ISO-Gründung

Sozialismus oder Barbarei – wieder aktuell

Auf der Gründungskonferenz der Internationalen Sozialistischen Organisation (ISO) am 3./4. Dezember 2016 in Frankfurt / Main waren einige Gäste aus dem In- und Ausland vertreten. Wir bringen hier eines dieser Grußworte, das der Autor uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.

Volkhard Mosler (marx21 in der LINKEN)

Wie jedes Jahr haben die Berufsoptimisten für das kommende Jahr glänzende Voraussagen gemacht. Trotz wachsender politischer Instabilität seien die Wachstumsaussichten für 2017 gut bis sehr gut. So scheinen die Krisensymptome des politischen Überbaus losgelöst von der wirtschaftlichen Entwicklung zu sein. Das „Brexit“-Votum in GB, die anhaltenden Regierungskrisen in Spanien und Italien, die Sackgasse der Globalisierung des Kapitalismus sind jedoch undenkbar ohne die Weltwirtschaftskrise von 2008/9 und die seitdem anhaltende Depression der Weltwirtschaft.

Politische Instabilität als Krisensymptom ist nicht zu verwechseln mit einem allgemeinen Rechtsruck der Gesellschaft, die Krise der alten politischen Eliten, die sich selbst gern die bürgerlich-demokratische Mitte nennen, und die damit verbundene Tendenz der Polarisierung, sind das einzige unabwendbare Gesetz unserer Zeit. In Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, Irland und Großbritannien hat die Polarisierung eher nach links geführt.

In Deutschland hat die Weltwirtschaftskrise 2008/9 einen Aufschwung rassistischer und rechter Bewegungen mit sich gebracht. Die Stationen dieser Entwicklung waren der Bucherfolg Thilo Sarrazins („Deutschland schafft sich ab“, 2010), die Gründung der AfD (2013), die Welle von antimuslimischen Pegida-Demonstrationen (2014/15), die Spaltung der AfD unter Führung ihres neofaschistischen „Flügels“ und die anhaltenden Wahlerfolge der rechts gewendeten neuen Partei. Die AfD ist längst zum Sammelpunkt einer neuen faschistischen Rechten geworden, die gute Chancen hat, die Partei zu erobern.

Auch das kommende Wahljahr steht im Zeichen des drohenden Rechtsrucks. Die LINKE hält den Schlüssel, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten und sie umzukehren. Allerdings gehen die Meinungen über das „Wie“ weit auseinander. Von Bartsch und Gysi bis Klaus Ernst und Michael Schlecht hört man, dass nur eine Rot-Rot-Grüne Regierungsperspektive die Rechte stoppen kann.

Unter der Bedingung einer anhaltenden wirtschaftlichen Depression, die durchaus in eine neue Krise umschlagen kann, ist das selbstmörderisch, zumal es genügend Beispiele aus der jüngeren Zeit gibt, die zeigen, dass ein Verrat des Linksreformismus schlimmer ist als Wahlsiege der Rechten und Konservativen. (Das italienische Beispiel der Regierungsbeteiligung von Rifondazione Comunista 2005 unter Führung von Fausto Bertinotti sollte zeitgemäß ausgewertet werden).

Deshalb sollten Marxisten in der LINKEN sich gegen einen Lagerwahlkampf R2G einsetzen und für einen starken antikapitalistischen und antirassistischen Wahlkampf, der den Kampf gegen die Ausbeutung und Verarmung der arbeitenden Klassen mit dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft verbindet und zugleich dem Rassismus in allen seinen schmutzigen Spielarten den Kampf ansagt.

Die beiden Spitzenkandidaten der LINKEN, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, haben in den letzten Monaten völlig entgegengesetzte Signale abgesetzt. Während Bartsch der SPD unter Gabriel und den Grünen anbot, Merkel sofort und bedingungslos zu stürzen – also eine Regierungsbeteiligung der LINKEN unter einem SPD-Kanzler Gabriel anbot – hat Wagenknecht wiederholt betont, dass es keine Kriegseinsätze mit der LINKEN gäbe und dass eine SPD, die der Agenda 2010 verpflichtet bleibt, nicht als Regierungspartner der LINKEN infrage käme.

      
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In der LINKEN gibt es in allen Landesverbänden aktive Mitglieder, denen bewusst ist, dass es ohne Klassenkämpfe von unten überhaupt keine nennenswerten Erfolge und Errungenschaften der arbeitenden Klassen gegeben hat und geben wird. Dies gilt in Krisenzeiten wie heute noch mehr als in den Jahrzehnten des langen Aufschwungs nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese kritischen Kräfte sind teilweise in den bestehenden Strömungen (AKL, SL) organisiert, teilweise – vor allem jüngere Mitglieder – gar nicht.

Gerade auf dem linken Flügel gibt es aber auch Tendenzen des „Ökonomismus“. Ich meine damit solche Ansichten und Theorien, die die Kämpfe gegen Unterdrückung (Sexismus, Rassismus u.a.) als Nebenwiderspruch vernachlässigen, weil sie die irrige Ansicht vertreten, man müsse nur die Ausbeuterordnung konsequent bekämpfen („soziale Frage“), dann erübrige sich der antirassistische Kampf. Dem liegt ein mechanisch-materialistisches Weltbild zugrunde, früher nannten es Marxisten die „Widerspiegelungstheorie“, wonach klassenfremde Ideen in den ausgebeuteten Klassen nur Ausdruck des ökonomischen Systems und seiner Krisenhaftigkeit sei. Rassistische und sexistische Ideen sind zunächst einmal herrschende Ideen, weil es Ideen der Herrschenden sind. Die Arbeiterbewegung hat eine lange und lebendige Tradition, an die wir anknüpfen können. Kämpfe gegen Unterdrückung und gegen Ausbeutung sind zwei unverzichtbare Seiten des einen Klassenkampfes.


Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 1/2017 (Januar/Februar 2017). | Startseite | Impressum | Datenschutz