Vierte Internationale/Ökologie

COP 30: Chance auf Wiederbelebung der sozialen und Umweltkämpfe

Die COP 30 in Belém (Brasilien) im Herzen des Amazonas-Regenwaldes bietet die Chance, den ökologischen, sozialen, antiimperialistischen und ökosozialistischen Bewegungen neuen Schwung und eine neue Qualität zu verleihen.

18. Weltkongress – 2025

Die sozialen, ökologischen und antiimperialistischen Bewegungen in der gesamten Welt stehen vor der Herausforderung, sich als eine globale Bewegung gegen die kapitalistische Zerstörung des Klimas und der Biosphäre zu organisieren. Fossile Interessengruppen haben die Klima-COPs gekapert, die COPs zur biologischen Vielfalt sind ins Stocken geraten, 15 Millionen km2 Land sind bereits ausgelaugt oder zur Wüste geworden, und jedes Jahr kommen eine Million km2 hinzu. 2024 war das wärmste Jahr seit 120 000 Jahren, mit einem Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre um 3,6 ppm (der höchste jemals in einem Jahr gemessene Wert) auf 425,38 ppm und mit Temperaturen, die 1,5 °C über den Werten der vorindustriellen Zeit lagen. Ohne radikale Veränderungen werden wir zweifellos vor 2050 eine Erwärmung von 2 °C überschreiten. Wir müssen also feststellen, dass die 1992 in Rio de Janeiro unterzeichneten Verträge gegen Klimadestabilisierung, Verlust der biologischen Vielfalt und Wüstenbildung ebenso gescheitert sind wie das Pariser Abkommen von 2015 (mit dem die globale Erwärmung auf 1,5 °C begrenzt werden sollte) und die im selben Jahr verabschiedeten 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, (SDG).

 

COP 30 in Brasilien

Foto: Bruno Cecim/Agência Pará (beschnitten)

Die politische Dynamik verschärft das katastrophale Umweltszenario. Nationalistischer Konservatismus, religiöser Fundamentalismus und Neofaschismus sind durch die Polarisierung gegen die globalistische Ordnung auf dem Vormarsch. Seit 2008 erlebt die Wirtschaft gleichzeitig stattfindende Prozesse der Bekräftigung und Radikalisierung der neoliberalen Orthodoxie und des wachsenden Protektionismus; die Pandemiekrise, selbst ein Ergebnis des Ungleichgewichts im Stoffwechsel zwischen Natur und Gesellschaft, hat die globalen Produktionsketten empfindlich gestört. Das Großkapital und die Großmächte setzen verstärkt auf technologische Innovation, vor allem auf extrem energieintensive digitale Technologien wie die Künstliche Intelligenz, aber auch auf fragwürdige Technologien zur Bindung von Kohlendioxid, um die Aufrechterhaltung des fossilen Status quo zu rechtfertigen. Geopolitische Verwerfungen verschärfen die Konflikte zwischen imperialistischen und subimperialistischen Mächten und führen zu verheerenden Kriegen; die Militärausgaben schießen überall in die Höhe. Die Gier der Weltwirtschaft nimmt noch zu, und unter dem Druck von Neoextraktivismus und Neokolonialismus bilden sich an der Peripherie des Systems Zonen, in denen ganze Völker und Landstriche geopfert werden. Sie wollen, dass alles privatisiert wird und dass in der internationalen Umweltpolitik einzig und alleine die Interessen der internationalen Finanzwelt zählen, indem „Kohlenstoffmärkte“ geschaffen werden. Nichts davon trägt zur Bewältigung der Umweltkrisen bei; selbst die zuvor vereinbarten Maßnahmen zur „Energiewende“ haben sich als äußerst anfällig erwiesen.

Mit der Rückkehr von Trump in das Weiße Haus haben sich Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz mit Fossilismus und Wissenschaftsleugnung verbunden und bestimmen nun die Politik im Herzen des Kapitalismus. Die neue US-Regierung droht bereits damit, territoriale Annexionen mit der „großen Keule“ voranzutreiben, und deutet damit an, dass sie wie ein Staat „außerhalb des Gesetzes“ handeln wird, was im Widerspruch zur internationalen Rechtsordnung steht, die Washington nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen hat. Trump hat die USA erneut aus den Klimaabkommen zurückgezogen; er kämpft gegen alle Maßnahmen zur Energiewende und verspricht die unbegrenzte Ausweitung der Gewinnung fossiler Brennstoffe. Im Kampf gegen die heutigen Formen des Faschismus ist der eher klassische antiimperialistische Kampf untrennbar mit den Umweltkämpfen verbunden.

Jahr um Jahr häufen sich aufsehenerregende Katastrophen: Derna in Libyen, Porto Alegre in Brasilien und Valencia in Spanien sind bloß die jüngsten Beispiele. Am stärksten betroffen sind die Bevölkerung auf dem Land und an der Peripherie der Großstädte, die Armen, die Frauen, die Kinder, die älteren Menschen, die Rassifizierten, diejenigen, die sich am wenigsten wehren können. Luftverschmutzung ist weltweit die zweithäufigste Todesursache, sie fordert jährlich mehr als acht Millionen Menschenleben.

Obwohl die große Dürre, die 2023/24 das Amazonasgebiet heimgesucht hat, in den Medien wenig Beachtung fand, hat sie dramatische Konsequenzen für die gesamte Menschheit: Dieses für das Erdsystem strategische Biom, das durch die Abholzung ohnehin geschwächt ist, hat sich dadurch dem ihrem „Kipppunkt“ genähert, an dem der Wald untergeht. Einige führende Klimawissenschaftler:innen haben ihren Bericht über den Zustand des Klimas im Jahr 2024 mit dem Titel „Perilous times on planet Earth“ (Gefährliche Zeiten auf dem Planeten Erde) versehen. Wir können uns ihren besorgniserregenden Diagnosen und Warnungen nur anschließen.

Die am besten informierten Teile der Bevölkerung wissen, dass das „System“ Stürme sät; kritische Menschen wissen, dass der Übeltäter einen Namen hat: Kapitalismus. Die Ausbeutung zum Zweck der Akkumulation, das Streben nach Profit um jeden Preis und das Wertgesetz haben ein Ausmaß erreicht, das mit dem Respekt vor den natürlichen Abläufen des Lebens und den Grenzen der natürlichen Systeme des Planeten nicht mehr vereinbar ist. Grüner Kapitalismus ist nicht möglich. Entfesselte Märkte und vom „Business“ bestochene Regierungen haben uns diese Katastrophe eingebrockt.

Der heutige Antikapitalismus hat einen Namen: Ökosozialismus. Für die Zivilisation und für die Biosphäre der Erde gibt es eine Zukunft, ohne dass die sozio-ökologischen Kämpfe mit einer neuen Form der sozialistischen Organisation der Menschheit verbunden werden. Um dieses Projekt voranzutreiben, müssen die politische Unabhängigkeit der Ausgebeuteten und Unterdrückten zurückerobert und die sozialen, Umwelt- und antiimperialistischen Kämpfe auf qualitativ neue Ebenen hinsichtlich Kohärenz, Organisierung und Globalisierung angehoben werden.

Dafür bietet die COP 30 in Belém im kommenden November eine einzigartige Gelegenheit. Das Ereignis wird in Brasilien unter der Regierung Lula in einer Großstadt im Regenwald des Amazonas stattfinden. Alle sozialen Bewegungen in Brasilien bündeln bereits ihre Kräfte, um im Vorfeld und parallel zur COP 30 einen Gipfel der Völker zu organisieren. Da es an offenen und gemeinsamen Räumen fehlt, wo sich alle sozialen Bewegungen (wie seinerzeit bei den Weltsozialforen) treffen und austauschen können, richten sich die Hoffnungen nun auf Belém.

Die Voraussetzungen dafür sind äußerst günstig. Das Amazonasgebiet ist die einzige Region, die traditionell regelmäßige, alle zwei Jahre stattfindende Panamazonische Sozialforen (Fóruns Sociais Panamazônicos, FOSPA) abhält; das 10. FOSPA fand im Jahr 2022 in Belém statt, das 11. im Jahr 2024 in Rurrenabaque in Bolivien. Zusammen mit der Weltversammlung für das Amazonasgebiet (Assembleia Mundial pela Amazônia, AMA), dem Panamazonischen Kirchlichen Netzwerk (Rede Eclesiástica Panamazônica, REPAM) und der Koordination der indigenen Organisationen des Amazonasbeckens (Coordenação da Organizações Indigênas da Bacia Amazônica, COICA) haben die FOSPAs eine länderübergreifende Dynamik indigener und sozialer Bewegungen in der Region in Gang gesetzt und dabei von gegenseitigem Vertrauen getragene Beziehungen und einen gemeinsamen Plan zur radikalen Bekämpfung des Extraktivismus und der damit einhergehenden Gewalt entwickelt. Und sie haben Verbindungen mit der globalen Klimabewegung geknüpft.

Im Juni 2024 hat das 11. FOSPA „einen Aufruf aus dem Amazonasgebiet für das Leben angesichts des klimatischen und ökologischen Kollapses“ (um chamado da Amazônia para construir um Acordo para a vida em face do colapso climático e ecológico) ausgearbeitet, der von dem klassischen Slogan der Klimabewegung „System change, not climate change“ ausgeht und zu einem weltweiten Bündnis zur Verteidigung des Klimas und des Lebens auf der Grundlage eines Zehn-Punkte-Programms aufruft. Dieses Bündnis hatte sich bereits im August 2023 beim Gipfel der Präsidenten aus der panamazonischen Region in Belém getroffen. Weitere Treffen fanden im August 2024 anlässlich der COP 16 zur biologischen Vielfalt in Yasuní (Peru), im Oktober in Cali (Kolumbien) und im November in Rio de Janeiro statt, wo ein Vorschlag für eine Übereinkunft unter den Bewegungen des Regenwalds vorgelegt wurde. Für Ende Mai 2025 ist ein internationales Seminar in São Paulo geplant, um den Weg für Belém endgültig festzulegen. Außerdem hat das 1. lateinamerikanische ökosozialistische Treffen, das zeitgleich mit dem 6. internationalen ökosozialistischen Treffen im Mai 2024 in Buenos Aires stattfand, seinen nächsten Termin unmittelbar vor der COP 30 in Belém festgelegt. Wir werden versuchen, in einem autonomen Raum in Belém den Gipfel der Völker, die sozialen und politischen Konflikte und die Initiativen zur Verknüpfung, die für den Wiederaufbau einer starken globalen Klimabewegung notwendig sind, zur Sprache zu bringen.

Der offene Raum für die sozialen Bewegungen in Belém bietet auch die Gelegenheit, eine andere strategisch wichtige Initiative zu behandeln, nämlich die Abhaltung von antifaschistischen Treffen; angesichts des Amtsantritts der Regierung Trump und ihrer reaktionären nationalistischen Politik ist das dringlicher denn je. Die erste antifaschistische Konferenz, die ursprünglich für Mai 2024 in Porto Alegre geplant war, musste aufgrund der Klimakatastrophe, durch die der gesamte Bundesstaat Rio Grande do Sul zerstört worden ist, aufgeschoben werden. Sie ist aber notwendiger denn je. Sie in diesem Jahr abzuhalten, würde die Kräfte zersplittern, die in Belém zusammenkommen sollten. Wir sollten Belém jedoch nutzen, um eine Vor-Konferenz zu organisieren, die als Hebel für die Durchführung der Ersten Internationalen Antifaschistischen Konferenz im ersten Halbjahr 2026 dienen kann.

Was die COP 30 betrifft, so darf man sich keine Illusionen darüber machen, was die internationalen Verhandlungen zwischen den Staaten unter den gegenwärtigen Bedingungen ergeben werden. Trumps Siege in den USA und das Wachstum der extremen Rechten in der Europäischen Union haben den Fossilismus verstärkt. Ein Abkommen, das die nationalen Emissionsziele aktualisieren oder den Prozess der Klimaverhandlungen (der zunehmend als untrennbar mit den Verhandlungen über Biodiversität und Wüstenbildung wahrgenommen wird) neu bewerten würde, kann also nicht erwartet werden. Die erste Aufgabe für Arbeiterbewegungen und Initiativen besteht darin, die sozio-ökologischen Kämpfe zu einer internationalen Bewegung zusammenzuführen, die in der Lage ist, die Auseinandersetzungen auf eine qualitativ höhere Ebene zu heben.

      
Mehr dazu
Dokumente des 18. Welt­kon­gresses (2025)
 

Wir dürfen nicht unterschätzen, welche Schwierigkeiten bevorstehen. Belém ist nicht Porto Alegre, und die COP 30 ist kein Weltsozialforum (WSF). Diese Stadt ist hat eine der prekärsten städtischen Infrastrukturen von allen Hauptstädten der brasilianischen Bundesstaaten, die dortigen Hotels sind von der brasilianischen Regierung bereits für die COP 30 reserviert worden. Lula hat den Botschafter André Corrêa do Lago, einen erfahrenen Klimaverhandler, bereits zum Präsidenten der COP ernannt, aber er wird durch das ungünstige Kräfteverhältnis innerhalb der brasilianischen Bundesexekutive, in der die Agrarindustrie, der Fossilismus und der Extraktivismus einen entscheidenden Einfluss haben, behindert werden. Die Regierungen der Union, des Bundesstaates Pará und der Gemeinde Belém sind auf einer Linie und haben bereits angedeutet, dass sie versuchen werden, die soziale Beteiligung während der COP gering zu halten. Aber wir setzen uns keine unmöglichen Ziele: Belém war bereits 2009 Gastgeber eines Weltsozialforums mit mehr als 100 000 Teilnehmer:innen. Die sozialen Bewegungen von Belém und Panamazonien werden alle willkommen heißen, die kommen werden, um sich mit ihren Kämpfen, die für die ganze Welt von strategischer Bedeutung sind, solidarisch zu zeigen.

Die Mitglieder der Vierten Internationale in Brasilien, die in unterschiedlichen Organisationen aktiv sind, müssen ihre Kräfte bündeln und im Einklang mit Genoss:innen in anderen Ländern dafür sorgen, dass der Gegengipfel in Belém ein offener Raum für politischen Austausch und die Vorbereitung von Kampagnen bietet. Wir müssen unser Manifest des revolutionären Marxismus im Zeitalter der kapitalistischen ökologischen und sozialen Zerstörung konkretisieren. Das Treffen in Belém könnte einen qualitativen Sprung des Kampfs von Massen in Gang setzen, das ist die einzige Form, um den ökologischen, sozialen und antiimperialistischen Kämpfen, dem ökosozialistischen Kampf eine neue Dynamik zu verleihen.

28. Februar 2025
Vom Weltkongress gebilligt



Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von die internationale Nr. 2/2025 (März/April 2025) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz