Ökonomie

Krise und Empire

Die Politik der US-Administration unter Trump 2.0 ist nicht das Produkt eines abgedrehten Wirrkopfs, sondern eine spezifische Form imperialistischer Politik, eine Reaktion auf den drohenden Machtverlust der USA.

Jakob Schäfer

Ohne jeden Zweifel hat sich die allgemeine Weltlage innerhalb weniger Monate deutlich verändert. Zwar konnten sich die anderen Regierungen schon monatelang auf Trumps neue Amtszeit einstellen (er hat aus seinem Kurs nie einen Hehl gemacht), dennoch sind Politiker, Medien und auch viele Linke ratlos und können die neuen Verhältnisse nicht schlüssig einordnen. Ein typisches Beispiel ist der Erklärungsversuch für Trumps Russlandpolitik, wenn dabei mit der Wesensähnlichkeit der Charaktere dieser Autokraten argumentiert wird. Die Politik der neuen US-Regierung ist jedoch kein gedankenloser Wirrwarr, sondern wird von strategischen und taktischen Überlegungen beherrscht, in dem Fall also von der Frage, wie die USA es erreichen können, dass Russland nicht noch enger an China (den Hauptfeind der USA) heranrückt. Das Zweckbündnis der USA mit Russland (keine Zusatzzölle für Russland und das Bestreben, eine Waffenruhe in der Ukraine hinzubekommen) kann sich gegebenenfalls sehr schnell auflösen, wenn es der US-Regierung opportun erscheint. Am 21. Februar d. J. bezeichnete die US-Administration Russland als einen „foreign adversary“ [1] (einen ausländischen Gegner).

 

Trump (Dezember 2024)

Foto: Gage Skidmore

Das taktische Zugehen auf Moskau erklärt sich neben der strategischen Frage (s.o.) vor allem aus Folgendem: Zum einen ist seit mindestens anderthalb Jahren klar, dass die Ukraine ohne eine unübersehbare Eskalation des US-Engagements den Krieg nicht gewinnen kann und deshalb das Verhältnis von Input und Output zunehmend ein Minusgeschäft wird. Zum anderen können die USA sich den Zugriff auf die ukrainischen Rohstoffe (vor allem Seltene Erden) nur sichern (also den inzwischen abgeschlossenen Vertrag langfristig für sich nutzen), wenn die Waffen schweigen. Für den dazu durchgedrückten Deal ist dem Autokraten Trump jedes Arrangement mit Putin recht. Es ist jetzt eine Frage der Taktik, wie die Verhandlungen mit dem Kreml vorankommen. Ein Scheitern liegt nicht im Sinne der US-Strategie. Dies weiß Putin und deshalb spielt er auf Zeit, um das Ausmaß der Zugeständnisse (vor allem in der Frage ausländischer Truppen in der Ukraine) zu erhöhen. Ein längerer Waffenstillstand oder gar ein Ende des Kriegs ist ohne eine vertragliche Festlegung, dass die Ukraine nicht in die NATO aufgenommen wird, nicht vorstellbar.


Relativer Abstieg der USA


China und Indien hatten in den 1970er Jahren zusammen einen Anteil von 5 Prozent am Welthandel. Bei den Warenexporten ist der Anteil der USA seit den 1970er Jahren von 12,2 Prozent auf 9,4 Prozent (2024), der Anteil Europas (also mehr als nur der EU) von 51 auf 37 Prozent gefallen. [2]

Noch aussagekräftiger als der Welthandel sind die Zahlen des kaufkraftbereinigten BIP. Die BRICS-Staaten ohne ihre Erweiterungen [3] haben heute einen Anteil am kaufkraftbereinigten Welt-BIP von 35,8 % und werden nach Schätzung des IWF 2029 einen Anteil von 38,2 % haben. Der Anteil der G 7 wird im gleichen Zeitraum von 29 % auf 27 % sinken. Chinas Anteil wird nach der gleichen Schätzung von 18,75 auf 19,64 % steigen, der Anteil der USA von 15,05 % auf 14,26 % sinken.

Und mindestens genauso wichtig ist, dass selbst in der Hochtechnologie die USA an Boden verlieren, wenn man von wenigen Bereichen der Cybertechnologie und verwandter Sektoren absieht. Der US-Anteil an den weltweiten Ausfuhren von Gütern der Hochtechnologie hat sich von fast 18 Prozent Ende der 1990er Jahre auf heute rund 9 Prozent halbiert. (Japans Exporte brachen im gleichen Zeitraum von 12 auf 4 Prozent ein, während sich Europa bei einem Weltmarktanteil von etwa 13 Prozent halten konnte.) Chinas Marktanteil in diesem Sektor stieg innerhalb von 20 Jahren von 2 auf 17 Prozent. In den 1980er Jahren machten die Investitionen in den USA noch 5 Prozent der Weltwirtschaftsleistung (Welt-BIP) aus, heute sind es nur noch 3 Prozent.

Seit über einem Jahrzehnt sind die USA vor allem mit der rasant wachsenden Wirtschaftsmacht China konfrontiert, aber auch mit einer hohen Staatsverschuldung, die die Handlungsfähigkeit des US-Imperialismus mittel- bis langfristig gefährdet.


Kein isolierter Narr


Trump ist sicherlich ein Macho, ein Lügner, ein Rassist usw. aber seine Politik stützt sich auf eine inzwischen weitgehend homogenisierte Republikanische Partei und die dahinterstehenden Thinktanks (vor allem die Heritage Foundation). Die rechten Strömungen in der Partei (nicht zuletzt die Tea Party) haben im Verlauf der letzten 20 Jahre zunehmend an Einfluss gewonnen, auch wenn sie nicht alle Teile des US-Kapitals repräsentieren. Wichtige Teile favorisieren eine andere Strategie vor allem im Verhältnis zum Ausland, aber sie haben eben nicht die politische Macht, die die Republikaner sich mit einer populistischen Strategie bei den Wahlen sichern konnten.

Die Republikaner in den USA, allen voran Stephen Miran, der inzwischen zum Vorsitzenden des Council of Economic Advisors ernannt wurde und Trumps wichtigster Berater ist, sehen in der seit mehr als 20 Jahren laufende Deindustrialisierung des Landes eine Schwächung der nationalen Sicherheit. (Die USA haben 2024 für 1 Billion $ mehr Waren importiert als exportiert.) Schließlich werde damit die finanzielle, aber auch die technische Kapazität der USA beeinträchtigt und darunter leide längerfristig auch ihre militärische Macht. Diese sei aber letztendlich der Garant für die Aufrechterhaltung der ökonomischen Macht.

Miran vertritt in der US-Administration keine isolierte Position, sondern die Mehrheitsmeinung der Republikaner, vor allem bei der Frage, wie es am besten zu schaffen ist, die seit der Wirtschaftskrise 2007/2008 deutlich hervortretende Schwächung der US-Dominanz aufzuhalten und den Aufstieg der BRICS-Staaten, vor allem Chinas, zu bremsen. Oberstes Ziel der US-Regierung ist es deshalb, mit aller Macht eine Reindustrialisierung des Landes voranzutreiben. Die Importzölle zu erhöhen ist deshalb ein wichtiges Standbein der neuen US-Politik. Unmittelbar wird dies zwar nicht die Wettbewerbsfähigkeit der US-Industrie steigern, aber es schafft eine Verhandlungsmasse, um auf anderen Gebieten Zugeständnisse zu erzwingen. Die anderen Länder sollen ihre Zölle abbauen oder – was noch wichtiger ist – ihre Währungen aufwerten. Bereits vor der Wahl hatte Trump angekündigt, die Zölle kräftig anzuheben, und zwar für China auf 60 %, alle anderen um mindestens 10 %.

Effektiv lagen die US-Importzölle bis Anfang 2025 bei 3 %, in Europa bei 5 % und in China bei 10 % (dies alles sind Durchschnittswerte). Schon 2018-2019 unter Trump waren die Zölle erhöht worden, gefolgt allerdings von einer weiteren Aufwertung des Dollars (was zwar zu beträchtlichen Einnahmen des Finanzsektors führte, aber die US-Exportindustrie behinderte). Schließlich hatte die Abwertung der chinesischen Währung gegenüber dem Dollar zur Folge, dass chinesische Konsumenten weniger US-Waren kauften. Mit solcherlei Maßnahmen (mäßige Erhöhung der Importzölle) war das Problem also nicht zu meistern.

Das Grundproblem für die US-Wirtschaft liegt allerdings auf einer anderen Ebene und ist auch mit einer protektionistischen Wirtschaftspolitik nicht zu lösen. In der Tat nämlich ist der Dollar seit langem überbewertet, was den Verkauf amerikanischer Waren drastisch erschwert. Die Überbewertung ist aber eine Folge der Tatsache, dass der Dollar für weite Teile der Weltwirtschaft die Leitwährung und gleichzeitig die mit Abstand wichtigste Reservewährung ist. Anleger (andere Staaten und ihre Zentralbanken, institutionelle Anleger und Privatpersonen) kaufen ständig Dollar (zur eigenen Absicherung, zur Absicherung von Warenkäufen, zur allgemeinen Reserve) und zwar in einem Maß, dem keine Gütertransaktionen gegenüberstehen. Der Dollar wird also quasi unbeschränkt nachgefragt und unterliegt deswegen nicht dem normalen Abwertungsmechanismus, der sich bei der Währung eines Landes ergibt, das ein Handelsbilanzdefizit aufweist. (Die USA haben seit 1982 – mit der Ausnahme von zwei Quartalen 1991 – permanent ein Handelsdefizit.)

Hinzu kommt: Die USA sind heute mit 36 Billionen Dollar verschuldet (das entspricht 126 % des BIP, das Haushaltsdefizit liegt heute bei 7 % des BIP). Staatsanleiten im Wert von 9 Billionen USD liegen in den Händen ausländischer Anleger (zurzeit werden zehnjährige US-Staatsanleihen mit 4,25 % verzinst). Der Dollarkurs wird zum einen von der Zinspolitik der Fed (der US-Zentralbank) bestimmt, zum anderen aber (und zwar hauptsächlich) durch die Position des Dollars als Leit- und Reservewährung, nicht unerheblich dadurch gestützt, dass der US-Imperialismus immer noch dominant ist und das Land als sicherer Hafen für Geldanlagen gilt. Der Status der Reservewährung führt also ständig zu einem zweifachen Defizit, nämlich im Staatshaushalt und im Außenhandel. Unabhängig von den privaten Anlegern sind die ausländischen staatlichen Dollarreserven heute beträchtlich: Eurozone 280 Mrd.; Schweiz 800 Mrd.; China 3 Billionen; Japan 1,2 Billionen, Indien 600 Mrd.; Taiwan 560 Mrd.; Saudi-Arabien 450 Mrd., Korea 420 Mrd. usw.

Warum ist die Bändigung des Haushaltsdefizits so wichtig? Das „Steuersenkungs- und Jobgesetz“ [4] läuft 2026 aus. Soll es fortgeführt werden, ohne das eh schon gewaltige Defizit zu erhöhen, dann müssen in 10 Jahren 5 Billionen Dollar irgendwo herkommen. Hier können zwar die Zolleinnahmen helfen, aber nur zum Teil, zumal man nicht weiß, wie sich der Handelskrieg entwickeln wird und wie stark er auf die USA zurückschlägt (also bevor mit diesem Krieg China als Konkurrent niedergerungen ist, was mehr als ungewiss ist).

Die USA sind also strukturell in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite sind sie darauf angewiesen, dass das ständig steigende Defizit im Staatshaushalt mit dem Geld ausländischer Anleger ausgeglichen wird. Auf der anderen Seite wollen die USA nicht die damit zwangsläufig einhergehende Aufwertung des Dollars haben, was die Konkurrenzfähigkeit der eigenen Wirtschaft auf den internationalen Märkten gravierend schwächt. Hier kommt der Widerspruch in der US-Wirtschaft zum Ausdruck, auf der einen Seite die Interessen der Reichen und des Finanzsektors (denen eine Aufwertung des Dollars sehr wohl passt), auf der anderen Seite die des Industriesektors.

Dieses Dilemma ist nicht neu und wurde 1985 mit dem Plaza-Abkommen (zwischen den Ländern F, D, GB, Japan und den USA) für ein paar Jahre aufgefangen. Die beteiligten Länder, vor allem Deutschland und Japan, übten einen kontrollierten Einfluss auf die Währungsmärkte aus, um den Dollar vor allem gegenüber der DM und dem Yen abzuwerten. Eine Folge davon war übrigens, dass die japanische Wirtschaft für zwei Jahrzehnte in eine tiefe Krise geriet, weil die in der vorangegangenen Phase mächtig aufgebauten industriellen Kapazitäten plötzlich nicht mehr hinreichend ausgelastet werden konnten und viel Kapital vernichtet wurde. Eine Abwertung des Dollars würde allerdings auch die Inflation in den USA in die Höhe treiben. [5]

Eine vergleichbare Abwertung des Dollars wie in den 1980ern strebt die neue Regierung jetzt wieder an (nach Mirans Idee wird es inzwischen allgemein als das von der US-Regierung angestrebte Mar-a-Lago-Abkommen bezeichnet). Miran skizzierte sein Konzept schon letztes Jahr, darunter den Vorschlag, US-Staatsanleihen in sehr langfristige Anleihen (am besten über hundert Jahre) umzuwandeln, ohne dabei allerdings die Zinssätze flexibel zu halten. In aller Regel würden damit die Gläubiger nur verlieren. Das zweite Element eines solchen Projekts soll die Goldaufwertung sein, ein drittes ein NATO-Schuldentausch und – allem voran – die Einführung hoher Zölle.

Das größte Hindernis bei diesem Plan liegt an der größeren Komplexität des heutigen Welthandels, der nicht mit den 1980er Jahren zu vergleichen ist. Heute gibt es mehr große Akteure als damals, die Geldwirtschaft ist durch die allgemeine Deregulierung viel schwerer zu beeinflussen und vor allem: Politisch ist die Welt heute viel widersprüchlicher. Die anderen Akteure müssen für eine Dollarabwertung bis zu einem gewissen Grad mitspielen. In Zeiten geringerer ökonomischer Spielräume kann man davon aber gerade nicht bzw. nur in den wenigsten Fällen ausgehen.


Zwangsmittel


Aus all diesen Gründen kommt den Zwangsmitteln größere Bedeutung zu. Dazu setzt die Trump-Regierung auf zwei „Schirme“: Um das (befreundete) Ausland zur Sicherung der US-Reserven zu bewegen, verknüpfen die USA die Währungssicherheit mit dem Zurverfügungstellen von militärischer Sicherheit. In beiden Bereichen soll eine „Lastenteilung“ durchgesetzt werden. Wer also bei der Währungspolitik die USA unterstützt, darf damit rechnen, militärisch geschützt zu werden.

Um die Länder zur Mitwirkung zu bewegen, setzt die US-Regierung auf Zucker und Peitsche. Der „Zucker“ liegt im Hinweis auf die Stärke der USA: ein großer Markt, der sichere Hafen für Geldanlagen, die Stärke der (militärischen) Supermacht usw. Wer sich am Währungsschirm (Schirm zur Abwertung des US-Dollars) beteiligt, wird am militärischen Schutzschirm beteiligt, den die USA aufspannen. Das wichtigste Druckmittel der USA (die Peitsche) sind nun die Zölle. Ihre Höhe sind Verhandlungsmasse, wobei allerdings eines der Kennzeichen der neuen Regierung ist, dass sie keine auf längere Sicht verlässliche Abkommen schließt. Die Unzuverlässigkeit und die plötzlichen Wendungen lassen die anderen Regierungen zögern und erschweren den Abschluss von Vereinbarungen.

Hinzu kommt, dass der Hauptfeind der USA, nämlich China, zwar von den verringerten Importen der USA am stärksten betroffen ist, aber dieses Land verfügt ebenfalls über Druckmittel und hat viele andere Handelspartner. Diese anderen Länder müssen nun wählen, was ihnen wichtiger ist (bzw. weniger schlimm ist): hohe Importzölle der USA oder hohe Importzölle Chinas. Allerdings: Auf kürzere und mittlere Sicht sind die USA besser in der Lage, einen Handelskrieg zu überstehen als der Hauptfeind China.

Außerdem hat die US-Regierung noch andere Pfeile im Köcher. Sie erhöht den Druck, um ungehinderten Zugriff auf Grönland (wegen der Bodenschätze) und auf die ausschließliche Kontrolle der Nordwestroute zu bekommen (mit dem Klimawandel wird diese Schifffahrtsroute immer wichtiger). Die Einnahmen des Panamakanals zu kassieren, kann ebenfalls dazu beitragen, das US-Haushaltsdefizit zu bändigen. Diese Vorhaben sind wichtige strategische Ziele und mehr als eine nebensächliche Vergrößerung des Hinterhofs der USA.

Es gibt noch andere Zwangsmittel der USA: Aufgrund der nach wie vor dominanten Rolle der USA können sie nicht nur Individuen, sondern auch anderen Staaten Einschränkungen im Zahlungsverkehr auferlegen (SWIFT) oder etwa Guthaben einfrieren, um diese Länder zumindest in einem gewissen Umfang zu zwingen, sich der US-Politik zu fügen. Gleichzeitig steigt damit allerdings auch der Druck, alternative Zahlungssysteme einzuführen und andere Reservewährungen zu stärken (etwa CIPS in China). [6]


Die Verschiebung der Gewichte in der US-Politik


Die neue Regierung hat zwar nur bedingt einen Kurswechsel im Vergleich zur Vorgängerregierung unter Biden vollzogen, aber die Verschärfung der protektionistischen Maßnahmen stellt doch einen qualitativen Sprung dar und kann – erst recht, wenn die Unberechenbarkeit anhält – zu einer deutlichen Vertiefung der Weltwirtschaftskrise beitragen. Selbst wenn es in absehbarer Zeit einige Korrekturen oder mehr Berechenbarkeit geben wird, so wird sich der grundlegende Kurs mit Sicherheit nicht ändern: Unter Trump 2.0. stehen im Gegensatz zur Biden-Ära mehr die unmittelbaren wirtschaftlichen Interessen im Vordergrund, weniger die sogenannte Sicherheitspolitik mit all ihren unübersehbaren finanziellen Belastungen. Die anderen NATO-Staaten zu mehr „Verteidigungsausgaben“ zu bewegen, hat für die US-Regierung vor allem einen wirtschaftlichen Grund, denn auch weiterhin wird das Gros der militärischen Ausrüstung der EU in den USA zu bestellen sein (zurzeit sind es 63 %), auch wenn die EU dies mittelfristig ändern will. Die dadurch erzielten Profite in der US-Rüstungsindustrie sollen natürlich auch dazu dienen, in der Entwicklung von Militärtechnologie die Spitzenstellung zu bewahren.

Die Trump-Regierung setzt auf jeden Fall darauf, den Dollar als Leitwährung zu behalten. Nur so ist der Zufluss ausländischer Gelder zum ausreichenden Ankauf von US-Staatsanleihen zu gewährleisten, von der daraus abgeleiteten politischen Macht noch ganz abgesehen.

Die US-Konzerne – vor allem die digitalen Tech-Unternehmen – erfahren unter Trump eine besondere Förderung. Sie sollen die Speerspitze für die Durchdringung und Teilbeherrschung anderer Volkswirtschaften bilden bzw. bleiben. Dazu gehört auch die gezielte Förderung von KI, um die Hochtechnologien besser nutzen zu können.

Um all dies zu befeuern und den Dollarkurs zu senken, hat Trump den Zollkrieg eröffnet. Ob es damit zu einer wirklichen Reindustrialisierung der USA kommt, ist zu bezweifeln, nicht zuletzt, weil die Globalisierung nur minimal zurückgedreht werden kann und der Aufstieg der BRICS-plus auf diese Weise nicht aufzuhalten ist. Eine durchgängige militärische Beherrschung der gesamten Welt (um ihr den US-Willen aufzuzwingen) ist unrealistisch, was allerdings nicht heißt, dass die Kriegsgefahr nicht weiter steigt. Im Gegenteil: Wenn alle Staaten mächtig aufrüsten, dann will früher oder später die eine oder andere Macht diese Mittel auch einsetzen. Das liegt in der Natur des dadurch gestärkten Militärs in diesen Ländern, aber auch an der sich zuspitzenden wirtschaftlichen Krise des Kapitalismus. Wir wissen zum Bespiel nicht, welche Konflikte aus der expansiven Politik Chinas und den infrastrukturellen Abhängigkeiten, die sich aus der neuen Seidenstraße ergeben, noch erwachsen werden.

Der neue US-Weg hat durchaus einige Erfolgsaussicht für das US-Kapital, aber nur dann, wenn tatsächlich andere Staaten mindestens unter einen der beiden angebotenen „Schirme“ flüchten. Dennoch bleibt die Entwicklung und vor allem die Reaktion der BRICS-plus – unvorhersehbar. Eine tiefe Rezession der Weltwirtschaft für die Dauer von zwei bis drei Jahren ist durchaus ein realistisches Szenario.

Sicher sind auf absehbare Zeit die folgenden Leitplanken der Trump-Regierung 2.0:

Es kann sein, dass der Dollar in der ersten Phase sogar noch zulegt, bevor er wirklich wunschgemäß schwächer wird. Erst dann jedenfalls kann die US-Regierung ihrem Ziel näherkommen, den internationalen Handel neu zu strukturieren.

Nicht alle Teile des US-Kapitals unterstützen den Kurs der neuen Regierung, vor allem deswegen, weil heute aufgrund der komplizierten internationalen Lieferketten ein Zoll- und Handelskrieg keine sicheren Gewinner erwarten lässt.


Mangelnde Kapitalverwertung


Ganz gleich, wie mit der US-Politik die Karten im internationalen Waren-, Geld- und Kapitalverkehr neu gemischt werden, ein Ausweg aus der kapitalistischen Krise wird damit nicht eröffnet. Es wird lediglich zu einer Umverteilung kommen, im günstigsten Fall ohne einen Gesamtverlust im Vergleich zu den Kapitalrenditen der letzten Jahre. Denn der innere Drang des Kapitals geht – aufgrund des tendenziellen Falls der Durchschnittsprofitrate – grundsätzlich in Richtung Marktausdehnung, deren fortgeschrittenste Form schließlich die Globalisierung ist. Der Protektionismus ist eine Verteidigungshaltung gegenüber stärker gewordenen Konkurrenten, aber keine Perspektive für die Krise der kapitalistischen Weltwirtschaft.

Das Wirtschaftswachstum der EU lag 2023 bei 0,4 %, 2024 bei 0,9 % (Deutschland 2023: -0,3 %; 2024: -0,2 %). Auch in den BRICS-Staaten flacht sich inzwischen die Wachstumskurve ab, vor allem in China, das der größte Globalisierungsgewinner war und das von der neuen US-Politik am schärfsten getroffen werden soll.

Das Kapital hat aufgrund der international gesteigerten Konkurrenz große Probleme. Seit Jahren sinken die Profitraten, und zwar ganz im Einklang mit der Logik, die sich aus der wachsenden organischen Zusammensetzung des Kapitals ergibt. [7] Der Nachkriegsboom (Golden Age of Capitalism, in Deutschland wurde er als Wirtschaftswunder tituliert) war im Grunde eine Ausnahme für die Entwicklung des Kapitalismus. Aufgrund einer beispiellosen Kapitalvernichtung durch den Zweiten Weltkrieg und den Auswirkungen der dritten technologischen Revolution (Automation und Kybernetik) konnten damals für den Spätkapitalismus außergewöhnliche Profitraten erzielt werden. Laut Weltbank wuchs die Weltwirtschaft in den 1960er Jahren jährlich um 6,2 %. Heute sind es 3 bis 4 %. In Deutschland etwa wuchs die Wirtschaft in den 1950er Jahren jährlich im Schnitt um 8,2 %, in den 1960er Jahren um 4,4 %. Danach ging das Wachstum von Zyklus zu Zyklus weiter zurück.

Mit der Durchsetzung der neoliberalen Politik (v. a. mit dem Abbau von sozialen Sicherungssystemen) ab den 1980er Jahren konnte stellenweise eine leichte Profitsanierung erzielt werden, aber ab Mitte der 2000er Jahre verallgemeinerte sich die Krise (eine erste große Delle kam mit dem Platzen der Dotcom-Blase 2000–2002). Danach ließen die Effekte der neoliberalen Politik zunehmend nach und die Auswirkungen der mangelnden Kapitalverwertung schlugen zunehmend durch. Spätestens seit der Weltwirtschaftskrise von 2008/2009 können wir von einer langanhaltenden Krise des Kapitalismus sprechen. Sie wurde nur deswegen einige Jahre lang gedämpft, weil China mit aller Wucht in den Weltmarkt eintrat und für viele Konzerne zur verlängerten Werkbank wurde. Doch das konnte nur solange wirken, wie China technologisch noch nicht ausreichend aufgeholt hatte und den eigenen Markt noch nicht voll bedienen konnte.

All diese zeitweiligen Sondereffekte mit ihren begrenzten Wirkungen sind inzwischen verpufft. Neue große Märkte, die plötzlich den Weltmarkt vergrößern können, gibt es nicht mehr. Der Kapitalismus ist somit am Ende seiner Möglichkeiten zur Steigerung (der Profitraten angekommen. Angesichts der gewaltigen Produktionskapazitäten (Überakkumulation) werden die Schwierigkeiten zunehmen.

Eine Erhöhung der Mehrwertrate mittels erhöhter Auspressung der Lohnabhängigen (Kürzung der Löhne oder der Renten usw.) kann die Krise nicht lösen, denn dann fehlt die Kaufkraft, um die Waren in ausreichendem Maß zu kaufen. Es sind auch keine nachhaltigen technischen Umbrüche zu erwarten. Seit den 2000er Jahren steigt die Produktivität kaum noch oder gar nicht. Der Anteil des kapitalistischen Dienstleistungssektors ist in den Metropolen so hoch, dass der in der Industrie erzeugte Mehrwert auf zu viele Sektoren verteilt werden muss. Die Krise der Kapitalverwertung bedeutet natürlich nicht, dass das Kapital keine Profite mehr erzielt. Es hat nur eben zunehmend Schwierigkeiten, die erzielten Profite im bis dahin üblichen Maß gewinnbringend neu zu investieren.

Aus all diesen Gründen gewinnen die Propagandisten des Militärkeynesianismus an Boden und tragen zum Hochschrauben der Rüstungsaufträge bei. Somit haben wir zwei Ursachen für die wachsende Kriegsgefahr: So manche Mächte werden bestrebt sein, sich durch einen Krieg beispielsweise Bodenschätze unter den Nagel zu reißen oder für sie günstige Wirtschaftsabkommen durchzudrücken. Ein weiteres Moment steigender Kriegsgefahr ergibt sich aus den rasant wachsenden Waffenbestände. Das zurzeit in der Rüstungsindustrie investierte Kapital wirft nur dann gute und dauerhafte Profite ab, wenn diese Waffen und die Munitionsbestände periodisch ersetzt werden müssen.


Welche Schlussfolgerungen für uns?


Ganz zweifellos ist die Politik der neuen US-Regierung ein größeres Hindernis im Kampf gegen den Klimawandel (verstärkte Förderung von Öl und Gas) oder mit seiner Unterstützung autoritärer Staaten und speziell der völkermörderischen Regierung in Israel, als es die Vorgängerregierung war. Und in der Sozial- und der Kulturpolitik ist noch längst nicht das Ende der autoritären Maßnahmen erreicht.

      
Mehr dazu
DOSSIER: Die neue Weltordnung, die internationale Nr. 2/2025 (März/April 2025).
Yvan Lemaitre: Die "neue Weltordnung" der USA, die internationale Nr. 2/2025 (März/April 2025).
Jakob Schäfer: Protektionismus kontra Kapitallogik, die internationale Nr. 3/2017 (Mai/Juni 2017).
 

Was bedeutet all dies für uns? Es wäre politisch höchst irreführend, in den Chor derjenigen einzustimmen, die eine Lösung der hiesigen wirtschaftlichen Probleme in einer Stärkung der EU sehen und meinen, mit entsprechenden protektionistischen Maßnahmen (etwa hohen Zöllen auf US-Waren) oder gar mit dem Aufbau einer „europäischen Verteidigungsindustrie“ sich dem Druck der US-Regierung erwehren zu können. Gerade in den Gewerkschaften ist diese falsche Position sehr verbreitet. Das wirkliche Übel ist nicht ein „durchgeknallter US-Präsident“, sondern die tiefe Systemkrise des Kapitalismus. Um dies breiteren Kreisen zu erläutern, müssen noch viele Anstrengungen unternommen werden, zumal es darauf ankommt, an den jeweils vorhandenen Kenntnissen (und Bewusstseinsständen) anzuknüpfen, um in geeigneter Form die Funktionsweise des Kapitalismus und seine Krise zu erklären. Hier wirkt nicht zuletzt, dass die politische Schulung in den Gewerkschaften seit Jahren in beängstigendem Maß zurückgegangen ist (so gibt es kaum noch Seminare zur Vermittlung des Interessengegensatzes von Lohnarbeit und Kapital). Ohne diese Grundkenntnisse wird es schwer, beispielsweise für eine Konversion der Rüstungsindustrie zu argumentieren. Zurzeit läuft die Konversion eher in die entgegengesetzte Richtung (von Autowerken zu Rüstungswerken).

Die wachsende Militarisierung in Deutschland und der EU wird zwar mit dem Ukrainekrieg befördert, ihre zentrale Ursache liegt aber in der kapitalistischen Krise. Überhaupt müssen wir immer wieder neu eine zentrale Erkenntnis der Arbeiter:innenbewegung vermitteln und mit aktuellen Beispielen untermauern: „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen“ (Jean Jaurès). Es gilt also, in den Gewerkschaften und weit darüber hinaus, den Kapitalismus zu erklären und nicht zu meinen, wir könnten die Welt friedlicher machen, ohne die zentrale Aufgabe des Bruchs mit diesem System anzugehen.

5.5.2025



Vorabdruck aus die internationale Nr. 4/2025 (Juli/August 2025) (Online-Vorabdruck). | Startseite | Impressum | Datenschutz


[1] https://en.wikipedia.org/wiki/United_States_foreign_adversaries. Letzte Aktualisierung am 8.4.2025. Die Auflistung stammt vom 18.7.2024 und wurde in Bezug auf Russland am 21. 2.2025 erneuert. Mögliche Strafmaßnahmen lassen sich also jederzeit daraus ableiten.

[2] https://unctadstat.unctad.org/datacentre/dataviewer/US.GoodsAndServicesBpm6; weitere Details unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/aussenhandel/welthandel.html

[3] Dieses lockere Bündnis der Staaten Brasilien, Russland, Indien und China wurde 2006 gegründet und 2010 durch Südafrika erweitert. 2024 kamen Iran, Ägypten, Äthiopien, die Vereinigten Arabischen Emirate und 2025 Indonesien hinzu. Deshalb spricht man heute von BRICS-plus.

[4] https://en.wikipedia.org/wiki/Tax_Cuts_and_Jobs_Act. Dieses Gesetz gilt seit 2018. Es führte zu beachtlichen Einsparungen der Firmen und hohen Einkommen, hatte aber kaum Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum.

[5] Siehe dazu die Ausführungen von Michael Roberts: https://thenextrecession.wordpress.com/2025/04/25/there-will-be-blood/

[6] Der Euro kann den Dollar nicht ersetzen, vor allem weil der Anleihen-Markt in Europa zu zersplittert ist und der Anteil der Euroländer am Warenexport auf dem Weltmarkt noch mehr gesunken ist als der der USA, nämlich zwischen 2006 und 2023 von 32,6 % auf 29,05 %.

[7] Der vermehrte Ersatz lebendiger Arbeit durch tote Arbeit (also Maschinen) lässt die Mehrwertrate und darüber die Profitrate sinken. Mehr dazu in Karl Marx, Das Kapital, speziell im dritten Abschnitt von Bd. III.