Ökosozialismus

Wachstum oder Klima: man muss sich entscheiden

Zwei kürzlich erschienene Studien zeigen die Grenzen grünen Wachstums.

Nationale Ökologiekommission der NPA

Aber auf der Seite der Regierenden hören wir immer wieder die gleichen Reden alte Leier über „grünes Wachstum“. Beginnen wir mit Macron, für den der Verzicht auf Wachstum im Namen der Ökologie „nicht vernünftig“ ist. Dennoch zeigen immer mehr wissenschaftliche Arbeiten die Unvereinbarkeit von Wachstum und Klimarettung.


Die Illusion von grünem Wachstum


 

Die Ära der globalen Erwärmung ist vorbei, es kommt die Ära des globalen Kochens.

António Guterres, Ende Juli

Eine am 4. September in Lancet veröffentlichte Studie untersucht das Argument der Entkopplung von BIP und CO2-Emissionen in Ländern mit hohem Einkommen. Von den 36 untersuchten Ländern haben 11 eine absolute Entkopplung erreicht, d. h. im betrachteten Zeitraum von 2013 bis 2019 sind die CO2-Emissionen gesunken, während das BIP weiter stieg. Aber „die Ergebnisse, die bei der Entkopplung in Ländern mit hohem Einkommen erzielt wurden, sind weit davon entfernt, Emissionsreduktionen gemäß den Pariser Regeln zu ermöglichen“. Tatsächlich wurden ihre Emissionen im Durchschnitt nur um 1,6 % pro Jahr reduziert, weit entfernt von den -30 % im Jahr 2025 und -38 % pro Jahr im Jahr 2030, die erforderlich sind, um das 1,5 °C-Ziel zu erreichen. Und die Studie kommt zu folgenden Ergebnissen: „Ein grünes Wachstum ist daher nicht in Sicht und scheint für Länder mit hohem Einkommen außer Reichweite zu liegen. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein weiteres Wirtschaftswachstum in Ländern mit hohem Einkommen im Widerspruch zu den Verpflichtungen des Pariser Abkommens in Bezug auf Klima und Gerechtigkeit steht. Eine Minderung im Einklang mit dem Pariser Abkommen würde in Ländern mit hohem Einkommen zusätzlich zu den Bemühungen um die Dekarbonisierung der Technologie Strategien zur Reduzierung der Nachfrage in einem Degrowth (Postwachstum) erfordern.“


Für ein gerechtes und ökosozialistisches Degrowth


In einer anderen Studie wird untersucht, „welche makroökonomischen Dynamiken durch eine schnelle, mit dem Pariser Abkommen kompatible globale Energiewende ausgelöst werden könnten“, indem „eine Weltwirtschaft modelliert wird, die zwar weiter wächst, aber bis 2050 eine forcierte Energiewende erreicht“. Nach diesem Modell namens Temple erfordert der Übergang zu einem zu 100 % erneuerbaren Energiesystem bis 2050 Investitionen auf einem Niveau, das „in den westlichen Volkswirtschaften seit dem Zweiten Weltkrieg beispiellos ist“; „die klassischen Anpassungsmechanismen von Preisen und Mengen über den Markt reichen nicht aus, um die erforderlichen Investitionen zu erzwingen“ und „die Nachfrage nach Investitionen im Energiesektor ist so groß, dass die Produktionsmaschinerie nicht gleichzeitig diese neue Nachfrage und auch die Nachfrage nach Konsumgütern der Haushalte befriedigen kann“.


Fazit


„Die Ergebnisse der Simulationen (…) zeigen vor allem, dass das Wirtschaftswachstum eher ein Handicap als ein Trumpf für die Verwirklichung der Energiewende ist. Wir fordern daher die Untersuchung und Gestaltung von Übergangsszenarien im Rahmen einer Postwachstumsökonomie.“

      
Mehr dazu
Michael Löwy: Neun Thesen zu ökosozialistischem Degrowth, die internationale Nr. 6/2023 (November/Dezember 2023)
 

Was das Modell nicht erwähnt, aber von unserem Genossen Daniel Tanuro präzisiert wird, ist, dass der zusätzliche Verbrauch fossiler Energie, der für diese Umstrukturierung des Produktionsapparats erforderlich ist, zu einem Anstieg der CO2-Emissionen (550 Gt) führen würde, der dem Kohlenstoffbudget (500 Gt) entspricht oder sogar darüber liegt, das mit dem 1,5 °C-Ziel vereinbar ist.

Weit entfernt von der Mär von einer marktorientierten Energiewende, die mit einem Wachstumsversprechen verbunden wäre, werden wir immer deutlicher mit der unabdingbaren Notwendigkeit des Ausstiegs aus fossilen Energien und der Kernenergie konfrontiert, verbunden mit einer drastischen Reduzierung des Energieverbrauchs und damit der materiellen Produktion und der Transporte. Ein Erfordernis, das ebenso dringend wie unvereinbar mit der Akkumulationslogik des kapitalistischen Systems ist und ein gerechtes und ökosozialistisches Degrowth (Postwachstum) erfordert.

Quelle: L’Anticapitaliste Nr. 674 (14.09.2023)
Übersetzung aus dem Französischen: Björn Mertens



Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von die internationale Nr. 6/2023 (November/Dezember 2023) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz