Ökonomie

Money Makes the World Go Round

Seit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 haben die Banken der fossilen Brennstoffindustrie rund 3,2 Billionen Dollar zur Verfügung gestellt, um ihre Geschäfte auszubauen.

Dharna Noor

Einem neuen Bericht zufolge stecken Banken Billionen von Dollar in den Ausbau der emissionsintensivsten Industrien im globalen Süden. Die Entwicklungsländer sind von der Klimakrise am stärksten betroffen, haben aber nicht die Mittel, um Klimaschutzpläne zu verabschieden. Daher benötigen sie Billionen von Dollar an Hilfe, um ihre Wirtschaft zu dekarbonisieren und sich an den Klimawandel anzupassen. Stattdessen werden sie von den Finanzkonzernen dazu genötigt, gegenteilige Maßnahmen zu ergreifen, so die Analyse der internationalen Nichtregierungsorganisation ActionAid [von Anfang September].

„Sie erzählen, dass Geld die Welt am Laufen hält, tatsächlich aber wirft es sie zurück“, sagte Teresa Anderson, globale Leiterin für Klimagerechtigkeit bei ActionAid International, gegenüber Reportern. Für den Bericht arbeitete ActionAid mit Profundo, einem internationalen Unternehmen für Forschungs- und Beratungsdienstleistung zusammen, um Daten über die Kreditvergabe und -übernahme großer internationaler Banken an fossile Brennstoff- und Agrarkonzerne zusammenzustellen. Dabei kam heraus, dass diese Banken zwischen 2016 und 2022 etwa 3,2 Billionen Dollar an die fossile Brennstoffindustrie vergeben haben, um deren Aktivitäten im globalen Süden auszuweiten.

Zu den führenden Geldgebern für fossile Brennstoffe gehören chinesische Banken, die den Ausbau von Kohle, Öl und Gas im eigenen Land finanzieren. Führende US-Banken wie Citigroup, Bank of America und JP Morgan Chase haben Saudi Aramco, Exxon und anderen Konzernen, die mit fossilen Brennstoffen arbeiten, Billionenbeträge für Investitionen im Bereich fossiler Brennstoffe in südamerikanischen und afrikanischen Entwicklungsländern zur Verfügung gestellt.

In der gleichen Zeitspanne, so die Analyse, haben internationale Großbanken außerdem mindestens 370 Mrd. Dollar für die Expansion der industriellen Landwirtschaft im globalen Süden verliehen und gezeichnet. Die europäische HSBC und die US-amerikanischen Banken Bank of America, JP Morgan Chase und Citigroup sind dabei federführend und haben Milliarden von Dollar an Agrarmultis wie Bayer (das 2016 Monsanto übernommen hat), ADM, Cargill und ChemChina [zu der der Schweizer Konzern Syngenta gehört] vergeben.

Die industrielle Landwirtschaft ist weltweit der zweitgrößte Klimatreiber, was auf die Umweltverschmutzung durch die Produktion und den Einsatz von chemischen Düngemitteln, Methanemissionen aus der Viehzucht und die weit verbreitete Praxis der Rodung von Kohlenstoffsenken, um Flächen für landwirtschaftliche Betriebe zu gewinnen, zurückzuführen ist, so der Bericht. „Die industrielle Landwirtschaft hat sich irgendwie aus dem Rampenlicht herausgehalten, und wir sind der Meinung, dass sich das aus Klimaschutzgründen ändern muss“, so Anderson.

Die Untersuchung zeigt laut Anderson die Diskrepanz zwischen den öffentlichen Verlautbarungen der Finanzkonzerne zum Klimawandel und ihrer Praxis. „Globale Banken geben oft öffentliche Erklärungen ab, dass sie sich mit dem Klimawandel befassen, aber das Ausmaß ihrer fortdauernden Finanzierung von fossilen Brennstoffen und industrieller Landwirtschaft ist einfach schwindelerregend“, sagte sie.

In einer separaten Analyse der US-Naturschutzorganisation Sierra Club, die am 30. August veröffentlicht wurde, wurde aufgedeckt, dass große globale Banken zwar Klimazusagen gemacht, aber dennoch die Kohleindustrie in den USA finanziert haben. Einige Banken haben ihre Klimapolitik in den letzten Jahren überarbeitet. Die Citigroup zum Beispiel hat im vergangenen Jahr Emissionsreduktionsziele für ihre Finanzierungsgeschäfte im Energiesektor festgelegt und sich verpflichtet, bis 2025 ähnliche Ziele für ihre Kreditvergaben im Agrarsektor zu verfolgen.

Gina Bartlett, eine Sprecherin der HSBC, sagte, die Bank habe ihre Politik zur Energiefinanzierung im Dezember revidiert. „Unsere aktualisierte Energierichtlinie beinhaltet, dass HSBC keine neuen Finanz- oder Beratungsdienstleistungen mehr für Projekte zur Erschließung neuer Öl- und Gasfelder oder damit zusammenhängender Infrastruktur in ökologisch kritischen Gebieten bereitstellen wird“, sagte sie und fügte hinzu, dass separate Richtlinien für Forst- und Agrarrohstoffe „eindeutig belegen, dass HSBC keine Finanzdienstleistungen für Kunden bereitstellen wird, die direkt oder über Lieferanten an der Abholzung von Wäldern beteiligt sind”.

Doch zwischen 2016 und 2022, so der Bericht, vergaben internationale Banken jährlich durchschnittlich 513 Milliarden Dollar insgesamt für fossile Brennstoffindustrien und industrielle Landwirtschaft. Diese enormen Summen übersteigen bei weitem den Betrag, den die Länder des globalen Nordens in die Länder des globalen Südens gesteckt haben, um ihnen bei der Senkung von Emissionen zu helfen und die Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen.

Im gleichen Zeitraum haben die Regierungen des globalen Nordens zusammen durchschnittlich nur 22,25 Milliarden Dollar pro Jahr ausgegeben, um internationale Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels bereitzustellen. Das zeigt, dass die treibenden Faktoren der Klimakrise weitaus mehr Unterstützung erhalten als die Lösungsansätze dafür, so die Analyse. „Weiteres Geld in fossile Brennstoffe zu investieren, macht wirklich keinen Sinn, wenn wir, wie die meisten von uns in dieser Welt, in dieser planetarischen Krise stecken”, sagte Farah Kabir, die die Lobbyarbeit von ActionAid in Bangladesch leitet.

      
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Lorne Stockman, Forschungsdirektor bei der gemeinnützigen Organisation Oil Change International, die die Auswirkungen von Investitionen auf das Klima untersucht, hat nicht an dem Bericht mitgearbeitet, sagte aber, die Daten seien „gravierend“. „Viele Investitionen in fossile Brennstoffe könnten ohne die Finanzinstitute, die sie unterstützen, nicht getätigt werden”. Die ganzen Debatten über nachhaltige Investitionen und Entwicklung werden umsonst sein, wenn die Investitionen nicht umgelenkt werden, meint er.

Die Autoren des neuen Berichts fordern die Regierungen des globalen Nordens auf, die öffentlichen Zuschüsse für erneuerbare Energien, eine kohlenstoffarme, nachhaltige Landwirtschaft und Klimaanpassungsmaßnahmen in ärmeren Ländern zu erhöhen und auch die Vorschriften für den Finanzsektor zu verschärfen, um dadurch die Finanzierung umweltschädlicher Industrien zu verringern.

„Es ist dringend geboten, dass die Banken, die diese Krise unterhalten, damit aufhören, den Klimawandel zu finanzieren, und dass die Regierungen in die Gänge kommen, um schnell und gerecht verteilte Mittel zur Bekämpfung der Klimakrise bereitzustellen, sagte Amerasinghe, Leiterin von ActionAid in den USA.

Basav Sen, Direktor für Klimapolitik am Institute for Policy Studies, der nicht an dem Bericht mitgearbeitet hat, sagte, da der Bericht die Verantwortung der Banken für die zunehmende Förderung fossiler Brennstoffe und die Ausweitung der industriellen Landwirtschaft im globalen Süden quantifiziere, könne er auch dafür genutzt werden, um die Banken zur Rechenschaft zu ziehen. „Diese widersinnigen Finanzierungsmaßnahmen sollten bei der Berechnung der Reparationszahlungen berücksichtigt werden, die die reichen Länder dem globalen Süden schulden, um ihrer historischen Verantwortung für den Klimawandel gerecht zu werden”.

Dharna Noor berichtet für den The Guardian zum Themenbereich fossile Brennstoffe und Klima.
aus: The Guardian vom 4. September 2023
Übersetzung: MiWe



Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 6/2023 (November/Dezember 2023). | Startseite | Impressum | Datenschutz