Dänemark

„Das schaffen wir nicht alleine“

Interview mit den rot-grünen Abgeordneten Jette Gottlieb und Søren Søndergaard

 Nach den Wahlen habt ihr eine „bedingungslose Unterstützung“ für Poul Nyrup Rasmussen [1] angekündigt. Was bedeutet das?

J.G.: Die bedingungslose Unterstützung gilt für die Regierungsbildung und für sonst gar nichts.

S.S.: Und es wäre keine Unterstützung für eine bestimmte Koalition. Wir stützen ihn als Verhandlungsführer und Staatsministerkandidat, weil wir keine Rechtsregierung wollen.

Wir haben auch gesagt: Wenn man uns fragen würde, würden wir uns eine sozialdemokratische Minderheitsregierung [2] wünschen. Aber man hat uns nicht gefragt, und das hängt u.a. damit zusammen, daß Nyrup genau verstanden hat, warum wir uns eben das wünschen. Eine sozialdemokratische Minderheitsregierung könnte sich bei faulen Kompromissen nämlich gegenüber ihrer Basis nicht mehr damit verteidigen, daß sie die Regierungseinheit bewahren müßte.

 

Jette Gottlieb, 46 Jahre, gelernte Geographielehrerin und Zimmerfrau. Bis zur Wahl arbeitete sie bei der Arbeitslosenkasse der Schreiner/Zimmerleute. Neben der Einheitsliste war Jette aktiv in diversen politischen Zusammenhängen, z.B. im Kampf gegen die Øresund-Brücke, in der VS und in der Gewerkschaft. Ihre Schwerpunkte in der Fraktion sind Arbeitsmarkt- und Verkehrspolitik.

Søren Søndergaard, 39 Jahre, gelernter Schiffsbauer, z.Zt. erwerbslos. Søren ist Mitglied der Einheitsliste und der SAP (IV. Internationale) und war in letzter Zeit aktiv in der Kampagne Konvoi nach Bosnien. Außerdem ist er Mitglied von Amnesty International und vom Fanclub des FCK. In der Fraktion sind seine Schwerpunkte Rechts- und Sicherheitspolitik einschließlich Flüchtlings- und Einwandererpolitik.

J.G.: Die „bedingungslose Unterstützung“ bezieht sich nur auf die Regierungsbildung und bedeutet nicht, daß die Einheitsliste ein Sicherheitsnetz für die Regierung ist.

Wir können uns gut vorstellen, Vorschlägen der bürgerlichen Parteien zuzustimmen. Aber wir lassen uns nicht in eine Taktik einbauen, wenn der Rechtsblock die Regierung stürzen will. Käme sie in die Minderheit, würden wir sie anschließend beim Mißtrauensvotum unterstützen.

 Im Wahlkampf habt ihr erklärt, für die kleinste Verbesserung und gegen die kleinste Verschlechterung stimmen zu wollen. Was wollt ihr machen, wenn das zu Paketen zusammengeschnürt wird?

J.G.: Die Diskussion hat gerade begonnen. Die meisten Gesetzentwürfe sind in Wirklichkeit Paketlösungen mit Vor- und Nachteilen. Das öffnet Raum für Bewertungen. Aber von dort zu wirklichen Paketlösungen, wo man etwas bekommt und etwas gibt, ist es ein Stück Weges.

 Wie will die Fraktion der Einheitsliste mit dem gewählten Vorstand zusammenarbeiten?

J.G.: Nach unserem Statut gibt es da gar keinen Zweifel, da hat der Vorstand natürlich großen Einfluß. Die Frage ist, wie das in der Praxis organisiert wird. Man sollte ein paar Prinzipien festlegen und das dann ausprobieren.

      
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Dossier: Linke und Regierungsfrage
 

S.S.: Aber will doch eine Warnung aussprechen. Ich habe so oft gehört, daß die Fraktion außerparlamentarisch orientiert sein soll. Nun sind wir sechs Menschen in der Fraktion. Und wenn man erwartet, daß die sechs Leute jetzt „das richtige“ machen sollen, dann bekommen wir Probleme.

Das muß eher die ganze Organisation sein, die die Parlamentsfraktion außerparlamentarisch nutzt. Die Organisation muß ihr Recht durchsetzen. Je aktiver und dynamischer die Organisation ist, desto bessere Möglichkeiten haben wir dafür.

Aus: Røde Tråd, 30.9.1994
Übers: Björn Mertens



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 277 (November 1994).


[1] Sozialdemokratischer Parteichef ohne eigene Mehrheit – d.Red.
[2] In der politischen Tradition Dänemarks ist es nicht ungewöhnlich, dass Minderheitsregierungen sich ihre Mehrheiten von Fall zu Fall suchen – d.Red.