Alex de Jong
Am Sonntag, den 16. April, erreichte uns die traurige Nachricht, dass unsere Genossin Marijke Colle im Alter von 75 Jahren verstorben ist. Marijke war eine überzeugte Feministin und Sozialistin, die sich viele Jahre lang in verschiedenen Bewegungen engagierte und bis zuletzt politisch aktiv blieb. Ihr Engagement, ihr Intellekt und ihr Eifer machten sie zu einem Vorbild für viele andere.
Marijke Colle Foto: IIRE |
Als Kind einer konservativen flämischen Familie wurde Marijke 1947 geboren. Wie so viele ihrer Zeitgenoss:innen wurde sie im Zuge der 68er-Welle politisch aktiv. Marijke spielte eine führende Rolle in dieser Bewegung. In den 1970er Jahren wurde sie Mitglied der 1969 gegründeten niederländischen feministischen Bewegung Dolle Mina und engagierte sich in der sozialistisch-feministischen Bewegung. Als Mitglied der belgischen Organisation der Vierten Internationale [1] spielte Marijke eine wichtige Rolle im Kampf für das Abtreibungsrecht in Belgien. [2]
In diesem Kampf sammelte Marijke wertvolle Erfahrungen und Kenntnisse, die sie später an neue Generationen weitergab und in anderen Bewegungen einsetzte. Marijke wusste, dass Sozialist:innen eine treibende Rolle spielen konnten, indem sie radikale Forderungen mit breiten Mobilisierungen kombinierten. Für Marijke bedeutete radikal zu sein, nicht abseits zu stehen, sondern dort aktiv zu sein, wo man Menschen überzeugen und etwas verändern kann. So war sie zum Beispiel viele Jahre lang aktives Mitglied der Bildungsgewerkschaft.
Marijke in Deutschland, Österreich, Schweiz(wd) Marijke Colle hat einige Jahre lang aktiv in der Ökologiekommission der Leitung der Vierten Internationale mitgearbeitet. Als Internationalistin hat sie immer mal wieder Einladungen der ISO, der österreichischen Sozialistischen Alternative (SOAL) oder der Schweizer Bewegung für Sozialismus (BFS) angenommen. Ihr Referat auf der Konferenz Anderes Davos, die im Januar 2020 in Zürich stattfand und auf der sie über Ökofeminismus und über die Analogie zwischen der Ausbeutung von Frauen und der Ausbeutung der Natur sprach, ist nachzulesen. Nach Gründung der ISO haben wir mehrere Male Workshops auf Klimacamps im Rheinland organisiert, auf denen sie über Ökofeminismus oder ökosozialistische Strategie gesprochen hat. Auch auf den Ökosozialistischen Konferenzen der ISO von 2020, 2021 und 2022 hat sie Referate gehalten. Außer Flämisch hat sie perfekt Französisch und Englisch gesprochen; für die Tätigkeit als eine der Leiterinnen des Amsterdamer IIRE war sehr hilfreich, dass sie auch Spanisch sprach. Als Flämin war ihr Deutsch nicht ganz fremd; es fiel ihr aber nicht leicht, ein Referat auf Deutsch vorzubereiten und zu halten, gelegentlich war sie aber bereit dazu. Immer hat sie in der Diskussion genau verstanden, was gesagt wurde und gemeint war. Viele von uns haben sie im Laufe der Jahre kennen gelernt und ihre Verbindung von Feminismus und Ökologie, auch ihre naturwissenschaftlichen Kenntnisse zu schätzen gewusst und davon zu lernen versucht. Wir werden ihren Sachverstand und ihre Beiträge schmerzlich vermissen. |
Die belgische Organisation Gauche Anticapitaliste / SAP Antikapitalisten schreibt in einem Nachruf, dass Marijkes Leben von drei Dimensionen geprägt war: revolutionärer Marxismus, Feminismus und Ökologie. Marijke studierte Biologie und arbeitete viele Jahre lang als Biologielehrerin. Ökologie und Klimawandel lagen ihr sehr am Herzen. In der Vierten Internationale spielte sie erneut eine Rolle als Pionierin, als sie sich vor über 30 Jahren dafür einsetzte, Ökologie sollte für Sozialist:innen ein zentrales Thema werden. Marijke erkannte früh, dass der Klimawandel eine Frage des Klassenkampfes ist: Wenn die Linke nicht ihre eigenen Antworten vorlegt, werden die arbeitenden Menschen weltweit buchstäblich und im übertragenen Sinn die Kosten dieser Krise tragen.
Wie der Kapitalismus das Klima und das Ökosystem zerstört, zeigte ihr auch, dass es notwendig ist, die Natur anders zu betrachten, sie nicht nur als eine Ansammlung von Rohstoffen für die menschliche Nutzung zu sehen, sondern ihren inneren Wert und ihre Schönheit zu erkennen. Insofern war Marijke durchaus kritisch gegenüber dem klassischen Marxismus. Marijke wusste, dass Frauen mit kombinierten, oft versteckten Formen der Unterdrückung konfrontiert sind und dass auch in der Linken die Gefahr besteht, sexistische Muster zu reproduzieren. Als Reaktion darauf setzte sich Marijke immer für das Recht der Frauen ein, sich untereinander zu organisieren.
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Marijke war von ganzem Herzen Internationalistin. Sie hat in Belgien, Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden gelebt und dort politisch aktiv; stets war sie sich der internationalen Auswirkungen von Prozessen wie dem Klimawandel und der Notwendigkeit internationaler Solidarität bewusst. Bei einem Besuch auf den Philippinen, wo sie sah, wie sich Aktivist:innen dort für eine ökologisch verantwortungsvolle Landwirtschaft einsetzten, die sowohl der Erhaltung als auch dem Lebensunterhalt der Bevölkerung diente, war Marijke ganz in ihrem Element. Eine der letzten Aktionen, an denen sie teilnehmen konnte, war eine Solidaritätsaktion mit den Menschen in der Ukraine.
Von 2009 bis 2013 lebte Marijke in den Niederlanden und war Co-Direktorin des Internationalen Instituts für Forschung und Bildung (IIRE) in Amsterdam, dem Ausbildungsinstitut der Vierten Internationale. Sie hatte ein Talent für das Unterrichten, konnte komplexe Sachverhalte anschaulich erklären und Menschen begeistern. Marijke hatte starke Überzeugungen und verbarg Meinungsverschiedenheiten nicht. Gleichzeitig blieb sie neugierig auf neue Ideen und war immer bereit, sich auf eine Diskussion einzulassen. Mit ihren Schulungsvorträgen, ihren Artikeln und in informellen Diskussionen hat Marijke viele Aktivist:innen beeinflusst, die sich dankbar an sie erinnern werden.
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Marijke erkannte das Ausmaß der gegenwärtigen sozialen und ökologischen Krisen und wie dringend radikale Veränderungen sind. Gleichzeitig schöpfte sie Hoffnung aus Bewegungen wie denen der Kleinbäuerinnen und -bauern im Globalen Süden und den radikalen Aktionen und Haltungen junger Klimaaktivist:innen. Marijkes Lebenseinstellung war ein gutes Beispiel für das, was Gramsci „Pessimismus der Vernunft, Optimismus des Willens“ genannt hat. Außerdem war sie sehr bodenständig und würde es als ziemlich anmaßend empfinden, jemanden wie Gramsci zu zitieren.
Marijke war eine geborene Rebellin mit einer Leidenschaft für Politik, die es auch schaffte, Zeit für ein gelegentliches Bierchen zu finden. Es ist ein Privileg, von ihr gelernt zu haben und sie gekannt zu haben. Unsere Gedanken sind bei ihrer Familie, ihren Genoss:innen und Freund:innen, insbesondere bei ihrem Partner Pips.
Aus dem Englischen und Niederländischen übersetzt und bearbeitet von Wilfried |
Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von die internationale Nr. 3/2023 (Mai/Juni 2023) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz