Der folgende Entschließungsentwurf zur internationalen Lage wurde vom Internationalen Komitee der IV. Internationale im Februar 2024 als Vorlage für den 18. Weltkongress der Vierten Internationale (2025) mit 33 : 9 : 3 verabschiedet.
Internationales Komitee der IV. Internationale
Die vom zionistischen Staat Israel unternommene blutige kriegerische Offensive gegen das palästinensische Volk nach dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober hat die fragile und chaotische Lage einer Welt erschüttert, die von einer multidimensionalen Krise geprägt ist. Neben dieser neuen Gegebenheit gib es weiterhin den russischen Krieg gegen die Ukraine wie auch den anhaltenden Aufschwung der extremen Rechten – mit dem Wahlsieg von Milei in Argentinien und der Perspektive eines abermaligen Wahlsiegs von Trump in den USA –, eine Zunahme der Spannungen zwischen den USA und China betreffs der Zukunft Taiwans sowie die wissenschaftliche Bestätigung, dass die Erwärmung der Erdatmosphäre jetzt schon die Katastrophen auslöst, die für 2030 vorhergesagt wurden. Kurz gesagt, die von uns im Oktober des vergangenen Jahres dargelegten großen Züge der Weltlage wurden in den letzten Monaten nicht falsifiziert, sondern, im Gegenteil, tragisch bestätigt.
Der Krieg in Palästina leitet ein neues geschichtliches Kapitel ein. Nachdem er schon eine neue Nakba bewirkt hatte, nahm dieser Krieg im Laufe der Monate völkermörderische Züge an – mit Bombardierungen, Zerstörungen, dem Tod von Frauen und Kindern, der Verhinderung von humanitärer Hilfe und dem Hunger, der sich immer mehr ausbreitet.
Im Februar 2024 wurde eine Million der 2,4 Millionen zählenden palästinensischen Bevölkerung vom Norden des Gaza-Streifens in den Süden vertrieben. Unter den 30 000 in vier Monaten getöteten Personen sind 40 Prozent Frauen und Kinder. Mit der Belagerung auf einem Territorium ohne Lebensmittel und Hilfe und mit der wahrscheinlichen Bombardierung von Rafah demonstriert Israel sein Ziel, den Gaza-Streifen zu rekolonisieren. Zur gleichen Zeit wurden die Menschen aus sechzehn palästinensischen Gemeinden im Westjordanland gewaltsam vertrieben. Dies ist ein Angriff und eine Bedrohung, die sich gegen alle Palästinenser:innen und gegen die benachbarten arabischen und islamischen Völker richtet, was schon jetzt zu einem kriegerischen Konflikt in der ganzen Region geführt hat.
Es handelt sich nicht um einen Krieg zwischen Israel und der Hamas. Es handelt sich auch nicht um die einfache Fortsetzung des seit 75 Jahren andauernden Kriegs des kolonialistischen Siedlerstaats und der Aneignung von Territorium, der Fortführung von Apartheit und der ethnischen Säuberung gegen diejenigen, die vor der aufgezwungenen Gründung des Staates Israel in Palästina lebten.
Moschee im Gaza-Streifen Khan Younis, 8.10.2023 (Foto: Wafa) |
Zum ersten Mal seit der kriegerischen Offensive gegen den Irak 2003 intervenieren die USA so direkt. Ihre Waffenlieferungen und ihre vielen Millionen Dollar an Unterstützung für Israel sind entscheidend, um dieses historische Massaker an einer Zivilbevölkerung zu begehen.
Es handelt sich also um eine koloniale und imperialistische Offensive, die auf verschiedene Gegner abzielt, verbunden mit gewaltsamer Unterdrückung und dem Fördern von weiterem Siedlungsbau im Westjordanland, dem Verschwinden oder der massenhaften fluchtartigen Auswanderung von Palästinenser:innen, dem militärischen Eingreifen im Südwesten von Syrien, den Bombardierungen im Süden des Libanons und in Beirut, um der Hisbollah Verluste zuzufügen, und den Bombardierungen der Huthi im Jemen, die versuchen, die Manöver der US-Marine und die Handelsschiffe am Zugang zum Roten Meer zu blockieren. Die bewaffneten pro-Assad-Kräfte in Syrien, die Hisbollah im Libanon und die Huthi im Jemen, die gegen eine von Saudi-Arabien kontrollierte Regierung rebellieren, sind allesamt Kräfte, die Beziehungen zu dem theokratischen und zutiefst repressiven Regime im Iran unterhalten, das vorgibt, im Interesse des palästinensischen Volks zu handeln, während es in Wirklichkeit seine eigenen Interessen verfolgt. Der Konflikt treibt schon über diese Weltregion hinaus und dehnt sich bis nach Pakistan aus.
Die gegenwärtige Schlächterei wird begünstigt vom neofaschistischen Charakter der Regierung Netanjahu. Von Monaten der Proteste breiter Teile der Bevölkerung gegen seine Arroganz gegenüber der Justiz geschwächt, aber unter Ausnutzung der extremen Schwäche der antizionistischen Linken, hat Netanjahu die Gelegenheit des Angriffs der Hamas beim Schopf gepackt, um die Kontrolle über die innere Lage wieder in den Griff zu bekommen und dem historischen Auftrag seines Staats als Gendarm des Imperialismus im Nahen Osten gerecht zu werden. Netanjahu ist heute die Vorhut des Aufschwungs der extremen Rechten in der Welt, deren traditionelle antisemitische Ausrichtung relativiert wird vom globalen islamophoben Furor.
Die israelisch-US-amerikanische Offensive stößt auf Risse und bedeutende Widersprüche. Sie entwickelt sich unter komplizenhaftem Schweigen oder scheinheiligen Protesten der großen westlichen Mächte, den zögerlichen Protesten Chinas und der unklaren Haltung Putin-Russlands. Was die meisten arabischen Regierungen betrifft, so stand bei ihnen vor dem 7. Oktober die „Normalisierung“ der Beziehungen mit Israel im Vordergrund und damit das Unsichtbarmachen der palästinensischen Sache – darum erscheinen ihre unter dem Druck der eigenen Bevölkerungen abgegebenen kritischen Erklärungen zu den Bombardierungen des Gaza-Streifens lächerlich.
Was Israel macht, ist keine Selbstverteidigung, sondern eins der schamlosesten Massaker der neueren Zeit – das von Südafrika vor dem Gerichtshof in Den Haag zu Recht als Genozid gebrandmarkt wird. Die andauernde Tragödie ruft weltweit politisch-ideologische Umwälzungen hervor. Für die Bündnispartner wird es immer schwieriger, die USA und Israel zu verteidigen. Die Schlächterei im Gaza-Streifen wirkt besonders stark auf universitäre und auf marginalisierte Jugendliche im globalen Norden. Die rassistisch diskriminierten Jugendlichen in den armen Stadtvierteln, die Opfer der zunehmenden Islamophobie sind, identifizieren sich mit der palästinensischen Sache, wobei die Solidaritätsbekundungen rasch des Antisemitismus bezichtigt werden. Westliche jüdische Jugendliche, von denen viele nichtzionistisch oder antizionistisch sind, entwickeln sich in der entgegengesetzten Richtung zu den pro-israelischen Emotionen des 7. Oktober. Wir müssen mit all diesen Strömungen gemeinsam handeln und in Dialog treten.
Wir erleben den Aufschwung einer Konstellation neuer Kräfte der extremen Rechten in der Welt, dessen Höhepunkt vielleicht noch nicht erreicht ist. Sie regieren in Italien, regieren mit in den Niederlanden und in Schweden, werden stärker in Deutschland und könnten in Frankreich an die Regierung kommen. Der autoritäre Erdogan behauptet sich in der Türkei.
In Mittel- und Osteuropa ist, zusätzlich zum mehr und mehr faschistischen Charakter der Russischen Föderation unter Putin seit der offenen Invasion in der Ukraine, die extrem rechte Partei Fidesz in Ungarn seit 2010 an der Macht; auch die PiS, die Verkörperung der polnischen extremen Rechten, ist seit acht Jahren an der Macht. Auch wenn die PiS mit den letzten Wahlen im Oktober 2023 ihre vorherrschende Stellung knapp zugunsten einer pro-europäischen Koalition verloren hat, stellt sie doch immer noch den Präsidenten des Landes. Gleichzeitig hat sich in der Slowakei die konservative und populistische Partei (Smer-SD), die aus den letzten Parlamentswahlen als stärkste Kraft hervorgegangen war, mit der extremen Rechten (SNS) verbündet, um regieren zu können.
In Lateinamerika hat die extreme Rechte nach dem Desaster von Bolsonaro und dem Staatsstreich von Boluarte in Peru im Dezember 2022 die Casa Rosada (Sitz der Regierung und Amtssitz der Präsidentin, Anm. d. Red.) in Argentinien erobert, womit sie einer der stärksten, kämpferischsten und am besten organisierten Arbeiter- und Massenbewegung einen Kampf auf Leben und Tod erklärt hat. Die extreme Rechte bedroht die USA und die ganze Welt, wenn Trump das Weiße Haus wieder einnimmt.
Eine wirkliche Bedrohung sind sie auch in Asien, wo Bongbong Marcos, Sohn des Diktators Ferdinand Marcos, an der Spitze der Philippinen steht und wo der islamophobe Narendra Modi Indien seit 2014 regiert. Die Regierung seiner Partei Bharatiya Janata Party (BJP) hat die gesellschaftlichen Freiheiten eingeschränkt, ebenso die Rechte in der Arbeitswelt und im Umweltschutz, wie auch die verfassungsgemäße Autonomie von Kaschmir. In Indonesien wurde der extrem rechte Prabowo Subianto jüngst als Präsident bestätigt.
Seit 2008 und verstärkt noch seit dem Brexit und dem Wahlsieg von Trump 2016 werden die angeblich „erneuerten“ Bewegungen und Parteien der extremen Rechten stärker und erhöhen ihre Wahlerfolge. Sie präsentieren sich als Systemgegner, obwohl sie in Wirklichkeit (ultra-)neoliberal sind, gesellschaftspolitisch konservativ, nationalistisch, fremdenfeindlich, rassistisch, frauenfeindlich, feindlich gegenüber den LSBTQID+-Personen, transphob sowie inspiriert oder massiv unterstützt von religiösem Fundamentalismus. Sie verbreiten die Leugnung der Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschungen zum menschengemachten Klimawandel.
Der Aufschwung dieser Konstellation der extremen Rechten ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Krise der (neoliberalen) Demokratien und ihrer Institutionen, und dies wegen der Vertiefung der Ungleichheiten und der Unfähigkeit dieser Regimes, befriedigende Antworten auf die Bedürfnisse der Völker und der Arbeiter:innen zu geben.
Die tiefen Wurzeln der neuen extremen Rechten sind die Verzweiflung der verarmten sozialen Schichten angesichts der Verschlimmerung der Krise und der vom Neoliberalismus durchgesetzten Zersetzung der sozialen Sicherungssysteme, kombiniert mit den Misserfolgen der von sozialliberalen und „progressiven“ Kräften vertretenen „Alternativen“. Vor diesem Hintergrund sind weltweit Teile der Bourgeoisie hervorgetreten, die diese neue Version des Faschismus als politisch-ideologische Lösung unterstützen, die es den Regimes ermöglicht, härter aufzutreten, die Massenbewegungen mit eiserner Faust niederzuhalten und brutale Anpassungen und Enteignungen durchzusetzen, um die Profitraten wieder zu steigern. Das typischste Beispiel für diese Spaltung der herrschenden Klasse ist die Polarisierung zwischen dem Trumpismus (der sich im Handstreich der Republikanischen Partei bemächtigt hat) und der Demokratischen Partei in den USA.
Diese Lage stellt die IV. Internationale vor eine zentrale Aufgabe: den erbitterten Kampf gegen diese rechtsextremen Kräfte des Autoritarismus und Neofaschismus.
Die Invasion von Putins Armee in die Ukraine hat die geopolitische Restrukturierung der Welt beschleunigt. Putins Regime reproduziert mit dieser Aggression die vom Zarenreich ererbten Dominanzverhältnisse – nicht ohne Anleihen beim Stalinismus und durch das Zusammengehen mit den Ideologien der extremen Rechten in aller Welt.
Der Krieg bringt lang wirkende Gräueltaten mit sich. Russland setzt seine Bombardierungen gegen die Zivilbevölkerung und seine Schläge gegen die ukrainische Infrastruktur im ganzen Land fort (Eisenbahnschienen, Straßen, Schulen, Krankenhäuser, Fabriken, Depots usw.). In den besetzten Gebieten gehen Massenvergewaltigungen und Massaker, die Zerstörung von Mariupol und die Bombardierungen der – angeblich von Russland „beschützten“ – Zivilbevölkerung einher mit einer aufgezwungenen Russifizierung: gewaltsames Aufzwingen russischer Pässe, Zerstörung der ukrainischen Kultur, Verschleppung von Kindern usw. Millionen Ukrainer:innen waren gezwungen ihre Häuser oder auch die Ukraine zu verlassen. Ihre Familien und sozialen Kontakte wurden zerrissen, und sie wurden zu Flüchtenden in verschiedenen Ländern.
Borodianka (bei Kiew), 8.4.2022 Foto: dsns.gov.ua – Schild: „ACHTUNG MINEN“ |
Es war der (von Putin wie von den Westmächten nicht erwartete) bewaffnete und zivile Widerstand der ukrainischen Bevölkerung, der Putin gezwungen hat, in verschleiernder Weise die Ziele seiner militärischen Offensive neu zu formulieren, die dazu dienen sollte, die Ukraine zu „entnazifizieren“ und die russischsprachige Bevölkerung im Donbass zu beschützen. Die Front am Boden hat sich (seit Anfang 2024) nach immensen menschlichen Verlusten stabilisiert, ohne dass die russischen Streitkräfte ihre Kontrolle über die Gesamtheit der für annektiert erklärten Gebiete hätte konsolidieren können.
In Russland und in Weißrussland werden alle kriminalisiert, die es wagen, dasjenige „Krieg“ zu nennen, was offiziell als „militärische Spezialoperation“ bezeichnet wird, oder die auch nur die geringste Opposition dazu zum Ausdruck bringen. Die Teilmobilisierung von ungefähr 300 000 im September 2023 hat zur Flucht von Hunderttausenden junger Männer geführt, die zumeist keinen Flüchtlingsstatus haben, was oft Drohungen gegen ihre Familien zur Folge hat. Tausende Zivilist:innen in den Grenzgebieten Russlands werden nun auch zu Opfern von Putins Krieg, wenn sie Angriffe mit ukrainischen Drohnen und Geschossen erleiden.
Die russische Aggression hat bis auf weiteres ermöglicht, die Nato zu konsolidieren und zu erweitern, basierend auf der Angst der osteuropäischen Nachbarn vor Russland. Darum ist das Scheitern dieser Invasion und der imperialen russischen Logik entscheidend für den Erfolg einer massenhaft getragenen Kampagne in Europa für die Auflösung aller Militärblöcke – NATO, CSTO, AUKUS.
Wir erleben heute eine beispiellose Internationalisierung der großen Fragen, die sich der Menschheit stellen. Die Krise des Kapitalismus hat sich seit dem Krach von 2008 und der folgenden Rezession weiter zugespitzt, besonders mit der Covid-Pandemie. Sie ist ganz klar multidimensional geworden. Es gibt eine Konvergenz der Umweltkrise – die seit einigen Jahren immer extremere klimatische Erscheinungen produziert, unter denen die jüngeren extremen Hitzewellen besonders herausragen – und der lang andauernden wirtschaftlichen Stagnation sowie der Intensivierung des Kampfs um die Hegemonie zwischen den USA und China, weiterhin der Vormarsch des politischen Autoritarismus und des Neofaschismus, zugleich mit fortgesetztem Widerstand der Völker und der abhängig Beschäftigten, aber auch mit immer mehr Kriegen in der Welt.
Wir sind an einem neuen Punkt der Geschichte des Kapitalismus angelangt. Eine Periode, die sich qualitativ unterscheidet von der Zeit der neoliberalen Globalisierung, die wir seit dem Ende der 80er Jahren erlebt hatten. Eine Zeit mit mehr Konflikten, Klassenkämpfen und Kämpfen von Staaten untereinander im Vergleich mit der Zeit, die vor 33 Jahren mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der bürokratischen Regimes in Osteuropa begann.
Es gibt zwei wesentliche Unterschiede zwischen der gegenwärtigen Lage und der Konvergenz der Krisen zu Anfang des 20. Jahrhunderts, die zur „Ära der Katastrophen“ (1914–1946) mit zwei mörderischen Weltkriegen geführt hatten.
Die unmittelbar bedrohlichste Seite dieser multidimensionalen Krise ist die ökologische Krise, die durch zweihundert Jahre räuberischer kapitalistischer Akkumulation verursacht wurde. Was ist die ökologische Krise schließlich anderes als das Resultat des auf fossilen Brennstoffen basierenden Kapitalismus? Die Zuspitzung der Klima- und Umweltkrise trifft die Menschheit und das Leben auf der Erde schwer: Das Tempo der Erwärmung der Erdatmosphäre hat sich seit dem letzten Jahrzehnt verdoppelt; die Biodiversität bricht ein; wir erleben Verschmutzungen, Kontaminationen und Pandemien – dies alles verkürzt die verbliebene Zeit für entscheidende Aktionen.
Die globalisierte Ökonomie auf Grundlage der Verbrennung fossiler Energieträger und der wachsende Konsum von Fleisch und hochverarbeiteten Lebensmitteln verschlimmert die Klimakrise rasch. Es entsteht ein Klima, das die Zukunft der Menschheit auf unserem Planeten begrenzen wird. Das Abschmelzen des Eises an den Polen und der Gletscher beschleunigt den Anstieg des Meeresspiegels und die Verknappung des Süßwassers. Die Agroindustrie, der Bergbau und die Extraktion von Kohlenwasserstoffen schreiten in den Regenwäldern voran, die doch wesentlich zur Erhaltung des Weltklimas und der Biodiversität beitragen. Die Auswirkungen der Klimakrise werden weiterhin zu katastrophalen Erscheinungen führen sowie Infrastrukturen, nachhaltige Landwirtschaft und Subsistenzmittel zerstören und massiv Menschen aus ihrer Heimat vertreiben. Nichts von alledem wird ohne zugespitzte gesellschaftliche Konflikte geschehen.
Wir leben immer noch mit den Auswirkungen der großen Finanzkrise von 2008, die eine neue große Depression, gefolgt von einer langanhaltenden Rezession, ausgelöst hatte, ähnlich wie in den Jahren 1873–90 und vor allem wie die krisenhafte Entwicklung der Jahre 1929–1933. Wir erleben eine Krise der neoliberalen Globalisierung. Erst einmal, weil diese Art des kapitalistischen Funktionierens nicht mehr in der Lage ist, Wachstum und Profit- und Akkumulationsraten wie zu Ende der 80er und in den 90er Jahren zu garantieren. Weiterhin, weil die geopolitische Polarisierung, verschlimmert durch Kriege und den Aufschwung der Nationalismen, die extrem internationalisierten Wertschöpfungs- und Handelsketten erschüttert (zum Beispiel der Energietransfer zwischen Russland und Europa oder die weltweite Produktion von Mikrochips, Zielscheibe des US-amerikanischen Furors gegen die drohende chinesische Führerschaft bei Telekommunikation und Künstlicher Intelligenz). Das Bestreben ist nun, die weltweiten Produktionsketten neu zu ordnen. Dabei hindert keine dieser Schwierigkeiten die neoliberalen imperialistischen Regierungen daran, ihre Konterreformen und brutalen Angriffe auf die Löhne, die sozialen Errungenschaften fortzuführen sowie die Landwirtschaft mehr und mehr der Waren- und Geldwirtschaft zu unterwerfen.
Trotz des mehr als bescheidenen Wachstums seit 2008 bekämpft die neoliberale Wirtschaftspolitik die eigene Krise mit einer Flucht nach vorne, mit fortgesetzter Konzentration des Kapitals, mit dem Primat der Finanzmärkte, der öffentlichen und privaten Verschuldung, der Digitalisierung – die den großen transnationalen Konzernen im Allgemeinen und den High-Tech-Unternehmen im Besonderen wachsende Macht verleiht. Die Stagnation oder das verlangsamte Wachstum, die (durch die russische Invasion der Ukraine noch verschlimmerte) Inflation und die Umsetzung der alten neoliberalen politischen Rezepte verschärfen die sozialen und regionalen Ungleichheiten sowie die Diskriminierungen nach Geschlecht und „Rasse“ in den einzelnen Ländern und zwischen ihnen.
Das eifrige Bestreben, sich vor der Krise zu schützen (oder die Profite aufrechtzuerhalten) befeuert die Finanzspekulation und droht unaufhörlich in eine Pleitenwelle wie 2008 einzumünden, von der nicht nur Banken betroffen waren, sondern auch große Industrieunternehmen wie General Motors, Ford, General Electrics und auch große Immobilien-Unternehmen. Die Rezession drückt auf den Lebensstandard der arbeitenden Massen und der Zinsanstieg lässt die öffentlichen und privaten Schulden anwachsen und schafft damit die Möglichkeit neuer Krisen der Zahlungsunfähigkeit in bestimmten Weltregionen oder weltweit.
Sicherlich gibt es Kämpfe und Widerstände. Dieses Jahrhundert hat mindestens drei große Wellen von demokratischen und anti-neoliberalen Kämpfen gesehen (am Anfang des Jahrhunderts, 2011 und 2019/20), eine erneuerte Frauenbewegung, die in den USA aufgetauchte antirassistische Bewegung und weltweit Kämpfe für Klimagerechtigkeit. Aber auf der objektiven Ebene waren diese Kämpfe nicht nur mit dem neoliberalen Kapitalismus und den ihm dienenden Regierungen konfrontiert, sondern auch mit den Problemen, die die Restrukturierung der Arbeitswelt mit sich bringt – die industrielle Arbeiterklasse hat in einem großen Teil der westlichen Welt an gesellschaftlichem Gewicht verloren; die unterdrückten Schichten der Jugend und der prekär Beschäftigten sind noch nicht dauerhaft organisiert und haben oft Schwierigkeiten, sich mit der Gewerkschaftsbewegung zu verbinden.
Mitten in diesen sich immer schneller vollziehenden Veränderungen bleibt ein Element der vorangegangenen Periode bestehen und wird durch Veränderungen in der Zusammensetzung der ausgebeuteten Klasse und der unterdrückten Schichten verschlimmert (infolge dessen, was man Strukturwandel nennt): Die Abwesenheit einer (in den Augen der Massen glaubwürdigen) Alternative zum Kapitalismus und einer antikapitalistischen Kraft oder einem Bündel von Kräften, die soziale Kämpfe und Revolutionen anführen könnten. Äußerst kritisch ist also nicht nur die Lage für das System, sondern auch die große politische und ideologische Fragmentierung der sozialen Bewegungen und der Linken. Diese Situation hängt zusammen mit einem Rückgang des Bewusstseins der Ausgebeuteten und Unterdrückten, die von den geopolitischen Verwerfungen, dem technologischen und strukturellen Wandel und vom auf die Spitze getriebenen neoliberalen Individualismus betroffen sind. Hinzu kommen die negativen Erfahrungen mit „linken“ Regierungen wie von Syriza oder Podemos und die sehr weit gehende Zersplitterung der sozialistischen Linken. Das alles schafft ein Umfeld, in dem die Kämpfe schwieriger und ihr positiver Einfluss auf die politische Bewusstseinsbildung schwächer werden.
Die kapitalistische Krise als multidimensional zu charakterisieren bedeutet, dass es sich nicht einfach um eine Summe von Krisen handelt, sondern um ihre dialektisch kombinierte Wechselwirkung, bei der jeder Bereich auf den anderen einwirkt und von den anderen beeinflusst wird. Die Verbindung zwischen dem Krieg in der Ukraine (vor dem Ausbruch des Konflikts in Palästina) und der ökonomischen Stagnation haben die Krise der Ernährungslage der Ärmsten der Welt verschlimmert; im Vergleich zur Zeit vor zehn Jahren leiden heute 250 Millionen mehr Menschen Hunger. Die von Kriegen, Klimaänderungen, Ernährungsnotstand und immer mehr repressiven Regimes ausgelösten Migrationsströme nehmen vor allem im globalen Süden zu, auch wenn die Medien hauptsächlich diejenige in den globalen Norden herausstellen.
Die desaströsen Aussichten im ökologischen und im ökonomischen Bereich haben mindestens seit 2016 ohne jeden Zweifel eine wichtige Rolle dabei gespielt, dass ein Teil der Fraktionen der Bourgeoisie in verschiedenen Ländern vom Projekt der formellen Demokratie als bestem Mittel für die Verwirklichung neoliberaler Vorhaben Abstand genommen hat. Immer größere Teile der Bourgeoisie favorisieren autoritäre Alternativen im Rahmen der liberalen Demokratien, was zur Verstärkung der fundamentalistischen Rechten und zu rechtsextremen Regierungen führt.
Die Expansion von hyperindividualistischen neoliberalen Einstellungen, verbunden mit der Nutzung der sozialen Netzwerke und wohl auch schon der Künstlichen Intelligenz durch die extreme Rechte, begünstigt noch mehr die Entpolitisierung und Fragmentierung der Klassen und den Konservativismus. Die Techniken der Digitalisierung tragen auch dazu bei, die für die Welternährung als entscheidend eingeschätzte mittlere und kleine Bauernschaft den Konzernen als Kundin unterzuordnen oder niederzuhalten bis hin zu ihrer Dezimierung. Auf der anderen Seite stellt der Neoliberalismus mit seinen fortgesetzten Angriffen auf das, was vom Wohlfahrtsstaat übrig ist, und damit, dass er die extreme Ausbeutung der Beschäftigten in der Industrie und im Dienstleistungsbereich und vor allem in den Pflegeberufen vorantreibt, die Frauen, besonders die erwerbstätigen Frauen, vor das Dilemma, entweder schlecht zu (über)leben oder sich zu wehren.
Der Neoliberalismus hält die Frauen als Arbeitskräfte in formellen Arbeitsverhältnissen im globalen Norden, in weniger strukturierten, eher informellen Arbeitsverhältnissen im globalen Süden und senkt dabei weiter die Löhne und Einkommen derer, die outgesourcet „von außen“ arbeiten oder Dienste leisten, wobei er den beruflich aktiven Frauen zusätzlich die gesamte Sorgearbeit für die Kinder, die älteren oder kranken Menschen aufbürdet – eine Arbeit, die früher vom Wohlfahrtsstaat weitgehend übernommen worden war, vor allem in den entwickelten kapitalistischen Ländern, was inzwischen aber brutal abgebaut worden ist. Mit der Krise der Netzwerke der gesellschaftlichen Reproduktion, die in den neokolonial abhängigen Ländern stärker ist als in den Metropolen, verlagert die neoliberale Gesellschaft die Pflegearbeit auf die Familie und schichtet sie auch rassistisch um (schiebt sie ab auf Nicht-Weiße, auf Schwarze, auf indigene Frauen, auf Zugewanderte). Mit all dem wird sie insgesamt der Verantwortung für die gesellschaftliche Reproduktion nicht gerecht.
Aus globalem geoökonomischem Blickwinkel führen der heutige neoliberale Kapitalismus und seine zwischenstaatlichen Regulierungsinstanzen digitale Produkte und Algorithmen als neue Produktivkräfte ein, wobei digitale Plattformen und damit verbunden neue gesellschaftliche Produktionsbeziehungen auftauchen, wie die Uberisierung und die umfassende Kommerzialisierung der gesellschaftlichen Beziehungen. Gleichzeitig hat sich der Schwerpunkt der weltweiten Kapitalakkumulation im 21. Jahrhundert vom Nordatlantik (Europa und USA) zum Pazifik (USA, vor allem Silicon Valley, Ostasien und Südostasien) verschoben. Dabei ist nicht nur China entscheidend, sondern die ganze Region, von Japan über Südkorea und Australien bis Indien.
Die sich herausbildende „neue Ordnung“ – oder Unordnung –, die bereits die Drohung immer zahlreicherer interimperialistischer Konflikte und der Wiederaufnahme des atomaren Wettrüstens in sich trägt, macht die Welt konfliktreicher und gefährlicher. Das seit einigen Jahren bestehende „geopolitische Chaos“ wird schlimmer und mündet in eine Krise des imperialistischen Systems, d. h. in eine Schwächung der hegemonialen Macht. Hinzu kommen neue Imperialismen, wie Russland, oder sich entwickelnde Imperialismen wie China. Es handelt sich um eine laufende Umbildung in einem weltweit instabilen Kontext, in dem nichts konsolidiert ist. Jedenfalls existiert der unipolare Block unter Führung der USA nicht mehr.
Dabei zeigen die Fakten, dass wir mit der Verstärkung des asiatischen Riesen auf den ökonomischen, technologischen und militärischen Ebenen im letzten Jahrzehnt einen innerimperialistischen Konflikt haben aufkommen sehen, basierend auf der Rivalität zwischen dem von den USA geführten Block (mit den europäischen Imperialismen, Kanada, Japan, Südkorea und Australien) auf der einen Seite und einem Block, den China um sich herum aufzubauen sucht, auf der anderen Seite. Dieser letztere Block, der expandiert und in der Offensive ist, schließt Russland (trotz seiner besonderen Interessen und seinen Widersprüchen mit Peking), Nordkorea, zahlreiche zentralasiatische Republiken ein und erobert neue Freunde im Nahen Osten (Saudi-Arabien, Katar, Bahrein, Iran) und versucht, die BRIC-Staaten als Verbündete gegen die westlichen Imperialismen zu gewinnen. Indien bleibt dabei zuverlässig mit den USA verbündet, auch gegen China.
Wir erleben eine Vervielfachung kriegerischer Konflikte in der Welt, so wie diejenigen, die sich in Syrien, im Jemen, im Sudan abspielen und im östlichen Teil der Demokratischen Republik Kongo. Hinzu kommen offen erklärte oder verschleierte Bürgerkriege wie in Myanmar zum Beispiel und der permanente Kampf der lateinamerikanischen Staaten gegen kriminelle Banden, und letzterer gegen die Massen, wie in Mexiko, in Brasilien und in Ecuador. Diese konfliktträchtige Situation schreitet in der Geoökonomie und Geopolitik Afrikas voran, wo Russland auf ökonomischer und militärischer Ebene mit Frankreich und den USA konkurriert, vor allem in den ehemaligen französischen Kolonien Westafrikas. Zugleich versucht China weiterhin, seinen ökonomischen Einfluss in allen Teilen des afrikanischen Kontinents auszubauen, auch in Lateinamerika und in der Karibik.
Der „große Sprung“ Chinas der letzten dreißig Jahre hatte kapitalistischen Charakter. Erbe einer großen sozialen Revolution und einer restaurativen Wende seit den 80er Jahren, die wesentlichen Einfluss auf die neoliberale Reorganisierung der Welt hatte (und die in Partnerschaft mit den USA und ihren Verbündeten durchgeführt wurde), hat der entstehende chinesische Imperialismus eigene Charakteristika, wie jeder Imperialismus. Er fußt auf einem Staatskapitalismus, der in der KPC und der chinesischen Armee geplant und zentralisiert wird, ein Entwicklungskapitalismus mit offen entwicklungspolitischen Zielen, wo die meisten großen Unternehmen Joint Ventures von staatlichen bzw. staatlich kontrollierten und privaten Unternehmen sind.
Chinesische Zerstörer Foto: Took-ranch |
Dieser entstehende Imperialismus ist natürlich noch im Aufbau. In den letzten zehn Jahre hat China bei den Exporten einen Sprung gemacht: Es hat erhebliche Anteile an Energieunternehmen, Bergbauunternehmen und der Infrastruktur in neokolonialen Ländern erworben (in Südostasien, in Zentralasien, Afrika und Lateinamerika) und ist zu dem Land mit den weltweit meisten neu registrierten Patenten geworden. Seit 2022 ist China Netto-Exporteur geworden (exportiert mehr, als es importiert). China investiert zunehmend mehr in die Rüstung und warnt Rivalen und schwächere Staaten vehement davor, bestimmte rote Linien – Taiwan und Südsee – zu überschreiten. Es hat noch kein „anderes Land“ nach europäischem oder US-amerikanischem Vorbild erobert oder kolonialisiert, wenngleich seine Politik gegenüber Tibet und Xingjang (und kleinen historisch mit Indien umstrittenen Territorien) wesentlich kolonialistisch ist.
Das heutige Russland ist der Saat, der aus der massiven Zerstörung der Grundlagen der ehemaligen Sowjetunion und der nachfolgenden chaotischen und nicht zentralisierten kapitalistischen Restauration hervorgegangen ist, gestützt auf die Übernahme der Kontrolle alter und neuer Unternehmen durch Bürokraten, die damit zu Oligarchen wurden. Putin und seine Gruppe, die aus den alten Spionage- und Repressionsapparaten hervorgingen, erarbeiteten zu Anfang des Jahrhunderts das Projekt einer Rezentralisierung des russischen Kapitalismus, wobei sie die bonapartistischen Beziehungen zwischen den Oligarchen und einer 21. Jahrhundert-Version der alten großrussischen national-imperialistischen Ideologie nutzten, Dies wurde zum wichtigsten Instrument der Selbstbehauptung des russischen Kapitalismus in der innerimperialistischen Konkurrenz und diente auch dazu, die Völker der Russischen Föderation zu unterdrücken – auch das russische Volk selbst. Der äußerst repressive Charakter des Putin-Regimes kann als Entwicklung hin zum Faschismus bewertet werden.
Das Aufkommen von Rivalen nimmt den USA nicht die Eigenschaft des reichsten und militärisch mächtigsten Landes mit einer nie dagewesenen kriegerischen Stärke und mit der von ihrer „historischen Mission“ extrem überzeugten Bourgeoisie, den Planeten um jeden Preis zu beherrschen, und deshalb auch Kriege für die Aufrechterhaltung ihrer Hegemonie zu führen. Uncle Sam hat weiterhin das letzte Wort in der immer noch hegemonialen imperialistischen „Gemeinschaft“. Tatsache ist, dass die USA in Sachen Gewaltausübung unschlagbar sind. Die USA haben aber (mindestens seit dem Vietnamkrieg) noch nie ein so großes Problem gehabt: Eine imperialistische Hegemonie (wie alle Hegemonien) kann nur aufrechterhalten werden, wenn sie auch ihre Verbündeten und die inländische öffentliche Meinung überzeugt. Und nichts ist gefährlicher als ein in die Enge getriebener Hegemonismus.
USA in Afghanistan Foto: Kenny Holston |
Die Vereinigten Staaten haben schwerwiegende Probleme in Hinblick auf ihre Legitimität nach außen, aber auch, und das ist noch schlimmer, in Hinblick auf ihre Legitimität im Innern. Das gab es nicht in der vorangegangenen Periode der sogenannten „Unipolarität“ und des „Kriegs gegen den Terrorismus“ der 90er Jahre. Ihre ökonomische und politische Elite ist wie nie zuvor über die Weise der inneren Herrschaftsausübung gespalten und gezwungen, sich mit dem Problem der Auflösung der Wertschöpfungsketten auseinanderzusetzen, die im Laufe der letzten vierzig Jahre die Ökonomie der USA mit der chinesischen Ökonomie verbunden haben.
Über ihre relative ökonomische Schwächung hinaus, sind die Vereinigten Staaten eine Gesellschaft und ein bürgerlich-demokratisches Regime in offener Krise, seitdem die Tea Party und Trump die Kontrolle über die Republikanische Partei von innen übernommen und die Polarisierung verschärft haben – mit dem Ziel, die Regeln der ältesten bürgerlichen Demokratie der Welt zu verändern. In der Tendenz vertieft sich diese Polarisierung weiter und trägt dazu bei – ob mit Trump oder Biden im Weißen Haus –, dass das einst allmächtige „Amerika“ weiter geschwächt wird, weil es konfrontiert sein wird mit Konflikten zwischen der Exekutive, dem Kongress und der Justiz, was ihren geopolitischen Zielsetzungen schaden kann.
Lateinamerika, Afrika, der Nahe Osten und ein großer Teil Asiens (vor allem seine südlichen und südöstlichen Teile) stellen die Territorien der neokolonialen Länder dar, die als „Globaler Süden“ bekannt sind. Trotz der Ungleichheiten zwischen ihren verschiedenen Staaten und gesellschaftlichen Strukturen stellen sie insgesamt diesen bedeutenden Teil der Welt dar – hier lebt oder überlebt die große Mehrheit der Menschheit –, der verschuldet ist, Rohstoffe produziert, die am wenigsten zerstörten Ökosysteme besitzt und mit ausgedehnter Produktion von Lebensmitteln und vielen billigen Arbeitskräften ganz wesentlich ist für die permanente und räuberische Bereicherung des imperialistischen Nordens.
Nach vierzig Jahren neoliberaler Globalisierung hat der Süden weiterhin die stärkste Zusammenballung von Ungleichheit, Hunger, fehlender sozialer Sicherung, autoritärer Regierungen, Enteignungen und blutiger sozialer Konflikte. Zugleich hat die finanzwirtschaftliche, industrielle, kommerzielle und kulturelle Internationalisierung auch eine perverse Angleichung mit dem Norden bei Problemen und bei der politischen Polarisierung bewirkt: mit dem Aufschwung der extremen Rechten (Duterte, Bolsonaro, Modi, Milei), der Vergrößerung der Macht krimineller Organisationen, der klimatischen Tragödien (wie in Indien, in Bangladesch, auf den Philippinen, in Brasilien), den staatlichen und politischen Systemkrisen, den Bürgerkriegen (wie in Myanmar, im Sudan, in der Demokratischen Republik Kongo, auf Haiti) und den Kriegen zwischen Ländern.
Seit Anfang des Jahrhunderts erlebt Südamerika eine Reihe von Kämpfen, vielfältige Demonstrationen, aufständische Volksbewegungen, die Wahl reformistischer Regierungen auf Grundlage dieser Kämpfe und viel politische Polarisierung. Der Neo-Extraktivismus, die räuberische Ausbeutung der Natur, der Sozialabbau, die Ungleichheiten, die tägliche Gewalt und die sich entwickelnden politischen Krisen nehmen zu und nähren die Alternativen der extremen Rechten. Seit 2018 hat ein neuer Zyklus von Mobilisierungen radikal die Länder der Anden ergriffen. Widerstände, Ausbrüche und gesellschaftliche Kämpfe – die demokratische und ökonomische Forderungen kombinieren – wirken zusammen, gleichzeitig ist die extreme Rechte der permanente Hauptfeind. Diese Kämpfe werden manchmal mit der Wahl sogenannter „progressiver“ Regierungen der zweiten Welle kanalisiert.
Das sind keine Regierungen der abhängig Beschäftigten und Unterdrückten, es sind also nicht „unsere Regierungen“. Wir nehmen nicht an ihnen teil und schulden ihnen keine bedingungslose Unterstützung. Allerdings werden diese Regierungen in einer Zeit der Stärke und des Aufschwungs der extremen Rechten von großen Teilen der Massen als Alternative zum Neofaschismus gesehen, weil sie ganz allgemein als eine Wahlalternative gesehen werden. Also müssen wir jeden einzelnen Fall in jedem Land im Rahmen des gegenwärtigen Kontexts auf Weltebene analysieren, und zwar im Hinblick auf die Notwendigkeit, die extreme Rechte zu besiegen. Dabei kann unsere Politik nichts anderes bezwecken als die Mobilisierung der Bevölkerung und eine wohlüberlegte Kombination aus programmatischen Forderungen, Ermutigung und Unterstützung der Kämpfe gegen die neoliberalen und räuberischen Maßnahmen dieser Regierungen, der Anprangerung ihrer reaktionärsten Auswüchse, Förderung der vielversprechendsten Arten und Weisen, die extreme Rechte zu bekämpfen, wobei wir die unverzichtbare Aufrechterhaltung der Autonomie der Bewegungen gegenüber den Regierungen fordern.
Diese Weltregion mit 1,2 Milliarden Menschen existiert in einer kapitalistischen Welt, die das Leben der Menschen jederzeit formt und einschränkt. Entgegen der Erzählung vom Aufschwung Afrikas, die suggerierte, Afrika, und besonders der Nahe Osten seien endlich dabei, sich aus dem Joch der neokolonialen Unterentwicklung zu befreien, ist Afrika das Opfer des „ungleichen“ Teils der ungleichen und kombinierten Entwicklung. Es bleibt der ärmste Kontinent der Welt. Die Weltbank schätzt, dass 2030 87 % der Ärmsten der Armen in Afrika leben werden.
Die multidimensionale Krise des Kapitalismus hat fatale Folgen für den ganzen Kontinent. Afrika verursacht nur 4 % der weltweiten Treibhausgas-Emissionen. Aber sieben von zehn der für Klimakatastrophen empfindlichsten Länder befinden sich in Afrika. Vier Jahre Dürre am Horn von Afrika haben 2,5 Millionen Menschen vertrieben. Mehrere Konflikte, die die politische Lage in Afrika prägen, sind von den extremen Verwerfungen verursacht, die durch die Beschleunigung der Klimakrise hervorgerufen wurden.
Seit einiger Zeit erleben wir einen neuen Run auf Afrika, der eine Welle von Konflikten auf dem Kontinent provoziert – vom Sudan bis nach Mosambik. Während ein großer Teil dieser Konflikte mit der Entdeckung neuer Erdöl- und Erdgasfunde zusammenhängt, weckt das Wettrennen um die Kontrolle über die Gewinnung Seltener Erden und anderer begehrter Mineralstoffe bzw. Metalle (wie Kobalt, Kupfer, Lithium, Platin) besonderes Interesse, denn diese Stoffe werden für die „grüne Wirtschaft“ in den entwickelten Industrieländern gebraucht.
Neben den alten Kolonialmächten und natürlich dem imperialen Hegemon USA, spielen China und Russland eine wichtige Rolle bei der Extraktion der Reichtümer durch Formen der Überausbeutung und mit dem Schüren der Konflikte auf dem Kontinent. Infolge dessen prägen neue Konflikte, regionale Kriege und Bürgerkriege weiterhin die politische Ökonomie des Kontinents. Bei der Ausnutzung der Konflikte in mehreren afrikanischen Ländern, wo von den westlichen Mächten gestützte Regierungen mit neuen Aufständen konfrontiert oder gestürzt werden, spielt sich ein vertrautes Szenario ab. Russland, vor allem mittels der Söldnertruppe Wagner, breitet sich aus, um dem westlichen Einfluss entgegenzuwirken und selbst an Einfluss in dieser Weltregion zu gewinnen. Dasselbe gilt für die Reihe von Staatsstreichen in Westafrika, die die Macht des Neokolonialismus Frankreichs infrage stellen und wo sich die neuen Regime Konkurrenten Washingtons zuwenden, um militärische und finanzielle Rettungsringe zu erhalten.
Dabei ist China die am besten aufgestellte nichtwestliche Macht, die die Reichtümer Afrikas ausbeutet. China setzt seine ökonomische Macht ein, um ungleichen Tausch zu vollführen, sei es in der Form von Krediten, die mit natürlichen Ressourcen gedeckt werden, sei es mit anderen Arten von Krediten oder Handelsabkommen oder auch vermittelt über seine Investitionen im afrikanischen Bergbau und in afrikanische Infrastruktur. Laut Schätzungen sind 62 % der afrikanischen bilateralen Schulden solche an chinesische Gläubiger.
Im Afrika südlich der Sahara scheinen die sogenannten Bürgerbewegungen (Balai citoyen in Burkina Faso, Y en a marre! im Senegal, Lucha in der Demokratischen Republik Kongo usw.) einen neuen Anlauf nehmen zu wollen. Auf die Demonstrationen der Bevölkerungen, auch der Oppositionsparteien, reagieren die Regimes mit grausamer Unterdrückung (Senegal, Swatini/Ex-Swasiland, Zimbabwe usw.). Im Allgemeinen gibt es nur selten eine linke oder „progressive“ (anti-neoliberale) politische Kraft, auf die die Massen sich beziehen könnten, ganz zu schweigen von einer antikapitalistischen Perspektive (wie sie von den Genoss:innen während des algerischen Hirak vertreten wurde). Der sudanesische Aufstand, mit seiner bemerkenswerten Selbstorganisation und seinen radikalen sozialen und demokratischen Forderungen, ist heute erstickt, und die Bevölkerung wird von einem gnadenlosen bewaffneten Konflikt dezimiert, bei dem sich Generäle gegenüberstehen, die alle von reaktionärsten Staaten unterstützt werden. In Tunesien hat das Regime von Kais Saïd die mit dem arabischen Frühling aufkommenden demokratischen Bestrebungen erstickt.
Die militärischen Staatsstreiche im Jahr 2023 in ehemaligen französischen Kolonien (Mali, Burkina Faso, Niger und Gabun) zeigen die Tiefe der Krise dieses Kontinents. Sie hat sich verschärft mit der Intensivierung der militärischen Aktionen der islamistischen terroristischen Gruppen, die von den Golfmonarchien finanziert werden und durch die Niederlage Gaddafis in Libyen und der Intervention der Westmächte verstärkt wurden. In diesen vier Ländern hat das Militär die Macht übernommen, ohne im Kontext der Regimekrise auf Widerstand zu stoßen. Sie haben von der völligen Diskreditierung der politischen Institutionen und der allgemeinen Ablehnung der französischen imperialistischen Präsenz (Françafrique) in der Bevölkerung profitiert, vor allem unter den Jugendlichen der Sahel-Zone. Diese Ablehnung ist im Übrigen sehr klar während der sozialen Bewegungen von 2021 zum Ausdruck gekommen. Im Fall des Staatsstreichs in Gabun, einer ehemaligen französischen Kolonie in Zentralafrika, ist die Krise des Regimes entscheidend, denn dort hat es nicht dieselbe Ablehnung Frankreichs seitens der neu Regierenden und der Bevölkerung gegeben wie in der Sahel-Zone. Dabei bietet das an die Macht gekommene Militär keine wirkliche Alternative zur imperialistischen Politik und zum neoliberalen Modell an, genau so wenig wie die bei den Wahlen in Tunesien und Ägypten an die Macht gekommenen Islamisten in der Periode nach dem arabischen Frühling.
Nach der Krise von 2008 haben wir die Wiederaufnahme der Mobilisierungen in der ganzen Welt erlebt. Occupy Wall Street, Plaza del Sol in Madrid, Taksim in Istanbul, Nuit debout und Gelbwesten in Frankreich, Juni 2013 in Brasilien, Mobilisierungen in Buenos Aires, Hongkong, Santiago, Bangkok. Dieser ersten Welle folgte eine zweite Welle von Erhebungen und Explosionen 2018 und 2019, die von der Pandemie unterbrochen wurden: die antirassistische Rebellion in den USA und im Vereinigten Königreich nach dem Tod von George Floyd, die Mobilisierung von Frauen in vielen Teilen der Welt, einschließlich des heroischen Kampfs der Frauen im Iran, die Revolten gegen autokratische Regime wie in Weißrussland (2020), und eine massive Mobilisierung von indischen Bäuerinnen und Bauern, die sich 2021 durchsetzen. 2019 gab es in über hundert Ländern Demonstrationen, Streiks oder Versuche, die jeweilige Regierung zu stürzen: in sechs von ihnen wurden die Regierungen erfolgreich gestürzt oder grundlegend umgebildet, nachdem sie sich den geforderten Reformen verweigert hatten, in vier wurden die Regierungen gestürzt und in zwei wurden die Regierungen grundlegend umgebildet (laut einer Studie von Mediapart vom 24.11.2019).
Protest gegen die Regierung Bolsonaro (Mai 2019), Foto: Joalpe |
Kurz nach der Pandemie gab es in Frankreich drei Monate lang Widerstand gegen Macrons Rentenreform; eine Erhebung der Beschäftigten, Studierenden und der Bevölkerung in China, die die „Null Covid“-Strategie der KP Chinas zu Fall brachte, in den Vereinigten Staaten ist die gewerkschaftliche Organisierung weiter in neuen Bereichen vorangeschritten (Starbucks, Amazon, UPS), verbunden mit dem Auftauchen neuer, von der Basis ausgehender antibürokratischer Prozesse, mit Streiks vor allem in den Bereichen Erziehung und Gesundheitswesen. 2022/2023 kam der große Streik der Texter:innen und Schauspieler:innen in Hollywood hinzu sowie der historische, bislang siegreiche Streik der Beschäftigten in den drei großen Automobilunternehmen des Landes.
Die Arbeiter:innenklasse im weiten Sinne des Wortes, die sich gegenwärtig auf die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz vorbereitet (und Widerstand leistet, wie es der Streik der Texter:innen und Schauspieler:innen von Hollywood zeigt), ist immer noch lebendig und zahlreich, wenn auch umstrukturiert, unterdrückt, weniger bewusst und organisiert als im letzten Jahrhundert. In China gibt es weiterhin große industrielle Komplexe, ebenso in ganz Südostasien. Die bäuerlichen Bevölkerungen Afrikas, des südlichen Asien (Indien und Pakistan) und Lateinamerikas widerstehen auch tapfer der imperialistischen agro-industriellen Invasion. Die indigenen Völker, die zehn Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, leisten Widerstand gegen den Vormarsch des Kapitals auf ihren Territorien und verteidigen die Gemeingüter, die der Menschheit insgesamt so wichtig sind. Die Niederlage des arabischen Frühlings und die syrische Tragödie beeinträchtigen die Widerstandsfähigkeit der Völker des Nahen Ostens; und dennoch kam es zur heroischen Erhebung der Frauen und Mädchen im Iran.
Die Arbeiter:innen leisten dem Kapital weiterhin Widerstand und kämpfen für ihre Lebensbedingungen, wenn auch unter den Bedingungen anderer Arbeitsorganisation und mit neuen Formen, sich für den Kampf zu organisieren, und dadurch auch mit mehr Schwierigkeiten als vorher. Mehr denn je kommt es auf die Rekonstruktion des Bewusstseins der Ausgebeuteten und Unterdrückten und ihre Klassenunabhängigkeit gegenüber dem Kapitalismus an: in jedem Stadtviertel, in allen Betrieben, bei jeder Betriebsbesetzung und in jedem Streik, in allen neuen Basisgewerkschaften, in jeder neuen Kategorie und neuen Volksbewegung des Widerstands gegen die herrschende Ordnung, in der Einheit rund um gemeinsame Forderungen, bei der Schaffung und Verstärkung der Selbstorganisation und der antikapitalistischen Politisierung der Forderungen.
Angesichts der vom imperialen kapitalistischen System aufgezwungenen wachsenden Ungleichheit zwischen den Ländern, angesichts der Kriege und nationalistischen Konflikte, die Millionen von Opfern verursachen, stellt sich die Vierte Internationale bedingungslos gegen alle Imperialismen. Wir sind für die volle Unabhängigkeit aller Kolonien und Neokolonien. Wir sind für eine Welt, in der kein Staat und kein Volk die Rechte anderer unterdrückt oder einschränkt. Der Frieden, für den wir eintreten, ist ein egalitärer und antikolonialer Frieden.
Unsere dringendste Aufgabe in Hinblick auf Palästina ist, politische und gesellschaftliche Kräfte für die Unterstützung des internationalen Aufrufs zu einem sofortigen Waffenstillstand und für den ungehinderten Zugang der humanitären Hilfe zu gewinnen. Wir fordern das Ende der Zerstörung von Gaza, der Vertreibung und Verschiebung der Palästinenser:innen innerhalb des Gaza-Streifens und im Westjordanland, die Befreiung der palästinensischen Gefangenen und der israelischen Geiseln. Wir fordern das Ende der Komplizenschaft der anderen Staaten mit den Aktionen Israels und ein Waffenembargo gegen Israel. Wir bemühen uns um den Aufbau einer möglichst breiten Bewegung, um das palästinensische Volk zu unterstützen und die BDS-Kampagne zu stärken. Diese Bewegung schließt die Jüd:innen in aller Welt ein, die klarstellen, dass Netanjahu und die israelische Regierung nicht in ihrem Namen sprechen und für die eine friedliche jüdische Präsenz in Palästina nur verwirklicht werden kann mit der Verteidigung der Rechte des palästinensischen Volkes.
Die strategische Lösung im Nahen Osten beginnt mit dem Rückkehrrecht aller Palästinenser:innen auf das historisch anerkannte Territorium Palästinas, mit der Abschaffung der Apartheid vom Fluss bis zum Meer, mit dem Kampf gegen alle Formen des Rassismus und der Ausbeutung in der ganzen Region, mit der Durchsetzung gleicher Rechte für alle Völker und eben deshalb mit der Beseitigung des zionistischen Israels als jüdischem Staat. Wir arbeiten an der Entwicklung einer breiten egalitären revolutionären Bewegung aller Völker Palästinas im Kampf um ihre Selbstbestimmung. Aber das erfordert die Abwendung der jüdischen Bevölkerung Israels vom Zionismus und ihre Teilnahme an einer arabischen Revolution mit einer demokratischen, laizistischen und sozialistischen Dynamik.
Das einzig dauerhafte Ende des Kriegs in der Ukraine ist der völlige Rückzug der Truppen Putins. Alle Verhandlungen für einen Waffenstillstand oder „Frieden“ müssen öffentlich vor den Völkern der Ukraine und Russlands geführt werden. Es ist Sache des ukrainischen Volks über die Bedingungen eines Waffenstillstands zu entscheiden, der zum Scheitern der Aggression, der Wahrung dessen, was von der ukrainischen Infrastruktur übrig ist und zum Rückzug der russischen Truppen führt – mit der Rückkehr der Bevölkerung an ihre angestammten Orte. Wir verteidigen das Recht des ukrainischen Volks Widerstand gegen die Invasion zu leisten und dafür Hilfe zu erhalten, eine freie und demokratische Ukraine aufzubauen, und unterstützen alle, die sich in Russland und Weißrussland diesem Krieg widersetzen.
Wir kämpfen für die Auflösung aller Militär-Bündnisse – der Nato, der CSTO, AUKUS. Wir wenden uns gegen jede Logik der Aufteilung von „Einflusssphären“ auf Kosten der Bevölkerungen und gegen alle neoliberalen und politischen Bedingungen, die an geleistete Hilfen geknüpft werden. Wir wenden uns gegen die zynische Ausnutzung des Kriegs in der Ukraine für die Erhöhung der Rüstungsausgaben, wie in Europa. Wir prangern jegliche atomare Drohung seitens beider Parteien an. Wir kämpfen weiter für weltweite Abrüstung, insbesondere der Atomwaffen und der chemischen Waffen, treten ein für einen Weltfrieden, wo kein Staat einen anderen beherrscht, in einen anderen einfällt oder gewaltsam unterwirft, also einen Frieden ohne Kolonialisten und ohne Massengräber von kolonisierten Völkern.
In Afrika wenden wir uns gegen den imperialistischen westlichen Diskurs, der, unter dem Vorwand, die verfassungsmäßige Ordnung wieder herzustellen, militärische Interventionen unterstützen will, um seine eigenen Interessen durchzusetzen. Wir kämpfen für den völligen Rückzug der französischen Truppen aus der ganzen Region und die Schließung der US-amerikanischen Militärbasis von Agadez im Niger. Wir verlangen den Abzug der Wagner-Gruppe. Wir unterstützen alle Anstrengungen zur Eroberung der politischen und ökonomischen Souveränität der Völker im Sinne einer neuen, gegen das System gerichteten Einheit der Länder und Völker Afrikas.
Gegenüber der extremen Rechten im Norden und Süden ist eine Politik der linken Einheit (Einheitsfront) ein wichtiges Element unserer aktuellen Politik, wobei wir niemals unsere politische Unabhängigkeit oder diejenige der sozialen Bewegungen aufgeben oder darüber verhandeln werden. In Ländern mit autoritären Regimes (wie in China, in Russland, Weißrussland, Nikaragua, Syrien, Saudi-Arabien, in den Arabischen Emiraten, im Iran und anderen Kalifaten) oder in solchen mit gewählten Regierungen und dennoch autoritärem Charakter (wie die Türkei, Venezuela, die Philippinen), ist unsere Politik die einer frontalen Opposition gegen die Machthaber, eines nie nachlassenden Kampfs für die demokratischen Rechte und einer bedingungslosen Unterstützung der Aufständischen, wie derjenigen in Myanmar und im Jemen.
In diesem Kontext ist die Initiative zu einer breiten Konferenz von Aktiven gegen den Faschismus in Brasilien 2025 sehr wichtig für die Internationale. Es sollte zu den Prioritäten unserer Aktivitäten auf allen Kontinenten gehören, diese Idee zu stärken und mit regionalen oder kontinentalen Vorkonferenzen an ihrer Verwirklichung zu arbeiten.
Wir kämpfen für die Durchsetzung grundlegender Forderungen wie für allgemeine und kostenlose Gesundheitsversorgung, dafür erforderliche staatlich garantierte Infrastrukturen, angemessene Wohnungen, Arbeitsplätze, Löhne und Renten, wie auch für den erschwinglichen Zugang zu Wasser und Energie.
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Eine unserer Hauptaufgaben ist es, die sozial-ökologischen Kämpfe zu fördern und zu unterstützen und uns dafür einzusetzen, dass die antikapitalistischen ökologischen Forderungen die aller abhängig Beschäftigten und unterdrückten Schichten werden. Nur starke Bewegungen der Ausgebeuteten und Unterdrückten auf der sozial-ökologischen Ebene kann der begonnenen Klimakrise entgegenwirken.
Wir verteidigen das Recht der Frauen und der Gesellschaft im Allgemeinen auf staatlich sichergestellten Ausgleich für Sorgearbeit (für Kinder und ältere oder kranke Menschen). Wir kämpfen für das Recht, zu entscheiden, Kinder in die Welt zu setzen oder nicht, für das Recht auf Abtreibung und alle Techniken der Empfängnisverhütung, auf Sexualerziehung auf allen Ebenen, auf öffentliche Kinderkrippen und Ganztagsschulen hoher Qualität; in gleichem Maß zugängliche Arbeitsplätze und gleiche Einkommen für Männer und Frauen.
Gegen den strukturellen Rassismus, der die Schwarzen, die indigenen Völker und alle rassistisch diskriminierten Minderheiten, vor allem, wenn sie in den Norden eingewandert sind, schlagen wir politische Maßnahmen gegen Diskriminierungen vor und kämpfen für sie, wir fordern Reparationen für Sklaverei und Landraub und positive Maßnahmen. Wir sind auf der Seite aller Eingewanderten gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausweisungen. Für das Ende aller Mauern.
Gegen die konservative Homophobie und Transphobie, die die LSBTQI-Personen weltweit angreifen, erheben wir unsere Stimme für das umfassende Recht auf Selbstbestimmung über unsere Körper, so, wie wir das wollen. Für volle staatbürgerliche Rechte für schwule, lesbische und nicht-binäre Paare, mit der Möglichkeit zu heiraten, Kinder zu kriegen und zu adoptieren. Wir verteidigen die Rechte der Transgender-Personen, den Kampf gegen die Gewalt gegenüber ihnen und ihre volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Alle diese Kämpfe müssen zusammenfließen, um die neuen Varianten des Faschismus zu besiegen, die ausbeuterischen und unterdrückerischen Regime zu stürzen, um sich weiterhin dem Imperialismus, dem Kolonialismus, mit einem Wort, dem Kapitalismus entgegenzustellen. Die Vierte Internationale kämpft für eine Welt, in der kein Staat einen anderen unterdrückt oder überfällt, wo ein Frieden unter Gleichen möglich wird, bei Respektierung des Rechts auf Selbstbestimmung der Völker. Wir kämpfen für eine entkolonialisierte, ökologische und sozialistische – ökosozialistische – Welt, wo der Sturz des Kapitalismus und die Beseitigung seiner Logik die Gleichheit zwischen allen erlaubt, bei allen ihren Unterschieden. Eine feministische Welt aller Ethnien und Hautfarben, aller geschlechtlichen Orientierungen und Identitäten, aller Glaubensrichtungen, aller Formen des menschlichen Lebens in Symbiose und im Gleichgewicht mit der Natur.
Übersetzung: M. K. u. J. S. |
Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 4/2024 (Juli/August 2024). | Startseite | Impressum | Datenschutz