Ökologie

Klimamobilisierung und antikapitalistische Strategie

Bericht an den 16. Weltkongress der Vierten Internationale zum Resolutionsentwurf „Der Klimawandel und unsere Aufgaben“ (erster Teil)

Daniel Tanuro

Genossinnen und Genossen,

drei Milliarden Menschen fehlt es am Allernotwendigsten. Die Befriedigung ihrer Bedürfnisse erfordert eine Steigerung der Produktion von materiellen Gütern. Also eine Steigerung des Energieverbrauchs. Er speist sich heute zu 80 % aus fossilen Quellen und ist daher Ursache von Treibhausgasen, die unser Klimasystem destabilisieren.

Wir können uns nun aber nicht erlauben, das Klima weiter zu destabilisieren. Es ist wahrscheinlich nicht mehr weit bis zum „Punkt des Umkippens“ (tipping point), jenseits dessen die Phänomene unkontrollierbar und in menschlichen Zeiträumen unumkehrbar zu werden drohen, was zu etwas führen könnte, was die Menschheit noch nie und der Planet seit 65 Millionen Jahren nicht mehr gesehen hat: eine Erde ohne Eis. Eine Welt, in der der Meeresspiegel um 80 Meter gegenüber dem heutigen Stand ansteigen würde.

Das völligen Verschwinden des Eises ist sicher keine Frage von Tagen: Der Prozess könnte sich über bis zu 1000 Jahre erstrecken. Aber das Räderwerk könnte in den nächsten zwanzig, dreißig oder vierzig Jahren gestartet werden und bereits bis zum Ende des Jahrhunderts den Meeresspiegel um mehrere Meter steigen lassen. Um dies zu verhindern, müssen die Treibhausgasemissionen radikal vermindert und folglich der Einsatz von fossilen Brennstoffen innerhalb von zwei oder drei Generationen beendet werden.

Ohne Kohle, Erdöl und Erdgas? Es ist möglich: Das technische Potenzial der erneuerbaren Energien ist ausreichend, um dies zu übernehmen. Aber in der kurzen Zeit, die wir zur Verfügung haben, ist die Energiewende praktisch nur möglich, wenn sie mit einer signifikanten Reduzierung des Energieverbrauchs verbunden ist. Eine so bedeutende Reduktion kann nicht allein durch Steigerung der Energieeffizienz erreicht werden: eine Reduzierung der materiellen Produktion und des Gütertransports ist erforderlich.

Das reicht aus um zu begreifen, dass die Menschheit vor einer riesigen Herausforderung steht. Eine Herausforderung völlig neuer Art, die das 21. Jahrhundert dominieren wird. Eine Herausforderung, die die Bedingungen für das Eingreifen revolutionärer Marxisten und der Arbeiterbewegung im Allgemeinen mit prägt.

Eine doppelte Herausforderung, der der Kapitalismus nicht gerecht werden kann. Weder sozial noch ökologisch. Genauer gesagt: Er kann ihr nicht auf eine Weise gerecht werden, die für die Menschheit akzeptabel wäre (ich werde später darauf zurückkommen, was dies bedeutet). Der Grund für dieses Unvermögen ist auf beiden Ebenen das gleiche: Der Kapitalismus hat nicht die Produktion von Gebrauchswerten zur Befriedigung begrenzter menschlicher Bedürfnisse zum Ziel, sondern die potenziell unbegrenzte Produktion von Werten durch zahlreiche und konkurrierende Kapitalisten, organisiert in rivalisierenden Staaten.

Ein Kapitalismus ohne Wachstum ist ein Widerspruch in sich, sagt Schumpeter. Die relative „Dematerialisierung“ [geringerer Materialeinsatz] der Produktion ist sicher eine Realität, aber sie wird mehr als kompensiert durch die Steigerung der Menge an produzierten Handelswaren.

Diese Dynamik der Akkumulation ist der wesentliche Grund, warum der „grüne Kapitalismus“ eine Illusion ist, genauso wie der „soziale Kapitalismus“. Zweifellos gibt es grünes Kapital, es wird immer mehr und es generiert gute Gewinne. Aber es ersetzt nicht das schmutzige Kapital, es ergänzt es, und das letztere bestimmt, weil es vorherrschend ist, das Tempo, die technischen Entscheidungen und die Modalitäten für die Einführung des ersteren.

Die jüngere Vergangenheit lässt keinen Zweifel. Nehmen wir Barack Obama: Im Präsidentschaftswahlkampf versprach er, die Verursacher bezahlen zu lassen, um grüne Energien massiv zu unterstützen (150 Milliarden Dollar in 10 Jahren) und den Benachteiligten zu helfen, die höheren Energiepreise zu tragen. Diese Politik sollte fünf Millionen Arbeitsplätze schaffen. Aber dann kam die Subprime-Krise, und von all diesen guten Absichten blieb nichts mehr übrig. In den USA wie in der EU erhalten die Verschmutzer die Verschmutzungsrechte gratis, verkaufen sie mit Gewinn und lassen die Verbraucher zahlen.

Die Klimapolitik stärkt die Kapitalisten, die das Klima zerstören. Darin zeigt sich auch die Stärke der Interessenverbände der Unternehmer von fossilen Energieträgern und der mit ihnen verbunden Sektoren wie Autos, Schiffbau, Luftfahrt, Petrochemie und anderen. Dies bestätigt die marxistische Analyse, dass Monopole die Fähigkeit haben, den Ausgleich der Profitrate zu bremsen. Im Falle der fossilen Brennstoffe ist diese Fähigkeit sogar noch stärker, weil sie im Besitz von Lagerstätten, Bergwerken etc. verwurzelt ist, also in einer Bodenrente.

Das Ergebnis, das sich vor unseren Augen ausbreitet: In allen Ländern repräsentieren die Klimapläne nicht einmal die Hälfte dessen, was in Bezug auf die Verringerung der Treibhausgasemissionen notwendig wäre. Darüber hinaus verstärken diese Pläne die sozialen Ungleichheiten und begleiten eine technologische Flucht nach vorne: Atomenergie, massive Produktion von Biokraftstoffen und CO2-Sequestration [Abscheidung und Einlagerung von CO2 in geologischen Formationen] (die Kohle „sauber“ machen soll).

In diesem allgemeinen Rahmen muss man auch die Posse von Kopenhagen sehen: Eine Konferenz mit großer Medienwirksamkeit, die einen neuen verbindlichen und ehrgeizigen internationalen Vertrag als Nachfolger des Kyoto-Protokolls hervorbringen sollte, endete in einer Niederlage: ohne quantifizierte Ziele, ohne Fristen, ohne auch nur ein Basisjahr zur Messung der Emissionsminderungen.

Darüber hinaus könnte Kopenhagen den Wendepunkt hin zu einer Politik markieren, die noch viel gefährlicher als die des Protokolls ist. Durch die Vereinbarung wurden die 25 größten Verschmutzer praktisch weitgehend dem wissenschaftlichen Druck des IPCC und dem Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung entzogen. Es ist ein Rosstäuschervertrag zwischen dem Imperialismus und neu aufsteigenden kapitalistischen Mächte, die sich die Luft auf dem Rücken der Völker, der Arbeiter und der Armen aufteilen.

Es ist zu fürchten, dass die Konferenz von Cancún im Dezember diese Wende bestätigen wird. In diesem Fall kann man auf Grundlage der aktuellen nationalen Klimapläne einen Anstieg der mittleren Oberflächentemperatur zwischen 3,2 und 4,9 °C bis zum Jahr 2100 (gegenüber dem 18. Jahrhundert) vorausberechnen.

Man sollte sich vor einem Katastrophismus mit eschatologischen [endzeitlichen] Akzenten hüten. Einige apokalyptische Diskurse berufen sich nämlich auf die Dringlichkeit nur, um für Opfer einzutreten und die Verantwortung des Kapitalismus geschickt verschwinden zu lassen. Es besteht kein Zweifel, dass ein Temperaturanstieg von 4 °C zu wirklichen sozialen und ökologischen Katastrophen führen wird.

Doch man muss die Größe der Bedrohung genau einschätzen. Nicht die Zukunft des Planeten steht auf dem Spiel, nicht das Leben auf der Erde und auch nicht das Überleben der Menschheit. Abgesehen vom Einschlag eines Asteroiden wäre ein schwerer Nuklearunfall wahrscheinlich das einzige Ereignis, das das Überleben unserer Spezies bedrohen könnte. Der Klimawandel ist in jedem Fall keine solche Bedrohung. Aber er droht das Leben von 3 Milliarden Männern und Frauen ernsthaft zu beeinträchtigen, denen bereits jetzt das Allernotwendigste fehlt. Und er bedroht das physische Überleben von Hunderten von Millionen von ihnen, und zwar jenen, die am wenigsten für die Erderwärmung verantwortlich sind.

Mike Davis hat in seinem Buch über den „tropischen Genozid“ die schrecklichen Hungersnöte im Detail beschrieben, die Ende des 19. Jahrhunderts Dutzende Millionen von Opfern gefordert haben Diese Hungersnöte waren das Ergebnis des Zusammentreffens eines außergewöhnlichen El Nino mit der Herausbildung des globalen Marktes für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Es ist die Wiederholung solcher Tragödien, die wir jetzt erwarten müssen. Außer, dass das Drama diesmal zur Gänze der Profitgier des Großkapitals, vor allem der monopolistischen Sektoren auf Basis fossiler Brennstoffe, geschuldet ist.

Dies erlaubt uns zu präzisieren, worin die Unfähigkeit des Kapitalismus besteht, dieser Herausforderung zu begegnen. „Es gibt keine ausweglose Situation für den Kapitalismus“, sagte Lenin. In der Tat. Aber der Ausweg kann dieses Mal besonders barbarisch sein.

Genossinnen und Genossen, es ist es klar, dass die ökologische und die soziale Krise ein und dieselbe Krise sind: die Krise des kapitalistischen Systems. Der Begriff „ökologische Krise“ ist irreführend: Es ist nicht die Natur, die sich in einer Krise befindet, sondern die Beziehung zwischen Gesellschaft und Natur. Es ist nicht das Klima, das in der Krise ist, und seine Störung ist nicht durch „menschliche Aktivität“ im Allgemeinen verschuldet: Ursache ist eine bestimmte, historisch bedingte Form dieser Tätigkeit auf Basis fossiler Brennstoffe. Die ökologische Krise ist mit anderen Worten nichts anderes als eine Manifestation der tiefen Krise des Kapitalismus.

Es ist absolut klar, dass die Befriedigung des Rechts auf Entwicklung und der sozialen Bedürfnisse generell bei gleichzeitiger Erreichung der großen Emissionsreduktionen, die in den nächsten vierzig Jahren erforderlich sind, nicht möglich ist ohne eine radikale antikapitalistische Perspektive. Esther Vivas wird auf unsere politischen Aufgaben im zweiten Teil dieses Berichts zurückkommen. Ich beschränke mich hier darauf, die wichtigsten Maßnahmen aufzuzählen, die notwendig sind: Einstellung der Produktion unnützer oder schädlicher Produkte, Planung der Umstellung auf ein anderes Energiesystem, Einführung von erneuerbaren Energiequellen und Entwicklung effizienter Energienutzung ungeachtet der Kosten (abhängig nur von den Gesetzen der Thermodynamik, nicht des Profits), massiver und kostenloser Transfer sauberer Technologien an die Völker des Südens über den öffentlichen Sektor in den betroffenen Ländern, Errichtung eines Weltfonds für die Anpassung an die Auswirkungen der Erwärmung in den armen Ländern, Unterstützung der bäuerlichen Landwirtschaft gegen das Agrobusiness, Verlagerung eines wesentlichen Teils der Produktion, insbesondere der Landwirtschaft, Umverteilung des Reichtums durch Besteuerung von Kapitalerträgen, radikale Verringerung von Arbeitszeit und -tempo ohne Lohnverlust mit verbindlichen Neueinstellungen, Enteignung des Energie- und Kreditbereichs, ...

Man sagt uns: „Das ist leichter gesagt als getan.“ Zweifellos, aber bevor man etwas tut, muss man es sagen. Und was wir als Internationale in erster Linie tun müssen, ist es, dies zu sagen. Das wird uns nicht isolieren, im Gegenteil. Der Kampf gegen den Klimawandel schafft der antikapitalistischen Alternative eine beträchtliche Glaubwürdigkeit. Die Bedeutung des Problems, seine Globalität, seine Dringlichkeit, die monströse Ungerechtigkeit der absehbaren Folgen: all dies erlaubt schlüssig und in sehr einfachen Worten die Notwendigkeit für einen radikalen Bruch mit der verallgemeinerten Warenproduktion einzubringen.

Angesichts dessen, was auf dem Spiel steht, geht, es um viel mehr als eine politische Entscheidung, es ist eine Entscheidung der Zivilisation. Durch die Klimagefahr bietet der Kapitalismus uns die Möglichkeit, den Kommunismus als das zu rehabilitieren, was er wirklich ist: ein Zivilisationsentwurf, der diesen Namen wirklich verdient. Das Projekt einer menschlichen Gemeinschaft, die die natürlichen Ressourcen gemeinsam und auf vernünftige und umsichtige Art selbstverwaltet, um allen ein gutes Leben zu ermöglichen. Gegenüber vage anti-neoliberalen Projekten bestätigt der Kampf gegen den Klimawandel unsere Entscheidung für eine klar antikapitalistische Linie, also unsere Ablehnung jeglicher Beteiligung an Regierungen, die den Kapitalismus verwalten.

Strategisch unterscheidet sich der Kampf für das Klima nicht vom allgemeinen Kampf der Ausgebeuteten und Unterdrückten. Und er kann nur von genau ihnen erreicht werden: der Arbeiterklasse, den Jugendlichen, den Frauen, den Armen, den Kleinbauern, den indigenen Völkern. Die Arbeiterklasse ist dazu berufen, eine wichtige Rolle zu spielen, weil sie allein das Fundament für eine andere Produktionsweise wird schaffen können, in der sie entscheidet, was produziert wird, wie, warum und für wen und in welcher Menge. .

Zugleich kann man sagen, dass des schwierig ist, den Kampf für die Umwelt im Allgemeinen und für das Klima im Besonderen in die Arbeiterbewegung hineinzutragen. Diese Schwierigkeit entsteht aus der Situation von Arbeiterinnen und Arbeitern als der am meisten ausgebeuteten Klasse, die von ihren Produktionsmitteln und insbesondere von der Natur als Produktionsmittel getrennt sind und diese als vom Kapital angeeignet und als feindliche Kräfte gegen sich selbst in Stellung gebracht sieht.

Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass die Möglichkeit, den Klassenkampf zu ökologisieren, in Abhängigkeit vom Klassenkampf selbst steht. Je mehr die Arbeiterinnen und Arbeiter geschlagen, atomisiert und demoralisiert sind, desto mehr werden sie den Klimaschutz als eine Bedrohung sehen und wird die kapitalistische Klasse imstande sein, den Klimaschutz effektiv als Vorwand für weitere Angriffe zu nutzen. Unter diesen Umständen kann sich das Umweltbewusstsein nur in der entfremdeten Form einer inneren Spaltung zwischen dem Verbraucher, der von seiner notwendigen Zurückhaltung überzeugt ist, und dem Produzenten, der sich um den Verlust seiner Arbeit sorgt, entwickeln.

Je mehr die Arbeiterinnen und Arbeiter umgekehrt Erfolg in ihren Kämpfen haben, desto mehr werden sie Vertrauen in ihre Stärke gewinnen und werden sie in der Lage sein, die Umweltfrage anzugehen und dabei kollektiv, als Produzenten und Konsumenten ihrer eigenen Produktion, zu den unverzichtbaren antikapitalistischen Lösungen greifen.

Ein besseres Kräfteverhältnis der Ausgebeuteten und Unterdrückten ist notwendige Voraussetzung für eine antikapitalistische Lösung der Klimakrise, also eine Lösung überhaupt. Aber diese notwendige Voraussetzung ist keinesfalls ausreichend und erlaubt auch nicht, den Kampf für die Umwelt auf später zu verschieben. In der Tat besitzt das Thema Umwelt neben seiner Dringlichkeit eine Reihe weiterer Besonderheiten; so stößt die Herausbildung eines antikapitalistischen Klassenbewusstseins hier auf noch größere Schwierigkeiten als in anderen Bereichen.

Daraus ergeben sich drei Schlussfolgerungen:

Genossinnen und Genossen, durch Annahme dieses Resolutionsentwurfs wird sich die Vierte Internationale als „ökosozialistisch“ bezeichnen.

Einige lehnen diese Bezeichnung ab und sagen: „Warum die Mühe, 'Sozialismus' reicht doch.“ Unter den Gegnerinnen und Gegnern des Ökosozialismus, gibt es jene, für die sich nichts geändert hat, die es ablehnen, das reine Schema der Oktoberrevolution durch die ökologische Frage zu beschmutzen. Soweit ich weiß, sind sie in unseren Reihen nicht vertreten. Daneben gibt es Genossinnen und Genossen, die bei gleichzeitiger Anerkennung der radikalen Neuheit der Kombination von sozialer und ökologischer Frage den Ökosozialismus als ein unnötiges Zugeständnis an die politische Ökologie betrachten. Das ist nicht das, worum es geht.

Wir könnten lange darüber diskutieren, ob es bei Marx eine Ökologie gibt oder nicht. Persönlich denke ich, dass Marx viel grüner war, als wir es bisher gesehen haben. Aber das ist nicht das Wesentliche.

Das Wesentliche ist, dass alle marxistischen Strömungen die ökologische Frage ignoriert haben, dass einige sie immer noch ignorieren und dass alle Schwierigkeiten haben, sie überzeugend zu beantworten.

Sich „Ökosozialist“ zu nennen, ist in erster Linie eine Art, „wir haben verstanden“ zu sagen oder wenigstens „wir wissen, dass wir etwas verstehen müssen, das wir bisher nicht verstanden haben“. Dies ist ein neues Etikett auf der Flasche, wie das neue Hemd, das Lenin sich anzuziehen empfahl. Ein neues Etikett kann hilfreich sein.

Aber der Ökosozialismus ist viel mehr als ein Etikett. Obwohl das Konzept noch in der Entwicklung ist, kann man eine Reihe von Punkten nennen, wo es sich wesentlich vom Sozialismus unterscheidet, den Generationen von Aktivisten entwickelt haben und wie er auch von unserer Strömung entworfen wurde.

Ausgangspunkt ist, dass die Stabilisierung des Klimas ein anderes Energiesystem erfordert. Nicht nur andere Technologien zur Erzeugung von Elektrizität, Wärme oder Transport, sondern auch eine andere Landwirtschaft, eine andere Rationalität und eine andere Raumplanung. Der Aufbau dieses neuen Systems wird zwangsläufig ein langwieriger Prozess sein, der die Zerstörung des kapitalistischen Produktionsapparats erfordert. Die Ergreifung der politischen Macht ist nur der Ausgangspunkt dieser Umwälzung.

Der Aufbau des neuen Energiesystems erfordert notwendigerweise die Dezentralisierung der Stromproduktion – Voraussetzung insbesondere für die rationelle Nutzung der Abwärme – und die Verlagerung eines Teils der Produktion. Dezentralisierung und Verlagerung sind mit dem Ziel eines weltweiten Sozialismus völlig vereinbar und unverzichtbar für seine demokratische Selbstverwaltung. Es gibt jedoch kaum Zweifel, dass diese beiden Ziele sich nicht spontan aus unserer programmatischen Tradition entwickeln, die vor allem auf die globale Planung von Produktion und Handel orientiert.

Ein weiteres neues Problem ist die Bedeutung der lebendigen Arbeit. Unser Programm legt einen Schwerpunkt auf die Notwendigkeit, in lebendige Arbeit in Dienstleistungen wie Betreuung, Bildung, Gesundheit usw. zu investieren. Dieses Problem ist uns nicht fremd. Aber für alle anderen Bereiche vertrauen wir auf den Gedanken, dass Maschinen und Roboter erlauben werden, den Großteil der Produzenten von der Belastung durch körperliche Arbeit zu befreien. Dieser Gedanke muss in Frage gestellt werden, weil die Pflege der Ökosysteme Intelligenz und Sensibilität erfordert, die nur durch menschliche Arbeit erreicht werden können. Besonders deutlich wird dies im Fall der Landwirtschaft: Um „die Erde zu kühlen“, wie Via Campesina sagt, muss das Agrobusiness durch eine ökologische, bäuerliche und genossenschaftliche Landwirtschaft ersetzt werden. Dies wird notwendigerweise durch größere Investitionen in menschliche Arbeit (was weder eine Rückkehr zur Hacke noch das Ende des Fortschritts bedeutet, sondern eine andere Form des Fortschritts) erreicht werden.

      
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Schließlich sollte die Vorstellung der Natur selbst überdacht werden. Im Rahmen der ökologischen Krise des Kapitalismus kann der Marxismus sich in der Tat nicht mehr damit begnügen, die Natur nur unter dem Gesichtspunkt der Produktion zu sehen, also gewissermaßen als einen Vorrat von Ressourcen, eine Plattform für die Arbeit und eine Deponie für die Abfälle. Wir müssen lernen, die Natur auch vom Standpunkt der Natur selbst aus zu sehen, vom Standpunkt der großen Stoffwechselvorgänge und der Bedingungen für das Funktionieren der Ökosysteme, die letztlich über die Lebensbedingungen der Menschheit entscheiden. Es gibt in diesem Zusammenhang wertvolle Hinweise bei Marx; man muss sie aufgreifen und entwickeln.

In all diesen Punkten öffnet die Resolution lediglich einen theoretischen Weg, den die Internationale weiter beschreiten muss. Aber es ist wichtig, jetzt ein Zeichen zu setzen, zu zeigen, dass wir uns bewegen. Kopenhagen im Dezember [2009] hat eine Lücke geöffnet. Zum ersten Mal hat eine Massenmobilisierung gegen die globalen Umweltprobleme den Charakter eines sozialen Kampfes gegen das System angenommen: „Change the system, not the climate“ (Ändert das System, nicht das Klima) und „Planet not profit“ (Erde statt Profit). Diese internationalistische Bewegung wird wachsen. Sie bietet uns beträchtliche Möglichkeiten. Eine antikapitalistische Tendenz hat nicht auf uns gewartet, um sich zu entwickeln. Wir müssen sie stärken.

Übersetzung aus dem Französischen und [Anmerkungen]: Björn Mertens



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 462/463 (Mai/Juni 2010).