Noch vor seinem Amtsantritt gab Trump auf einer Pressekonferenz einige aufsehenerregende Erklärungen ab, in denen er eine militärische Intervention nicht ausschloss, um den Panamakanal in Besitz zu nehmen und Grönland zu annektieren.
Yvan Lemaitre
Er bezeichnete Kanada als 51. Staat der USA und plädierte dafür, „diese künstlich gezogene Linie“ zwischen den beiden Staaten „loszuwerden“. „Wir werden den Golf von Mexiko in Golf von Amerika umbenennen“, sagte er außerdem und drohte mit einem Großangriff auf den Iran und mit Krieg im gesamten Nahen Osten, wenn die Palästinenser die Geiselfrage nicht lösen würden – „die Hölle wird losbrechen.“ Außerdem forderte er von seinen NATO-Partnern eine Erhöhung des Verteidigungshaushalts auf 5 % des BIP.
![]() Trump (Dezember 2024) Foto: Gage Skidmore |
Diese Erklärungen lösten eine Welle von Protesten im Namen der nationalen Souveränität aus, insbesondere seitens der alten imperialistischen Mächte in Europa. Sie haben auch insofern überrascht, als die starken Worte gegenüber Russland, China und den Iran, die von diesen alten Mächten nachgeplappert wurden, bisher die politische Wende der führenden Weltmacht verschleiert hatten, die einen globalen, wirtschaftlichen und militärischen Krieg führt, um ihre Vorherrschaft auch gegen ihre Verbündeten zu behaupten.
Diese Äußerungen sind keine bloßen Provokationen, Schaumschlägereien oder Fantasiegebilde von Trump. Ohne die Politik der USA nach dem 20. Januar, dem Tag von Trumps Amtseinführung, vorwegnehmen oder weissagen zu wollen und Trump unnötig etwas zu unterstellen, zeigen diese Gesten voller Aggressivität oder Misstrauen gegenüber seinen eigenen Verbündeten, wohin sich die US-amerikanische Strategie seit dem Ende der UdSSR und vor allem seit dem Umschwung durch die Krise von 2008-2009 entwickelt hat. Zugrunde liegt ihnen die globale Entwicklung des globalisierten Finanzkapitalismus und Trump ist das Produkt dieser Entwicklung und wird nun zu ihrem Schausteller, der sie inszeniert und morgen in die Tat umsetzt, koste es, was es wolle.
Die Unfähigkeit des globalen Kapitalismus, aus der weltweiten Wirtschaftskrise von 2008-2009 herauszukommen, zeigt sich in der Stagnation der Weltwirtschaft. Die Folgen davon sind eine verschärfte Konkurrenz, ein Anstieg des Nationalismus und eine protektionistische Politik, die die Rentabilitätskrise des Kapitals nicht löst, sondern eher noch verschärft. Hierbei nutzen die USA ihre Dominanz, um ihre wirtschaftliche Hegemonie zu verteidigen, die von den Akkumulationsbedürfnissen der Wall Street getrieben wird und deren Macht nicht ohne den Markt und das Kapital des gesamten Planeten auskommt.
Der globalisierte Kapitalismus wird von einem grundlegenden Widerspruch beherrscht: Die wirtschaftliche und technologische Konzentration in der größten Weltmacht einerseits, deren Kapital aber auf der anderen Seite auf brutale Weise bei seinen unstillbaren Akkumulations- und Expansionsbestrebungen mit der kapitalistischen Entwicklung in Konflikt gerät, die sich in den ehemaligen Kolonien oder abhängig gehaltenen Ländern vollzogen hat, die zu Konkurrenten geworden sind.
Dieser Widerspruch zwischen der größten Weltmacht, die aufgrund der inhärenten Zwänge des Kapitals dazu neigt, ein Superimperialismus zu werden, und dem Rest des Planeten ist der Kern der Desorganisation, der Instabilität und des Chaos, die die internationalen Beziehungen beherrschen. Er ist die treibende Kraft hinter Militarisierung und Kriegen und bedroht den gesamten Planeten, da es keinen Superimperialismus geben kann, der alle Völker beherrscht. Er destabilisiert den Kapitalismus und trägt dazu bei, ihn in den Bankrott zu treiben – immer heftiger und immer schneller. Zugleich schreit er nach einer Revolution, nach einer Globalisierung, die auf der Zusammenarbeit der Völker beruht und sozialistisch ist.
Romaric Godin formuliert das in einem Artikel auf Médiapart mit dem Titel „Donald Trump umreißt die Konturen eines neuen US-Imperialismus“ so: „Die Vereinigten Staaten werden nicht erst durch Trump imperialistisch, aber dieser Imperialismus ändert seinen Charakter. Er lässt keinen Raum mehr für die Illusion von Souveränität, er lässt sich nicht mit Gegenleistungen abspeisen. Was die neue Regierung anstrebt, ist eine vollständige Unterwerfung, bei der die wirtschaftlichen Interessen der USA sakrosankt sind. Es handelt sich um einen Raubtierimperialismus.
[…] Dieser neue Imperialismus ist die direkte Folge der treibenden Kräfte, in Washington, angefangen bei den Technologiekonzernen, insbesondere dem von Elon Musk. Diese Konzerne verfolgen eine so ausgeprägte Profitlogik, dass einige Autoren von „Techno-Feudalismus“ sprechen. Ihr Geschäftsmodell beruht auf der Abhängigkeit der Nutzer von ihren Plattformen. Es ist in gewisser Weise diese Art von Abhängigkeit, die Donald Trump auf geopolitischer Ebene zu reproduzieren versucht: die Verbündeten von den US-Interessen abhängig machen und, um diese Abhängigkeit zu verstärken, „Übernahmen“ tätigen, wo es nötig ist.“ In der Tat sind wir weit entfernt von der Zeit Lenins und seines Werkes Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus oder von der Zeit, als die USA nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs den Planeten beherrschten. Wir müssen als Marxisten diesen zentralen Punkt berücksichtigen und präzisieren, inwiefern sich der Imperialismus gewandelt hat und das gleiche Wort eine neue, andere Realität beschreibt. Die Ära Lenins wurde von einem neuen Entwicklungsstadium des Kapitalismus abgelöst, einer Transformation mit entscheidenden Konsequenzen aus Sicht der revolutionären Perspektiven.
Trumps Rückkehr ins Weiße Haus ist das Produkt dieser Transformation und der globalen Krise des globalisierten Kapitalismus, der selbst seinen „Charakter“ geändert hat. Dies ist das Ergebnis eines langen Prozesses von Klassenkämpfen, des Kampfes der kapitalistischen Klassen gegen den Fall der Profitrate, der Ende der 1970er Jahre durch die Globalisierung und Finanzialisierung der Wirtschaft eingeleitet wurde, die zum Zusammenbruch der UdSSR und zur Integration der ehemaligen Kolonialländer, die zu neuen kapitalistischen Mächten geworden waren, in den Weltmarkt geführt haben. Durch diesen Prozess hat der imperialistische Kapitalismus sein Wesen verändert und ist zum globalisierten Finanzmarktkapitalismus geworden, in dessen Rahmen neue kapitalistische Mächte entstanden sind, die mit den USA und ihren NATO-Verbündeten konkurrieren.
„Der US-Kapitalismus hat sich gegen dieselben Probleme erhoben, die Deutschland 1914 auf den Weg des Krieges drängten. Die Welt ist geteilt, sie muss neu aufgeteilt werden. Für Deutschland war es eine Frage der „Organisierung Europas“. Die Vereinigten Staaten müssen die Welt „organisieren“. Die Geschichte konfrontiert die Menschheit mit dem Vulkanausbruch des amerikanischen Imperialismus“, schrieb Trotzki 1934 und nahm damit die historische Entwicklung vorweg, die wir heute erleben.
Die zweite Präsidentschaft Trumps ist der Höhepunkt von mehr als drei Jahrzehnten imperialistischer Kriegspolitik, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eingeleitet wurde und darauf abzielte, die ökonomische und militärische Hegemonie der USA zu sichern. Bush senior hatte damals die „Neue Weltordnung“ ausgerufen, das 21. Jahrhundert sollte US-amerikanisch sein.
Die USA sind zweimal in den Irak einmarschiert, haben Jugoslawien in winzige Einzelstaaten zerlegt, Afghanistan überfallen und besetzt, die Regierungen Libyens und Syriens destabilisiert und gestürzt und einen Krieg mit Russland um die Ukraine angezettelt. Jetzt sind sie dabei, den Nahen Osten durch Krieg und Völkermord neu zu ordnen. Während dieser ganzen Zeit haben sie ihre räuberischen Ziele mit den Vokabeln der „Menschenrechte“ oder „Völkerrechte“ bemäntelt oder den „Krieg gegen den Terrorismus“ ausgerufen, wie Bush junior nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Trump hingegen spart sich jedes progressive Gewese, um das Vorgehen des US-Imperialismus zu rechtfertigen. Dieses Gehabe hat ohnehin nicht mehr die geringste Glaubwürdigkeit.
Der Wirtschaftskrieg mit seinen Folgen, dem Krieg schlechthin, gilt nunmehr als selbstverständlich. Trumps Pläne, Grönland, Panama und Kanada zu annektieren und die europäischen Verbündeten der USA zu Schutzgeldzahlungen zu pressen, sind Teil einer globalen Auseinandersetzung, insbesondere gegen China. In seiner Pressekonferenz am 7. Januar machte Trump deutlich, dass es in Panama wie auch in Nuuk, der Hauptstadt Grönlands, darum geht, den chinesischen Einfluss zu kontern. „Es gibt überall chinesische Schiffe und es gibt überall russische Schiffe“, sagte er in Bezug auf Grönland und die chinesische Präsenz in Panama.
Diese Offensive zielt darauf ab, die alten europäischen Mächte in die ökonomischen und militärischen Pläne der USA einzubinden. Daher setzt Washington die von Biden verschärfte Zollpolitik fort, um Druck auf die EU auszuüben und seine Bedingungen für die Beibehaltung niedriger Zölle für europäische Produkte durchzusetzen. Dies wird zweifellos durch eine Offensive der Technologieriesen erfolgen, um die europäischen Unternehmen und Volkswirtschaften in hohem Maße von US-Technologien abhängig zu machen und so deren Vormachtstellung zu stärken. Für diese Politik setzt Musk kurzum auf die extreme Rechte, und seine Interventionen in Deutschland bilden den Auftakt. Scholz, obwohl bereits Verlierer dieser Manöver, brüstet sich jedoch flugs damit, dass er „die Bundeswehr wieder auf Vordermann gebracht“ und den deutschen Militärhaushalt in den letzten sieben Jahren mehr als verdoppelt habe. Für die USA ist ein rechtsextremes Deutschland die Antwort auf das Scheitern der Europäischen Union, und künftiger Gesprächspartner gegenüber Russland, der Europa auf seine Weise vereinen soll.
Die Stellvertreterkriege gegen Russland in der Ukraine und von israelischer Seite im Nahen Osten bringen die westlichen Großmächte gegen China und Russland sowie gegen den Iran und Nordkorea in Stellung. Sie sind der Auftakt der militaristischen Zeitenwende, die uns bevorsteht.
Die USA brauchen ein starkes Deutschland, das in der Lage ist, das durch den Krieg geschwächte Russland im Zaum zu halten, um einen imperialistischen Frieden durchzusetzen, der nach Lenins Worten einen Waffenstillstand zwischen zwei Kriegen darstellt. Insofern erfährt der Krieg in der Ukraine gerade eine gefährliche Eskalation, da beide Seiten versuchen, sich für mögliche Verhandlungen in Stellung zu bringen. Die Entwicklungen des Krieges in der Ukraine sind untrennbar mit denen im Nahen Osten verbunden. Beide sind das Terrain für „bewaffnete Verhandlungen“ über die Kräfteverhältnisse, so wie bei Syrien, auch nach dem Ende der Assad-Diktatur, die von der militärischen Unterstützung Russlands, das seine einzige strategische Position im Nahen Osten behalten wollte, und des Iran abhängig war.
Heute haben die USA und die Westmächte keine Bedenken, in Syrien der islamistischen Koalition ihre Unterstützung zu gewähren, die ihnen als Terrororganisation gilt und die sich ihrerseits als „gemäßigt“ darstellt, indem sie Israel, hofiert, obwohl das Land die Golanhöhen besetzt hält und sich anschickt, die Situation auszunutzen.
Die kriegerische Eskalation des Staates Israel – vom Völkermord in Gaza über die Angriffe der Siedler im Westjordanland bis hin zum Krieg gegen den Libanon und dem Konflikt mit dem Iran (der sich auf Syrien, den Irak und den Jemen erstreckt) – hat dessen Position erheblich gestärkt und wird noch weiter gefestigt durch Trumps Pläne, in denen Israel eine immer wichtigere Rolle zukommen soll.
Die neue Ära der Krisen, Kriege und Revolutionen, wie Lenin es nannte, in der wir stecken, ist das Produkt der globalen Krise des Kapitalismus, der mit seinen ökonomischen, sozialen, geografischen und ökologischen Grenzen konfrontiert ist. Die Profite lassen sich ohne einen Crash nur aufrechterhalten um den Preis der Überausbeutung der Arbeiter:innen, der Völker und der Natur, des erbitterten Wettbewerbs zwischen den kapitalistischen Mächten und von Kriegen und Wettrüsten. Die hemmungslosen Finanzspekulationen und die wachsende Verschuldung drohen, zu einem Crash auszuwachsen.
Diese Entwicklung ist nicht einfach nur das Scheitern der sogenannten neoliberalen Politik, sondern eine Bankrotterklärung des gesamten Systems. Dieser Bankrott bedroht die größte Weltmacht, in der sich die fauligen und parasitären Züge eines finanzialisieren Rentier- und Raubtierkapitalismus konzentrieren, für den Musk das Symbol ist. Die Milliardäre der Hightech- und Digitalbranche, der Schiefergas- und Ölwirtschaft, der Hedgefonds und der Kryptowährungen bestücken die Führungsetagen des US-amerikanischen Staates. Dessen Regierung ist ein Oligarchenkabinett, in dem die parasitärsten Elemente, die Vertreter des Finanzkapitals und der multinationalen Konzerne, die Milliardäre den Ton angeben. Sie hegen den verrückten und unmöglichen Traum, dem US-Imperialismus neues Leben einzuhauchen, „America First“ durch „Frieden durch Gewalt“, einen Albtraum für die Menschheit.
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„Die Entwicklungen des globalisierten Kapitalismus haben das Wesen des US-Imperialismus grundlegend verändert. Dieser wird nunmehr das Abbild des Trumpismus sein: ein gefährlicher Rückfall in Chaos, Krieg und Kolonialismus“, schreibt Romaric Godin in dem zitierten Artikel. Da eine Umkehr unmöglich ist, handelt es sich vielmehr um eine zerstörerische Flucht nach vorn, die nicht nur die größte Weltmacht, sondern das gesamte System destabilisiert. Es wird keine neuen Impulse geben. Die Stärkung des US-amerikanischen Kapitals wird unweigerlich auf Kosten des Rests der Welt einschließlich seiner Verbündeten gehen.
Der von den USA angefachte Handelskrieg wird es nicht nur nicht schaffen, das Handelsdefizit des Landes zu verringern, sondern auch zu Inflation und einer Abnahme der Außenmärkte führen. China, das Hauptziel, ist nach wie vor der wichtigste Handelspartner der USA sowie zahlreicher anderer Mächte, auch im direkten Einflussbereich der USA, wie in Lateinamerika. Zwar erlebt die US-Wirtschaft derzeit eine Phase der Euphorie durch den allgemeinen Anstieg der Preise für Vermögenswerte, Schrottanleihen und Kryptowährungen, doch ist die Überhitzung nur der Auftakt zu einer sehr ungewissen nahen Zukunft. Die USA saugen spekulatives Kapital aus der ganzen Welt an, dem es an produktiven Investitionsmöglichkeiten fehlt.
Die Euphorie bereitet den Crash vor, den Zusammenbruch der US-Wirtschaft, die dann angesichts der neuen weltweiten Machtverhältnisse außerstande wäre, ihre weltweiten Positionen zu halten. Die Zukunft wird keine Wiederholung der Vergangenheit sein, sondern ein Marsch in den Bankrott der wichtigsten Weltmacht, der nicht nur ihre Verbündeten, sondern das gesamte System mit sich reißt, denn die USA von heute sind nicht das Deutschland nach 1914, eine besiegte Macht, sondern die vorherrschende Macht.
Es gibt kein Zurück mehr, und die Flucht des Kapitals nach vorn bereitet den Boden für einen revolutionären Aufstieg.
Die Brände in Los Angeles, einer der reichsten und privilegiertesten Städte der Welt, sind ein Symbol für die Zerbrechlichkeit dieses Amerikas, das vom Wahnsinn des Kapitalismus aufgefressen wird, von der Unordnung, die es verursacht, von seiner Unfähigkeit, nicht nur die Klimakrise zu bekämpfen, die durch seine absurde Funktionsweise genährt wird, sondern auch ihre dramatischen Folgen zu verhindern. Das Privateigentum und die soziale Ordnung, die der Profitlogik des Kapitals unterworfen sind, müssen endlich Platz machen für eine demokratische Planung der gesellschaftlichen Entwicklung.
Übersetzt aus Démocratie Revolutionnaire vom 12. Januar 2025 |
Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 2/2025 (März/April 2025). | Startseite | Impressum | Datenschutz