Celia Hart, die kubanische Revolutionärin und leidenschaftliche Kritikerin von Bürokratisierung und drohender kapitalistischer Restauration in Kuba ist tot. Sie war eine unerbittliche Verfechterin der Errungenschaften der kubanischen Revolution und – als konsequente Internationalistin – davon überzeugt, dass Kubas Zukunft existentiell mit dem Fortschreiten der Weltrevolution verbunden sein würde.
Am Nachmittag des 7. September kamen Celia und ihr Bruder Abel bei einem Autounfall in Havanna ums Leben. Celia war 45, Abel 48 Jahre alt. Die bevorstehende Bedrohung durch den Hurrikan Ike rückte diese Meldung in den kubanischen Medien in den Hintergrund.
Celia war Physikerin und Tochter zweier historischer Führer der Revolution: Armando Hart, Organisationssekretär der PCC im Jahr der Abreise von Che Guevara aus Kuba zur Unterstützung der kongolesischen Rebellen und späterer Kultus- und Erziehungsminister, sowie Haydée Santamaría, eine der beiden einzigen weiblichen Teilnehmer am Angriff auf die Moncada-Kaserne, bei dem sowohl ihr Bruder als auch ihr Verlobter gefangen genommen und von den Schergen Batistas ermordet wurden, und spätere Gründerin und Leiterin des Kulturinstituts „Casa de las Americas“ (Amerikahaus). Gelegentlich äußerte sie, sich nur noch zu ihrer Mutter bekennen zu wollen, und oft kam sie auch auf deren Schicksal zu sprechen: Haydée beging 1980 Selbstmord, nachdem die zweite große Emigrationswelle, benannt nach dem Hafen Mariel, ausgebrochen war. Celia erinnerte sich, wie bitter für ihre Mutter der Anblick der verzweifelten Flüchtlinge war, die sie vom Fenster aus auf dem Meer beobachten konnte.
Dem Vater hingegen konnte sie in den letzten Jahren nicht verzeihen, dass er sie zur Zurückhaltung anhielt. Für sie handelte es sich um bloße Schikanen, in Wahrheit gab er nur seine Erfahrung weiter. Dennoch konnte Armando Hart nicht verhindern, dass Celia 2005 aus der Partei ausgeschlossen wurde – eine für kubanische Verhältnisse keineswegs geringfügige Maßnahme.
Es war noch nicht lange her, dass Celia anfing, sich politisch zu engagieren. Bereits während des Physikstudiums in der DDR stand sie dem dortigen System eher distanziert gegenüber. Der Fall der Mauer veranlasste sie, nach den Gründen dafür zu suchen, wobei ihr die kubanische Gesellschaft auch nicht den Schlüssel zum Verständnis liefern konnte. Von ihrem Vater bekam sie damals die Bücher, an denen er sich bereits geschult hatte und die für die kubanische Jugend gewöhnlich unzugänglich waren: Die Trotzki-Trilogie von Issac Deutscher, ein paar Werke von Trotzki selbst und schließlich die unter Verschluss gehaltenen und lediglich in einer Auflage von 200 Stück den Führungskadern vorbehaltenen gesammelten Werke von Che Guevara.
Celia hatte sie förmlich verschlungen und danach fing sie an, unablässig selbst zu schreiben. Ihr oberstes Anliegen war es, das unterdrückte und vergessene Gedankengut von Che Guevara zu rehabilitieren, wobei die Veröffentlichung von Teilen der bis dato unveröffentlichten Schriften in erster Linie ihr Verdienst war, und Trotzkis Stellung in der Geschichte darzulegen. Allein auf der katalanischen Website „Kaos en la Red“ sind etwa fünfzig z. T. sehr umfängliche Veröffentlichungen von ihr erschienen. Andere, darunter auch Gedichte, finden sich auf den Websites „Rebelión“, Aporrea und „The militant“. Auch in Italien sind Veröffentlichungen von ihr erschienen: bei „Erre“, in den Zeitschriften der Guevara-Stiftung und auch im Anhang meines Buches über Ches unveröffentlichte Schriften.
In der Regel zeichnete sie ihre Veröffentlichungen alleinverantwortlich, während die im März diesen Jahres von Kuba ausgehende Erklärung gegen die Ermordung des FARC-Kommandanten Raúl Reyes in Ecuador gemeinsam mit einigen alten trotzkistischen Genossen auf Kuba veröffentlicht wurde. Einer von ihnen war bereits in den 50er Jahren in der Guerilla der Sierra Maestra aktiv und später dann in den 70ern wegen „Verleumdung der Sowjetunion“ zu 12 Jahren Haft verurteilt worden.
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Celia hat ihre abweichende Meinung stets vertreten und bspw. die offizielle Position Kubas über den vorgeblichen „Sozialismus“ in China abgelehnt. Sie hat de facto nahezu als einzige die Rolle des „kritischen Gewissens“ im Lande innegehabt und die Ereignisse und offiziellen Verlautbarungen aus ihrer Sicht kommentiert.
Dabei war sie keine Dissidentin im eigentlichen Sinne und verzichtete – möglicherweise aus taktischen Gründen – auch nicht auf bestimmte rituelle Bekundungen in Bezug auf Fidel Castro, den sie stets mit Che Guevara in einem Atemzug nannte. Für diese Widersprüchlichkeit gibt es bestimmte Gründe: Einerseits ist sie kennzeichnend für viele andere kubanischen Genossen, die der aktuellen Entwicklung kritisch gegenüber stehen, aber unfähig sind, die Verantwortung von Fidel Castro – dessen außerordentliche historischen Verdienste über die vielen Fehler in jüngerer Zeit nicht hinwegtäuschen können – offen und ernsthaft zu problematisieren; andererseits rühren sie aus Celias politischer Position, die sie zu einer engen und herzlichen Beziehung zu allen trotzkistischen Tendenzen geführt hat (bspw. hat sie sich in Italien mit Turigliatto und Malabarba treffen wollen).
Viele ihrer politischen Kontrahenten werden um sie trauern, angefangen bei ihrem Vater, der zwar über ihre Leichtfertigkeit erschrocken war, aber ihren Werdegang als Revolutionärin in nicht geringerer Weise als ihre Mutter Haydée beeinflusst hatte.
8. September |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 444/445 (November/Dezember 2008).