechischen wie europäischen Banker und Industriellen bedienen.
Mit dieser Entscheidung hat sich die Regierung auf die Seite des Kapitals geschlagen und wird – wie ihre Vorgängerinnen – auf den Widerstand der Arbeiterbewegung treffen. Diese Schritte von Syriza kommen dabei keineswegs überraschend, sondern sind das zwangsläufige Ergebnis ihrer strategischen Grundorientierung auf Klassenzusammenarbeit, was stets den Mächtigen, sprich dem Kapital, nutzt. Insofern war komplett vorhersehbar, wohin die völlige Loyalität gegenüber der EU, den staatlichen Institutionen und den kapitalistischen Eigentumsverhältnissen führen würde.
Bis heute noch erweist sich die Linke Plattform von Syriza als inkonsequent, prinzipien- und völlig planlos. Am 10. Juli gab es – abgesehen von den beiden Gegenstimmen trotzkistischer Abgeordneter – von ihrer Seite entweder Enthaltungen, Nichtteilnahmen oder gar Zustimmungen. Am 15. Juli haben sie zwar mehrheitlich mit Nein votiert (32 Abgeordnete) oder sich enthalten (6), zugleich aber erklärt, dass sie an der Regierung und an der Einheit von Syriza festhalten wollen. Zweifelsohne wird es Abspaltungen von Syriza geben. Aber wie dem auch sei, keiner kann sich der Gretchenfrage entziehen. Jede Zustimmung zu einer Sparmaßnahme läuft schließlich darauf hinaus, mit den Feinden der Arbeiterklasse gemeinsame Sache zu machen. Wer sich enthält ist ebenfalls Komplize. Die Regierung unterstützen heißt das dritte Memorandum unterstützen.
Es gibt eine Alternative, nämlich den Bruch mit diesem System. Dies würde bedeuten: Konfrontationskurs mit den Gläubigern, Annullierung der Schulden, Raus aus dem Euro und der EU unter internationalistischen Vorzeichen, entschädigungslose Enteignung der Banken und Konzerne, Errichtung einer Arbeiterkontrolle über die Produktion und die internationalen Transaktionen sowie Selbstorganisation in den Betrieben und Wohnvierteln. Diese Zielsetzungen sind inzwischen dringender denn je.
Durch das erfolgreiche Referendum stehen wir unter einer enormen Verpflichtung. Während die traditionellen bürgerlichen Parteien eine Schlappe erlitten haben, erlebten die Lohnabhängigen und Unterdrückten, wie stark sie eigentlich sind. Hinzu kam die internationale Solidarität aus aller Welt, die uns ermuntert hat. Insofern müssen wir deutlich zu verstehen geben, dass der Kampf weiter geht und dass wir durch Streiks, Demonstrationen und Besetzungen die Einschnitte in den Haushalt und die Privatisierungen verhindern können.
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Dabei wird die antikapitalistische Linke und besonders die Anhängerschaft von Antarsya , die ungeachtet all ihrer Defizite bei der Referendumskampagne eine führende Rolle gespielt hat, eine ausnehmend wichtige Funktion haben, nämlich sich mit den vielen AktivistInnen, die für ein „bedingungsloses NEIN“ eingetreten sind, zusammenzuschließen und eine breite Front der Aktionseinheit zu bilden. Angesprochen sind dabei alle revolutionären Organisationen von der antikapitalistischen Linken bis hin zu den Anarchisten, und auch alle, die mit dem Reformismus brechen und kämpfen wollen.
Indes muss Antarsya zugleich ihre eigenen politischen Ziele, nämlich den Sturz des Kapitalismus, klar herausstellen. Widerstand gegen die Sparpolitik ist absolut geboten, aber keine tragfähige Grundlage für ein politisches Bündnis. Davon zeugen Beispiele aus aller Welt, wo Parteien bitteren Schiffbruch erlitten haben, deren Daseinsberechtigung die bloße Gegnerschaft zu Austerität und Neoliberalismus war – so wie bei Syriza.
Deshalb für den vollständigen Sieg, angefangen mit der Rücknahme der Sparmaßnahmen bis hin zum Sturz der Regierung von links!
Nicht mehr einzeln, sondern zusammen müssen wir kämpfen!
Für eine autonome Organisierung aller Lebensbereiche!
Für eine starke und unabhängige antikapitalistische und revolutionäre Linke!
Übers. aus dem Französischen: MiWe |
Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von Inprekorr Nr. 4/2015 (Juli/August 2015) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz