USA

Erfolg bei den Unternehmern, Kapitulation der Gewerkschaften und erstes Aufbegehren der Arbeitenden im Automobilbau

Dianne Feeley

In den Rettungspaketen, die die Obama-Regierung 2009 mit General Motors und Chrysler getrennt vereinbart hatte, sollten die Löhne und Sozialleistungen in der Automobilindustrie an diejenigen eines durchschnittlichen, nicht gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten in einem nicht gewerkschaftlich organisierten ausländischen Unternehmen gekoppelt werden. Da gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte traditionell weniger verdienen als Arbeiterinnen und Arbeiter, denen die institutionelle Stärke einer Gewerkschaft fehlt, bedeutete dies, dass die Regierung eine Lohnkürzung in der Automobilindustrie unterstützte. Rechnet man Lohn- und Sozialleistungen zusammen, so kostet ein US-Arbeiter in einem Werk von Toyota die Firma ungefähr 56 Dollar pro Stunde, während das Management der großen US-Autokonzerne behauptet, bei ihnen seien es 60 bis 73 Dollar pro Stunde. (Der US-Mindestlohn beträgt 7,25 Dollar pro Stunde, obwohl einige Bundesstaaten höhere Sätze haben. Der Durchschnittslohn in der Produktion beträgt 14.50 Dollar; der durchschnittliche Beschäftigte bei den großen US-Autokonzernen verdient 28 Dollar).

Der Unterschied zwischen der Entlohnung bei Toyota und bei GM ist im Wesentlichen auf die Zahl der Rentner bei den US-Autokonzernen zurückzuführen. Während die ausländischen Werke weniger als 30 Jahre alt sind und daher nur wenige Rentner haben, müssen die „Big Three“ (GM, Chrysler, Ford) zusammen 800 000 Rentner versorgen, und ihre Renten gehen mit in die Arbeitskosten ein. Tatsächlich waren die „Big Three“ bis zu einer kürzlich mit der UAW getroffenen Vereinbarung für die Gesundheitsversorgung der Pensionäre zuständig. Die Verträge von 2007 übertrugen die Gesundheitsleistungen für Rentnerinnen und Rentner an einen von der Gewerkschaft verwalteten, freiwilligen Arbeitnehmer-Gesundheitsfonds (VEBA), der Anfang 2009 wirksam wurde.

Die Obama-Regierung änderte die Bedingungen der Verträge mit General Motors und Chrysler von 2007, indem sie darauf bestand, dass mindestens die Hälfte der übertragenen VEBA-Beiträge in Gestalt der jetzt abgewerteten Unternehmensaktien geleistet wurden.

Angesichts der Reduzierung der Vermögenswerte verlangte das US-Finanzministerium dann, augen- und zahnärztliche Leistungen zu streichen, um die Integrität des VEBA zu sichern. Die Vereinbarungen legten dann fest, dass diese Leistungen im Juli 2009 beendet werden sollten.

GM und Chrysler erhielten 80 Mrd. Dollar in Form von Darlehen, und die kanadische Regierung legte noch einmal 3 Mrd. Dollar drauf. Im Gegenzug erhielt die US-Regierung 61 % der GM-Aktien und 10 % der von Chrysler. (Die kanadische Regierung und die Provinz Ontario besitzen auch Aktien.)

Nach Überprüfung der Umstrukturierungspläne des Unternehmens hielt die Obama-Regierung Chrysler für „nicht lebensfähig als eigenständiges Unternehmen“ und gab noch Kapital für 30 Tage, um eine Partnerschaft mit Fiat einzugehen. Die Fusion erfolgte, zum Erstaunen vieler, unmittelbar nach Ende des kurzfristigen 42-Tage-Bankrotts von Chrysler. Obwohl die Finanzen von Fiat und Chrysler bisher nicht zusammengelegt worden sind, hat Sergio Marchionne, Vorstandsvorsitzender beider Unternehmen, die Analysten informiert, dass Fiat plant, seinen Aktienanteil an Chrysler im zweiten Quartal 2011 von 20 % auf 35 % zu erhöhen. Verschiedene Journalisten meinten, der Zusammenschluss sei für beide Partner von Vorteil, da er Fiat Zugang zum US-Markt gibt und Chrysler die Technologie bekommt, die für den Bau kleiner Autos und die Öffnung der Märkte in Lateinamerika erforderlich ist.

Die Umstrukturierungspläne von GM versprachen, drei ihrer acht Marken aufzugeben, fünf weitere US-Fabriken zu schließen sowie 47 000 Stellen weltweit abzubauen, davon 20 000 in den USA. Das Unternehmen wurde an die kurze Leine genommen: Es bekam 60 Tage zur Umstrukturierung, und sein CEO Rick Wagoner musste zurücktreten.

Im Gegensatz zu seiner „Hände weg“-Haltung bei der Rettungsaktion für die Finanzbranche setzte Obama eine Sonderkommission ein, die den Umstrukturierungsprozess eng überwachte.

Ende 2010 hatte GM 13,4 Mrd. Dollar zurückgezahlt. Beim Börsengang im letzten November gelang es GM, einige der Aktien der Regierung zu verkaufen und so die Schulden um weitere 23,1 Mrd. Dollar zu senken. Für das dritte Quartal 2010 berichtete General Motors einen Nettogewinn von 2,16 Mrd. Dollar. Chrysler kündigte an, damit zu rechnen, im Jahr 2011 wieder profitabel zu werden. Ford, das Unternehmen, das als „der weltweit profitabelste Automobilhersteller“ gefeiert wurde und nie um ein Rettungspaket gebeten hatte, meldete für das dritte Quartal 2010 einen Gewinn von 1,69 Mrd. Dollar; im gesamten Jahr 2009 waren es 2,72 Mrd. Dollar.

Die UAW-Führung, die die überwiegende Mehrheit der gewerkschaftlich organisierten Automobilarbeiterinnen und -arbeiter vertritt, unterstützte die Rettungsaktion bei den Kongressanhörungen und stellte keine Forderungen für die von ihr vertretenen Arbeiterinnen und Arbeiter. Sie motivierte ihre Mitgliedschaft, bei einer Urabstimmung dem Unternehmen zusätzliche Zugeständnisse zu machen und bis 2015 auf ihr Streikrecht zu verzichten. Widerwillig stimmten die Beschäftigten zu.

Natürlich wollte Ford ein ähnliches Abkommen und schlug vor, den Tarifvertrag zu öffnen, um die Löhne der neu Eingestellten einzufrieren, die Stelleneinstufungen zu reduzieren, um dem Unternehmen mehr „Flexibilität“ zu geben, und Streiks bis 2015 auszusetzen. Um diese bittere Pille zu versüßen, bot Ford 1000 Dollar für jeden Beschäftigten und eine Garantie für neue Modelle an einigen Standorten an, wenn der Vertrag unterzeichnet würde. Die UAW-Zentrale traf sich mit örtlichen Führern, von denen mehrere dagegen waren, den Vertrag zur Abstimmung zu bringen. Sie wurden unter Druck gesetzt, den Vertrag trotz ihrer Vorbehalte zu billigen, und die Zentrale setzte eine schnelle Urabstimmung an und warb für die Annahme. Doch die Basis, die bereits zwei früheren Verträgen mit weitreichenden Zugeständnissen zugestimmt hatte, rebellierte und lehnte ihn mit 74 % ab. Dies war das erste Mal, dass Automobilarbeiterinnen und -arbeiter einen landesweiten Tarifvertrag gegen ihre Führung ablehnten. Insbesondere sahen die Ford-Arbeiter keinen Grund, sich ihrer mächtigen, wenn nur selten verwendeten, Streikwaffe zu entledigen. Nur wenige Tage nach Auszählung der Abstimmung kündigte Ford einen Gewinn von 1 Mrd. Dollar im dritten Quartal an, was beweist, was Arbeiter die ganze Zeit behauptet hatten, nämlich dass Ford keine weiteren Zugeständnisse brauchte, um wieder profitabel zu werden.

Doch der UAW-Vorsitzende King verteidigt die Anti-Streik-Klausel noch immer und bleibt dabei, dass die Ford-Arbeiter nicht „verstehen, warum sie notwendig war“. In einem Interview mit der Detroit Free Press erklärte er, dass die UAW bereits zugestimmt habe, das Streikrecht bei GM und Chrysler auszusetzen, und dass man nun, wo schon einmal Zugeständnisse gemacht worden waren, „nicht ein Unternehmen schlechter als die anderen Unternehmen stellen könne. Das wäre nicht richtig. Das wäre nicht gerecht.“

Statt die höheren Standards des einen Unternehmens zu nutzen, um die schlechteren Bedingungen eines anderen anzuheben, besteht die Strategie von King darin, „fair“ gegenüber allen Unternehmern zu sein. [1]


Ein kurzer Blick auf die Branche, ein Überblick zur UAW


Die Zulieferindustrie, die 10 000 verschiedene Teile für die amerikanischen und die ausländischen Werke liefert, forderte von der Regierung einen Rettungsschirm von 25,5 Mrd. Dollar. Am Ende haben sie sich aber nur 413 Mio. Dollar geliehen und inzwischen vollständig zurückgezahlt. Mindestens 54 der 2 000 Zulieferer stellten sich im Jahr 2009 unter Gläubigerschutz. Diese Branche beschäftigt über 400 000 Mitarbeiter und ist an den Großen Seen und in den Südstaaten konzentriert. Viele „nahmen die Rezession als Anlass, um Personal und Überkapazitäten abzubauen“, und waren daher in der Lage, schnell wieder rentabel zu werden. Viele beginnen jetzt wieder einzustellen, obwohl 80 % der Arbeitsplätze befristet sind. [2]

Obwohl die Zulieferindustrie früher zu 80 % gewerkschaftlich organisiert war und die Beschäftigten dort fast bis auf den Cent dasselbe verdienten wie in den Montagewerken, ist der Organisationsgrad jetzt auf 20 % gefallen. Der Wandel begann in den 1950er Jahren, als Werke in ländliche Gebiete verlegt wurden und es der UAW nicht gelang, ihnen zu folgen und die Belegschaften zu organisieren. Nicht gewerkschaftlich organisierte Werke zahlen im Durchschnitt 11,50 Dollar pro Stunde, gewerkschaftlich organisierte beginnen gewöhnlich bei 14 Dollar – die Hälfte dessen, was langjährig Beschäftigte in der Endmontage bei den „Big Three“ bekommen.

Auf ihrem Höhepunkt 1979 hatte die UAW 1,5 Millionen Mitglieder, hauptsächlich Automobilarbeiterinnen und -arbeiter. Heute organisiert sie insgesamt 355 000 Beschäftigte, darunter Krankenschwestern, Staatsbedienstete, studentische Hilfskräfte und Spielbankpersonal. Nicht einmal jedes dritte UAW-Mitglied arbeitet noch in der Autoindustrie. Die in den 1930er Jahren gegründete UAW wurde von Radikalen verschiedener sozialistischer Traditionen geführt. Ihren ersten Tarifvertrag erkämpfte sie als Ergebnis eines 44-tägigen Sitzstreiks in einem GM-Werk in Flint, dem Herzen von General Motors. 1948 gelang es Präsident Walter Reuther, seine Strömung zu konsolidieren, und seitdem ist die Gewerkschaft durch diese Einparteiendiktatur erdrosselt worden. Oppositionsströmungen haben eine wichtige Rolle im Leben der UAW gespielt, aber je mehr die UAW-Führung von der Notwendigkeit von Konzessionen überzeugt war, desto tyrannischer ist sie geworden. Wer die offizielle Linie in Frage zu stellen wagt, findet sich ausgegrenzt. Die Leitungsströmung („Administration Caucus“) operiert nicht nur vom Solidarity House aus, dem Sitz der nationalen Leitung, sondern sie hat auch entscheidende Bastionen in den verschiedenen Regionen und Ortsverbänden. Sie spricht mit einer Stimme und nominiert immer nur einen Kandidaten für jedes Amt. Ihre Mitglieder sind verpflichtet, ihre Kandidaten zu unterstützen und deren Positionen zu verteidigen.

Auf dem UAW-Gewerkschaftstag im Juni 2010 wurden oppositionelle Delegierte überwacht, um sicherzustellen, dass sie in der Kongresshalle keine Schriften verteilten. Gary Walkowitz, Vertrauensleutesprecher im Lkw-Werk River Rouge [Michigan] von Ford und führend in der Nein-Kampagne im Vorjahr, kandidierte auf einer Plattform gegen jegliche Zugeständnisse für den Vorsitz. Als der Sieg des Kandidaten der Leitungsströmung, Bob King, feststand, erklärte der scheidende Präsident, dass außer, wenn ein Delegierter nach vorne ging und sich dort ausdrücklich für Walkowitz aussprach, alle Stimmen als für King abgegeben gewertet würden. Jeder Delegierte, der nach vorn (zu dem einzigen Mikrofon) kam, wurde von den anderen Delegierten ausgepfiffen.

King, der sich selbst als einen den sozialen Bewegungen nahe stehenden Gewerkschafter betrachtet und aktiv in Antikriegskampagnen und Bürgerprotesten ist, rief gleich nach seiner Wahl zu einer Demonstration auf und zog mit den Delegierten hinüber zur Chase-Bank, um gegen deren häufige Zwangsversteigerungen (nach der subprime-Krise) zu protestieren. Trotzdem lehnten es die meisten Delegierten beim Hinausgehen ab, eines der angebotenen Flugblätter anzunehmen.

Die UAW vertritt die überwiegende Mehrheit der gewerkschaftlich organisierten Automobilarbeiterinnen und -arbeiter. Um (in einem Betrieb) anerkannt zu werden, muss eine Gewerkschaft Karten sammeln, die von mindestens einem Drittel der Beschäftigten unterzeichnet sind. Diese werden dann der Bundesbehörde für Arbeitsbeziehungen (NLRB) übergeben, die zu einer geheimen Abstimmung aufruft, wenn das Unternehmen die Ergebnisse bestreitet, was im Allgemeinen geschieht. In der Zeit zwischen der Abgabe der Karten und der Durchführung der Urabstimmung nutzt die Firma in der Regel ihre Macht, um die Arbeiterinnen und Arbeiter davon zu überzeugen, dass es nicht in ihrem Interesse sei, für eine gewerkschaftliche Vertretung zu stimmen. Tatsächlich engagieren die Unternehmen üblicherweise sogar spezielle Anti-Gewerkschafts-Experten um eine solche schmierige Kampagne durchzuführen. Während der Organisationsgrad in den USA im Durchschnitt 12 % beträgt, was niedriger als jemals seit den 1920er Jahren ist, liegt er in der Privatwirtschaft sogar bei nur 7 %.

In der Regel verlieren die Gewerkschaften heute etwa die Hälfte der Abstimmungen, zu denen die NLRB aufruft. Vielleicht noch wichtiger ist die Tatsache, dass selbst dann, wenn eine Gewerkschaft ihre Anerkennung durchgesetzt hat, sie nur in 56 % aller Fälle in der Lage ist, einen Tarifvertrag auch zu sichern. In den meisten Industriestaaten ist, sobald ein Tarifvertrag ausgehandelt wurde, die Gewerkschaft in der Lage, eine Gewerkschaftspflicht durchzusetzen, also dass jeder der Gewerkschaft beitreten muss, der für das Unternehmen arbeiten will. In den Südstaaten gibt es hingegen keine Gewerkschaftspflicht.

Als Reaktion auf Unternehmerschikanen starteten die Gewerkschaften eine Kampagne für eine gesetzliche Regelung des Kartenverfahrens. Dies würde sicherstellen, dass, sobald die Mehrheit der Beschäftigten Karten unterzeichnet und diese der NLRB vorgelegt werden, das Unternehmen Tarifverhandlungen beginnen müsse. Wenn es innerhalb von 90 Tagen zu keiner Einigung käme, würde ein Schlichter einen Zweijahresvertrag festsetzen. Im Wahlkampf 2008 unterstützte Obama den Employee Free Choice Act, und die Gewerkschaften setzen sich mit Geld und Ressourcen für seine Wahl ein. Doch einmal gewählt, kämpft Obama nicht mehr für diesen Gesetzesentwurf.

Traditionell führt die UAW „Mustertarifverhandlungen“ bei den „Big Three“. Das heißt, es wird ein Unternehmen für die Tarifverhandlungen ausgewählt und erst wenn dieser Vertrag unterschrieben ist, beginnen die Verhandlungen über die weiteren. Der erste Vertrag setzt also den Standard.


Wie die Rettungsaktionen 1979–81 die Autoindustrie veränderten


Beginnend mit der Chrysler-Rettung von 1979 hatten Umstrukturierungsprozesse innerhalb der Branche jedoch dramatische Auswirkungen auf den Ablauf der Tarifverhandlungen. Die wichtigsten Auswirkungen dieser Umstrukturierungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Zunehmender Druck auf die Automobilarbeiterinnen und -arbeiter, die Unternehmen, die sie beschäftigen, durch die Annahme von Zugeständnissen zu „retten“. Obwohl die UAW-Führung schon lange daran geglaubt hatte, dass es notwendig sei, die Unternehmen „konkurrenzfähig“ zu halten, trat diese Frage bei der Rettungsaktion von 1979 in den Vordergrund. Damit wurden die Voraussetzungen für einen Wettlauf der UAW-Ortsverbände geschaffen; denn gibt man Zugeständnisse an einem Standort, so würde das Unternehmen diesen gegenüber anderen vorziehen.

    Dies ist möglich, weil der nationale Tarifvertrag nur den Rahmen für Löhne und Sozialleistungen festlegt, so dass sich die Auseinandersetzungen hin zu den lokalen Verträgen verlagert haben, wo es große Unterschiede bei Betriebsordnungen, Überstunden und Arbeitsplänen geben kann. In jüngerer Zeit hat die UAW-Führung die Ortsverbände gedrängt, weiteren Zugeständnissen zuzustimmen. Diese Unterschiede bilden die Grundlage für den Wettlauf. Die Unternehmen locken mit neuen Produkten oder drohen sogar mit Werksschließungen, um die Ortsverbände zu Zugeständnissen zu drängen.

  2. Während der Wirtschaftskrise 1979–81 und den Rettungsaktionen für die Großen Drei war die Rede von höheren Zöllen auf importierte Autos. Toyota entschied sich, dass der beste Weg, den Zugang zum US-Markt zu sichern, die Einrichtung von Produktionsstätten in den Vereinigten Staaten wäre, und errichtete sein erstes US-Werk in Smyra, Tennessee. Autokonzerne aus der ganzen Welt – vor allem japanische und koreanische Hersteller, die „Transplants“ [3] genannt werden – haben Werke im Süden der USA errichtet, einem Gebiet, in dem die sogenannten „Recht auf Arbeit“-Gesetze gewerkschaftliche Organisierung stark behindern. Während für typische Produktionsarbeitsplätze in den Südstaaten durchschnittlich 11 Dollar je Stunde gezahlt werden, liegen die Löhne der „Transplants“ deutlich darüber. Beispielsweise bot 2006 das neu eröffnete Kia-Werk in West Point, Georgia einen Einstiegslohn von 14,79 Dollar pro Stunde und 22,50 Dollar pro Stunde nach zwei Jahren Betriebszugehörigkeit.

    „Transplants“ wurden errichtet von Toyota, Honda und Nissan aus Japan, Hyundai und Kia aus Südkorea und BMW und Mercedes-Benz aus Deutschland. Bis die Rezession zuschlug, planten sie, acht bis zehn neue Werke zur Endmontage und Teilefertigung zu bauen, während GM, Ford und Chrysler weitere Werksschließungen planten. Bis zum Jahr 2005 beschäftigten die „Transplants“ mehr als 90 000 Menschen und noch einmal 160 000 bei Zulieferern; das sind 27 % der Automobilbeschäftigten des Landes, die jährlich fast fünf Millionen Autos und Lastwagen produzieren. Zwar ist dies der dynamischste Sektor der Automobilindustrie, doch ist es der UAW nicht gelungen, diese Arbeiter zu organisieren. Sie hat von oben gesteuerte Kampagnen begonnen, um die Anerkennung als Gewerkschaft bei Toyota, Honda und Nissan zu erreichen, hat aber jede Abstimmung verloren. Die verheerendste Niederlage musste sie 1999 einstecken, als sie versuchte, die Anerkennung als Gewerkschaft im Mercedes-Benz-Montagewerk in Vance, Alabama zu gewinnen, zu einer Zeit, als Daimler-Benz Eigentümer von Chrysler war. [4]

  3. Übernahme vieler zunächst in der japanischen Autoindustrie entwickelten Techniken durch die „Big Three“ Diese haben die Branche umstrukturiert durch die Entwicklung des „Team-Konzepts“, bei dem eine Arbeitskraft jede Aufgabe im gesamten Team übernehmen kann, was zur Arbeitskräfteflexibilität führt, und wo die Teams sich zusammensetzen, um Probleme zu lösen, wodurch das Management von den Arbeiterinnen und Arbeitern lernt, wie man die einzelnen Aufgaben effizienter erfüllen kann. Anstatt Produktionsprozesse und Normen mit der Einführung jedes neuen Modells zu ändern, werden die Normen beim Team-Konzept durch „Kaizen“, den kontinuierlichen Verbesserungsprozess, ständig optimiert. „Lean production“ (schlanke Fertigung) versucht, Verschwendung auf allen Ebenen des Herstellungsprozesses zu beseitigen, von Transport und Lager bis zu unnötigen Bewegungen oder Wartezeiten der Arbeiterinnen und Arbeiter. Sie versucht auch, Überproduktion und Ausschuss zu beseitigen. Die Einführung der „just in time“-Lieferung reduziert den Bedarf an Lagerplatz und erhöht die Flexibilität des Unternehmens zum Wechsel von einem Produkt zum anderen. All diese Techniken bringen deutlich höhere Produktivität, erhöhen aber den Stress für die Arbeitskräfte.

  4. Der Verkauf von Teilewerken, die früher den „Big Three“ gehörten. In den 1990er Jahren verkaufte General Motors seine Werke zur Teilefertigung an American Axle und Delphi, während Ford seine Teilewerke an Visteon verkaufte. (Chrysler hatte, als schwächster der drei, die meisten seiner Teilewerke bereits früher ausgelagert.)

Viele Automobilarbeiterinnen und -arbeiter bei GM- und Ford-Teilewerken wollten gegen diese Reorganisation Widerstand leisten. Sie sahen diesen Schachzug als Versuch, sie loszuwerden und von der Nutzung von Sozialleistungen auszuschließen, auf die sie Anrechte angesammelt hatten. Da Sozialprogramme in den Vereinigten Staaten beschränkt sind, sind Arbeiterinnen und Arbeiter auf die Krankenversicherung der Unternehmen angewiesen wie auch auf Renten und Gesundheitsleistungen für die Pensionäre. Viele Arbeiterinnen und Arbeiter bleiben bei einem Unternehmen wegen dieser Leistungen. Daher wollten sie die Ansprüche, die sie erworben hatten, schützen.

Doch die UAW-Führung stimmte dieser Reorganisation zu. Gewerkschaftsfunktionäre wiesen darauf hin, dass es Übernahmebestimmungen gebe, dass das Unternehmen, das ein Werk kauft, auch die Bedingungen des Tarifvertrags für dessen gesamte Laufzeit erbt. Sie sicherten zu, einen Kampf zu führen, wenn diese Unternehmen später versuchen würden, schlechtere Bedingungen durchzusetzen.

Aber innerhalb eines Jahrzehnts wurden die Tarifverträge in diesen ehemaligen GM- und Ford-Teilewerken völlig zerlegt. Die Arbeitsbedingungen wurden verschlechtert, Stelleneinstufungen verringert, Arbeitsplätze in Billiglohnunternehmen ausgelagert, drakonische Strafen für Verspätungen oder Fehltage verhängt und eine flexiblere Methode zur Berechnung von Überstunden eingeführt. (Überstunden werden nicht schon nach acht Stunden am Tag, sondern erst nach 40 Stunden in der Woche bezahlt.) Vielleicht am wichtigsten war die Einführung einer geteilten Belegschaft.

Die neuen Zulieferer behaupteten, dass sie, um ihre Verträge mit den „Big Three“ zu erfüllen, die Lohnkosten senken müssten. Obwohl dieser Faktor nie mehr als 8–10 % der Gesamtkosten ausmachte, waren Gewerkschaftsfunktionäre bereit, dabei mitzumachen. Aber statt sich dem Zorn der Arbeiterinnen und Arbeiter auszusetzen, wenn man die Kürzung ihrer Löhne fordert, einigten sich die Funktionäre mit dem Management auf eine Verringerung der Löhne für Neueingestellte.

Ich nahm in meinem Teilewerk an einer Kampagne teil, die den Zweistufentarifvertrag zu Fall bringen sollte. Nach meiner Erfahrung hat die Mehrheit meiner Kollegen sofort verstanden, dass eine zweigeteilte Belegschaft nicht in unserem Interesse sein konnte. Solidarität ist nicht nur eine abstrakte Idee – sie ist eine konkrete Realität. Warum sollten die neuen Mitarbeiter, die neben dir arbeiten, nur die Hälfte von deinem Lohn bekommen? Statt sich sicher zu sein, dass Kolleginnen und Kollegen einem „den Rücken freihalten“, muss man befürchten, dass ein Einstiegslohn bei Neueingestellten zu Neidgefühlen gegenüber längerfristig Beschäftigten führen und so eine gefährliche Arbeitsatmosphäre schaffen könnte. Oder wie kann ein Rentner, der darauf angewiesen ist, dass die aktuelle Belegschaft auf den Schutz seiner Rente achtet, sich auf jemanden verlassen, der selber nie eine Rente oder Gesundheitsleistungen für Rentner bekommen wird? Und da viele der Neueingestellten ja die eigenen Kinder oder die der Nachbarn sein könnten, wie wollte man ihnen da eine schlechtere Zukunft wünschen?

In meinem Werk hatten wir einen örtlichen Vorsitzenden, der vehement gegen zweistufige Löhne war und als einziges Mitglied der Verhandlungsdelegation gegen den Tarifvertrag gestimmt hatte. Das half uns, politischen Raum in den Hallen zu schaffen und eine wirkungsvolle Nein-Kampagne zu organisieren. Wir sammelten Geld, um einen Button zu drucken und Schriften herauszugeben. Einmal verteilten fast 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Information in den verschiedenen Werken und Schichten, und wir lehnten die Vereinbarung entschieden ab. Allerdings gelang es uns nicht, ein Netzwerk auch an den anderen Standorten zu errichten. Dort glaubte die Mehrheit, sie müsse für die Zugeständnisse stimmen oder mit der Schließung von Werken rechnen. UAW-Funktionäre erzählten ihnen, wir seien „egoistisch“ und dass wir meinten, unsere Arbeitsplätze seien sicher. Der Grund, warum wir die Abstimmung auf nationaler Ebene verloren, war nicht die Propaganda der Unternehmer, sondern die Empfehlung der UAW-Zentrale.

Mit dem Verkauf ihrer Teilewerke reduzierten Ford und GM ihre Belegschaft deutlich und setzten die neuen Unternehmen durch den Abschluss von Verträgen mit strengen Bedingungen für die Lieferung der Produkte unter Druck, den diese dann zur Erpressung weitere Zugeständnisse an ihre Arbeitskräfte weitergaben.


Zwischen einer Krise und der nächsten: ein Zeitalter der Zugeständnisse


Die UAW bekam nie wieder zurück, was sie in den Jahren 1979–81 preisgegeben hatte. Während vor 1979 die Einführung einer Reihe von bezahlten persönlichen Urlaubstagen als ein Schritt in Richtung Reduzierung der Wochenarbeitszeit angepriesen wurde, war danach auch nur die Erwähnung einer Arbeitszeitverkürzung verschwunden. Wichtiger noch als der wirtschaftliche Verlust durch die Zugeständnisse war die ideologische Haltung, die Beschäftigten müssten ihren Unternehmen helfen, „wettbewerbsfähig“ zu sein.

Zugeständnisse wurden standardisierter Teil von Tarifverhandlungen, wobei die Unternehmen immer jammerten, die „Transplants“ würden Marktanteile gewinnen.

Mitte der 1980er Jahre entwickelte sich eine bedeutende Opposition innerhalb der UAW. Sie gruppierte sich um den stellvertretenden Direktor der Region 5, Jerry Tucker. Er entwickelte eine „Dienst nach Vorschrift“-Kampagne, bei der Arbeiterinnen und Arbeiter ihre Aufgaben genau so erledigen, wie es verlangt wird, aber nichts darüber hinaus. Die Beschäftigten könnten etwa die Sicherheitsvorschriften so genau befolgen, dass es ihre Produktivität hemmt, oder sie könnten alle freiwilligen Überstunden verweigern. Tucker nannte es: „Eine Fabrik rückwärts laufen lassen“.

Dies erforderte sowohl Disziplin und Innovation in den Hallen als auch eine Führung, die bereit war, jeden zu verteidigen, der Repressalien zu spüren bekam. Als Ergebnis dieser Kampagne gelang es den Ortsverbänden, immer mehr Verträge ohne Zugeständnisse zu erkämpfen; Verträge von denen die UAW-Führung glaubte, dass sie nicht durchsetzbar seien.

1985 entstand die „New Directions“-Strömung als Opposition zur Bereitschaft der Leitungsströmung, Teams, Arbeitsordnungen und den Abbau von Stelleneinstufungen durch von Gewerkschaft und Unternehmen gemeinsam verwaltete Programme zu erproben. Ermutigt durch Stimmen der Basis und örtliche Funktionäre brach Tucker mit der Leitungsströmung und kandidierte im folgenden Jahr als Regionalleiter. Er verlor um ganze 0,2 Prozent und focht die Wahl vor Gericht an. Das Gericht gab Tucker recht, dass die UAW Mittel zur Unterstützung der etablierten Führung missbraucht habe und ordnete eine erneute Wahl an, die er dann gewonnen hat.

Auf ihrem Höhepunkt war „New Directions“ eine nationale Strömung, die von Arbeiterinnen und Arbeitern aus den Hallen wie auch von lokalen UAW-Funktionären gebildet wurde. Aber das Solidarity House arbeitete daran, Tuckers Wiederwahl zu verhindern und danach alle lokalen Funktionäre abzuwählen oder in der Minderheit zu halten, die sich der Sozialpartnerschaft widersetzen. 1992 kandidierte Tucker nur symbolisch als Vorsitzender und erhielt 5 % der Delegiertenstimmen, aber ohne einen Brückenkopf zumindest auf regionaler Ebene war es unmöglich, die Strömung auf Dauer aufrecht zu erhalten.

Andere Formationen sind seither entstanden. Soldiers of Solidarity (http://www.soldiersofsolidarity.org) sind aus dem Kampf hervorgegangen, den Delphi-Beschäftigte führten, als das Unternehmen erst Zugeständnisse forderte und dann in Konkurs ging. „Autoworkers Caravan“ (http://www.autoworkercaravan.org) ist während der Diskussionen um die Rettungsaktion entstanden, als Antwort auf das Unvermögen der UAW, die Bedürfnisse der Automobilarbeiterinnen und -arbeiter zu artikulieren oder Pläne zur Konversion stillstehender oder nicht ausgelasteter Werke zur Deckung der Bedürfnisse des 21. Jahrhundert zu diskutieren – von der Entwicklung von Eisenbahnwaggons und Bussen für den Nahverkehr bis zur Herstellung von Wind- und Wasserturbinen. „Malocher vereinigt Euch!“ (http://www.factoryrat.com) ist eine weitere häufig verwendete Website. Diese Gruppierungen veranstalten, jeweils gemeinsam mit den anderen, Konferenzen, Demonstrationen und Flugblattverteilungen.


Betriebliche Sozialleistungen


Mit dem sinkenden gewerkschaftlichen Organisationsgrad und der zunehmenden Zahl von Niedriglohnjobs haben etwa 40 Millionen Menschen überhaupt keine medizinische Versorgung mehr. „Medicare“ wurde 1965 eingeführt, um Personen über 65 Jahren eine minimale Krankenversicherung zu geben, und es gelang ihr, viele aus der Armut zu heben.

„Social Security“ wurde entwickelt, um ein Mindestmaß an finanzieller Sicherung für Arbeiterinnen und Arbeiter im Alter zu bieten, aber sie war als eine von drei Säulen eines Gesamtsystems ausgelegt. Die anderen beiden Säulen sollten Renten und Ersparnisse sein. Während die durchschnittliche Leistung der „Social Security“ 1200 Dollar pro Monat beträgt, erhalten nur 20 % aller Arbeiterinnen und Arbeiter Renten, und nur wenige haben nennenswerte Ersparnisse.

Als die Löhne im Zweiten Weltkrieg eingefroren wurden, gelang es den Industriearbeitern, Gesundheits- und Ruhestandsversorgung zu erreichen. Aber statt nach dem Krieg zu einem alle umfassenden System der Krankenversicherung und einer modernisierten öffentlichen Rentenversicherung voranzuschreiten, verblieb die soziale Sicherung in den Betrieben.

Solange das Unternehmen besteht, sind die Renten geschützt – wenn der Unternehmer in den entsprechenden Fonds einzahlt – und bei einem Bankrott sind sie durch ein Bundesprogramm abgesichert. Derzeit deckt der Fonds von General Motors etwa 210 000 Gehalts- und 340 000 Lohnempfänger (d. h. Angestellte und Arbeiter) einschließlich ihrer Partnerinnen und Partner ab. Er ist um 6,4 Mrd. Dollar unterfinanziert; bei Chrysler sind 250 000 erfasst, und hier ist er um 2,6 Mrd. Dollar unterfinanziert.

Bis zur Aushöhlung der Sozialleistungen durch die jüngsten Abkommen hatte die UAW einigermaßen anständige Renten für diejenigen ausgehandelt, die 30 Jahre oder länger für dasselbe Unternehmen gearbeitet haben. Teilrenten für diejenigen, die zwischen 5 und 25 Jahren gearbeitet haben, sind weit kärglicher, und natürlich sind es eher Frauen als Männer, die nur eine Teilrente bekommen. Doch mit dem Abkommen von 2007 wurden die Renten für Neueingestellte eingefroren. Stattdessen sollen 6,4 % ihrer Löhne in einen Cash-Balance-Plan fließen, und GM will 1 Dollar für jede eingesparte Stunde in einen „401(k)“-Plan [5] zahlen, für den der oder die Beschäftigte verantwortlicher Investor ist. Aber da Neueingestellte nur 14 Dollar pro Stunde erhalten, ist dies wohl kein gutes Geschäft.

Gesundheitsausgaben sind in den letzten Jahren in die Höhe geschossen und verbrauchen jetzt 17 % des US-Wirtschaftsvolumens. Im letzten Jahrzehnt sind die Kosten des unternehmensgestützten Gesundheitswesens um 131 % gestiegen, und im kommenden Jahr wird ein weiterer Anstieg von 9 % erwartet. Im Jahre 2010 unterstützten nur noch 22 % der Unternehmen mit mehr als 5 000 Beschäftigten die Absicherung der Rentnerinnen und Rentner über 65, gegenüber 37 % noch im Vorjahr.

Durch die Verträge der UAW mit Ford, Chrysler und General Motors 2007 reduzierte sich die Unternehmensverantwortung durch Abwälzung der Gesundheitsleistungen für Rentnerinnen und Rentner auf die UAW. Der Pool für die Rentnerinnen und Rentner wurde gekappt und die „Big Three“ sollten stattdessen 57 Mrd. Dollar an Vermögenswerten an den VEBA-Fonds abtreten. Dies entsprach jedoch nur 70 % dessen, was wirklich nötig war Aber angesichts der Wirtschaftskrise hat die UAW später der Forderung der Regierung, abgewertete Aktien zu akzeptierten, zugestimmt und so den Betrag um weitere 12 Milliarden Dollar reduziert. Viele Automobilarbeiterinnen und -arbeiter fürchten jetzt, dass der VEBA-Fonds kräftig unterfinanziert ist. [6]


Ausblick auf die Tarifrunde 2011


Der kürzlich gewählte UAW-Vorsitzende Bob King schrieb im Dezember 2010 in der UAW-Zeitung Solidarity:

„Wenn wir die gesamten Fixkosten unserer gewerkschaftlich organisierten Betriebe über die der nicht gewerkschaftlich organisierten Konkurrenten anheben würden, dann würden wir indirekt den gewerkschaftsfeindlichsten Unternehmern helfen, den Markt zu erobern.

Für die UAW wäre es gegen die Interessen unserer Mitglieder, eine Strategie zu verfolgen, die gewerkschaftlich organisierte Unternehmen bestraft, während sie nicht gewerkschaftlich organisierten Unternehmen freie Bahn lässt.“

Im Jahre 2007, also vor der Wirtschaftskrise, verdienten jedoch die 7000 Arbeiterinnen und Arbeiter des Toyota-Werks in Georgetown, Kentucky durchschnittlich 30 Dollar pro Stunde, wenn man ihre profitabhängigen Prämien zum Grundgehalt hinzurechnet. Im selben Jahr verdienten Beschäftigte bei Ford, GM und Chrysler etwa 27 Dollar pro Stunde. Es stimmt zwar, dass Toyota-Beschäftigte einen Stundenlohn erzielen, der ungefähr dem gewerkschaftlich organisierter Beschäftigter entspricht, um einer gewerkschaftlichen Organisierung den Wind aus den Segeln zu nehmen; doch was dieser Vergleich wirklich zeigt, ist, dass Automobilunternehmen auch dann wettbewerbsfähig sein können, wenn sie höhere Löhne zahlen. Tatsächlich fällt Toyota das leicht, da sein Management eine viel geringere Gesamtvergütung erhält als die Vorstände der US-Autokonzerne. Beispielsweise erhielten 2007 die 32 Top-Manager bei Toyota 20 Millionen an Gehältern und Boni, während alleine GM-Boss Rick Wagoner 10,2 Millionen und Ford-Boss Alan Mulally 21,67 Millionen Dollar einsackten. [7]

Wie sieht die Verhandlungsposition der UAW aus und welches Unternehmen könnte sie sich als Hauptziel aussuchen, wo die „Big Three“ gemeinsam ankündigen, im Jahre 2011 die Gewinnzone zu erreichen? Ford-Arbeiterinnen und -Arbeiter sind natürlich in der stärksten Position, weil sie in der letzten Verhandlungsrunde ihr Streikrecht bewahrt und die geringsten Zugeständnisse gemacht haben. Der UAW-Vorsitzende Bob King hat angedeutet, dass er um einen besseren Schlüssel zur Gewinnbeteiligung bitten könnte. Aber für die Neueingestellten bleibt er dabei: „Wir wissen sehr gut, wie schwer es ist, eine Familie mit einem 15-Dollar-Stundenlohn durchzubringen, aber wir müssen auch daran denken, dass wir General Motors und Ford und Chrysler wettbewerbsfähig halten müssen.” [8]

Seit Kings Wahl im letzten Juni sind zwei Kämpfe im Bereich der Gewerkschaft ausgebrochen und hatten eine gewisse Beachtung in den Medien. Unglücklicherweise zeigte sich in beiden Fällen, dass die meisten Gewerkschaftsfunktionäre die Unternehmerposition unterstützen.

  1. Ein GM-Presswerk in Indianapolis, Indiana mit 750 Beschäftigten soll 2011 geschlossen werden. Im letzten Frühjahr fand GM einen Käufer, JD Norman, dessen Vorstandsvorsitzender aber nicht bereit war, eine Bestandsgarantie zu akzeptieren. Funktionäre der UAW-Zentrale empfahlen den Mitgliedern der UAW-Ortsgruppe 23, einer Halbierung ihrer Löhne zuzustimmen und auf die bisherige Betriebsordnung zu verzichten. Die Mitglieder, langjährige GM-Beschäftigte, lehnten dies mit einem überwältigenden Ergebnis von 384 Nein zu 22 Ja ab. Tatsächlich sind viele dieser Arbeiterinnen und Arbeiter „GM-Zigeuner”, die gezwungen werden, von Werk zu Werk umzuziehen, wenn Kürzungen und Schließungen sich durchs Land fressen wie fallende Dominosteine. Mit Unterstützung ihres Vertrauensleutesprechers Gregg Clark, selber ein „GM-Zigeuner”, stimmten sie mit Nein, um so auf ihre Weise auszudrücken, dass sie eher einen weiteren Umzug in Kauf nehmen würden, als unter einem ausgefledderten Vertrag zu arbeiten.

    Doch JD Norman brauchte nicht nur die Fertigkeiten der Beschäftigten zum Betrieb der Fabrik, er konnte sie auch nicht ohne Gewerkschaft fortführen, weil die Verträge es GM nicht erlaubten, Arbeit ihn einen nicht gewerkschaftlich organisierten Betrieb auszulagern. So verhandelte der für GM zuständige stellvertretende UAW-Vorsitzende Joe Ashton ohne Kenntnis der örtlichen Verhandlungskommission einen ähnlichen Vertrag und forderte die Ortsgruppe auf, ein Informationstreffen einzuberufen und dort erneut abzustimmen. Doch als die Funktionäre die Bühne betraten wurden sie von der Mitgliedschaft ausgebuht, bis sie endlich verschwanden; es kam zu keiner Abstimmung.

    JD Norman schaltete dann eine ganzseitige Anzeige im Indianapolis Star und kam in die Stadt, um ein Treffen mit allen interessierten Mitgliedern der Ortsgruppe 23 und ihren Familien abzuhalten. Er bot ihnen Sonderzahlungen von 25 000 bis 50 000 Dollar über zwei Jahre an, wenn sie für den Vertrag stimmen würden. Ungefähr 50 Mitglieder und ihre Familien besuchten das Treffen, aber Reportern zufolge ließ sich fast niemand überreden.

    Im Herbst kündigte der UAW Regionalleiter Mo Davison an, dass die American Arbitration Association (Verband amerikanischer Schiedsgerichte, AAA) eine Abstimmung per Briefwahl durchführen werde. Das ist ein höchst ungewöhnliches Verfahren. In UAW-Autofabriken werden Abstimmungen von örtlichen Komitees überwacht und an verschiedenen Orten im Werk oder im Gewerkschaftsgebäude durchgeführt. Den Mitgliedern war klar, dass in dieser Abstimmung, obwohl sie sie als illegal betrachteten, ein paar Ja-Stimmen den Ausschlag geben könnten. Sie brachten ihre Stimmzettel ins Gewerkschaftsgebäude und organisierten eine Stimmabgabe dort. Dies wurde auf Video festgehalten und die Stimmzettel wurden sorgfältig gebündelt und in einem Sack zur Post gebracht. In der Woche darauf verkündete die AAA das Ergebnis: 457 Nein- und 96 Ja-Stimmen.

    Während die Medien es so darstellten, als sei es den Arbeiterinnen und Arbeitern der Ortsgruppe 23 „egal“, ob das Werk erhalten bleibt, war den Mitgliedern klar, dass eine Zustimmung zu einem minderwertigen Vertrag zum Rammbock gegen die anderen GM-Presswerke werden würde. Das UAW-Statut besagt, dass die Gewerkschaft für bessere Verträge eintreten und keine Maßnahmen zu ihrer Verletzung durch schlechtere Vereinbarungen fördern solle (Artikel 19 § 6 des UAW-Statuts) und sie wollten das Statut einhalten, nicht verletzen.

  2. Nach einer Vereinbarung zwischen GM und UAW erreicht, die von den GM-Beschäftigten zum Zeitpunkt der Rettungsaktion ratifiziert wurde, sollte ein Werk aus mehreren möglichen ausgewählt werden, um 160 000 Einheiten der Kleinwagen Chevrolet Aveo und Buick Verano zu fertigen, unter der Bedingung, dass „beide Parteien zu innovativen Wegen finden werden, um diese Prozesse mit Personal zu versehen.“ GM hat das Werk Lake Orion, Michigan ausgewählt, und die gesamte Belegschaft wurde im November 2009 für eine komplette Umrüstung entlassen. Am 3. Oktober 2010 – mehr als ein Jahr später – verkündete der Sprecher der UAW-Ortsgruppe 5960, dass die UAW ein „richtungsweisendes“ Abkommen geschlossen habe, das es GM erlaube, einen Kleinwagen in einer US-Fertigungsstätte „profitabel“ zu produzieren. Diese Vereinbarung wird die Löhne der gesamten Belegschaft, vielleicht über einen Zeitraum von 20 Jahren, auf das Niveau der Einstiegslöhne reduzieren. Aber vorerst werden, wenn das Werk öffnet, 60 % auf der ersten Stufe und 40 % für 14 Dollar die Stunde arbeiten. Der Produktionsexperte Ron Harbour schätzt, dass eine Kürzung von 40 % der Löhne GM die schwindelerregende Einsparung von 112 Dollar pro Wagen bringen wird. [9]

    Der Witz ist, dass es über dieses „Abkommen“ keine Abstimmung geben wird. Die UAW behauptet, die Mitgliedschaft habe den Bedingungen bereits vorab zugestimmt, als sie das Abkommen während der Rettungsaktion ratifizierte. Alle weiteren Versuche, auf Gewerkschaftsversammlungen die Durchführung einer Abstimmung über dieses Abkommen zu beschließen, wurden von der Tagesordnung gestrichen.

Was als „mäßige Senkung der Produktionskosten” für das Unternehmen bezeichnet wird, ist eine Katastrophe für die Arbeiterinnen und Arbeiter von Lake Orion. Und angesichts der Vielfalt von Ausreden, mit denen Autounternehmen auflaufen, um Löhne und Sozialleistungen zusammenstreichen, weiß jeder, dass dies nicht die „Ausnahme“ bleiben wird, als die manche es ausgeben. Am 16. Oktober versammelten sich über 200 einfache Arbeiterinnen und Arbeiter von Lake Orion und ihre Unterstützerinnen und Unterstützer nach einem über E-Maillisten und Websites verbreiteten Aufruf zu einer Demonstration vor den geschlossenen Türen des Solidarity House. Sie forderten das Recht, alle Verträge zu lesen und durch Urabstimmung zu entscheiden, und drückten ihre Ablehnung aller zweistufigen Tarifverträge aus.

Auf einem Plakat stand: „Wenn Ihr mir nur den halben Lohn zahlt, soll ich euch dann auch nur ein halbes Auto bauen?”

Auf Sitzungen und über die Presse haben Gewerkschaftsfunktionäre die Mitglieder, die 28 Jahre oder länger gearbeitet haben, aufgefordert, in Frührente zu gehen, um Platz für die restlichen 40 % zu machen, damit sie die besser bezahlten Arbeitsplätze der oberen Stufe einnehmen können. Auf diese Weise würden die unteren 40 % durch Neueinstellungen besetzt. Viele, die direkt nach der High School begonnen haben zu arbeiten und in diese Kategorie fallen, sind nur Ende vierzig oder Anfang fünfzig. Die meisten von ihnen können es sich nicht leisten, in den Ruhestand zu gehen. Sie haben vielleicht noch Kinder in der Schule, Hypotheken abzuzahlen oder haben einfach zu viel Angst, in Rente zu gehen. Sie wehren sich dagegen, unter Druck gesetzt zu werden, ihren Arbeitsplatz zu verlassen.

      
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Dan La Botz: Kampf um den 15-Dollar-Stundenlohn, Inprekorr Nr. 4/2015 (Juli/August 2015)
Lars Henriksson: Gestaltet die kränkelnde Autoindustrie um!, Inprekorr Nr. 460/461 (März/April 2010)
Dianne Feeley: Automobilarbeiter gegen die Krise, Inprekorr Nr. 458/459 (Januar/Februar 2010) (nur online)
 

Obwohl Gewerkschaftsfunktionäre leugnen, dass irgendeiner der heutigen Arbeiterinnen und Arbeiter gezwungen würde, für einen Einstiegslohn zu arbeiten, fallen doch Beschäftigte mit bis zu 11 Jahren Betriebszugehörigkeit in die 40 %, wo die Löhne nur 14 Dollar die Stunde betragen. Vielen wurde bereits mit zwei Wochen Vorlauf Arbeit in einem anderen GM-Werk über 500 Kilometer entfernt. zugewiesen. Einige sind alleinerziehende Mütter, von denen erwartet wird, dass sie ihre Kinder aus der Schule abmelden, ihre Heimat verlassen und umziehen.

Aber wenn man eine Ahnung von der Zukunftsperspektive der UAW-Zentrale bekommen möchte, dann kann man sie vielleicht der Frage entnehmen, die ein Reporter Bob King stellte: Was er sagen würde, wenn er zwei Minuten hätte, um mit einem nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeiter im BMW-Werk von South Carolina zu sprechen.

Kings Antwort war, man solle sich den Erfolg von General Motors ansehen: „Wir produzieren die höchste Qualität, wir produzieren mit größter Produktivität, und wir schaffen das durch die Beteiligung der Mitgliedschaft. Wir haben wirklich eine Stimme …”

Können die kleinen Manifestationen von Rebellion an der Basis die Gewerkschaft zwingen, ihre sozialpartnerschaftliche Perspektive aufzugeben? Die Chance mag klein sein, aber es gibt Anzeichen dafür.

Übers.: Björn Mertens



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 3/2011 (Mai/Juni 2011). | Startseite | Impressum | Datenschutz


[1] „How Bob King wants to build a new UAW,” Detroit Free Press, 23.09.2010.

[2] „Back in action: U.S. auto suppliers profitable again,” Tom Krisher, Associated Press, 30.04.2010.

[3] Kunstwort, das die Werke („plants“) eines multinationalen („transnational“) Konzerns bezeichnet – d. Üb.

[4] „GM, Ford aside, U.S. auto industry is doing just fine,” Daniel Howes, Detroit News, 4.11.2005; „Can the UAW Stay in the Game,” Joann Muller, Business Week, 10.6.2002

[5] Benannt nach dem Finanzgesetz-Absatz 401(k), der die steuerliche Absetzbarkeit der Investitionen in .den Rentenfonds regelt.

[6] „UAW Fund: $45 Billion for Investing,” Matthew Dolan, Wall Street Journal, 15.6.2010.

[7] Siehe „UAW Losing Pay Edge: Foreign Automakers’ Bonuses Boost Wages in U.S. Plants a Detroit Car Companies Struggle,” Detroit Free Press, 1.2.2007; „Detroit‘s ‘Underpaid‘Top Auto Execs,” https://toomuchonline.org/detroits-underpaid-top-auto-execs/, 1.12.2008.

[8] Detroit News/Free Press, 31.10.2010.

[9] Siehe David Barkholz, „Small cars, smaller wages: A precedent?” in Automotive News, 11.10.2010.