Das Seminar, das vom 23. bis zum 27. Februar 2008 auf Einladung des International Institute for Research and Education (IIRE) in Amsterdam stattfand, war in vieler Hinsicht fruchtbar und anregend.
Unter dem Titel „Klimawandel, Energierevolution und sozialer Wandel“ trafen sich aufgrund dieser für die Vierte Internationale beispiellosen Initiative aktive Fachleute und fachkundige Aktive, Mitglieder und Nicht-Mitglieder unserer politischen Strömung. Unter den Experten sind besonders die Beiträge des Klimatologen Jean-Pascal van Ypersele, des Agraringenieurs Daniel Tanuro, der Energieökonomin Carine Barbier, der Ökonomen Michel Husson und Jean-Marie Harribey und des Chemikers Phil Ward zu nennen; der Physiker Jean-Paul Deléage ließ sich entschuldigen. Insgesamt haben etwa 40 Personen an dem Seminar teilgenommen; sie kamen aus Europa (Deutschland, Belgien, Dänemark, Schweden, Italien, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Griechenland), Asien (Türkei), Nord- (Kanada, USA) und Südamerika (Brasilien), und viele sind direkt am Aufbau von Mobilisierungen und Bewegungen gegen den Klimawandel beteiligt.
Den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel zu untersuchen, die dagegen vorgeschlagenen neoliberalen Antworten zu analysieren und die Grundzüge einer alternativen Antwort auf diese Herausforderung, sowohl in programmatischer Hinsicht als auch im Hinblick auf den Aufbau einer weltweiten Mobilisierung gegen den Klimawandel, zu formulieren, waren die Leitgedanken dieses Austausches. Dafür war es nötig, die Energiefrage in all ihren Dimensionen neu zu durchdenken: Die Diskussionen befassten sich daher sowohl mit der erforderlichen Energiewende als auch mit dem marxistischen Theoriegebäude.
Der als Experte eingeladene Klimatologe Jean-Pascal van Ypersele (Katholische Universität Löwen) erläuterte im Lichte der jüngsten Arbeiten des Weltklimarats (IPCC) die schwerwiegende Diagnose des Klimawandels und seiner voraussichtlichen Auswirkungen auf ökologischem, sozialem, medizinischem und Ernährungsgebiet, die heute breiter Konsens in der Welt der Wissenschaft sind. Er betonte vor allem die Tatsache, dass der IPCC seine Analysen auf eine umfassenden Berücksichtigung der Gesamtheit der wissenschaftlichen Literatur stützt: ein Ansatz, der das Ausmaß der derzeit stattfindenden Veränderungen etwas unterschätzen kann, der aber gleichzeitig Grundlage, der hohen Glaubwürdigkeit seiner Arbeit ist. Tatsächlich erscheinen die Konsequenzen in Bezug auf die Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen, die sich aus dem vom IPCC empfohlenen Ziel der Stabilisierung der Temperatur ergeben, als eine gigantische Herausforderung. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer betonten, welch solide Unterstützungsgrundlage diese Arbeit darstellt: eine Analyse und Empfehlungen, die von der wissenschaftlichen Welt geteilt werden und die ernst genommen direkt in Konflikt mit der Funktionsweise der kapitalistischen Wirtschaft und ihren technischen Grundlagen kommen. Michel Husson untersuchte aus diesem Blickwinkel, insbesondere im Lichte der Theorie der langen Wellen, die Möglichkeit der Entstehung eines grünen Kapitalismus. Er hob vor allem die beängstigende Frage der Rentabilität hervor, mit der ein grüner Kapitalismus, der mehr als nur ein „grün lackierter“ Kapitalismus sein will, konfrontiert wäre.
Daniel Tanuro stellte die verschiedenen Aspekte der neoliberalen Reaktion auf die Klimakrise dar und erläuterte den begrenzten und unzureichenden Charakter der in Kyoto festgelegten Ziele und der ergriffenen Maßnahmen wie auch die negativen Auswirkungen der beschlossenen Mechanismen. Er wies auf die auf Seiten der herrschenden Klassen erfolgte Wende hin: Die jüngste Konferenz in Bali im Dezember 2007 zeigte, dass ihnen die Notwendigkeit einer Reaktion auf die sich entwickelnde Krise bewusst wird, auch wenn dies in keiner Weise bedeutet, dass diese Reaktion ökologisch wirksam oder zufriedenstellend aus Sicht der Unterdrückten sein wird. Doch werden sie voraussichtlich nicht nur völlig unzureichend sein, sondern die vorrangig gewollten [Markt-] Mechanismen werden wahrscheinlich auch zu einer Verstärkung der imperialistischen Vorherrschaft und der neoliberalen Offensive führen. In diesem Zusammenhang trug Jean-Marie Harribey eine detaillierte Kritik der Märkte für Verschmutzungsrechte und der Ökosteuer vor und stellte grundsätzlich den Einsatz wirtschaftlicher Mechanismen im Rahmen der Dynamik eines progressiven sozialen Wandels in Frage. Phil Ward ergänzte diese Kritik, indem er die malthusianische Antwort auseinandernahm, die häufig die herrschende Diskussion begleitet, aber auch bestimmte ökologische Diskussionen zum Thema „Überbevölkerung“. Mehrere Genossinnen und Genossen unterstrichen, wie sehr diese Art von Antworten immer von heftigen Angriffen auf die Rechte der Frauen begleitet ist. João Alfredo, ein brasilianischer Aktivist, stellte dann die Politik des Kampfes gegen den Klimawandel der Regierung Lula dar. Er zeigte, wie sehr diese Politik zu einer Vervielfachung der ökologischen Schäden führt, insbesondere durch die rasende Entwicklung von Biokraftstoffen mit ihren verheerenden Folgen für die Armen und landlosen Bauern.
Carine Barbier erläuterte die wichtigsten Parameter, von denen aus die Umrisse einer Energiewende durchdacht werden können: ausgehend von den derzeitigen Merkmalen der Produktion und des Verbrauchs von Energie betonte sie, dass jeder Prozess des sozialen Wandels von einer Energierevolution begleitet sein muss. Sie betonte, dass Dreh- und Angelpunkt dieser Wende die drastische Verringerung der produzierten und konsumierten Energie sei, was nicht nur mit der Erhaltung, sondern auch mit einer Verbesserung des Lebensstandards der Weltbevölkerung vereinbar sei. Nur mit dieser Perspektive der Energieeinsparung kann das System auf erneuerbare Energien umgestellt werden und sich sowohl der fossilen als auch der nuklearen Energiequellen entledigen. Sie erläuterte, in welcher Weise rein technische Antworten auf die Klimakrise Illusionen und oft Gefahren beinhalten (Abscheidung und Lagerung von Kohlendioxid, Rückgriff auf Wasserstoff etc.). Daniel Tanuro betonte die Notwendigkeit, vom Begriff eines kapitalistischen Energiesystems auszugehen, und skizzierte die wichtigsten Grundzüge dieses Systems. In der Tat erscheint jede Analyse des Kapitalismus, die seine Energiebasis ignoriert, höchst unzureichend, insbesondere dann, wenn es darum geht, auf den Klimawandel oder die darauf erforderlichen Antworten zu reagieren. Bei der Erläuterung seiner Analyse plädierte er auch für eine Anpassung des Marxismus in der Energiefrage. Er betonte, dass Marx in seinen Werken nicht zwischen erneuerbaren und gespeicherten (z.B. fossilen) Energien unterschieden hat, was ihn daran hinderte, eine der zentralen Dimensionen des auf fossilen Energien basierenden Kapitalismus zu erkennen und seinem Konzept der „rationalen Regulierung des sozialen Stoffwechsels“, das die Beziehungen zwischen der Menschheit und der Natur charakterisiert, die volle Kraft zu geben. Mehrfach wurde die Frage nach den möglichen Auswirkungen der Verknappung der Ölvorräte auf die Krise des Kapitalismus diskutiert, doch die Mehrheit der Rednerinnen und Redner tendierte eher dazu, diese Frage angesichts der Bedeutung der noch vorhanden Kohlevorräte zu relativieren.
Michael Löwy and Joël Kovel, die beiden wichtigsten Organisatoren des kürzlich gegründeten Ökosozialistischen Netzwerks, berichteten über die ökosozialistische Perspektive, insbesondere im Hinblick auf die sich entfaltende Klimakrise. In einem Bericht mit dem Titel „Worst-Case-Szenarien und Ökosozialismus“ unterstrich Löwy, inwieweit die Entwicklungen der globalen ökologischen Krise die Dringlichkeit einer Änderung der Gesellschaft verstärken. Die Diskussion behandelte vor allem die Frage, unter welchen Bedingungen mit den pessimistischen Prognosen in der Mobilisierung und in der politischen Debatte gearbeitet werden kann; einige Genossinnen und Genossen wiesen vor allem die negativen Auswirkungen hin, die von Angstreflexen ausgelöst werden können. Der Herausgeber der Studie „Kapital, Natur, Sozialismus“, Joël Kovel, versuchte, eine globale Vision der ökosozialistischen Perspektive zu umreißen. Die Diskussion befasste sich vor allem mit der Theorierelevanz der Analyse der Natur als Wert und den Risiken eines solchen Ansatzes.
Schließlich behandelte das Seminar aus verschiedenen Blickwinkeln die Frage der Kämpfe und des Aufbaus einer Bewegung gegen den Klimawandel. Terisa Turner, Professorin an der Universität von Guelph (Kanada) und ökofeministische Aktivistin, analysierte ausführlich und spannend eine Reihe von Mobilisierungen in den Ländern des Südens und des Nordens über die Aneignung oder Nutzung von Ölvorräten und unterstrich die Schlüsselrolle von Frauen in diesen Kämpfen, zum Beispiel in Nigeria. Pierre Rousset studierte die Bilanz der großen Mobilisierungen nach Naturkatastrophen: Er stellte konkrete Beispiele einer internationalistischen Nord-Süd-Solidarität vor, insbesondere nach der Tsunami-Katastrophe in Asien und dem Erdbeben in Kaschmir. Er betonte die Bedeutung des Aufbaus internationaler Solidarität beim Auftreten solcher Ereignisse, eine Solidarität, die sich nur auf wirklich verwurzelte Volksbewegungen stützen kann. Manolo Gari, Mitarbeiter des Gewerkschaftsinstituts für Arbeit, Umwelt und Gesundheit (ISTAS) der Commissiones Obreras (im spanischen Staat), entwickelte aus seiner Sicht die Notwendigkeit der Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung zu einer Öko-Gewerkschaftsbewegung. Mit der Begründung, dass es für die Gewerkschaftsbewegung wichtig sei, die Klimafrage aufzugreifen und sie in den Mittelpunkt ihrer Orientierung zu stellen, betonte er die verschiedenen Aspekte der Frage, insbesondere bei Konflikten innerhalb von Unternehmen, und umriss die Aufgaben. Das Eingreifen der Gewerkschaften bei diesen Fragen wird entscheidend auf die Formen und Folgen der kapitalistischen Antworten sein. Er betonte vor allem die Forderung nach einem „gerechten Übergang“: Es sollten nicht die Lohnabhängigen sein, die die Kosten für die notwendigen Umwälzungen tragen. Dies bedeutet eine Kombination von Verteidigung der Beschäftigung und Schutz der Umwelt. Schließlich haben sich die anwesenden Genossinnen und Genossen über die aktuellen Mobilisierungen zur Klimafrage ausgetauscht, die in einigen Ländern Massencharakter annehmen, insbesondere in Australien, Belgien, Spanien und Großbritannien. Alan Thornett gab einen aktuellen Bericht über den Stand der Mobilisierung in Großbritannien, wo im Februar eine Konferenz von 300 Gewerkschaftern stattfand.
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Obwohl wir es bedauerlich finden können, dass die Diskussion über die im Rahmen des Kampfes gegen den Klimawandel aufzustellenden Forderungen noch nicht weiter entwickelt ist und dass noch nicht genügend Teilnehmer aus den Ländern des Südens kamen, wurde dieses Seminar dennoch von allen Teilnehmenden als bemerkenswerter Erfolg gewertet. Jeder wollte, dass in zwei Jahren ein neues Seminar veranstaltet wird, in der Hoffnung, dass es bis dahin Fortschritte beim Aufbau einer Massenmobilisierung zu Klimafragen geben wird. Bereits diese vier Tage der Diskussionen hatten ein erstes konkretes Ergebnis, da die anwesenden Mitglieder der Vierten Internationale, in einer Sitzung, die die Bilanz des Seminars diskutierte, den Entwurf einer Resolution ausarbeiteten, die den Leitungsgremien der Internationale vorgelegt wurde, die sie inzwischen auch beschlossen haben.
Laurent Garrouste ist Mitglied der Ökologie Kommission der LCR (französische Sektion der Vierten Internationale) Übers.: Björn Mertens |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 438/439 (Mai/Juni ).