Diese Resolution zur Weltlage wurde vom 18. Weltkongress mit 109 Ja-Stimmen, 12 Nein-Stimmen, 7 Enthaltungen bei 4 Nichtteilnahmen angenommen.
18. Weltkongress – 2025
Inhalt
Einleitung
I/ Eine multidimensionale weltweite Krise
1.1. Was zeichnet die aktuelle Vielfachkrise aus?
1.2. Die Krisen verstärken sich gegenseitig: Kriege, soziale Reproduktion und Algorithmen
1.3 Die wirtschaftliche und soziale Lage
II/ Die extreme Rechte bedroht die „neoliberalen Demokratien“, Arbeiter:innen und Unterdrückte
III/ Die Arbeiter:innen, die unterdrückten Schichten und die Völker der Welt reagierten mit Mobilisierungen. Was nun?
IV/ Eine Ära von Kriegen und schnellen geopolitischen Veränderungen. Auf dem Weg zu einer Neukonfiguration der internationalen Ordnung
4.1. Kriege und geopolitische Spannungen nehmen zu
4.2. USA: der Hegemon in der Krise versucht, sich wieder neu zu etablieren
4.3. Das Wesen des heutigen China
4.4. Das imperialistische Russland
4.5. Europa: der alte Kontinent im Niedergang und Konflikt
4.6. Verallgemeinerte Instabilität
V/ Das Aufkommen des „Campismus“
VI/ Die zentralen Forderungen in diesen Zeiten
Vor vier Jahren war es noch unmöglich vorherzusagen, wie schnell die Vielfachkrise oder das Zusammenlaufen der kapitalistischen Krisen an Geschwindigkeit gewinnen würde. Donald Trump ist gestärkt in die Regierung des hegemonialen Imperialismus zurückgekehrt, diesmal mit einem offen neofaschistischen oder „rein“ postfaschistischen Kabinett und Projekt: das „Project 2025“ der Heritage Foundation (einer der ältesten und am besten finanzierten Think Tanks der extremen Rechten der USA), das von der trumpistischen Republikanischen Partei übernommen wurde. Es repräsentiert die radikalsten Sektoren des US-Kapitals – in Bezug auf neoliberalen Libertarismus und Verachtung für die Institutionen der ältesten bürgerlichen Demokratie: namentlich Big Tech, Krypto-Finanz, Risikokapital und die Fossilindustrie, zu der – heute lukrativer denn je – die Rüstungsindustrie hinzukommt.
![]() Feuer in Palisade (Los Angeles) 7. Januar 2025, Foto: PTZ Camera / Toastt21 |
Angesichts der Tiefe und Gewalt ihrer bislang auf nationaler und internationaler Ebene umgesetzten Maßnahmen wird die US-Regierung unter Trump und Musk zu einem „Sprengsatz“ der maximalen Verschärfung aller Krisen der „Vielfachkrise“, auf die wir in diesem Dokument hinweisen. Sie ist ein Wendepunkt, der eine neue Ära in der Welt einleitet, der noch turbulenter, gefährlicher und unvorhersehbarer ist. Trump 2.0 versucht, den relativen Niedergang der amerikanischen Hegemonie in den letzten Jahrzehnten zu bekämpfen, indem er einen weltweit expandierenden, rekolonisierenden, plündernden und schwächere annektierenden Kurs entwirft, der die USA in die Situation der Hegemonie ohne Konkurrenten wie in der unmittelbaren Nachkriegszeit zurückversetzen soll. Dieses unmögliche Ziel ist die nationale und internationale Bedeutung von MAGA.
Trump verursacht in seiner zweiten Amtszeit viel aktiver Schaden für amerikanische Beschäftigte und alle Menschen, für die Geopolitik, die Weltwirtschaft und das internationale Kräfteverhältnis als mit seiner ersten Regierung. Jeder ist sein Feind: China zuallererst, die UNO mit all ihren Institutionen der globalen Ordnung der letzten 80 Jahre, dann die BRICS und jede souveräne Regierung auf seinem Weg. Ganz zu schweigen von den amerikanischen bürgerlich-demokratischen Institutionen, denen er einen beispiellosen Wandel aufzwingen will.
Mit einem überzeugenden Wahlsieg, der Kontrolle des Kongresses und des Obersten Gerichtshofs, einer Ministerriege aus Falken und unqualifizierten, aber loyalen Milliardären meint Trump es ernst, wenn er droht, den Panamakanal wieder zu übernehmen, Grönland zu erobern und Kanada zu annektieren, und ebenso den expliziten Plan, Gaza wegzufegen und seine Bewohner nach Ägypten und Jordanien zu exportieren, die israelische Kolonisierung der Westbank zu unterstützen, nachdem er einem widerwilligen, aber völlig unterwürfigen Netanjahu den jüngsten Waffenstillstand aufgezwungen hat. Seine Regierung führt bereits erniedrigende und mediengerechte Abschiebungen durch (lateinamerikanische und indische Arbeitsmigranten, die als Banditen bezeichnet werden, kommen in Ketten in ihren Ländern an).
Der globale Führer der Klimaleugner, Trump 2.0, hat umfassende Anreize für die Exploration und Ausbeutung fossiler Brennstoffe angekündigt (Drill, Baby, drill!), hat bereits die EPA (die US-Umweltbehörde) zerstört und die Streichung der Finanzierung für alle Programme angeordnet, mit denen die USA bei Umweltschutzprojekten im Ausland zusammengearbeitet haben. Die Ablehnung selbst des „grünen Kapitalismus“ durch diese neuen imperialistischen Fraktionen an der Macht betrifft den Wettbewerb mit China, das bei alternativen Technologien zu fossilen Brennstoffen (Wind-, Solar- und Elektromobilität) dominiert. Künstliche Intelligenz, auf die sie setzen, um die Chinesen am schnellsten zu überholen, erfordert gigantische Energieressourcen und die Kontrolle über Bodenschätze.
Um Amerika an die Spitze zu bringen („America First“), brauchen die Neofaschisten, die jetzt von wesentlichen Sektoren des US-Kapitals unterstützt werden, die Leugnung des Klimawandels und absolute Verachtung für die schrecklichen Bedrohungen, die eine ökologische Katastrophe für das Leben von Hunderten von Millionen unschuldiger Menschen darstellt, genauso wie sie Hass auf diejenigen brauchen, die anders sind, auf diejenigen, die Widerstand leisten, auf Frauen, auf LGBTQIA+. Sie brauchen die männlich-frauenfeindliche Überbetonung der Gewalt als Mittel, um sich durchzusetzen, den Wunsch, China, Russland, Europa und die ganze Welt zu unterwerfen. Aber vor allem müssen sie die Gewerkschafts-, Studierenden- und Bürgerbewegungen, die feministischen, schwarzen und indigenen Bewegungen, pro-demokratische NGOs und sogar die kritische US-Unternehmerpresse besiegen.
Das trumpistische Projekt drückt auch aus, dass die Fraktionen des imperialistischen Kapitals, die er vertritt, um jeden Preis – selbst auf Kosten des Abbaus des amerikanischen Staates und des Endes jeglicher Überreste von Sozial- und Gleichstellungspolitik – die demografische Transformation der USA in eine rassisch, politisch, sexuell und religiös vielfältige Nation und die daraus resultierende politische Bedrohung der politischen und wirtschaftlichen Elite der weißen protestantischen Mittel- und Oberschicht (Wasp) verhindern müssen. Wie Analysten von Black Lives Matter betonen, ist dies eine strategische Reaktion auf die Gefahr, dass die US-Bevölkerung nicht länger mehrheitlich weiß, protestantisch oder angelsächsisch sein wird, genau wie es jetzt schon in Kalifornien der Fall ist (einschließlich Latinos, Afroamerikanern, gemischtrassigen, Asiaten und Ureinwohnern).
Trumps Sieg hat rechtsextreme Bewegungen in kapitalistischen Zentren und peripheren oder halbperipheren Ländern stimuliert. Die Menschen, die unter Trump am unmittelbarsten vom hegemonialen Imperialismus bedroht sind, sind die Menschen im Nahen Osten, angefangen bei den Palästinensern. Die neue US-Regierung wird nun zusammen mit der völkermörderischen Netanjahu-Regierung zur Vorhut der globalen extremen Rechten, mit voller Unterstützung für das koloniale Projekt des zionistischen Staates. Israel führt eine massive Terrorkampagne in einem asymmetrischen Krieg, was ein qualitativer Sprung im 75-jährigen Krieg der Apartheid, Kolonisierung und ethnischen Säuberung ist. Das erste Ziel ist es, das palästinensische Volk durch die Entmenschlichung der Palästinenser:innen und eine Überlegenheitsideologie auszurotten. Aber in einem Land nach dem anderen werden Flüchtlinge und Migrant:innen, Umweltaktivist:innen, Aktive der Palästina-Solidarität und andere Opfer repressiver Maßnahmen, die von rechten (und anderen) Regierungen ergriffen werden und sich formal gegen angebliche „terroristische“, „kriminelle“ und „antisemitische“ Bedrohungen richten.
Die Regierung Trump 2.0 zielt auch darauf ab, den Iran weiter zu isolieren und ihn zusammen mit Israel anzugreifen – eine der Erklärungen für die Versuche der USA, China von Russland zu trennen und separate Vereinbarungen mit Modis Indien zu treffen, mit einem Wort, um die derzeit fragilen BRICS zu spalten. Im Nahen Osten könnte eine Neutralisierung Putins, derart dass er sich im Austausch für einen prorussischen Frieden im Ukraine-Krieg nicht in dieser Region einmischt, ein neues und blutigeres Kapitel im US-israelischen Expansionskrieg gegen den Iran bedeuten.
In Westeuropa hatten die Auswirkungen von Trump, seine Drohungen, Zölle und Erpressungen Macron bereits unter Druck gesetzt, die französischen Militärausgaben auf die von den USA geforderten 5 Prozent anzuheben. Die Drohungen des US-Imperialismus gegen Grönland sind in erster Linie eine Bedrohung für die grönländische Bevölkerung, die in ein Netz imperialistischer Konkurrenz gerät, das sie sich nicht ausgesucht hat. Aber es ist auch eine Bedrohung für die Welt, die durch die gierige Ausbeutung der Reichtümer Grönlands und die Militarisierung der fragilen Arktis gefährdet ist. Ein einziger Unfall wie der im Golf von Mexiko im Jahr 2010 könnte irreversible Schäden für die Weltmeere bedeuten. Ebenso könnte sich eine militärische Auseinandersetzung in der Arktis als fatal für die globalen Ökosysteme erweisen. Kurz- und mittelfristig droht eine Intensivierung der allgemeinen Aufrüstung.
Da sich der wirtschaftliche und geopolitische Wettbewerb zwischen den USA und China unter Trump verschärft, wird die Welt noch stärker militarisiert werden; die nukleare Bedrohung wird zunehmen und Konflikte und Spannungen werden sich im Zuge der durch das neue imperialistische Projekt verschärften Widersprüche vervielfachen. Nichts wird ohne erhebliche Widersprüche geschehen. Wie wollen sie die US-Wirtschaft von der chinesischen Produktionsmaschine abkoppeln? Wenn der Hauptfeind China ist – so fragt die New York Times – warum dann gegen denjenigen kämpfen, die Verbündete gegen China sein könnten (gemeint sind Indien, Europa und die Nachbarländer Mexiko und Kanada)? Warum der allgemeine Zollkrieg, der die Inlandspreise erhöhen wird? Wenn der Klimakollaps das Potenzial hat, einen großen Teil der Menschheit auszulöschen, warum ihn dann vorantreiben?
Das liegt in der Natur des Kapitals im Allgemeinen und dieser Sektoren im Besonderen: Angesichts eines beispiellosen Rückgangs des Wachstums und ihrer Profit- und Akkumulationsraten nach 2008 wählen sie den ultraliberalen, kriegerischen und faschistischen Ausweg. Angesichts der Unmöglichkeit, Manager eines Systems zu bleiben, das außergewöhnliche Gewinne für das Kapital auf allen Seiten garantiert, entscheiden sie sich, sich um sich selbst zu kümmern und der Welt ihre Regeln aufzuzwingen. Ein globales Veränderungsprojekt von dieser Größenordnung und Virulenz kann nicht ohne nennenswerten Widerstand durchgesetzt werden.
Auch wenn den Ausgebeuteten soziale und politische Alternativen der revolutionären Linken fehlen, werden sich Konflikte von allen Seiten verschärfen. Die Mitglieder und Sympathisant:innen der Vierten Internationale müssen auf dieses unsichere und schwierige Szenario mit revolutionärem Verständnis und Handeln reagieren. Die multidimensionale Krise des Kapitalismus mit seinen Monstern – eines davon im Weißen Haus – bringt den Planeten näher an den Zusammenbruch und die Menschheit näher an die Ausrottung. Unsere große Aufgabe ist es, an der Schaffung der erforderlichen Notbremse mitzuwirken.
Die bedeutenden Probleme der Menschheit sind so international wie nie zuvor. Die kapitalistische Krise ist für die menschliche Gesellschaft und die Erde multidimensional geworden. Es gibt eine dialektische Verknüpfung der verschiedenen Bereiche, ohne Rangordnung, zwischen (a) der Umweltkrise – die seit einigen Jahren immer extremere Klimaphänomene hervorbringt und die Fristen für Maßnahmen zur Sicherung des Überlebens der Menschheit auf der Erde verkürzt, (b) der anhaltenden wirtschaftlichen Stagnation und ihren sozial zersetzenden Folgen, (c) dem Vormarsch der extremen Rechten auf dem von den Demokratien und neoliberalen Regierungen in der Krise eröffneten Weg, (d) der Verschärfung des Streits um die Hegemonie im zwischenstaatlichen System zwischen den Vereinigten Staaten und China; (e) die gefährliche Vervielfachung und Intensivierung von Kriegen.
Die Krise der neoliberalen Globalisierung hat eine neue Phase in der Geschichte des Kapitalismus eingeleitet. Eine Periode, die sich qualitativ von der unterscheidet, die wir seit der Etablierung der neoliberalen Globalisierung Ende der 1970er Jahre erlebt haben, und die insbesondere aus der Sicht des Klassenkampfs und des Kampfs zwischen den Staaten konfliktreicher ist als diejenige, die vor 33 Jahren mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der bürokratischen Regime Osteuropas begann.
1.1. Was zeichnet die aktuelle Vielfachkrise aus?
Es gibt zwei wesentliche Unterschiede zwischen der gegenwärtigen Lage und dem Zusammenlaufen der Krisen zu Anfang des 20. Jahrhunderts (der „Ära der Katastrophen“ 1914–1946). Die unmittelbar bedrohlichste Seite dieser multidimensionalen Krise ist die ökologische Krise, die durch zweihundert Jahre räuberischer kapitalistischer Akkumulation verursacht wurde.
Die kapitalistische Wirtschaft auf Grundlage der Verbrennung fossiler Energieträger und dem zunehmenden Konsum von Fleisch und hochverarbeiteten Lebensmitteln verschlimmert die Klimakrise rasch, was die Zukunft der Menschheit auf dem Planeten gefährdet. Das Schmelzen der Pole und Gletscher beschleunigt den Meeresspiegelanstieg und die Wasserkrise. Agrarindustrie, Bergbau und die Förderung von Kohlenwasserstoffen dringen – oft trotz Widerstand – in Tropenwälder vor, die essenziell für die Erhaltung der Klimasysteme und der biologischen Vielfalt unseres Planeten sind. Die Auswirkungen der Klimakrise werden weiterhin heftig spürbar sein, Infrastruktur und landwirtschaftliche Systeme zerstören, Lebensgrundlagen vernichten und massive Vertreibungen auslösen.
Nichts von alledem wird ohne Zuspitzung gesellschaftliche Konflikte geschehen.
Ein zweites Element (ganz anders als vor hundert Jahren) ist das Fehlen revolutionärer Massenalternativen. Das Problem, dass keine in den Augen der Massen glaubwürdige Alternative zum Kapitalismus existiert, keine antikapitalistische Kraft oder Koalition wirtschaftliche und soziale Revolutionen anführt, wird in einer Zeit immer schnellerer Veränderungen drängender. Während der Kapitalismus und sein zwischenstaatliches System zunehmend instabil werden, sind gleichzeitig soziale Bewegungen und die Linken von erheblicher politischer und ideologischer Fragmentierung betroffen.
1.2. Die Krisen verstärken sich gegenseitig: Kriege, soziale Reproduktion und Algorithmen
Eine multidimensionale Krise ist nicht einfach eine Summe von Krisen, sondern eine dialektisch artikulierte Verknüpfung. Jeder Bereich wirkt sich auf die anderen aus und wird von ihnen beeinflusst. Die Verbindung zwischen dem Krieg in der Ukraine (vor dem Ausbruch des Palästina-Konflikts) und der wirtschaftlichen Stagnation hat die kritische Ernährungssituation der Ärmsten der Welt verschärft, mit über 250 Millionen mehr Hungernden als vor zehn Jahren (2014–2023). Der Strom von Menschen, die durch Kriege, Klimawandel, die Nahrungsmittelkrise und die Ausbreitung repressiver Regime vertrieben werden, nimmt zu, insbesondere in den ärmsten Ländern.
Man kann die zunehmenden regionalen und internationalen militärischen Spannungen sowie die rasche Militarisierung von Regierungsreden und -budgets oder das jüngste Wachstum der Rüstungsindustrie nicht erklären, ohne diese Verschärfung des Wettbewerbs auf den globalen Märkten, die Intensivierung des neokolonialen Extraktivismus und den Kampf um strategische Mineralien (sei es für die Produktion von Elektrofahrzeugen oder der neuesten Waffengeneration oder zur Versorgung der digitalen Wirtschaft und des Monsters der künstlichen Intelligenz) zu berücksichtigen. Keine Region des Planeten ist frei von hohen Spannungen: der Nahe Osten, das Chinesische Meer und Afrika sind gute Beispiele dafür. Auch die Abfolge der Ökozide auf den fünf Kontinenten und in allen Meeren lässt sich nicht erklären, wenn sie nicht mit dieser Verschärfung der zwischenkapitalistischen und zwischenimperialistischen Konkurrenz zusammenhängt, die einmal mehr zeigt, dass die Rüstungswirtschaft – insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg – ein konstituierendes und dauerhaftes Element des Imperialismus in all seinen Formen, Geografien und Zeiten ist.
Der Klimawandel, die Verarmung des Bodens, die Aneignung der fruchtbarsten Gebiete durch die Oligarchien, der Rückgang des Anteils der Lohnabhängigen am Volkseinkommen, die Verschlechterung und Streichung von Diensten der Grundversorgung (Gesundheit, Bildung, Wasser usw.) durch die neoliberalen Staaten haben zu einer Zunahme der Ungleichheit zwischen den Individuen geführt – vor allem aber zu einer größeren Kluft beim Zugang zu Einkommen, Gütern und Reichtum zwischen Ländern, sozialen Klassen, Bevölkerungsgruppen und Völkern sowie zwischen Männern und Frauen, rassifizierten Menschen und anderen.
Die katastrophalen Umwelt- und Wirtschaftsaussichten haben bedeutende Teile des Bürgertums in verschiedenen Ländern dazu veranlasst, das Projekt der formalen Demokratie als besten Weg zur Erzielung steigender Gewinne aufzugeben. Immer wichtigere Wirtschaftszweige gehen dazu über, autoritäre Alternativen innerhalb liberaler Demokratien zu unterstützen, was zum Erstarken rechtsfundamentalistischer Bewegungen und zu einer zunehmenden Zahl rechtsextremer Regierungen auf allen Kontinenten führt. Es gibt einen Bruch – dessen Dauerhaftigkeit noch nicht abzusehen ist – zwischen den bürgerlichen Fraktionen innerhalb der verschiedenen Länder, wobei sich ein Teil der herrschenden Klasse der extremen Rechten zuwendet und ein anderer Teil am bürgerlich-demokratischen Projekt festhält. Das bemerkenswerteste Beispiel für diese Spaltung zwischen den kapitalistischen Fraktionen ist die Polarisierung zwischen dem Trumpismus (der die Republikanische Partei im Sturm erobert hat) und der Demokratischen Partei in den Vereinigten Staaten.
Die Ausweitung des hyperindividualistischen neoliberalen sozialen Umgangs in Verbindung mit der Nutzung sozialer Netzwerke durch die extreme Rechte und jetzt auch der künstlichen Intelligenz (KI) fördert die Entpolitisierung, die Fragmentierung der Arbeiterklasse und den Konservatismus. Die digitalen Technologien wirken sich nicht nur auf die Beschäftigung und die Organisation der Lohnempfänger aus, sondern tragen auch dazu bei, die Unterordnung und Anpassung der kleinen und mittleren Landwirte, die als Hauptproduzenten von Nahrungsmitteln in der Welt gelten, zu vertiefen, wenn nicht sogar ihre Zahl direkt zu reduzieren. Der heutige neoliberale Kapitalismus führt digitale Geräte und Algorithmen als neue Produktivkräfte ein, was zunehmend zur Arbeit auf digitalen Plattformen – manchmal als „Plattformökonomie“ oder „Uberisierung“ bezeichnet, von der bereits mehr als zweihundert Millionen Beschäftigte erfasst sind – und zu sozialen Beziehungen führt, die ausschließlich durch den Markt vermittelt werden.
Auf der anderen Seite stürzt das System Frauen, insbesondere Arbeiterinnen, und, was noch schwerer wiegt, rassifizierte Frauen (Afroamerikanerinnen, Roma, Nachkommen indigener Völker, Afrikanerinnen und Südasiatinnen im Globalen Norden) in ein Dilemma zwischen (schlechtem) Überleben und Gegenwehr, indem es die Reste der Wohlfahrtsstaaten immer wieder gewaltsam angreift und die Superausbeutung von Industrie- und Dienstleistungsarbeitskräften und insbesondere von Pflege- und sozialer Reproduktionsarbeit erzwingt. Der Neoliberalismus hält Frauen in der formellen Erwerbsarbeit (im Norden) oder in weniger strukturierten und informelleren Formen (weltweit, aber insbesondere im Globalen Süden), wodurch die Löhne und Einkommen derjenigen, die in der Lohnarbeit tätig sind (ob in der Industrie, im Dienstleistungssektor oder im Handel), weiter sinken. Die Ideologie der Rückkehr zur traditionellen Familie, die Bestandteil der neoliberalen Matrix ist und bis in den rechtsextremen Fundamentalismus hineinreicht, dient dazu, allen berufstätigen Frauen die Aufgabe der Betreuung von Kindern, Alten, Kranken und Behinderten aufzubürden; Diese Art von Arbeit wurde früher, insbesondere in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern, vom Wohlfahrtsstaat abgedeckt, leidet aber heute unter brutalen Kürzungen.
Die Bildung von geopolitischen Blöcken hat auch Auswirkungen auf die Sexualpolitik: US-Verbündete wie Taiwan und Thailand führen die gleichgeschlechtliche Ehe ein, während China frühere Fortschritte für LGBTQI+-Menschen wieder rückgängig macht, und ein US-Gegner wie der Iran fördert eine Achse, die der sexuellen Emanzipation feindlich gegenübersteht (obwohl es auch Mitglieder des von den USA geführten Blocks gibt, vom Vatikan bis zum saudischen Königreich, die in diesem Bereich ebenso reaktionär sind).
Angesichts der Krise der sozialen Reproduktionsnetze, die in den neokolonialen Ländern stärker ausgeprägt ist als in den Metropolen, domestiziert die neoliberale Gesellschaft die Pflegeaufgaben (Rückverlagerung in die Familie) und rassifiziert sie (Übertragung an Nicht-Weiße, Schwarze, indigene Frauen, Immigrant:innen), ohne jedoch die Verantwortung für die soziale Reproduktion als Ganzes zu übernehmen.
1.3 Die wirtschaftliche und soziale Lage
Wir leben immer noch unter den Auswirkungen der enormen Wirtschaftskrise, die durch den Finanzcrash von 2008 ausgelöst wurde, die schon ein Jahr zuvor begann und in eine weltweite Rezession führte. Diese Art des neoliberalen kapitalistischen Funktionierens kann die Wachstums-, Gewinn- und Akkumulationsraten der späten 1980er und 1990er Jahre nicht mehr garantieren. Zweitens erschüttert die geopolitische Polarisierung, die durch Kriege und den Aufstieg des reaktionären Nationalismus verschärft wird – immens verstärkt durch die Regierung Trump 2.0 – die überinternationalisierten Wertschöpfungsketten, die Produktion und den internationalen Handel.
Die neoliberale Globalisierung steckt in der Krise. Keine der großen Schwierigkeiten des neoliberalen Kapitalismus hat jedoch dazu geführt, dass sich der – vom Finanzkapital angeführte – finanzialisierte Charakter geändert hat, der den Reichtum auf die Konten von immer weniger Unternehmen und Einzelpersonen konzentriert und gleichzeitig immer mehr Menschen in die Armut stürzt. Obwohl sie sich in einer Krise befinden, produzieren das Kapital und sein neoliberales Wirtschaftssystem weiterhin Ungleichheit zwischen Ländern, Regionen und innerhalb von Ländern. Allein im Jahr 2024 hat das System 204 neue Milliardäre geschaffen, während die Zahl der Menschen, die mit weniger als 6,85 US-Dollar pro Tag in Armut leben, seit den 1990er Jahren unverändert bleibt. Im Jahr 2023 zogen die reichsten 1 % der imperialistischen Länder 30 Millionen US-Dollar pro Stunde aus den abhängigen oder halbkolonialen Ländern – ein Ergebnis vor allem des Finanzsystems, das den Regierungen der Welt skrupellose Anpassungsprogramme, Verschuldung, Lohnkürzungen, Abbau sozialer Rechte und die Kommodifizierung der Landwirtschaft aufzwingt.
Die Digitalisierung der Produktions- und Konsumprozesse, die seit 30 bis 40 Jahren andauert und die Grundlage der sogenannten neoliberalen Umstrukturierung der Produktion war, wird nun durch die beschleunigte Einführung von KI intensiviert. Mit der Einführung von KI hofft das Kapital, Gewinne und Akkumulationsraten zurückzugewinnen und einen Sprung in der Arbeitsproduktivität und den Profitraten zu erreichen. Auch dies wird die Beschäftigung verringern, Arbeitsplätze und Beschäftigte prekärer machen und Big Tech immer mehr Macht geben.
Neben ihrem rezessiven Charakter erschüttern Konzepte neoliberaler Wirtschaftspolitik – basierend auf den vorherrschenden Interessen der Finanzwelt – den Lebensstandard der arbeitenden Massen durch die Verschuldung der arbeitenden Bevölkerung und der abhängigen Länder bei den großen imperialistischen Privatbanken oder IWF und Weltbank. Die Anhebung der Zinssätze zur Bekämpfung der Inflation erhöht die Staats- und Privatverschuldung, wodurch die Voraussetzungen für neue Zahlungsausfallkrisen geschaffen werden, wie sie bereits in Sri Lanka, Ghana und Sambia ausgebrochen sind oder im Extremfall durch Notkredite des IWF und Chinas an Dutzende von Ländern wie Argentinien, Nigeria, Pakistan, Ägypten, Kenia, Bangladesch und Tunesien vermieden wurden. Das ungezügelte Streben der Konzerne nach „Krisenschutz“ (d. h. Aufrechterhaltung der Gewinne) fördert die Finanzspekulation. Diese Spekulation bedroht das System mit Pleitewellen wie 2008.
Seit der Wirtschaftskrise nach 2008, aber noch deutlicher seit 2016 (Brexit und Trumps erster Sieg), sind neue rechtsextreme Kräfte in Staaten und Gesellschaften vorgedrungen. Ihre globale Vorhut ist heute der völkermordende Benjamin Netanjahu mit seiner rassistisch-kolonialen Siedlerrolle im Nahen Osten. Die Rechtsextremen werden nicht nur in Europa, Asien und Lateinamerika immer stärker, sondern bedrohen mit der Rückkehr Trumps ins Weiße Haus auch die Vereinigten Staaten und die ganze Welt.
Die extreme Rechte des 21. Jahrhunderts hat sich mit Wahlsiegen und dann mit einwanderungsfeindlichen Maßnahmen und der Einschränkung von Freiheiten und sozialen Rechten verstärkt und vervielfacht. Sie präsentieren sich als „systemfeindlich“ (gegen politische Systeme, die sie scheinheilig mit der Verschlechterung der Lebensbedingungen, Korruption und Unsicherheit in Verbindung bringen), obwohl sie es gar nicht sind. Sie sind der ultimative Ausdruck der Verteidigung des Kapitalismus in seinem derzeitigen Stadium. Um die Umsetzung ihrer ultraliberalen Politik oder in einigen Fällen eines fremdenfeindlichen Nationalismus zu gewährleisten, bedienen sie sich reaktionärer traditionalistischer Diskurse und eines äußerst gewalttätigen Rassismus, meist in fundamentalistisch-religiöser Verkleidung – Pfingstchristentum in den USA und Brasilien, Hinduismus in Indien, Islamismus in Pakistan, Afghanistan und Iran.
Unter Ausnutzung ihrer umfangreichen und frühen Erfahrungen mit der Nutzung immer gigantischerer und unregulierterer sozialer Netzwerke erklären sie den Rechten von Arbeiter:innen im Allgemeinen, insbesondere aber den Rechten von Einwanderer:innen, Frauen, LGBTQIA+-Menschen, Menschen mit Behinderungen, internen ethnischen oder religiösen Minderheiten (oder Mehrheiten), rassifizierten Menschen im Allgemeinen und Umweltaktivist:innen den Krieg. Mit ihrem Leugnen von wissenschaftlichen Erkenntnissen jeglicher Art und ihren Verschwörungstheorien führen sie einen offenen Krieg gegen Umweltbewegungen und jeden, der an den Klimawandel glaubt.
Wie ihre klassischen Nazi-Vorfahren sind sie im Kern rassistisch gegenüber verschiedenen ethnischen Gruppen – wie etwa Migrant:innen der zweiten, dritten und vierten Generation in Europa und Schwarzen, Asiaten, Arabern und Latinos in den Vereinigten Staaten – und oft besonders gewalttätig gegenüber den jüngsten Migrantenwellen, die sie für Beschäftigungs- und Sicherheitsprobleme verantwortlich machen. In Südostasien ist der „Feind der Wahl“ eine Minderheit, die einer anderen Religion als der Mehrheitsreligion angehört, wie Modi [in Indien] mit den zweihundert Millionen Muslimen des Landes.
Obwohl die heute an der Macht befindliche extreme Rechte nicht dazu neigt, klassische faschistische Regime nach dem Vorbild der 1930er Jahre zu errichten, gelingt es den rechtsextremen Regierungen Indiens, der Türkei, Ungarns und anderer Länder seit Jahren, die scheinbaren Formen der bürgerlichen Demokratie mit einer wirksamen Unterdrückung unabhängiger Medien, oppositioneller Parteien und Bewegungen sowie kritischer Intellektueller zu verbinden. Dieser Trend verstärkt sich noch. Russlands Krieg gegen die Ukraine hat zu einem scharfen Vorgehen gegen Kriegsgegner:innen und Andersdenkende im Allgemeinen geführt. Die Unterdrückung zielt auch auf sexuelle und Geschlechtsabweichungen ab: Gesetze gegen „Schwulenpropaganda“ werden immer mehr verschärft und von anderen Ländern übernommen, während in Ländern wie Indonesien und der Türkei der Raum, der sich für LGBTQI-Menschen geöffnet hatte, kürzlich wieder geschlossen wurde. In Israel verleumdet die neofaschistische Regierung die gesamte Opposition gegen den völkermörderischen Krieg gegen Gaza als „antisemitisch“ und unterdrückt sie entsprechend. Die pro-israelischen Regierungen Nordamerikas und Europas führen ähnliche Kampagnen durch.
Diese Kombination von extremem Neoliberalismus mit fundamentalistischem Traditionalismus und Rassismus ist für das kapitalistische System zutiefst funktional: Sie ist Ausdruck der Suche breiter bürgerlicher Fraktionen im Norden und Süden nach einem „rückwärts orientierten“ wirtschaftspolitischen und ideologischen Weg aus der Strukturkrise des Systems. Diese Kapitalisten unterstützen diejenigen, die versprechen, eine autoritäre Herrschaft einzuführen, Rechte zu zerstören (natürlich jeden Rest eines Sozialstaates), Frauen in die häusliche Sphäre zurückzubringen (d. h. zur einfachen Reproduktion der Arbeitskraft), rassifizierte Menschen und LGBTIQA+ -Personen zurück in die brutalste Unterdrückung und Unsichtbarkeit zu drängen, Migrant:innen und ihre Nachkommen zu vertreiben, Massenbewegungen mit eiserner Faust zu kontrollieren, brutale Anpassungsprogramme und Enteignungen durchzusetzen, insbesondere gegen das, was von der Bauernschaft und dörflichen Gemeinschaften übrig geblieben ist. All dies, um eine überausgebeutete, idealerweise konfliktfreie Mehrheitsgesellschaft zu erreichen, in der das Kapital seine verlorenen Profit- und Akkumulationsraten zurückgewinnen kann.
Der Aufstieg und Vormarsch dieser Konstellation der radikalen Rechten ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Krise der (neoliberalen) Demokratien und ihrer Institutionen (einschließlich aller traditionellen Parteien, einschließlich „linker“ Parteien, die Staaten unter dem Neoliberalismus verwaltet haben). Diese Regierungen und Regime, die sich dem Neoliberalismus verschrieben haben, haben Ungleichheiten, Korruption, Unsicherheit sowie Elend, Kriege und Klimakatastrophen verstärkt – was die Migration vom Süden in den Norden fördert. Sie haben unbefriedigende Antworten auf die Hoffnungen der Arbeiter:innen und einfachen Menschen gegeben. Auf diese Weise haben sie dazu beigetragen, dass sich die besitzenden Mittelschichten, privilegierte Beschäftigte (Angestellte) und sogar Teile der am stärksten gefährdeten Klassen autoritären Alternativen zuwenden.
Die neue extreme Rechte ist das komplexe Ergebnis des Zerfalls des sozialen Gefüges durch 40 Jahre Neoliberalismus, der Verzweiflung der verarmten sozialen Sektoren angesichts der sich seit 2008 verschärfenden Krise, in Verbindung mit (1) dem Versagen der „progressiven neoliberalen“ Rechten und der von den Sozialdemokratien vertretenen „Alternativen“ (Sozial-Liberalismus und „Progressivismus“ im Süden und Osten) bei der Bekämpfung von Verarmung, unsicheren Arbeitsplätzen und Kriminalität und (2) dem allgemeinen Mangel an revolutionären Volksalternativen, die einen radikal entgegengesetzten Ausweg bieten.
Die extreme Rechte kann besonders heimtückisch sein, wenn sie eine „modernisierte“ Politik zu Geschlecht und Sexualität präsentiert, bei der sie ein neues Engagement für die Emanzipation der Frau und Toleranz gegenüber LGBTQI+-Personen vorgibt, und dabei einige der am stärksten gefährdeten Gruppen bösartig angreift. Transgender-Personen sind die Hauptziele der extremen Rechten, z. B. der US-Republikaner, Bolsonaro und Milei, während die Eltern- und Adoptionsrechte für gleichgeschlechtliche Paare unter anderem von der Regierung Meloni in Italien angegriffen werden. Der Widerstand gegen diese Angriffe muss ein fester Bestandteil der Solidarität gegen die extreme Rechte sein.
Diese Situation stellt die Vierte Internationale vor die Aufgabe, auf allen Ebenen gegen die Kräfte der extremen Rechten, des Autoritarismus und des traditionalistischen Neofaschismus zu kämpfen, aber auch gegen die neoliberale und reaktionäre Politik, die diese Kräfte hervorgebracht hat und sie weiterhin prägt.
In diesem Jahrhundert gab es mindestens drei Wellen demokratischer und anti-neoliberaler Kämpfe (zur Jahrhundertwende, 2011 und 2019/2020), eine erneuerte Frauenbewegung, die in den Vereinigten Staaten entstandene antirassistische Bewegung und eine Vielfalt von Kämpfen für Klimagerechtigkeit auf der ganzen Welt. Diese bedeutenden Kämpfe haben sich jedoch nicht nur objektiv mit dem neoliberalen Kapitalismus und seinen Regierungen auseinandergesetzt, sondern auch mit den Dilemmata der strukturellen Neuorganisation der Arbeitswelt.
Die arbeitende Klasse im weitesten Sinne (Lohnabhängige) bereitet sich derzeit darauf vor, sich den Auswirkungen der künstlichen Intelligenz zu stellen (wie der Widerstand im Streik der Drehbuchautor:innen und Schauspieler:innen in den USA gezeigt hat). Sie bleibt eine lebendige und zahlenstarke Kraft – große Industriekomplexe mit Zehn- bis Hunderttausenden von Beschäftigten überall in China und Südostasien. Vor dem Hintergrund des sozialen Gewichtes der industriellen Arbeiterklasse in einem Großteil der fortgeschrittenen kapitalistischen Welt sind die unterdrückten Schichten, die Jugend und die neuen Schichten der prekär Beschäftigten jedoch noch nicht dauerhaft organisiert und finden es im Allgemeinen schwer, sich mit der geschwächten Gewerkschaftsbewegung zu vereinigen. Gleichzeitig werden die traditionellen Formen der gewerkschaftlichen Organisierung den Bedürfnissen des heutigen Prekariats oft nicht gerecht. Die Bäuerinnen und Bauern in Afrika, Südasien (Indien und Pakistan) und Lateinamerika leisten ihrerseits mutigen Widerstand gegen die Invasion des imperialistischen Agrobusiness. Indigene Völker, die 10 % der Weltbevölkerung ausmachen, wehren sich gegen den Vormarsch des Kapitals auf ihre Territorien und verteidigen die für die gesamte Menschheit wichtigen Gemeingüter. Die Niederlage des Arabischen Frühlings, die syrische Tragödie und nun der Expansionsdrang des Zionismus werden die Widerstandskraft der Völker des Nahen Ostens immer weiter hinauszögern; trotzdem haben wir den heldenhaften Aufstand der Frauen und Mädchen im Iran erlebt.
Nach der Krise von 2008 kam es weltweit wieder zu Massenmobilisierungen: Arabischer Frühling, Occupy Wall Street, Plaza del Sol in Madrid, Taksim in Istanbul, Juni 2013 in Brasilien, Nuit Debout und Gelbwesten in Frankreich, Mobilisierungen in Buenos Aires, Hongkong, Santiago, Bangkok. Zu einer zweiten Welle von Aufständen und Explosionen kam es zwischen 2018 und 2019, die durch die Pandemie unterbrochen wurde: die antirassistische Rebellion in den USA und Großbritannien mit dem Tod von George Floyd, Frauenmobilisierungen in vielen Teilen der Welt, Aufstände gegen autokratische Regime wie in Weißrussland (2020), eine Massenmobilisierung der indischen Bauern, die 2021 zum Erfolg führte. Im Jahr 2019 gab es Demonstrationen, Streiks und Volksaufstände in mehr als hundert Ländern: in sechs Fällen wurden die Regierungen erfolgreich gestürzt und in zwei Fällen wurde ihre Zusammensetzung vollständig geändert, indem alle Minister ersetzt wurden.
Nach der Pandemie stachen der dreimonatige Widerstand in Frankreich gegen Macrons Rentenreform und der Volksaufstand der Arbeiter:innen und Studierenden in China hervor, der dazu beitrug, die repressive Null-Covid-Politik der KPCh zu besiegen. In den USA setzt sich der Prozess der gewerkschaftlichen Organisierung und des Kampfes in den neuen Produktionszweigen (Starbucks, Amazon, UPS) fort, mit dem Entstehen neuer antibürokratischer Prozesse in der Belegschaft und Streiks der Beschäftigten im Bildungs- und Gesundheitswesen. In den Jahren 2022 und 2023 sind neben dem historischen und bisher siegreichen Streik der Beschäftigten der drei großen Automobilhersteller des Landes die großen Streiks der Drehbuchautor:innen und Schauspieler:innen in Hollywood hervorzuheben.
Natürlich ist das derzeitige Kräfteverhältnis keineswegs offensiv, wie auch während der Pandemie; doch es öffnete den Weg für Black Lives Matter, die für Trumps Niederlage im Jahr 2020 so wichtig war, und für den französischen Streik gegen die Rentenreform, ohne den die bemerkenswerte Reaktionsfähigkeit der französischen Linken bei den Wahlen im Jahr 2024 nicht zu erklären ist. Auch wenn wir zu Recht darauf hinweisen, dass die vorangegangene Welle von Kämpfen zurückgegangen ist und dass die aufstrebende extreme Rechte heute ein gefährlicher und grundlegender Feind ist (richtige Aussagen), kann dies nicht zu dem Schluss führen, dass die Ausgebeuteten und Unterdrückten der Welt auf lange Sicht besiegt und zerschlagen seien. Andererseits bedeutet die Aussage, dass wir nicht historisch besiegt sind, nicht, dass wir uns in einer offensiven oder revolutionären Situation befinden würden. Jenseits von „Offensivismus“ und defätistischem Impressionismus gibt es die realistische Erwartung auf die Fähigkeit der Ausgebeuteten und Unterdrückten, sich dem Kapital und seinen Übeln weiterhin zu widersetzen, für ihr Überleben und bessere Lebensbedingungen inmitten von Kriegen, Klimaereignissen und Sparprogrammen zu kämpfen, wenn auch unter neuen Organisationsformen und mit größeren Schwierigkeiten als zuvor.
Die internationale geopolitische Lage wird von der Konfrontation zwischen den USA, dem dominierenden Imperialismus, und China, einem aufstrebenden Imperialismus, beherrscht. Ein besonderes Merkmal dieses Konflikts ist das hohe Maß an wirtschaftlicher Interdependenz zwischen den beiden, ein Erbe der neoliberalen Globalisierung. Es gibt keine Globalisierung mehr, wie wir sie bis 2008 kannten, aber es gibt auch keine De-Globalisierung. Geopolitische Konflikte sind ein Symptom dieser Strukturkrise, und auch hier betreten wir unbekanntes Terrain.
Die im Aufbau befindliche Unordnung macht die Welt viel konfliktreicher und gefährlicher. Vor einigen Jahren verschärften sich die Instabilität und das scheinbare geopolitische Chaos mit der Regierung Trump 1.0 und ihrer Konzentration auf den Wirtschaftskrieg mit China. Dennoch gab es einen ersten qualitativen Sprung mit der Invasion der Ukraine durch Putins Russland im Februar 2022 und einen zweiten Sprung nach vorne mit dem Krieg, der durch den israelischen Expansionismus provoziert wurde, der offen von den USA und weniger offen vom europäischen Imperialismus unterstützt wurde. Die Situation ist mit der Stärkung der NATO als Antwort auf Putin und der finanziellen und militärischen Unterstützung der USA für Netanjahus Ziel, die Grenzen im gesamten Nahen Osten neu zu ziehen, eskaliert. So macht die Kriegsindustrie Milliardengewinne auf Kosten des Blutes von Hunderttausenden von Menschen.
Trotz ihrer führenden Rolle in der NATO und ihrer Unterstützung des imperialistischen Krieges Israels ist die hegemoniale Macht der USA aus historischer Sicht relativ geschwächt – und es gibt nichts Gefährlicheres als einen herausgeforderten Hegemon –, weil sie nun wirtschaftliche und geopolitische Konkurrenten haben. Neue Imperialismen setzen sich durch, wie etwa Russland, oder treten in weniger kriegerischen Formen auf, wie etwa China. Es handelt sich um eine ständige Neukonfiguration in einem globalen Kontext von immenser Instabilität, in dem nichts konsolidiert ist. Die Unipolarität des Blocks unter der Führung der USA (nach dem Zusammenbruch der UdSSR) besteht jedenfalls nicht mehr. Indien versucht, sich als regionale (oder zumindest subimperialistische) Macht zu behaupten, indem es ein doppeltes Spiel spielt: Es unterhält ein politisches Bündnis mit den USA und eine Rivalität mit China, pflegt aber eine intensive wirtschaftliche (Öl) und technologische (Kriegsindustrie) Zusammenarbeit mit Russland und beteiligt sich an den BRICS.
4.1. Kriege und geopolitische Spannungen nehmen zu
Wir erleben die Ausweitung und Verschärfung von Kriegen aller Art: Bürgerkriege, interimperialistische Kriege, Spannungen und imperialistische Kolonialkriege (wie der Israels in seiner Nachbarschaft). Die Kriegstrommeln schlagen in Europa und in den Teilen des Nahen Ostens, die noch nicht vom israelischen Expansionismus betroffen sind. In Ostasien nehmen die geopolitischen Spannungen zu, und Chinas Ansprüche auf das Südchinesische Meer missachten die Seerechte anderer Nationen. Die militärischen Spannungen auf der koreanischen Halbinsel, in der Taiwanstraße und im Südchinesischen Meer haben sich fortgesetzt und sogar noch verschärft. Es scheint, dass China keinen Kriegsausbruch in diesen drei Regionen will. Dennoch können wir natürlich nicht ausschließen, dass unerwartete Ereignisse – einschließlich einer drastischen Veränderung der innenpolitischen Lage in China – dazu führen könnten, dass die militärischen Spannungen zu extrem werden und sogar zu einem regionalen Krieg führen.
China beschleunigt seine militärische Aufrüstung durch den Ausbau seiner Marine und Aktivitäten im Weltraum, um mit den USA und Japan zu konkurrieren. Es hat vorsätzliche Provokationen, insbesondere gegenüber philippinischen Schiffen, durchgeführt, um sich indirekt den USA zu widersetzen.
Die USA wollen ihre militärische Dominanz über die strategisch wichtige Region aufrechterhalten und China eindämmen. In einer leichten Umkehrung des Kurses von Präsident Duterte ist die philippinische Regierung von Marcos Jr. näher an die USA gerückt. Es ist dringend notwendig, das Südchinesische Meer zu entmilitarisieren. Da die USA nicht mehr in der Lage sind, ihre Militärpräsenz in Ostasien zu verstärken, hat Japan teilweise die militärische Rolle der USA übernommen, indem sie ihre Militärausgaben rapide erhöht, ihre Rüstungen verstärkt, die Nansei-Inselkette vom südwestlichen Kyushu bis zum nördlichen Taiwan militarisiert und die Integration der japanischen und der US-Streitkräfte gefördert haben. Diese Situation resultierte aus dem Druck des US-Imperialismus und dem Wunsch des japanischen Imperialismus nach einer stärkeren militärischen Kraft zur Verteidigung seiner Interessen in Ost- und Südostasien.
Seit Anfang 2024 sind die Spannungen zwischen Nord- und Südkorea nach einer Phase des Dialogs wieder eskaliert. Nordkorea hat das innerkoreanische Abkommen von 2018 zum Abbau der Spannungen aufgekündigt und im Oktober 2024 seine Verfassung geändert, um den Süden als feindlichen Staat zu bezeichnen. Die Regierungen Nord- und Südkoreas, die von China und den USA unterstützt werden, verfolgen einen harten Konfrontationskurs.
Die nukleare Bedrohung wird immer konkreter. Es gibt bereits vier lokalisierte nukleare Brennpunkte. Einer davon befindet sich im Nahen Osten: Israel. Drei befinden sich in Eurasien: Ukraine und Russland in Europa, Indien und Pakistan sowie die koreanische Halbinsel. Letzterer ist der einzige, der aktiv ist. Das nordkoreanische Regime testet und startet regelmäßig Raketen in einer Region, in der die US-Marine-Luftwaffe stationiert ist und in der sich der bedeutendste US-Stützpunkt im Ausland befindet (in Japan, insbesondere auf der Insel Okinawa).
4.2. USA: der Hegemon in der Krise versucht, sich wieder neu zu etablieren
Das Auftauchen von Konkurrenten hat nichts daran geändert, dass die Vereinigten Staaten das reichste und militärisch mächtigste Land sind mit einer beispiellosen Kriegsmacht und der Bourgeoisie, die am meisten von ihrer „historischen Mission“ überzeugt ist, den Planeten um jeden Preis zu beherrschen und daher Krieg für die Kontinuität ihrer Hegemonie zu führen. In der Tat ist es Uncle Sam, der weiterhin das letzte Wort im westlichen imperialistischen „Kollektiv“ hat. Der Punkt ist: Auch wenn sie in Sachen Gewaltausübung unschlagbar sind, haben die USA (mindestens seit dem Vietnamkrieg) noch nie ein so großes Problem gehabt: Eine imperialistische Hegemonie kann, wie alle Hegemonien, nur aufrechterhalten werden, wenn sie auch ihre Verbündeten und ihre heimische Öffentlichkeit überzeugt. Die USA haben ernsthafte Probleme mit der Legitimität nach außen, aber auch, und das ist noch gravierender, mit der Legitimität nach innen, die es in der vorangegangenen Periode der angeblichen „Unipolarität“ und des „Kriegs gegen den Terror“ in den 1990er Jahren nicht gab. Die wirtschaftliche, bürokratische und politische Elite des Landes ist mehr denn je über die Art der Herrschaftsausübung im eigenen Land gespalten. Das US-Kapital muss sich dem Dilemma stellen, die Wertschöpfungsketten aufzulösen, die die US-Wirtschaft in den letzten 40 Jahren eng mit der chinesischen verbunden haben.
Über ihren relativen wirtschaftlichen Niedergang hinaus, sind die Vereinigten Staaten eine bürgerlich-demokratische Gesellschaft und ein System in offener Krise, seitdem die Tea Party und Trump – mit dem Ziel, die Regeln der ältesten bürgerlichen Demokratie der Welt zu verändern – die Kontrolle über die Republikanische Partei von innen übernommen haben und sich die Polarisierung verschärft hat. Diese Krise wird sich tendenziell weiter verschärfen, da Trump im Weißen Haus dazu beiträgt, das einst allmächtige „Amerika“ zu schwächen, das sich Konflikten zwischen der Exekutive, dem Kongress und der Justiz ausgesetzt sehen wird, die seinen globalen Zielen schaden können.
Die USA haben sich bemüht, ihre Wirtschaft von der Chinas abzukoppeln, aber abgesehen vom Hochtechnologiesektor ist es unmöglich, die globalen Lieferketten, in denen China eine Schlüsselrolle spielt, zu unterbrechen. Die USA haben also keine andere Wahl, als weiterhin im High-Tech-Sektor zu konkurrieren (und Sanktionen zu verhängen) und auf militärische Rivalität zu setzen, während sie gleichzeitig wirtschaftlich voneinander abhängig bleiben.
4.3. Das Wesen des heutigen China
Der chinesische „große Sprung“ der letzten 30 Jahre ist kapitalistischer Natur. Als Erbe einer großen sozialen Revolution und einer Wende zur Restauration ab den 1980er Jahren, die für die neoliberale Neugestaltung der Welt (in Partnerschaft mit den USA und ihren Verbündeten) unerlässlich ist, weist der aufstrebende chinesische Imperialismus spezifische Merkmale wie alle Imperialismen auf. Ein etatistischer Kapitalismus, der in der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und den Streitkräften (Volksbefreiungsarmee, PLA) zentralisiert ist; ein Entwicklungskapitalismus mit offener Entwicklungspolitik, bei dem die meisten großen Unternehmen Joint Ventures zwischen staatlichen oder staatlich kontrollierten Unternehmen und privaten Unternehmen sind.
Der Parteistaat kontrolliert nicht alles in der Wirtschaft. Es gibt keine zentrale Planung wie in der Sowjetunion. Das chinesische kapitalistische Wirtschaftsmodell muss auch die Forderungen der Marktkräfte befriedigen, was das Handeln der Regierung bestimmt. Mit anderen Worten: Sie beeinflussen die geplanten und umgesetzten politischen Maßnahmen. Planung findet also im Zusammenlaufen von staatlich initiierter Planungspolitik mit den Interessen und Handlungen des Marktes statt, einschließlich des freien Marktes auf nationaler und internationaler Ebene, einschließlich seiner Bewegungen außerhalb der Kontrolle des Staates.
Chinas aufstrebender Imperialismus ist natürlich immer noch im Entstehen begriffen. Seit Beginn des Jahrhunderts sind Chinas Kapitalexporte erheblich gestiegen, bis sie sich 2016 stabilisierten. Direktinvestitionen in die chinesische Wirtschaft hingegen sind seit 2020 aufgrund der geopolitischen Unsicherheiten rückläufig. Somit ist China seit 2022 ein Nettokapitalexporteur (es exportiert mehr Kapital als es importiert). Chinesische Unternehmen haben große Anteile an Energie-, Bergbau- und Infrastrukturunternehmen in neokolonialen Ländern (Südost- und Zentralasien, Afrika und Lateinamerika) erworben, und der Drache ist zum weltweit größten Patentanmelder geworden. Es investiert immer mehr in die Rüstung und warnt mit zunehmender Vehemenz, dass es eine Linie (oder Linien) gibt – Taiwan und das Südchinesische Meer –, die Rivalen und schwächere Staaten nicht überschreiten dürfen.
China ist noch nicht nach europäischem oder US-amerikanischem Vorbild in ein anderes Land einmarschiert oder hat es kolonisiert, obwohl seine Politik gegenüber Xinjiang kolonialistisch ist. China ist heute die führende nicht-westliche Macht, die den Reichtum Afrikas ausbeutet. Chinesische Gläubiger halten 12 Prozent der weltweiten Auslandsschulden Afrikas. China ist bereits der führende Handelspartner fast aller lateinamerikanischen Länder und ein wichtiger Investor (Energiesektor). Es nutzt seine wirtschaftliche Macht, um ungleiche Handelsbedingungen durch Kredite, die durch natürliche Ressourcen gedeckt sind, durch Handelsabkommen oder durch Investitionen in Rohstoffindustrie und Infrastruktur zu erzwingen.
4.4. Das imperialistische Russland
Das heutige Russland ist der Staat, der aus der massiven Zerstörung der Grundlagen der ehemaligen Sowjetunion und der chaotischen, nicht zentralisierten Restauration entstanden ist, die auf der Übernahme alter und neuer Unternehmen durch Bürokraten, die sich in Oligarchen verwandelt haben, beruht. Um die Jahrhundertwende entwickelten Putin und seine Gruppe, die sich aus den alten Spionage- und Repressionsdiensten rekrutierte, das Projekt einer Rezentralisierung des russischen Kapitalismus, das sich auf bonapartistische Beziehungen zwischen Oligarchen und eine zeitgenössische Version der alten nationalimperialistischen Ideologie eines Großrussland stützte. Diese Ideologie wurde zum Hauptinstrument, um den russischen Kapitalismus im Wettbewerb mit anderen Imperialismen wieder Geltung zu verschaffen und die Unterdrückung der Völker der Föderation, einschließlich des russischen Volkes, qualitativ zu steigern. Die ultra-repressive Natur von Putins Regime könnte sich in Richtung Faschismus entwickeln.
Der russische Einmarsch in die Ukraine war seit Jahren vorbereitet worden. Er war Teil eines großen Plans zur Wiederherstellung des Russischen Reiches innerhalb der Grenzen der stalinistischen UdSSR, aber mit dem Zarenreich als Bezugspunkt. Für Putin war die Existenz der Ukraine nichts weiter als eine Anomalie, für die Lenin die Schuld trug. Für Putin muss die Ukraine zurück in die russische Herde gebracht werden. Die militärische Besetzung des Donbass, von Luhansk und der Krim im Jahr 2014 war die erste Phase der Invasion. Die jetzige sogenannte „Spezialoperation“ sollte sehr schnell ablaufen und bis nach Kiew führen, wo Russland eine untergeordnete Regierung einsetzen wollte. Das Ausmaß des ukrainischen Widerstands, mit dem Putin, aber auch der Westen nicht gerechnet hatten, stoppte Putins Kriegsmaschinerie.
4.5. Europa: der alte Kontinent im Niedergang und Konflikt
Die Europäische Union und Europa im Ganzen sind von der neuen Weltlage ganz besonders betroffen. Der Kontinent erwärmt sich doppelt so stark wie der Rest des Planeten, mit Starkregenereignissen, marinen Hitzewellen usw. Die Wirtschaftskrise hat die Region hart getroffen, mit einem Produktivitätswachstum von nur 10 % seit 2002 verglichen mit 43 % in den USA und einer tiefen Krise in der Autoindustrie. Die Arbeiterbewegung befindet sich jetzt in großen Schwierigkeiten, insbesondere in Spanien und Italien, wo die Linke einen schweren Rückschlag erlitten hat, nachdem sie ein System verwaltet hat, das keine Umverteilung mehr zuließ.
Der relative wirtschaftliche Niedergang, die strukturelle Schwächung der Klasse in Verbindung mit schlechten Erfahrungen mit sogenannten linken Regierungen und die Zunahme der Migration infolge von Kriegen, Klimawandel und imperialistischen Interventionen erklären das Anwachsen der extremen Rechten in den meisten Ländern, einschließlich Ländern wie Portugal, Deutschland und den skandinavischen Ländern, die bisher geschützt schienen. Die extreme Rechte ist eine zunehmend reale Bedrohung.
Der Aufbau einer unabhängigen politischen Kraft der Arbeiterklasse ist ein langsamer Prozess mit unterschiedlichen Rhythmen in verschiedenen Ländern. Dennoch verfügt die Arbeiterklasse über eine beträchtliche Interventionsfähigkeit, wie wir in Frankreich mit der Rentenbewegung und der Neuen Volksfront oder in Großbritannien mit der Reaktion auf die rassistischen Ausschreitungen und der Bewegung zu Palästina gesehen haben.
4.6. Verallgemeinerte Instabilität
Bomben und Drohnen töten in Palästina, Libanon, Sudan, Jemen und im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Hinzu kommen verdeckte Bürgerkriege, wie der ständige Kampf lateinamerikanischer Staaten gegen kriminelle Organisationen und diese ihrerseits gegen die Bevölkerung, wie in Mexiko, Brasilien und Ecuador zu beobachten ist.
Im unruhigen und bedrohten Nahen Osten war der Zusammenbruch des verhassten Regimes von Baschar al-Assad ein wichtiges Ereignis. Ein halbes Jahrhundert blutrünstiger Diktatur ist zu Ende. Der Sturz des Regimes wurde nicht durch Massenmobilisierungen erreicht, sondern durch eine Militäroperation, die von einer radikalen islamistischen Gruppierung angeführt wurde. Das Freiheitsstreben des syrischen Volkes und der zunehmende Widerstand seit Beginn des syrischen Aufstands haben jedoch eine wichtige Rolle gespielt. Das Ende der Assad-Ära war für Millionen Syrer eine Erleichterung. Endlich gibt es Möglichkeiten für soziale, feministische und demokratische Bewegungen, sich von unten zu organisieren. Doch diese Hoffnung geht einher mit einem tiefen Misstrauen gegenüber dem reaktionären Charakter der herrschenden Gruppe Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS).
Die Türkei interveniert durch die Syrische Nationalarmee auch aus einem subimperialistischen Bestreben heraus, um den Wiederaufbau des Landes zu ihrem Vorteil zu nutzen, aber vor allem der kurdischen Autonomieverwaltung in Nord- und Ostsyrien, in der Region Rojava an ihrer Grenze, ein Ende zu setzen. Paradoxerweise bemühen sich die syrischen Kurden, unterstützt von Washington und Tel Aviv (um ihre Interessen zu verteidigen), ihren Prozess der Selbstbestimmung und ihre Verwaltungsstrukturen mit allen verfügbaren Mitteln aufrechtzuerhalten, sowohl durch Diplomatie als auch durch Waffen.
In Südostasien hält Indien an seiner nuklearen Rivalität mit Pakistan fest. Nordkorea hat seine militärische, politische und wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland erhöht, indem es den russischen Streitkräften Waffen und Munition zur Verfügung gestellt und Truppen auf die Schlachtfelder in der Ukraine entsandt hat. Im Gegenzug kooperiert Russland beim Technologietransfer nach Nordkorea bei der Entwicklung von Atomwaffen.
In Myanmar wächst der Widerstand gegen die Militärjunta und hat bedeutende militärische und diplomatische Erfolge erzielt. Eine militärische Niederlage der Junta ist möglich. Obwohl China die Junta nach dem Jahr 2021 entscheidend unterstützt hat, verfolgt es einen pragmatischen Ansatz. Wenn die Junta den Schutz chinesischer Investitionen nicht garantieren kann, wäre Peking bereit, mit Kräften zusammenzuarbeiten, die dies können.
Diese Konfliktsituation verschärft die Geo-Ökonomie und Geopolitik Afrikas, wo Russland wirtschaftlich und militärisch mit Frankreich und den Vereinigten Staaten konkurriert, insbesondere in den ehemaligen frankophonen Kolonien Westafrikas. Aus diesem Grund versucht China weiterhin, seinen wirtschaftlichen Einfluss in allen Teilen des afrikanischen Kontinents, in Lateinamerika und der Karibik zu erhöhen.
Nach vierzig Jahren neoliberaler Globalisierung konzentrieren sich in den halbkolonialen Ländern nach wie vor ein höheres Maß an Ungleichheit, Hunger, fehlenden sozialen Sicherungssystemen, autoritären Regierungen, Enteignungen und blutigen sozialen Konflikten. Die finanzielle, produktive, kommerzielle und kulturelle Internationalisierung hat jedoch auch zu einer perversen Angleichung an den Norden in Bezug auf Probleme und politische Polarisierung geführt: Aufstieg der extremen Rechten (Duterte, Bolsonaro, Modi, Milei), Machtzuwachs krimineller Organisationen, Klimatragödien (wie in Indien, Bangladesch, den Philippinen, Brasilien), Krisen staatlicher und politischer Systeme, Bürgerkriege (wie in Myanmar, im Sudan, der Demokratischen Republik Kongo, Haiti) und Kriege zwischen Ländern.
Seit Beginn des Jahrhunderts ist Südamerika Schauplatz einer Reihe von Kämpfen, Massendemonstrationen, Volksaufständen, der Wahl reformorientierter Regierungen, die aus diesen Kämpfen hervorgegangen sind, und einer starken politischen Polarisierung – denn Neo-Extraktivismus, Raubbau an der Natur, soziale Zersetzung, Ungleichheit, tägliche Gewalt, Militarisierung und politische Krisen nehmen zu, die auch rechtsextremen Alternativen Nahrung geben. Von 2018 bis 2022 hat ein neuer Zyklus von Mobilisierungen die Andenländer radikal erfasst. Widerstand, Ausbrüche und soziale Kämpfe, die demokratische und ökonomische Forderungen verbunden haben, auf der einen Seite und die Beständigkeit der extremen Rechten als Hauptfeind auf der anderen Seite haben sich verbunden. Diese Kämpfe werden oft durch die Wahl sogenannter „progressiver“ Regierungen der zweiten Welle kanalisiert.
Afrika, eine Region mit 1,2 Milliarden Menschen, insbesondere die afrikanischen Länder südlich der Sahara, ist ein Opfer des „ungleichen“ Teils der ungleichen und kombinierten kapitalistischen Entwicklung. Die Weltbank schätzt, dass im Jahr 2030 87 % der extrem armen Menschen in Afrika leben werden. Afrika verursacht nur 4 % der weltweiten Treibhausgas-Emissionen, aber sieben der zehn Länder, die am stärksten durch Klimakatastrophen gefährdet sind, befinden sich in Afrika. Vier Jahre Dürre am Horn von Afrika haben 2,5 Millionen Menschen in die Flucht getrieben. Der Kontinent erlebt eine Welle von Konflikten, von denen viele mit neuen Öl- und Gasfunden, dem Wettlauf um die Kontrolle und den Abbau von seltenen Erden und anderen wichtigen Mineralien (Kobalt, Kupfer, Lithium, Platin) für CO2-arme Technologien zusammenhängen, die für die „grüne Wirtschaft“ der imperialistischen Länder benötigt werden.
Neben den ehemaligen Kolonialmächten spielen die Vereinigten Staaten, China und Russland eine wichtige Rolle bei der Gewinnung von Reichtum durch Superausbeutung und beim Schüren von Konflikten auf dem Kontinent. Regionale Kriege, Putsche und Bürgerkriege bestimmen weiterhin ihre politische Ökonomie. Russland macht sich die Kämpfe in mehreren afrikanischen Ländern zunutze, um den westlichen Einfluss zurückzudrängen und seinen eigenen zu stärken. Eine Reihe von Staatsstreichen in Westafrika untergrub die Macht des französischen Neokolonialismus, und neue Regime wandten sich an Washingtons Konkurrenten um militärische und finanzielle Hilfe.
Der Vertrag von Pelindaba, der 2009 in Kraft trat, macht fast ganz Afrika zu einer rechtskräftigen und anerkannten atomwaffenfreien Zone. Die Chagos-Inselkette, zu der auch die Insel Diego Garcia (DG) gehört, wurde soeben als Teil von Mauritius anerkannt, auch wenn die USA ihre Militärbasis dort beibehalten. Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) muss also DG (die Abkommen mit den Vertragsmitgliedern unterzeichnet hat) überwachen, um sicherzustellen, dass sich keine Atomwaffen in US-Flugzeugen, im Lager oder im Transit befinden. Die Afrikanische Kommission für Kernenergie sollte auch dafür zuständig sein, aber es muss so oder so geschehen und die Regierung von Mauritius muss das akzeptieren.
In den letzten Jahren mussten wir leider beobachten, wie die Ideologie des Campismus [Lagerdenken] als Ausdruck der Suche nach Alternativen zum Kapitalismus zunahm und sich auf neue Schichten ausbreitete. Der Begriff stammt aus der Vorstellung von der Existenz „zweier Lager“, die sich zu Zeiten des Kalten Krieges auf der internationalen Bühne gegenüberstanden. Die campistische Ideologie beruht auf der Idee, dass gegen das „Lager“ des hegemonialen Imperialismus jeder Feind oder Gegner der Vereinigten Staaten (der Feind meines Feindes ist mein Freund) es wert ist, sich zu verbünden. Also verteidigen sie die Regime von Baschar al-Assad in Syrien, Putin in Russland, Ortega in Nikaragua und Maduro in Venezuela. China, das mit den USA sicherlich in ernsthaften Konflikt geraten ist, wäre nach Ansicht einiger Campisten nicht nur besser als der Gegner, sondern auch ein Modell für den Sozialismus.
Dieser gefährliche Trend beruht auf Vorurteilen und Fehldiagnosen der Welt, die nicht mehr bipolar ist (auf keinen Fall ist „Multipolarität“ eine Garantie für etwas Positives). Er gewinnt an Stärke, weil es viel einfacher ist, an Alternativen zu glauben, die von realen Staaten repräsentiert werden (auch wenn es keine Alternativen sind), als sich der Herausforderung zu stellen, sie von unten aufzubauen. Darüber hinaus verfügt China über eine mächtige Soft Power (Finanz- und Propagandakapazität), um fortschrittliche Aktivist:innen und Intellektuelle in aller Welt von seinem Status als „alternatives Modell“ zu überzeugen. Verschiedene sogenannte kommunistische Organisationen, Erben der Überbleibsel der alten kommunistischen Parteien, schätzen diese schädliche „campistische“ Ideologie besonders. Widersprüchlicherweise wächst der Campismus auch in Teilen der Jugend (zumindest) in Europa und Lateinamerika. In einigen Ländern übernehmen ihn auch linke Organisationen aus der antistalinistischen Tradition. Die Situation zwingt uns zu organisierten und dauerhaften Propaganda- und Schulungsmaßnahmen sowie zu konkreten Aktionen zur Unterstützung der Opfer des campistischen Denkens – wie etwa der Völker der Ukraine, Venezuelas und Nikaraguas.
Gegenüber der extremen Rechten des Nordens und des Südens bleibt die Politik der Einheit der Ausgebeuteten und Unterdrückten, einschließlich der Einheitsfront, ein wesentlicher Teil unserer Politik, aber wir werden niemals den Verlust unserer politischen Unabhängigkeit oder jener der sozialen Bewegungen verhandeln oder akzeptieren. Wie in der Vergangenheit muss auch bei diesem Kampf gegen rechtsextreme Bewegungen die Verteidigung der demokratischen Rechte wie Demonstrations- und Streikrecht, Wahlrecht und Meinungsfreiheit, im Vordergrund stehen.
Es ist dringend notwendig, die Rechte von rassifizierten und stigmatisierten Menschen und Aktivist:innen zu verteidigen, und zwar weit über die Betroffenen hinaus, indem man sich auf die Mobilisierung der gesamten Bevölkerung stützt – wie bei den ermutigenden antirassistischen Demonstrationen in England im Jahr 2024 – und nicht nur auf Rechtsmittel, die in den entscheidenden Momenten der Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit allzu oft versagen. Wenn man die tiefen Wurzeln des Vormarsches der extremen Rechten versteht, muss man einerseits eine Einheitsfrontpolitik betreiben, um sie in Wahlen und Kämpfen zu besiegen, und andererseits an Übergangs- und ökosozialistischen Forderungen festhalten, die als einzige zu einer strategischen Niederlage des Kapitalismus führen können.
In autoritären Regimen (wie China, Russland, Weißrussland, Nikaragua, Syrien, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, dem Iran und den anderen Kalifaten) oder in Ländern mit gewählten, aber autoritären Regierungen (wie der Türkei, den Philippinen und Argentinien) ist unsere Politik die des frontalen Widerstands gegen die Machthaber und des uneingeschränkten Kampfes für demokratische Rechte. Wir unterstützen bedingungslos Aufständische gegen Diktaturen wie die in Myanmar und Jemen.
Angesichts der vom imperialistischen kapitalistischen System erzwungenen wachsenden Ungleichheit zwischen den Ländern, angesichts von Kriegen und protektionistischen Auseinandersetzungen, die Millionen von Menschenleben fordern, wendet sich die Vierte Internationale bedingungslos gegen jeden Imperialismus und Kolonialismus.
Wir treten für das Selbstbestimmungsrecht und die volle Unabhängigkeit aller 17 Gebiete ein, die immer noch als Kolonien regiert werden, wie Puerto Rico, Amerikanisch-Samoa, Westsahara, Französisch-Guayana, Martinique, Neukaledonien und die Malwinen. Wir treten für eine Welt ein, in der kein Staat und keine ethnische Gruppe andere unterdrückt oder deren Rechte einschränkt. Der Frieden, für den wir eintreten, ist ein egalitärer und antikolonialer Frieden.
In diesem Zusammenhang ist die Initiative, so bald wie möglich eine breite Konferenz von Aktivist:innen gegen Faschismus und Imperialismus abzuhalten, von immenser Bedeutung für die Internationale. Es muss zu unseren Handlungsprioritäten auf allen Kontinenten gehören, diese Idee zu unterstützen und zu stärken, indem wir auf ihre Realisierung durch regionale oder kontinentale Vorkonferenzen hinarbeiten.
Wir kämpfen für die Auflösung aller Militärblöcke: NATO, OVKS, AUKUS. Wir lehnen jede Logik der Aufteilung von „Einflusssphären“ auf Kosten der Bevölkerungen und alle neoliberalen und politischen Bedingungen, an die geleistete Hilfen geknüpft werden. Wir wenden uns gegen die zynische Nutzung des Krieges in der Ukraine zur Aufstockung der Militärhaushalte wie in Europa.
Wir verurteilen jede nukleare Erpressung. Wir kämpfen weiter für weltweite Abrüstung und die Abschaffung atomarer und chemischer Waffen, treten ein für einen Weltfrieden, wo kein Staat einen anderen beherrscht, in einen anderen einfällt oder gewaltsam unterwirft, also einen Frieden ohne Kolonialisten und ohne Massengräber von kolonisierten Völkern. Die Frage der Aufrüstung, des neuen Rüstungswettlaufs und der Atomwaffen muss zwingend Teil der Aktivitäten der Antikriegsbewegungen überall sein.
Wir wenden uns entschieden gegen die campistische Ideologie, die dazu führt, China und Russland im „verbündeten Lager“ der Ausgebeuteten und Unterdrückten gegen die Vereinigten Staaten zu sehen, in einer absurden Wiederholung der Ära der Konfrontation während der Sowjetunion. Die Ausbreitung dieser verzerrten Vorstellung von der realen Welt stellt uns vor die Aufgabe, einen intensiven ideologischen und politischen Kampf gegen den Campismus zu führen.
In Afrika lehnen wir die westliche imperialistische Argumentation ab, die unter dem Vorwand der Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung eine militärische Intervention zur Wahrung seiner Interessen unterstützen will. Wir kämpfen für den vollständigen Abzug der französischen Truppen aus der gesamten Region, die Schließung der US-Militärbasis Diego Garcia auf den mauritischen Chagos-Inseln und der US-amerikanischen und chinesischen Basen in Dschibuti. Wir kämpfen für ein Ende des Bürgerkriegs im Sudan: Wir lehnen die Einmischung der Vereinigten Arabischen Emirate ab, die eine der Kriegsparteien bewaffnet haben. Wir fordern den Rückzug der Truppen der Wagner-Gruppe. Wir unterstützen alle Bemühungen zur Eroberung der politischen und wirtschaftlichen Souveränität der Völker im Sinne einer neuen und antisystemischen Bewegung für die Einheit der Länder und Völker Afrikas.
Die sogenannten „fortschrittlichen“ Regierungen in Lateinamerika sind, mit allen Unterschieden in ihrer Zusammensetzung, ihrer Herkunft und ihrer sozialen Basis, Klassenversöhnungsregierungen; sie sind nicht unsere Regierungen und sie sind auch nicht die Regierungen der Ausgebeuteten und Unterdrückten. Wir beteiligen uns nicht an ihnen und schulden ihnen keine bedingungslose Unterstützung. (Wir beziehen uns hier nicht auf Ausnahmesituationen wie in Venezuela und Bolivien im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts, in deren Regierungen die Bourgeoisie nicht direkt vertreten war und die aufgrund des Mobilisierungs- und Organisationsgrades der Arbeiter:innen intensive Konfrontationen mit dem Imperialismus und ihren Wirtschaftseliten hatten). Wir verteidigen die erste Art von Regierungen vor rechtsextremen Angriffen und unterstützen ihre progressiven Maßnahmen im demokratischen, sozio-ökologischen und finanziellen Bereich, falls es welche gibt. Die konkrete Taktik gegenüber jeder von ihnen wird je nach dem Kräfteverhältnis, ihrer Zusammensetzung, dem Grad ihrer „Fortschrittlichkeit“ und dem Vertrauen, das die arbeitenden Mehrheiten in sie setzen, unterschiedlich sein. In der gegenwärtigen Situation mit dem weltweiten Vormarsch der extremen Rechten fördern wir die besten Formen des Kampfes gegen den Faschismus, antifaschistische Fronten und Aktionseinheit mit ihren Vertretern in den Bewegungen und verbinden die Unterstützung für Maßnahmen progressiver Regierungen mit der Forderung, dass sie im Interesse der Werktätigen und der Unterdrückten arbeiten und voranschreiten. In diesem Sinne unterstützen wir Kämpfe gegen ihre neoliberalen und räuberischen Maßnahmen. Für taktische Varianten jeder Art ist es unabdingbar, sich von ihnen und den Bewegungen und Parteien, in denen wir agieren, unabhängig zu halten.
Wir kämpfen für die Erfüllung von Grundbedürfnissen wie allgemeiner und kostenloser Gesundheitsversorgung, staatlich garantierter Gesundheitseinrichtungen, menschenwürdigem Wohnen, menschenwürdiger Arbeit, Löhnen und Renten, Leistungen für Arbeitsunfähige und Zugang zu Wasser und Energie zu niedrigen Preisen.
Wir verteidigen das Recht aller betroffenen Frauen (und Männer) auf eine staatlich garantierte Entschädigung für Betreuungsarbeit (für Kinder, alte oder kranke Menschen). Wir kämpfen für das Recht zu entscheiden, Kinder zu bekommen, für das Recht auf Abtreibung und alle Verhütungsmethoden, für Sexualerziehung auf allen Ebenen, für qualitativ hochwertige öffentliche Kindertagesstätten, für qualitativ hochwertige Ganztagsschulen, für gleiche Bezahlung, gleiche Arbeitsmöglichkeiten und gleiches Einkommen für Männer und Frauen.
Gegen strukturellen Rassismus, der Schwarze, indigene Völker und alle rassifizierten ethnischen Minderheitengruppen diskriminiert, insbesondere wenn es sich um Migrant:innen im Norden handelt, schlagen wir Antidiskriminierungsmaßnahmen, Wiedergutmachung für Sklaverei und Landraub sowie Förderungsprogramme vor und kämpfen dafür. Wir stehen an der Seite aller Migrant:innen gegen Fremdenfeindlichkeit und Abschiebungspolitik. Wir kämpfen für ein Ende aller Mauern zwischen Ländern und Menschen.
Gegen Homophobie und Transphobie, die LGBTQIA+-Personen weltweit angreifen, erheben wir unsere Stimme für das umfassende Recht auf Selbstbestimmung über unsere Körper, so, wie wir das wollen. Wir fordern die volle Staatsbürgerschaft und Rechte für schwule, lesbische und nicht-binäre Paare mit der Möglichkeit der Heirat, Empfängnis und Adoption. Wir verteidigen die Rechte von Trans-Menschen, den Kampf gegen Gewalt und ihre vollständige Integration in das gesellschaftliche Leben.
All diese Kämpfe müssen sich vereinen, um den neuen Faschismus zu besiegen, um die Systeme der Ausbeutung und Unterdrückung zu stürzen und zum Kampf gegen den Imperialismus, den Kolonialismus und mit einem Wort den Kapitalismus zu führen.
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Eine unserer zentralen Aufgaben in dieser Phase ist es, sozio-ökologische Kämpfe zu fördern und zu unterstützen, um sicherzustellen, dass antikapitalistische ökologische Forderungen die aller arbeitenden und unterdrückten Schichten sind. Nur die Kraft der Bewegungen der Ausgebeuteten und Unterdrückten kann dem fortschreitenden Klimakollaps entgegentreten und die Menschheit zu einer ökosozialistischen Alternative führen, wie in unserem Manifest dargelegt ist.
Die Vierte Internationale kämpft für eine Welt, in der kein Staat einen anderen unterdrückt, überfällt oder unterdrückt, in der Frieden unter Gleichen möglich ist und die Selbstbestimmung der Menschen geachtet wird. Wir kämpfen für eine dekoloniale, ökologische und ökosozialistische Welt, in der die Überwindung des Kapitalismus und seiner Logik es allen ermöglicht, mit ihren Unterschieden gleich zu sein. Wir kämpfen für eine feministische Welt aller Ethnien und Hautfarben, aller geschlechtlichen Orientierungen und Identitäten, aller Glaubensrichtungen, aller Formen des menschlichen Lebens in Symbiose und im Gleichgewicht mit der Natur.
28. Februar 2025 |
Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von die internationale Nr. 3/2025 (Mai/Juni 2025) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz