Israel-Palästina-Konflikt/USA

Eine vorläufige Bilanz

Drei Wochen lang haben Student:innen amerikanischer Universitäten in der seit Jahrzehnten größten Bewegung ihrer Art friedliche Demonstrationen zur Unterstützung Palästinas organisiert, Camps errichtet und Gebäude besetzt. Die Bewegung war in 45 unserer 50 Bundesstaaten aktiv und umfasste 140 Campus, wobei es zu weit über 2000 Verhaftungen kam.

Dan La Botz

Die große, vielfältige, dezentrale, gewaltfreie Bewegung wurde vom Entsetzen junger Menschen über den völkermörderischen Krieg angetrieben, den Israel gegen die Palästinenser:innen in Gaza führt. Dies war eindeutig eine humanitäre Bewegung, die ihre Solidarität mit den Palästinenser:innen zum Ausdruck brachte, ein Ende des Krieges und den Stopp der US-Waffenlieferungen an Israel forderte und auch, dass die Universitäten aufhören, in die israelische Rüstungsindustrie zu investieren.

Gaza-Solidaritätscamp

Brown University, Rhode Island, USA. Foto: Kenneth C. Zirkel

 

Unter dem Druck der zionistischen Lobby verleumdeten viele Universitätsverwaltungen, Politiker:innen und Medien die Student:innen und ihre Aktivitäten, die sie als pro-Hamas und antisemitisch und sogar als Terroristen bezeichneten, um gewalttätige Polizeiangriffe zu rechtfertigen, bei denen Student:innen und Professor:innen verletzt wurden und in einigen Fällen ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Niemals seit dem Massaker der Nationalgarde an der State University in Kent (4 Tote) und den Polizeimorden am Jackson College (2 Tote) im Jahr 1970 haben wir eine solche Gewalt gegen studentische Demonstrationen erlebt.

Welchen Altruismus wir gesehen haben! Einige Student:innen haben ihre College-Ausbildung, ihren Abschluss und (wenn sie einwandert sind) ihre Studentenvisa gefährdet und ihre Gesundheit und Sicherheit angesichts gewaltsamer Angriffe von Zionisten, rechten Organisationen und der Polizei aufs Spiel gesetzt. Die Studierendenproteste, die manchmal von Students for Justice in Palestine (SJP) und Jewish Voice for Peace angeführt wurden, waren leidenschaftlich gegen Israels Krieg, waren aber nicht antisemitisch.

Jedes der studentischen Camps war anders. Einige wurden von kleinen, selbsternannten Führungsgruppen stramm von oben nach unten geführt und organisiert, während andere offen und demokratisch waren, wobei große Komitees oder ganze Camps Entscheidungen trafen. Aufbau und Instandhaltung der Camps, die Beschaffung von Zelten, die Beschaffung von Lebensmitteln, die Organisation von Studiengruppen und die Aufstellung von Lagerregeln nahmen viel Zeit in Anspruch, schufen aber auch ein Gemeinschaftsgefühl.

      
Mehr dazu
Büro der Vierten Internationale: 76 Jahre nach der Nakba: Eine internationale Bewegung aufbauen!, die internationale Nr. 4/2024 (Juli/August 2024). Auch bei intersoz.org
Ayse Tekin: Protestcamps an deutschen Unis: Meinungsfreiheit hat nicht viel Platz, Sozialistische Zeitung (1.6.2024)
Dan La Botz: Pro-Palästina-Proteste weiten sich trotz Repression aus, die internationale Nr. 3/2024 (Mai/Juni 2024) (nur online). Auch bei intersoz.org
Dossier Gaza-Krieg, die internationale Nr. 3/2024 (Mai/Juni 2024)
Birgit Althaler: Auf der Suche nach Orientierung, die internationale Nr. 3/2024 (Mai/Juni 2024)
Interview mit Uri Weltmann: Zusammenstehen gegen Krieg und Rassismus, die internationale Nr. 3/2024 (Mai/Juni 2024)
Dan La Botz: Der israelisch-palästinensische Konflikt bringt eine neue Antikriegsbewegung in den USA hervor, die internationale Nr. 6/2023 (November/Dezember 2023) (nur online). Auch bei intersoz.org
Gaza-Solidarität an schwedischen Unis, die internationale Nr. 4/2024 (Juli/August 2024) (nur online). Auch bei intersoz.org
 

Für die meisten Student:innen war dies ihre erste Erfahrung in einer sozialen und politischen Bewegung wie dieser. An einigen Campus beteiligten sich Studierende an ultralinken Aktionen, die ein Eingreifen der Polizei provozierten, obwohl die Polizei auch die friedlichsten Gruppen angegriffen hat. An anderen Orten verhandelten die Studierenden mit den Universitätsverwaltungen. Einige dieser Verwaltungen machten Versprechungen, mehr symbolisch als bedeutsam, um die Student:innen zu besänftigen und die Proteste zu beenden.

Die Young Democratic Socialists of America und einige andere Sozialist:innen waren neben SJP und JVP aktiv, aber die Linke hat keine dominante Rolle gespielt. Der größte Teil der Student:innenbewegung hatte keine Zeit, viele der zentralen politischen Fragen eingehend zu diskutieren. Die Gruppen haben keine Positionen zum Wesen des Zionismus, zur Politik des palästinensischen Widerstands und der Hamas sowie zur Frage des Verhältnisses der Bewegung zur amerikanischen Politik und den bevorstehenden Wahlen eingenommen. Die Bewegung hat auch keine klaren Pläne für den Sommer entwickelt, geschweige denn längerfristig.

Die Palestine Youth Movement, die Verbindungen zur campistischen Party of Socialism and Liberation hat, hat zu einer Volkskonferenz für Palästina vom 24. bis 26. Mai 2024 in Detroit aufgerufen: Ob es sich um eine demokratische Konferenz handeln wird, die in der Lage ist, die soziale, kulturelle und politische Vielfalt der Bewegung zu repräsentieren, bleibt abzuwarten. Diese Student:innenbewegung wird, wie andere in der Vergangenheit, einen enormen Einfluss auf das Leben aller, die daran teilgenommen haben, auf die beteiligten Organisationen und auf die Zukunft der amerikanischen Linken haben.

12. Mai 2024
Quelle: International Viewpoint



Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 4/2024 (Juli/August 2024). | Startseite | Impressum | Datenschutz