In der jüngsten Ausgabe der PROKLA vom März 2023 gehen in insgesamt neun Beiträgen die verschiedenen Autor*innen auf die unterschiedlichen Konfliktkonstellationen von Umweltbewegung und abhängig Beschäftigten ein und erörtern mögliche Strategien für ein gemeinsames Programm.
Jakob Schäfer
Bei der Suche nach wirkmächtigen Bündnispartner*innen ist Fridays for Future (FFF) schon vor fast drei Jahren auf den DGB zugegangen und hat eine strategische Kooperation vorgeschlagen. Nach meinem eigenen Überblick sind allerdings die Entscheidungsträger*innen in den Apparaten des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften bei sehr wenigen Ausnahmen nicht darauf eingegangen, letztlich weil sich vor allem in den Vorständen der Gewerkschaften die Einschätzung eines unüberwindbaren Gegensatzes von sozialen und ökologischen Interessen festgesetzt hat.
Der erste Beitrag [1] in diesem Heft der PROKLA verdeutlicht recht gut, dass selbst dort, wo sich ein solches Bündnis anbietet, nämlich beim ÖPNV, die naheliegenden unmittelbaren Forderungen nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen. Immerhin hatte die Fachgruppe Busse und Bahnen von ver.di die Kooperation bejaht und die Möglichkeit der gemeinsamen Stärkung der jeweiligen Kernanliegen gesehen. Die Befragung von Aktivist*innen von FFF und von Beschäftigten des ÖPNV in drei verschiedenen Regionen (vor und nach dem Kampf für einen Tarifvertrag Nahverkehr) ergab, dass man sich zwar annäherte, dass aber vor allem bei den Beschäftigten noch beachtliche Vorbehalte bestehen blieben. Der Hauptgrund: Abstrakt ist man sich in der Frage der Verkehrswende einig und beide Seiten meinen, dass dafür der ÖPNV ausgebaut und vor allem die bundesweit 87 000 Beschäftigten im Fahrdienst besser bezahlt werden müssen. Aber bedeutenden Widerspruch erfuhr die Forderung nach einer kostenlosen Nutzung (bzw. der Einführung oder Verlängerung des 9-Euro-Tickets). Die Beschäftigten haben große Angst vor dem damit zu erwartenden Stress (zu volle Busse und Bahnen), vor den daraus sich ergebenden weiteren krankheitsbedingten Ausfällen usw.
Leben statt Autowahn Die Georgstraße in Hannover war bis 1970 eine 6-spurige Durchgangsstraße für Autos. Foto: Axel Hindemith, Lizenz: Creative Commons by-sa-3.0 de |
„In der Gesamtschau wird die gemeinsame Kampagne (weit) überwiegend positiv eingeschätzt: So stimmt über die Hälfte der Aussage «Insgesamt schätze ich die Kampagne als gelungen ein» zu (25 Prozent stehen dieser Aussage unentschlossen, 24 Prozent ablehnend gegenüber.“ (S. 21)
Bedeutend schwieriger ist es, ein Bündnis von Ökologiebewegung und Beschäftigten der Autoindustrie zu schmieden. Im zweiten Beitrag des Heftes [2] wird dies untersucht, ebenfalls basierend auf umfangreichen Befragungen (in diesem Fall in drei verschiedenen Regionen Deutschlands). Die Ergebnisse bestätigen, was man schon annehmen durfte: Die gemeinsamen Interessen werden nur auf der abstrakten Ebene – also auf der Ebene einer ganz allgemeinen Zielvorstellung – geteilt. Als unmittelbare gemeinsame Aktionslosung, die sich auf eine mobilisierungsfähige Sofortforderung stützt, bietet sich hier erst mal nicht viel an.
Wie wenig hilfreich bestimmte Losungen sind, wenn man Brücken bauen will, macht die Autorin an folgender Parole deutlich: „Es gibt kein Recht auf Kohlebaggerfahren.“ Mit einer solchen Formulierung wird die Existenzangst der betroffenen Lohnabhängigen völlig ignoriert. Stattdessen – das führt die Autorin nicht aus – wäre es sinnvoller, anderes zu skandieren, etwa (sinngemäß): „Es gibt kein Recht, aus Profitinteressen Kohle abbaggern zu lassen“ oder „Es gibt kein Recht, mit der Energieversorgung Profite zu machen“ usw. (Natürlich muss so etwas für Sprechchöre geeignet umformuliert werden.) Richtig ist allerdings – das will ich doch hinzufügen – sehr wohl die Demolosung: „Es gibt kein Recht, SUV zu fahren!“, denn hier geht es nicht um die Existenzsicherung, sondern um rücksichtslose, umweltschädliche Autovernarrtheit, Prestigedenken usw.
Dass es auch völlig anders geht als so konfliktscheu wie in Deutschland, schildert die Autorin mit der Darstellung des beispielhaften Kampfs des Colletivo di Fabbrica Gkn in Campi Bisenzio (in der Nähe von Florenz). Am 9. Juli 2021 erhielten die Beschäftigten des Autozulieferers GKN per Mail die Nachricht, dass sie von einem auf den nächsten Tag entlassen werden sollten. Daraufhin besetzten sie das Werk und hielten sich seitdem im Wesentlichen mit Kurzarbeitsgeld über Wasser (am 8. November wurde die Zahlung eingestellt, womit der Druck auf die Belegschaft erhöht wird).
Von Anfang an arbeitet die Belegschaft intensiv an Konzepten für eine Umstellung der Produktion, z. B. statt der bis dahin gefertigten Achswellen für Verbrenner-PKW könnten es Achswellen für Busse und Züge sein oder Elektrolyseure für die Herstellung von grünem Wasserstoff sein. (Aber auch der neue Eigentümer hat daran kein Interesse.) Auf dieser inhaltlichen Basis wurde das schon vorher existierende Bündnis mit FFF gefestigt und man konnte z. B. im Oktober 2022 gemeinsam eine Demonstration gegen den Ausbau der Autobahn bei Bologna organisieren.
Das Kollektiv im Betrieb setzte Anfang Dezember 2022 eine autonome Volksabstimmung in Gang. Die Entscheidungsfrage: „Bist du für eine staatliche Übernahme des Werks sowie für die Billigung des Kurzarbeitsgelds unter der Bedingung, dass die Konversion einen ‚öffentlichen Nutzen‘ verfolgt und dass dabei Konversionsvorschläge sowohl von privaten Investoren als auch von öffentlichen Akteuren inklusive der von den Arbeitern selbst gegründeten Genossenschaft berücksichtigt werden?“ Innerhalb von zehn Tagen kamen 16 500 Ja-Stimmen zusammen.
In dem Beitrag von Julia Kaiser wird aber auch deutlich: Ohne die gut verankerte Arbeit des Kollektivs im GKN-Werk ist eine Verbindung mit der Bewegung außerhalb nicht vorstellbar. Das Anliegen der Klimagerechtigkeitsbewegung – vor allem der Kampf für eine Konversion – kann nicht von außen an die Belegschaft herangetragen werden. Wenn es im Betrieb keinen Kern gibt, der schon vorher für die Interessen der Belegschaft aktiv ist, wird nichts aus dem angestrebten Bündnis von abhängig Beschäftigten und Klimaschutzbewegung.
Völlig anders läuft es heute noch in Deutschland, was mit dem Bemühen um eine Konversion im Bosch-Werk in München Berg am Laim (Herbst 2021) deutlich wird. Dort gab es ein kurzzeitiges Interesse, sich für eine Konversion des von Schließung bedrohten Werks einzusetzen und dafür ein Bündnis mit der Klimaschutzbewegung einzugehen. Aber über die Bildung einer Arbeitsgruppe von ein paar interessierten Kolleg*innen kam man letztlich nicht hinaus. Als die Konzernleitung die Vorschläge ablehnte, schlief das Projekt rasch ein. Außer symbolhafter Beschäftigung mit diesem Thema ist dabei nichts hängen geblieben – ein wenig zwar bei der Klimabewegung, aber ganz wenig bis nichts Messbares bei der IG Metall.
Ein weiterer Beitrag in diesem Heft befasst sich mit dem noch schwierigeren Konflikt zwischen sozialen Interessen und ökologischen Zielsetzungen in der südafrikanischen Kohleindustrie. [3] Ohne hier näher auf den Inhalt einzugehen, will ich nur eine zusammenfassende Schlussfolgerung ziehen: Nirgendwo sonst wird so deutlich, dass für einen sozial-ökologischen Konflikt keine Lösung im Rahmen einer Branche zu finden ist.
Wie wenig die Gewerkschaften bei uns an einer engagierten Konversionsdebatte oder gar dem Aufbau einer aktiven Bewegung interessiert sind, wird daran deutlich, dass man als wesentliches Instrument zur Bewältigung der Konversion eine stärkere Qualifizierung anstrebt, in dem Fall die systematischere Nutzung der „Nationalen Weiterbildungsstrategie“ (NWS). Untersucht wird dies in dem dritten Beitrag des Hefts, der sich ebenfalls auf eine Befragung stützt, die (wie die anderen) im Wesentlichen im Rahmen von Forschungsprojekten an der Uni Jena (unter der Patronage von Klaus Dörre) durchgeführt oder von dort begleitet bzw. ausgewertet wurde. [4]
Dort heißt es in der einführenden Zusammenfassung: „Qualifizierung ist Teil fast jeder Politik, die sich als Lösung für die sozial-ökologische Transformation präsentiert. Man hofft, die Konflikte zwischen ökologischen und sozialen Belangen so zu befrieden. Der Beitrag untersucht, wie sich das im Alltag der Thüringer Auto(zuliefer)industrie darstellt. Interviews zeigen, dass Qualifizierungskonzepte kaum zur Anwendung kommen. Weiterbildung ist umkämpft und findet nur ad hoc statt. Gründe dafür sind ökonomische Strukturdefizite, die Unplanbarkeit der Marktlage, [sic] und innerbetriebliche Spaltungslinien. Für eine Weiterbildungskultur bedarf es mehr Beteiligung der Beschäftigten bei der Entwicklung von Qualifizierungsstrategien.“ Die Autor*innen schürfen nicht gerade sehr tief, wenn sie schreiben: „Unsere These ist, dass Qualifizierung allein keinen wirksamen Hebel zur Lösung sozial-ökologischer Zielkonflikte im Sinne einer weiten Transformation darstellt.“ (S. 57)
Dass Weiterbildung oder gar umfassendere Qualifizierung sich strukturell mit dem Interesse an kurzfristiger Erzielung des Maximalprofits beißt – erst recht in Zeiten tendenziell zurückgehender Profitraten – wird von den Autor*innen gar nicht erst thematisiert. Stattdessen fördern sie indirekt noch die Illusion, man könne mit Qualifizierungskonzepten die Transformation erleichtern und stützen damit einen wesentlichen Baustein der IG Metall-Strategie. Dafür dann umfangreiche Befragungen durchzuführen, die nur das zu erwartende Ergebnis (es wird kaum qualifiziert) bestätigen, ist dann doch ein mageres Ergebnis.
Besonders wertvoll ist hingegen ein ganz anderer Beitrag, nämlich der von Anne Tittor. [5] Auch hier aus der einleitenden Zusammenfassung: „Die Politiken, die derzeit die Dekarbonisierung vorantreiben, erzeugen zusätzliche Bedarfe an unterschiedlichsten Rohstoffen (Lithium, Kupfer, seltene Erden, Biomasse) und benötigen perspektivisch sehr viel Energie. Da Energie überwiegend oder ausschließlich auf Grundlage erneuerbarer Energieträger erzeugt werden soll, die allesamt eine viel geringere Energiedichte haben als Kohle und Öl, geht damit ein immenser Landbedarf und eine Zunahme der Nutzungskonflikte einher. Um die durch Dekarbonisierungsprozesse bedingte Zunahme sozial-ökologischer (Transformations-)Konflikte im globalen Süden zu fassen, wird in diesem Artikel das Konzept des «postfossilen Extraktivismus» vorgeschlagen.“
Wichtig bei diesem Erklärungskonzept: Unter Extraktivismus ist nicht nur das Fördern von Öl oder Metallen zu verstehen, sondern auch die mit der Dekarbonisierung verbundene Landnahme (etwa um Pflanzen für die Erzeugung von Biokraftstoffen anzubauen oder etwa Flächen für Solarkollektoren zu okkupieren). „Um das Erdöl für die bundesdeutsche Kunststoffproduktion durch nachwachsende Rohstoffe zu substituieren, wäre derzeit ein Drittel der deutschen Ackerfläche nötig […] Hierbei geht es lediglich um Kunststoffproduktion – die energetische Nutzung ist nicht mitgerechnet.“ (S. 78 f.) „Wenn man allein die Menge des reinen Wasserstoffs, den die deutsche Industrie gegenwärtig benötigt, aus erneuerbaren Energien produzieren wollte, wären 24 TWh pro Jahr regenerativer Strom nötig – das entspricht etwa 18 großen Offshore Windparks [Quelle:] Remondis (2020) [6]. Für die Produktion von grünem Stahl wären weitere 130 TWh erneuerbarer Strom jährlich nötig HySteel (2021: 11) [7] – das entspräche weiteren 98 Offshore-Windparks.“ (S. 79). „Ab Mitte der 2030er Jahre hätte allein die Chemieindustrie mit 685 TWh einen höheren Stromverbrauch, als Deutschland im Jahr 2018 an Strom produziert hat.“ (ebenda)
Der postfossile Extraktivismus steigert letztlich den Energiebedarf und wird mit den sozial-ökologischen Folgekosten die weitere Inwertsetzung von Flächen vorantreiben, gerade weil die nachwachsenden Energieträger im Vergleich zu den fossilen einen um das Vielfache höheren Landverbrauch benötigen. Demzufolge drängt die kapitalistische Dekarbonisierungspolitik nach Energiequellen im Globalen Süden. Anmerkung von mir: Dazu diente letztlich auch die Reise von Habeck und Özdemir Mitte März 2023 nach Brasilien. Hier sind übrigens die sonstigen ökologischen Folgen etwa von Staudammprojekten noch gar nicht bewertet.
Tittor macht bewusst, dass der Globale Norden mit einer Dekarbonisierung – wenn sie nicht in ein tatsächliches klimagerechtes Gesamtkonzept eingebettet ist – nur die Probleme exportiert, also die eh schon vorhandenen Flächenkonflikte im Globalen Süden nur verschärft. Ich möchte es so zusammenfassen: Je mehr unter kapitalistischen Bedingungen dekarbonisiert wird, umso mehr wird dies auf Kosten der Bevölkerung im Globalen Süden ablaufen.
Ebenfalls erfreulich klar ist der Beitrag zur Wohnungspolitik. [8] Hier wird sehr gut der Widerspruch zwischen Wohnraum als Ware und als Mittel zur Befriedigung eines Grundbedürfnisses herausgearbeitet. Erfreulicherweise entlarven die Autor*innen nicht nur die unsoziale Wohnungs-, sondern auch die unsoziale Sanierungspolitik. Die Autor*innen machen deutlich, dass die Sanierungspolitik für vermietete Wohnungen immer zu Lasten der Mieter*innen geht und es den Vermietern ermöglicht, sich die Taschen voll zu machen (8 % der Kosten können umgelegt werden, also machen die Vermieter*innen in aller Regel nach wenigen Jahren ein sattes Plus). Vor allen Dingen den Konzernen wird damit die Gentrifizierung von Häusern, Straßenzügen und ganzen Stadtvierteln erleichtert. Die herrschende Wohnraumpolitik verschärft erheblich die sozialen Probleme für große Teile der Bevölkerung.
Nicht zu sanieren ist allerdings auch keine Lösung. „Die Wohnraumversorgung muss aber auch ökologisch transformiert werden, da ihre aktuelle Ausprägung einen immer weiter steigenden Ressourcen- und Flächenverbrauch zur Folge hat. Schließlich ist der Gebäudesektor – vor allem durch Heizen – für 35 Prozent des Energieverbrauchs und 30 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich.“ (S. 118)
Die Autor*innen arbeiten drei grundsätzliche strategische Achsen heraus, die es für einen Kampf um bezahlbares und klimagerechtes Wohnen zu beachten gilt: Erstens muss sich die Bewegung für eine entsprechende Transformationsperspektive auf ein klares Sofortprogramm verständigen. Zweitens muss sie sich dabei auf eine breite Mobilisierung und Aktivierung der Betroffenen (also vornehmlich der Mieter*innen) stützen. Ohne dies ist alles andere Schall und Rauch. Und drittens muss das Programm der Bewegung in eine Perspektive eingebettet sein, die klar auf eine Vergesellschaftung der Wohnungskonzerne abzielt. Erst dann ist ein soziales und ökologisches Wohnungsprogramm widerspruchsfrei zu vertreten.
Die Autor*innen stützen sich bei ihrer Argumentation auf die politischen Erfahrungen der Berliner Kampagne Deutsche Wohnen und Co enteignen. Das macht ihren Beitrag rund und macht ihn so empfehlenswert.
Den Beitrag von Dennis Eversberg „Anpassung, Verteilung, Externalisierung. Drei Dimensionen des sozial-ökologischen Transformationskonflikts“ hätte sich die PROKLA-Redaktion sparen können, denn er hat null Erkenntniswert. Da hilft es auch nicht, dass der Autor Befragungsergebnisse heranzieht, mit denen „Mentalitäten im sozialen Raum“ referiert werden und bestimmten Lagern zugeordnet werden („ökosoziales Lager“, „Liberal-steigerungsorientiertes Lager“, „Progressiv-autoritäres Lager“). Wer von ihnen ist mehr „antitransformatorisch, aktivbürgerlich“, wer ist in welchem Umfang „prekär-defensiv“? Usw. Mit der Auswertung der Befragungen (vorgenommen im Auftrag von BMU/UBA in den Jahren 2017 und 2019) kommt Eversberg zu solchen Erkenntnissen wie der folgenden: „Wie der antitransformatorisch-aktivbürgerliche Typ zeigt, bilden auch und gerade sozial privilegierte Gruppen umso stärkere Aversionen gegen sozial-ökologische Veränderung aus, je mehr sich ihr Status relativ stärker auf Eigentum als auf Bildung stützt.“ (S. 149) Dafür musste man aufwändig Befragungen auswerten?
Nichts Neues bringt die Übersicht von Christiane Gerstetter „Gerichtsverfahren und die Kämpfe um eine sozial-ökologische Transformation.“ Ein Beitrag allerdings ist so schlecht, dass man ihn wirklich nicht referieren mag: Michael Heine, Hansjörg Herr: „Nullwachstum. Ökonomische Regulierung in der sozial-ökologischen Transformation“. Die Autoren legen in einem keynesianischen, kapitalismuskonformen Ansatz dar, wie man ihrer Meinung nach mittels zielgerichteter Investitionen zu einem Nullwachstum kommen kann und damit Ressourcen sparen und den Ausstoß von Klimagasen reduzieren kann. Abgesehen davon, dass die Autoren das Ausmaß der angelaufenen Katastrophe offensichtlich nicht erfasst haben: Es ist enttäuschend, dass die PROKLA-Redaktion einen solchen Beitrag aufgenommen hat.
Nicht jeder Beitrag in diesem Heft ist ein Gewinn, aber einige der Beiträge sind eine Bereicherung ökosozialistischer Positionsbildung und Debatte. Deshalb: Die Lektüre des Hefts lohnt sich!
Dennoch sei hier auf ein paar Leerstellen verwiesen, die das Heft m. E. aufweist:
Erstens: In dem Beitrag zur Arbeit des Kollektivs im GKN-Werk in Campi Bisenzio wie auch in dem Artikel zur Wohnungswirtschaft wird deutlich, dass es auf die Selbstorganisierung ankommt. Bei einigen der anderen Artikel werden direkt oder indirekt andere Schlussfolgerungen gezogen, nämlich solche, die eher in Richtung Politikberatung gehen. Außerdem fehlt auch eine Kritik an der Gewerkschaftsbürokratie, die – nicht nur bei uns in Deutschland, aber hier ganz besonders – aus Konfliktscheu jeglichen Kampf für eine sozial-ökologische Konversion meidet.
Zweitens: Bei einem Teil der Artikel wird nicht ausreichend (zumeist sogar überhaupt nicht) klargestellt, dass eine Lösung der vorhandenen Probleme unter kapitalistischen Bedingungen völlig unvorstellbar ist. Man kann nicht einfach bei der Beleuchtung dieser und jener „Transformationskonflikte“ stehen bleiben. Dem Heft hätte es deshalb gut angestanden, einen Beitrag aufzunehmen – bzw. als Redaktion selbst beizusteuern –, der den Versuch unternimmt, die in den Beiträgen angesprochenen Fragen so zusammenzubinden, dass eine gesellschaftspolitische Gesamtalternative sichtbar wird.
Drittens wird an keiner Stelle klar gemacht, dass es für die Einhaltung der klimapolitischen Ziele, wie sie beispielsweise auf der Pariser Konferenz deklariert wurden, nicht reichen wird, diese und jene Umstellungen auf klimaneutrale Produktion zu bewerkstelligen. Für eine weitgehende Eindämmung des Klimawandels braucht es eine massive Verringerung des Material- und Energiedurchsatzes (indirekt kommt das noch am ehesten in dem sehr guten Beitrag zum postfossilen Extraktivismus heraus). Die Probleme und die Herausforderungen sind bedeutend größer, als es in dem hier vorgelegten Heft der PROKLA zum Ausdruck kommt. Um eine drastische Reduzierung der Produktion und des Verkehrs zu realisieren, braucht es eine konsequente ökosozialistische Degrowth-Politik, Und die verdient ihren Namen nur, wenn sie nicht auf Kosten der Armen überall (bzw. an vielen Stellen) kürzt, ohne gleichzeitig soziale Sicherheit und die Grundlagen für ein gutes, ja besseres Leben zu gewährleisten.
Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von die internationale Nr. 3/2023 (Mai/Juni 2023) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz