USA

Hinter der Spaltung

Chris Kutalik

Hinter dem Kampf der Personen und großen Gedanken im Duell zwischen AFL-CIO- und CTW-Führungen zeichnet sich eine Geschichte ab, die die Spaltung mindestens ebenso als Machtkampf erscheinen lässt, wie als Kampf zwischen politischen Positionen. Schlüssel zur Spaltung waren Beitragsrabatte und die Frage der Nachfolge des Vorsitzenden. In einer internen Notiz für die AFL-CIO-Mitarbeiter bringt Robert Welsh, Vorstandsassistent des AFL-CIO-Vorsitzenden John Sweeney, Licht in die Hinterzimmergespräche vor der Spaltung. Während Welsh politische Absichten gehabt haben mag, die Notiz zu verbreiten, ermöglicht sie doch einen Einblick in die Spitzengespräche vor der Spaltung.

Welsh schrieb, dass es „wenig oder keine Differenzen in den endgültigen Positionen“ zwischen AFL-CIO- und CTW-Führern gab, abgesehen von zwei strittigen Punkten. Der erste war, dass Teamster-Chef James Hoffa darauf bestand, dass die Pro-Kopf-Beiträge seiner Organisation an den AFL-CIO um nicht weniger als die Hälfte gekürzt werden sollten.


Neuer Vorsitzender


Der zweite war die Frage des Nachfolgers für Sweeney. Viele glauben, dass Sweeney, der 71 ist, die ganze Amtszeit, für die er gerade gewählt worden ist, nicht ausfüllen wird und dass der eigentliche Kampf um seine Nachfolge geht.

Hauptartikel: Gewerkschaftsbund gespalten 

Laut Joe Szczesny, der für die Daily Oakland Press über Gewerkschaftsfragen schreibt, waren die CTW-Führer bereit, Sweeneys Wiederwahl auf dem Gewerkschaftstag zu unterstützen, doch verweigerten sie ihre Zustimmung, seinen Nachfolger vom AFL-CIO-Exekutivausschuss ernennen zu lassen. Die CTW-Führer sahen darin ein Manöver um sicherzustellen, dass Richard Trumka, der derzeitige Schatzmeister des AFL-CIO, der nächste Vorsitzende wird. Die CTW sprach sich für gewichtete Stimmen aus, die größeren Gewerkschaften einen größeren Einfluss geben würden.


Basis nicht gefragt


Gewerkschaftsmitglieder beider Seiten haben die Frage aufgeworfen, wie die Spitzenfunktionäre die Entscheidungsprozesse bei der Spaltung gesteuert haben. In viele der wichtigsten Entscheidungen waren die Mitglieder wenig oder gar nicht einbezogen.

„Irgendetwas musste passieren, um diese so genannte Arbeiterbewegung aufzurütteln“, sagt Scott Schroeder, Basismitglied der Ortsgruppe 588 der Lebensmittel- und Handelsgewerkschaft (United Food and Commercial Workers) in Kalifornien. „Nicht einer der Delegierten kam in die Geschäfte, um den Mitgliedern von ihrem Plan zu erzählen, den AFL-CIO zu verlassen, kein Brief, nichts.“ „Die meisten Mitglieder hatten nicht die leiseste Ahnung, was da im Gange war, bis der Brief von [dem Ortsgruppenvorsitzenden] Jacques Loveall kam.“

In ihrem Newsletter Teamster Leader schrieben die Teamster-Funktionäre, die Entscheidung, aus dem AFL-CIO auszutreten, sei „eine Frage von Prinzipien und Ergebnis einer langen und gründlichen Diskussion“ gewesen. Reformer fragen scharf, wie lang und gründlich dieser Prozess wohl wirklich war.


Lange Diskussion?


Tatsächlich notierten die Spitzenfunktionäre selbst, dass sich der geschäftsführende Vorstand der Teamster um 11 Uhr traf, um Hoffas Austrittsantrag anzunehmen. Um 11:45 kündigte Hoffa den Austritt gegenüber den Teamster-Delegierten an und um 13 Uhr war er schon auf der CTW-Pressekonferenz, wo die Spaltung bekannt gegeben wurde.

Sandy Pope, Vorsitzender der Teamster-Ortsgruppe 605 in Long Island, New York, verbreitete einen offenen Brief, in dem er den Vorstand aufforderte, seine Entscheidung zurückzunehmen, bis eine „breitere“ Diskussion stattgefunden hat. Pope schrieb: „Der AFL-CIO ist nicht einfach eine nationale Körperschaft: Viele [Teamster-] Orts- und Bezirksgruppen haben sich örtlichen oder bundesstaatlichen Gewerkschaftsausschüssen angeschlossen. Jede Veränderung, die diese Zusammenarbeitsstrukturen, die zur Organisierung von Streikunterstützung, für koordinierte Tarifverhandlungen und für politische Aktionen erforderlich sind, gefährden könnte, verdient die Erörterung durch einen breiten Kreis örtlicher Funktionäre und betroffener Mitglieder.


Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 410/411 (Januar/Februar 2006).