Ökologiedebatte im Internationalen Exekutivkomitee

Bei der Sitzung des Internationalen Exekutivkomitees der 4. Internationale (IEK) im November 2000 und erneut im Februar 2001 wurde der Entwurf einer Resolution über "Ökologie und Sozialismus" diskutiert, die auf dem 15. Weltkongress zur Debatte stehen wird. Der Entwurf wurde von einer Kommission vorgelegt, die nach einer ersten Diskussion auf der IEK-Sitzung im Februar 2000 eingerichtet worden war.

Das Internationale Exekutivkomitee beschloss eine öffentliche Diskussion in der Presse der 4. Internationale, und dass alle, die daran teilnehmen wollen, Beiträge verfassen können, die ebenfalls veröffentlicht werden.1 Die vorliegende Veröffentlichung des Dokuments in seiner Fassung vom Ende letzten Jahres sowie die Zusammenfassung der Diskussion im IEK soll eine breite, offene Diskussion auslösen.

PROGRAMMATISCHE BEDEUTUNG

Wie der Sprecher der Kommission erklärte, hat die Resolution programmatische Bedeutung: Sie soll auf einem wesentlichen Gebiet zu einer Erneuerung des revolutionär marxistische Programms beitragen. Sie versucht die beträchtliche Verzögerung, die unsere Bewegung bei der theoretischen Behandlung der Ökologiefrage aufweist, wettzumachen. Die Resolution basiert auf einem Dokument, das 1990 vorbereitet wurde, aber aus Zeitmangel auf dem 13. Weltkongress der Internationale nicht diskutiert und abgestimmt werden konnte. Nach Meinung des Berichterstatters war dieser Text ein ausgezeichneter Ausgangspunkt, aber es war notwendig, ihn zu aktualisieren, ihn leichter lesbar zu machen, und im speziellen, einen gewissen Eurozentrismus zu überwinden. Das geschah, indem die wachsende Bedeutung der sozio-ökologischen Bewegungen in der Dritten Welt betont werden (die Begriffe "Dritte Welt" und "Süden", die in der Resolution für die abhängigen Länder oder Länder des peripheren Kapitalismus verwendet werden, entsprechen keinen wissenschaftlichen Kategorien, sondern wurden aus dem allgemeinen Sprachgebrauch übernommen). Das Dokument aus dem Jahr 1990 litt auch an einem gewissen "Ouvrierismus", also einer einseitigen, unkritischen Betonung der Rolle der ArbeiterInnen. Es war notwendig, den Text zu korrigieren, indem auf die wichtige Rolle der Bauern und Bäuerinnen sowie der indigenen Bevölkerung an den Kämpfen zur Verteidigung der Umwelt Bezug genommen wurde.

Nach Ansicht des Sprechers ist der Resolutionsentwurf der Versuch einer marxistischen Analyse der ökologischen Krise, der die Verbindung zwischen eben dieser Krise und der produktivistischen/destruktiven Logik des kapitalistischen Systems ins Zentrum stellt. Er unterscheidet sich von den üblichen ökologischen Texten durch radikale Vorschläge zur Lösung der Krise, die die Zukunft der Menschheit bedroht: gegen die Umwandlung der Welt in eine Ware, für eine Ökonomie, die auf anderen Kriterien als denen des Tauschwerts und der Profitlogik basiert - nämlich auf sozialen Bedürfnissen und dem Schutz der Umwelt. Das erfordert eine Veränderung der sozialen Beziehungen und eine sozialistische/demokratische Planung. Der Text versucht auch, das Zusammengehen von sozialer Bewegung und Ökologiebewegung für ihre gemeinsamen Interessen zu fördern.

Der Sprecher gab zu, dass der Resolutionsentwurf noch verbessert werden kann und Schwächen, Wiederholungen und Auslassungen aufweist, und er lud die IEK-Mitglieder ein, in der Diskussion zur Verbesserung beizutragen.

Viele GenossInnen aus mehreren Ländern - Luxemburg, Quebec, Niederlande, Deutschland, dem spanischen Staat, Ecuador, Großbritannien, den Philippinen, Italien, Frankreich, Brasilien, Puerto Rico und Portugal - beteiligten sich an einer offenen und freundschaftlich geführten Plenardebatte. Die meisten anerkannten die Dringlichkeit und die programmatische Bedeutung dieser Debatte für die Internationale. Die GenossInnen würdigten die Arbeit der Kommission und anerkannten die Wichtigkeit des vorgelegten Entwurfs, der mit anderen programmatischen Dokumenten verglichen werden kann, die in der Vergangenheit angenommen wurden, wie z. B. die Resolution über die Frauenbefreiung oder über Sozialistische Demokratie. Trotzdem wurden einige Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge genannt.

ERGÄNZUNGSVORSCHLÄGE

Viele dieser Änderungsvorschläge wurden vom Sprecher der Kommission als gerechtfertigt bezeichnet. Zumindest einige davon sollen nach Vorstellung der Kommission in eine überarbeitete Version des Dokuments aufgenommen werden, wenn dadurch der Umfang nicht über Gebühr verlängert wird, so dass die Übersetzungen gewährleistet bleiben. Eine Reihe dieser Vorschläge sind allerdings in der hier vorliegenden "zweiten Fassung" schon berücksichtigt. (Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Textes in inprecor und in international viewpoint lagen diese Ergänzungen noch nicht vor, so dass die deutschsprachigen LeserInnen gegenüber der englischen und der französischen Version hier eine leicht ergänzte Fassung in Händen halten.)

Im Folgenden einige dieser Anmerkungen, die nach Themen zusammengefasst wurden:

ARBEITERBEWEGUNG UND ÖKOLOGISCHE BEWEGUNG

Um die Allianz zwischen der ArbeiterInnenbewegung und Umweltbewegungen zu verstärken, müssen die Fragen, die die beiden Bewegungen verbinden, betont werden: Gesundheit bei der Arbeit, neue Arbeitsplätze durch erneuerbare Energien, usw. Es ist auch notwendig, die Ökologisierung der ArbeiterInnenbewegung und der 4. Internationale selbst als Ziel anzugeben.

Gleichzeitig müssen wir klar sagen: Wir verteidigen nicht die derzeit existierenden Jobs etwa in der Atomindustrie oder in der Autoindustrie. Ein Kampf um garantierte Arbeitsplätze und ausreichendes Einkommen für alle ist notwendig, aber nicht unbedingt am gegenwärtigen Arbeitsplatz.

Unsere Selbstkritik als MarxistInnen zur Behandlung der ökologischen Frage sollte begleitet sein von der Kritik an ökologistischen NGOs, die oft unpolitisch oder dem Marxismus gegenüber feindlich eingestellt sind.

Der ökologische Kampf hat oft Verbindungen zu Kämpfen nationaler Minderheiten (z.B. Afro-AmerikanerInnen in den USA) oder indigener Gemeinschaften, die Opfer besonders brutaler Formen von Verschmutzung und Umweltzerstörung werden.

OFFENE FRAGEN FÜR DIE WEITERE DEBATTE

Bezüglich anderer Anmerkungen blieb der Sprecher der Kommission skeptisch oder er hegte Zweifel, entweder weil er nicht zustimmte, oder weil diese Fragen ausführlicher diskutiert werden müssten, oder weil sie nicht unbedingt notwendig für das Dokument sind:

Einige Kritikpunkte und Vorschläge wurden vom Sprecher zurückgewiesen:


[1] Beiträge an: Inprecor, PECI, BP 85, F-75522, Paris Cedex 11, Frankreich oder per eMail: 100641.2324@compuserve.com.
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Die Beiträge werden an das IEK weitergeleitet und werden veröffentlicht. Die HerausgeberInnen behalten sich vor, Texte zu adaptieren, um Wiederholungen zu vermeiden.


Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 354 (April 2001).