Der Einsatz der „Künstlichen Intelligenz“ bedroht nicht nur ganze Branchen, die bisher von Rationalisierungsmaßnahmen verschont blieben, sondern lässt auch den Verbrauch von Strom und Kühlwasser in die Höhe schießen. Gleichzeitig sichern sich die großen IT-Konzerne ein unangreifbares Monopol.
Klaus Meier
Die Anfänge der KI-Technologie reichen bis in die Mitte der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. Der Entwickler war Frank Rosenblatt, erstaunlicherweise kein Mathematiker oder Ingenieur, sondern Psychologe. Er war fasziniert von den Möglichkeiten des menschlichen Gehirns und entwickelte ein lernfähiges, noch sehr einfaches Modell, das er Perzeptron nannte. Daraus sollten später die heutigen künstlichen neuronalen Netze entstehen. Der Begriff der künstlichen Intelligenz ist eigentlich irreführend, denn die Softwaremaschinen, die heute auf diese Weise erzeugt werden, sind keine wirklichen Intelligenzen, sondern sehr weitreichende Imitationsmaschinen. Aber zum ersten Mal sind sprechende Maschinen entstanden. Wir stehen damit an der Schwelle zu tiefgreifenden technologischen und gesellschaftlichen Umwälzungen. Es ist daher sehr wichtig, dass sich linke Kräfte frühzeitig mit den verschiedenen Aspekten der KI auseinandersetzen und dazu klare Antworten formulieren.
KI kann auch träumen Fiktive Verhaftung von D. Trump (Foto: ChatGPT) |
Die Entwicklung von KI-Systemen ist sehr kostenintensiv. Die hohen Geldsummen sind vor allem auf die extrem teure Hardware und die Betriebskosten der Rechenzentren zurückzuführen. So soll die Entwicklung der zum Google-Konzern Alphabet gehörenden KI Gemini rund 200 Millionen US-Dollar gekostet haben. Die Kosten für GPT-4 werden auf etwa 78 Millionen US-Dollar geschätzt.
Eine andere Quelle gibt die erforderlichen Finanzmittel für ChatGPT mit 700 000 Dollar pro Tag an. Der Chef der KI-Firma Anthropin sagte der New York Times, er rechne in naher Zukunft sogar mit Trainingskosten für ein neues KI-System von einer Milliarde Dollar. Die Hardware für die großen Sprachmodelle von ChatGPT ist extrem teuer. Bisher werden dafür zwei Grafikprozessoren der Chip-Firma NVIDIA eingesetzt. Der erste, A100 genannt, kostet 10 000 Dollar pro Stück, das Nachfolgemodell H100 sogar 40 000 Dollar. Um den finanziellen Aufwand richtig einschätzen zu können, muss man wissen, dass GPT-4 auf mindestens 10 000 A100-Prozessoren trainiert wurde. Die Zahlen machen deutlich, dass sich nur eine sehr kleine Gruppe der weltweit reichsten Kapitaleigner das Wettrennen um die führenden KI-Modelle leisten kann. An der Spitze stehen die finanzstarken US-Technologiekonzerne Alphabet, Meta, Microsoft und OpenAI. Andere Kapitalgruppen und andere Länder sind technologisch weit abgeschlagen. Der Chef von Blackstone sagte kürzlich in einem Interview, dass auch China bei der KI-Entwicklung einige Jahre hinter den USA zurückgefallen sei. Dies liege vor allem daran, „dass die USA den Export bestimmter Halbleiterchips beschränkt haben“.
Die beiden KI-Forscher Daron Acemoglu und Simon Johnson sehen die Richtung der KI-Entwicklung sehr kritisch. Sie schreiben: „Generative KI erfordert noch tiefere Taschen als Textilfabriken und Stahlwerke. Daher sind die meisten der offensichtlichen Anwendungen bereits in die Hände von Microsoft mit einer Kapitalisierung von 2,4 Milliarden Dollar und Alphabet mit 1,6 Milliarden Dollar gefallen”. Man muss hinzufügen, dass auch die führende imperialistische Macht der Welt, die USA, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einsetzt, um die Kontrolle über die KI-Technologie zu erlangen. Angesichts dieser Machtverhältnisse ist es nicht verwunderlich, dass die Entwicklung und Anwendung von KI extrem intransparent ist. Dem muss die Forderung entgegengesetzt werden, dass die Konzerne Rechenschaft ablegen und alle Daten offenlegen müssen, die sie der Bevölkerung entwendet haben.
Das Internet gehört bereits heute zu den besonders stromintensiven Technologien. Der Stromverbrauch findet vor allem in den Rechenzentren statt. Sie stehen bereits heute für die Nutzung von 1 bis 3 Prozent des weltweiten Stroms. In Deutschland gibt es heute etwa 50 000 größere und kleinere Rechenzentren. Im Jahr 2020 verbrauchten sie nach Angaben der Bundesregierung 16 TWh Strom, das entspricht etwa 3 % der gesamten deutschen Strommenge. Mit 6 Mio. Tonnen CO2-Emissionen besitzen die hiesigen Rechenzentren einen doppelt so großen Treibhausgas-Fußabdruck wie der innerdeutsche Flugverkehr. Mit dem zu erwartenden flächendeckenden Einsatz von KI im Internet dürfte dieser Verbrauch noch einmal drastisch ansteigen. In Erwartung dieser Entwicklung beginnen die Tech-Konzerne bereits jetzt, Milliarden in den Ausbau ihrer Rechenzentren zu investieren. So haben allein die drei US-Konzerne Alphabet, Microsoft und Amazon im ersten Quartal 2024 rund 40 Milliarden Dollar in den Ausbau ihrer Rechenzentren gesteckt. Microsoft selbst eröffnet etwa alle drei Tage ein neues Rechenzentrum. Auch in Deutschland will der Konzern dafür in Frankfurt und im Rheinischen Revier 3,2 Milliarden Euro investieren.
Drei Faktoren treiben den Energieverbrauch der KI in die Höhe: Die große Hardware, die komplexe Software und die riesigen Datenmengen. Als Hardware kommen bereits heute sogenannte „Graphics Processing Units“ (GPUs) zum Einsatz, die ursprünglich für den hohen Rechenbedarf von Computerspielen entwickelt wurden. Heute sind sie aufgrund ihrer hohen Leistungsfähigkeit zum Standard für KI-Systeme geworden. Eine Besonderheit der GPUs ist, dass sie Hunderte oder sogar Tausende von Rechenkernen besitzen, die parallel arbeiten. Auch die Produktion dieser Chips wird durch die weitere Verbreitung der KI-Technologie enorm angekurbelt. US-Präsident Biden hat den Aufbau einer starken Halbleiterproduktion zum nationalen Ziel der USA erklärt. Dazu wurde ein 280 Milliarden Dollar schweres Förderprogramm unter dem Titel „Chips and Science Act” aufgelegt. Auch die Bundesregierung will im Wettlauf um die Künstliche Intelligenz nicht zurückstehen und hat jüngst allein 20 Milliarden Euro Fördergelder an Halbleiterkonzerne vergeben, um auch hierzulande ein Chip- und KI-Biotop aufzubauen.
All dies wird zu einem weiteren Anstieg des Stromverbrauchs führen. Eine niederländische Studie kam kürzlich zu dem Schluss, dass allein die weltweite KI-Industrie bis 2027 so viel Strom verbrauchen wird wie ein Land von der Größe der Niederlande, Argentiniens oder Schwedens. Allein Google würde 29,3 TWh pro Jahr benötigen, wenn es sein Geschäft auf KI-Systeme ausrichten würde. Das entspricht in etwa dem Energieverbrauch Irlands. Der Chef des US-Finanzkonzerns Blackstone sagte in einem Interview mit dem Handelsblatt, dass der künftige KI-Einsatz in den USA einen Stromanstieg von bis zu 35 Prozent zur Folge haben könnte. In einigen Regionen mit besonders vielen Rechenzentren könnte dies sogar noch höher ausfallen. Dieser explodierende Stromverbrauch könnte zum Problem werden. Dies gilt insbesondere für die Energiewende und einen schnellen Ausstieg aus der Kohleverstromung, der dann von den Konzernen wieder in Frage gestellt werden könnte.
Mit dem hohen Stromverbrauch der Rechenzentren steigt auch der Kühlungsbedarf der Anlagen. Problematisch könnte der damit verbundene hohe Wasserverbrauch werden. Ein Forscherteam der University of California kam zu dem Ergebnis, dass jede ChatGPT-Konversation mit 20 bis 50 Fragen einen Kühlwasserbedarf in der Größenordnung einer Trinkflasche erfordert. Bei Millionen von Chatbot-Konversationen ist klar, dass dadurch ein kritischer Trinkwasserverbrauch erreicht werden könnte.
Auch wenn wir noch ganz am Anfang der Entwicklung stehen, ist absehbar, dass die Fortschritte der KI erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitsplätze haben werden. Bereits Anfang 2023 prognostizierte eine Studie von Goldman Sachs, dass weltweit 300 Millionen Arbeitsplätze ganz oder teilweise durch KI-Funktionen automatisiert werden könnten. Das McKinsey Global Institute hat eine ähnliche Studie auch für 10 europäische Länder durchgeführt. Demnach könnten fast 30 % der heutigen Arbeitsstunden durch generative KI automatisiert werden. Dies gilt allerdings nur, wenn die Technologie schnell weiterentwickelt und in die Unternehmen integriert wird.
Für Deutschland gilt die Aussage, dass sich aufgrund von KI bis 2030 rund drei Millionen Menschen einen anderen Job suchen müssten. Das wären etwa 7 % der Beschäftigten im Jahr 2022. Auch dies gilt in dieser Form nur unter der Voraussetzung, dass es zu einer schnellen Einführung von KI-Systemen kommt.
Am stärksten betroffen wären die Büroberufe. Dies ist ein Bereich, der sich in der Vergangenheit als sehr resistent gegenüber Automatisierungsbestrebungen erwiesen hat. Aber auch Berufe im Verkauf, in der Kundenbetreuung und in der Produktion wären von der Einführung von KI betroffen. Gut bezahlte Bankmitarbeiter, Controller und Juristen waren bisher kaum von Rationalisierungen betroffen. Eine Studie der Stanford University aus dem Jahr 2019 kommt in Bezug auf KI zu einem ganz anderen Ergebnis. Danach sind Beschäftigte mit Hochschulabschluss fünfmal stärker von Kl betroffen als Beschäftigte in der Produktion oder Handwerker.
Auf der Liste der am stärksten gefährdeten Berufe stehen Juristinnen und Juristen. Die Studie von Goldman Sachs prognostiziert, dass 44 Prozent aller Aufgaben in diesem Bereich automatisiert werden können. Damit liegt dieses Berufsfeld hinsichtlich der Rationalisierungsmöglichkeiten gleich hinter reinen Verwaltungstätigkeiten. Aber auch das Schreiben von Computercode könnte der KI zum Opfer fallen. Jensen Huang, Chef des Chipentwicklers NVIDIA, erklärte, dass man sich in Zukunft das Lernen von Programmcodes sparen könne. KI könne das in Zukunft schneller und besser. Das ist wohl übertrieben, denn bisher geht das nur mit einfachem Standardcode. Die KI macht oft Fehler und man muss am Ende den gesamten Code kontrollieren können. Es ist aber durchaus zu erwarten, dass mit weiteren Fortschritten der KI-Programme insbesondere die Erstellung von Standardcode deutlich effizienter wird. Die Zahl der Softwareentwicklerinnen und -entwickler in Deutschland liegt heute bei rund 325 000. Es ist zu erwarten, dass bei voller Nutzung und Verbesserung von KI ein nicht unerheblicher Teil dieser Personen zukünftig von Rationalisierungen betroffen sein dürfte. Diese Entwicklung könnte sich auch auf ein Land wie Indien auswirken. So gibt es in der indischen IT-Branche heute rund fünf Millionen Arbeitsplätze. Der indische Ökonom Chakravorti wies in einem Interview mit dem Handelsblatt darauf hin, dass diese Zahl durch KI deutlich sinken könnte.
Ein weiterer Bereich, der durch KI Arbeitsplatzverluste befürchten muss, ist die Filmbranche. Dies gilt insbesondere für den Bereich, der kurze Werbefilme produziert. KI-Videogeneratoren wie Sora könnten in Zukunft Motion Designer, Illustrator:innen, Werbefilmer:innen, Drohnenpilot:innen oder auch Kameraleute ersetzen. Oscarverdächtige Filme wird Sora in absehbarer Zeit sicher nicht produzieren, aber für einfache Anwendungen sind mittelmäßige Videos allemal gut genug. Vor allem kosten sie nur einen Bruchteil im Vergleich zu Filmen mit ausgebildeten Schauspieler:innen.
Eine geschlechtsspezifische Studie von Goldman Sachs gibt auch Hinweise darauf, dass Frauen in ihren Berufsfeldern stärker von Veränderungen durch den Einsatz von KI betroffen sein werden als Männer. Demnach könnten rund 60 Prozent der Männer in ihrem Berufsfeld betroffen sein, während es bei den Frauen bis zu 80 Prozent sein könnten. Berufe, die in Zukunft kaum von KI betroffen sein dürften, sind dagegen Berufe wie Sanitärtechniker oder Heizungsbauer. Grundsätzlich müssen aber alle Berufe, die mit hohem repetitivem Wissen zu tun haben, mit Veränderungen in ihrem beruflichen Umfeld rechnen. Bislang sind diese Jobs gut bezahlt und die Beschäftigten sehen sich als Teil der „Mittelschicht“ an. Der Einsatz von KI in diesem Sektor könnte schnell auch größere politische Auswirkungen haben. Die Beschäftigten werden sich fragen: Wo bleiben wir? Was bleibt uns, wenn KI uns in immer mehr Bereichen ersetzt und unser Wissen entwertet?
Keynes veröffentlichte 1928 einen Artikel mit dem Titel „Economic possibilities for our grandchildren“. Darin prognostizierte er, dass die Menschen bei anhaltendem Wachstum im Jahr 2028 nur noch 15 Stunden pro Woche arbeiten müssten. Das wären dann vielleicht maximal drei Tage. Heute ist es nicht mehr weit bis 2028, aber es sieht nicht so aus, als würde diese Prognose eintreten. Das ist eigentlich erstaunlich angesichts des jahrzehntelangen technischen Fortschritts. Tatsächlich gibt es in einer Gesellschaft keine dauerhaft fixe Menge an Arbeitszeit. Sondern der Kapitalismus hat immer wieder neue Technologien dazu benutzt, um immer mehr Waren zu produzieren. Dadurch wurde auch die gesellschaftlich erforderliche Arbeitszeit immer wieder nach oben geschraubt.
Viele der neu geschaffenen Güter sind aber nicht nur nutzlos, sondern auch ökologisch schädlich. Der Kapitalismus konnte bei der Ausdehnung der Warenmenge immer an die im Menschen schlummernden niederen Instinkte wie Geltungssucht oder Imponiergehabe appellieren und hat diese verstärkt. Gleichzeitig wurden andere menschliche Eigenschaften, die nicht verwertbar waren, wie soziales Miteinander oder Empathie in den Hintergrund gedrängt.
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Ein Beispiel ist die Entwicklung des automobilen Individualverkehrs. Er basiert auf Fahrzeugen, die faktisch 23 von 24 Stunden am Tag herumstehen und durchschnittlich nur mit 1,4 Personen besetzt sind. Und sie werden immer größer, schwerer und protziger. Autos stehen daher für eine enorme Verschwendung von Ressourcen, einschließlich der Arbeitszeit, die für ihre Herstellung aufgewendet werden muss. Und sie stehen natürlich auch für gewaltige ökologische Zerstörungen. Gleiches gilt für die aufwändig hergestellten Plastikverpackungen von Lebensmitteln und anderen Gütern, für die es auch weniger verschwenderische Lösungen gäbe. Aber der herrschende Kapitalismus hat sich immer wieder für die aufwendigeren und arbeitszeitverschwendenden Technikvarianten entschieden, weil sich damit schließlich riesige Profite erzielen lassen.
Die eigentlich möglichen Arbeitszeitgewinne durch technologischen Fortschritt wurden so immer wieder aufgefressen. Es ist daher davon auszugehen, dass auch die Einführung Künstlicher Intelligenz, so groß ihr Rationalisierungspotenzial zunächst auch sein mag, nicht aus sich selbst heraus zu einer Verkürzung der Arbeitszeit führen wird. Der Kapitalismus wird unsere Lebenswelt einmal mehr mit einer Welle neuer Konsumgüter überschwemmen.
Schon jetzt leuchten die Verheißungen neuer Fernseher, Autos, Smartphones oder Waschmaschinen am Horizont, natürlich alles KI-gestützt. Statt uns glücklich zu machen, werden sie die Ressourcenverschwendung und Umweltzerstörung auf ein neues Niveau heben.
Gleichzeitig werden uns die Vertreter des Kapitalismus erzählen, dass wir eigentlich bis zum Alter von 72 Jahren arbeiten müssten, um „unsere“ Wettbewerbsfähigkeit und unseren Wohlstand zu erhalten. Angesichts des Rationalisierungspotentials der KI wird dies noch absurder als es ohnehin schon ist. Ökosozialist:innen sollten darauf antworten, indem sie neben dem ökologischen Um- und Rückbau der Produktion die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung in den Vordergrund stellen.
Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 4/2024 (Juli/August 2024). | Startseite | Impressum | Datenschutz