„Deutschland muss umgehend aufhören, die Vernichtung von Palästinenser:innen zu unterstützen“
Offener Brief an die deutsche Bundesregierung
Mit Grauen beobachten wir den sich abzeichnenden Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung durch Israel. Wir sind zutiefst erschüttert. Es schmerzt uns, und wir sind wütend angesichts dieser eklatanten Missachtung von Menschenleben – eine Missachtung, von der die deutsche Bundesregierung erwartet, dass wir sie als normal und notwendig hinnehmen. Seit über einem Jahr trägt diese Bundesregierung aktiv zur Tötung und Entmenschlichung von Palästinenser:innen bei, indem sie Israel politisch, finanziell, militärisch und rechtlich unterstützt. Deutschlands Mittäterschaft an israelischen Völkerrechtsverbrechen muss umgehend beendet werden.
Wir, die Unterzeichner:innen, fordern von der deutschen Bundesregierung, sich konsequent auf die Seite der Gerechtigkeit und des internationalen Rechts zu stellen und in einer Weise Druck auf Israel auszuüben, die das Töten, Verstümmeln und Vernichten palästinensischen Lebens sofort unterbindet. Angesichts der Tatsache, dass staatliche Institutionen, politische Parteien und Politiker:innen in Deutschland die Verbrechen der israelischen Armee größtenteils unterstützen, verlangen wir eine umfassende Neuausrichtung der Haltung und des politischen Handelns der deutschen Bundesregierung.
Israels Völkerrechtsverbrechen, darunter Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sind von den Vereinten Nationen (UN) und führenden Menschenrechtsorganisationen umfassend dokumentiert. Wie der Internationale Gerichtshof (IGH) festgestellt hat, besteht ein reales und unmittelbares Risiko, dass Israels Vorgehen in Gaza einem Genozid gleichkommt. [1] Die offizielle Zahl der Todesopfer liegt bei 42 718, wobei viele weitere noch unter den Trümmern begraben sind. Zahlreiche weitere Menschen werden aufgrund von Krankheiten sterben, deren Ausbreitung vermeidbar wäre. [2] Zehntausende wurden verletzt, und viele haben bleibende Behinderungen davongetragen, darunter Tausende Kinder, die ein oder mehrere Gliedmaßen verloren haben. [3] Israel lässt die Bevölkerung in Gaza hungern. Ganze Stadtviertel wurden dem Erdboden gleichgemacht und die gesamte lebenswichtige Infrastruktur zerstört, einschließlich der Nahrungsmittelproduktion, des Gesundheitswesens und des Bildungssystems. [4] Die israelische Armee hat den Großteil der Bevölkerung Gazas vertrieben. Es gibt keine sicheren Orte, an denen sie Zuflucht suchen können, weil die israelische Armee regelmäßig so genannte Sicherheitszonen bombardiert. [5] Seit Anfang Oktober 2024 hat Israel den Norden Gazas in einen vollständigen Belagerungszustand versetzt und macht auf diese Weise menschliches Leben dort unmöglich mit dem offensichtlichen Ziel, die palästinensische Bevölkerung dauerhaft zu vertreiben. [6] In der Westbank haben israelische Siedler:innen ihre Angriffe verstärkt, oft unter dem Schutz der israelischen Armee, und dabei palästinensisches Land und Eigentum zerstört. Israelische Soldat:innen, und in einigen Fällen Siedler:innen, haben seit dem 7. Oktober 2023 mehr als 700 Palästinenser:innen getötet. [7] Die israelische Armee führt außerdem regelmäßig groß angelegte Militäroffensiven durch, bei denen sie Häuser einreißt und lebenswichtige Gesundheitseinrichtungen, Straßeninfrastruktur, Stromnetze und die Wasserversorgung zerstört. [8] Der vor kurzem erfolgte israelische Einmarsch in den Libanon folgt einer ähnlichen Logik und birgt die Gefahr einer Ausweitung des anhaltenden regionalen Krieges.
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Israels Völkerrechtsverbrechen müssen umgehend durch internationalen Druck und Sanktionen beendet werden. Wir fordern daher die Bundesregierung dazu auf, ihrer Verantwortung nachzukommen und unverzüglich Schritte zu unternehmen, um den vorläufigen Maßnahmen Folge zu leisten, die der IGH im Fall Südafrika vs. Israel im Januar, März und Mai dieses Jahres [2024] angeordnet hat. Deutschland muss das Gutachten des IGH respektieren, das die israelische Besatzung palästinensischer Gebiete im Juli für rechtswidrig erklärt hat. Außerdem appellieren wir an die Bundesregierung, den Empfehlungen der Resolution der UN-Vollversammlung zum IGH-Gutachten zu entsprechen. Insbesondere forderten UN-Expert:innen die Mitgliedsstaaten dazu auf, alle diplomatischen, politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Israel zu überprüfen, ein vollständiges Waffenembargo zu verhängen und diejenigen wirtschaftlichen Beziehungen, Handelsabkommen und akademischen Beziehungen zu Israel abzubrechen oder auszusetzen, die zu Israels unrechtmäßiger Präsenz und seinem Apartheidregime in den besetzten palästinensischen Gebieten beitragen könnten. [9]
Als Vertragsstaat der UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung von Völkermord und des Römischen Statuts ist Deutschland historisch, ethisch, rechtlich und politisch verpflichtet, die in diesen Verträgen geächteten Völkerrechtsverbrechen weder zu begehen noch zu unterstützen oder zu befördern. Wir fordern Deutschland daher auf, seine Mittäterschaft an den von Israel in Palästina begangenen Völkerrechtsverbrechen sofort und wirksam zu beenden!
27. Oktober 2024
Hanna Al Taher, researcher/lecturer, TUD, Germany
Schirin Amir-Moazami, Professor of Islam in Europe, FU Berlin, Germany
Grażyna Baranowska, Professor of Migration Law and Human Rights, FAU Erlangen-Nürnberg, Germany
Michael Barenboim, violinist, Professor at the Barenboim-Said Akademie, Germany
Ulrike Bergermann, Professor of Media Studies, HBK Braunschweig, Germany
Christine Binzel, Professor of Economics: Economy and Society of the Middle East, FAU Erlangen-Nürnberg, Germany
Manuela Boatcă, Professor of Sociology and Head of School of the Global Studies Programme, University of Freiburg, Germany
Robin Celikates, Professor of Philosophy, Freie Universität Berlin, Germany
Sawsan Chebli, politician, activist, former secretary of state, Germany
Dr. Marion Detjen, history lecturer,Bard College Berlin, Germany
Tomer Dotan-Dreyfus, author, Berlin, Germany
Dr. Dörthe Engelcke, Acting Head of the Centre of Expertise for the Law of Arab and Islamic Countries, Max Planck Institute for Comparative and International Private Law
Christine Engels, Lawyer, Berlin, Germany
Helen Fares, journalist, activist, host, podcaster and business psychologist, Germany
Isabel Feichtner, Professor of Public Law and International Economic Law, University of Würzburg, Germany
Deborah Feldman, author, Germany/USA
Isabelle Ihring, Professor of Social Work, Protestant University of Applied Sciences Freiburg, Germany
Nasrin Karimi, Lawyer, Berlin, Germany
Phillippe Koch, Lawyer, Berlin, Germany
Hanna Meißner, Professor for Interdisciplinary Women‘s and Gender Studies, TU Berlin, Germany
Carmen Mörsch, Professor for Art Education, Mainz Academy of Arts, Johannes Gutenberg University, Germany
Dr. Alex Müller, physician and research associate, Charité Center for Global Health, Berlin, Germany
Tahani Nadim, Research Professor, Ruhr-Universität Bochum and College for Social Sciences and Humanities, Germany
Dr. Hanna Pfeifer, Head of Research Area „Societal Peace and Internal Security“, Institute for Peace Research and Security Policy at the University of Hamburg (IFSH), Germany
Dr. Laila Prager, Anthropologist, Hamburg, Germany
Dr. Nils Riecken, Research Associate, Institute of Arabic and Islamic Studies, Ruhr-Universität Bochum, Germany
Nadija Samour, Lawyer, Berlin, Germany
Dr. Benjamin Schuetze, Senior Researcher, Arnold-Bergstraesser-Institute (ABI), Freiburg, Germany
Melanie Schweizer, Lawyer, Civil Servant, Federal Ministry of Labour and Social Affairs Berlin, Germany
Marc Siegel, Professor of Film Studies, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Germany
Hanan Toukan, Associate Professor, Bard College, Berlin, Germany
Anosha Wahidi, Lawyer, Civil Servant and anti-racism advocate, Federal Ministry for Economic Cooperation and Development, Berlin, Germany
Aram Ziai, Professor of Development and Postcolonial Studies, University of Kassel, Germany
Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 1/2025 (Januar/Februar 2025). | Startseite | Impressum | Datenschutz