Griechenland

Die Lohnabhängigen der Eleftherotypia sind wieder da – mit ihrer eigenen Zeitung!

Die Lohnabhängigen der Eleftherotypia, einer der größten und bedeutendsten Tageszeitungen Griechenlands, starten mit der Herausgabe ihrer eigenen Zeitung, der Eleftherotypia der Lohnabhängigen!

Moisis Litsis

Seit dem 15. Februar hängt an allen Kiosken im ganzen Land neben den gängigen Zeitungen eine, die von den Lohnabhängigen selbst geschrieben wird. Eine Zeitung, die nicht nur über den Kampf ihrer eigenen Angestellten informiert, sondern auch ein umfassendes Informationsorgan sein will gerade heute, wo sich Griechenland in einer sehr schwierigen Lage befindet.

Die 800 Lohnabhängigen der Firma X. K. Tegopoulos, der Herausgeberin der Zeitung, von den JournalistInnen über die TechnikerInnen bis zum Reinigungspersonal und zu den Hauswarten befinden sich seit dem 22. Dezember 2011 in einem unbefristeten Streik, weil ihnen seit letztem August keine Löhne mehr ausbezahlt wurden!

Als die Lohnabhängigen der Eleftherotypia erfuhren, dass ihr Unternehmer die Anwendung von Art. 99 des Konkursgesetzes beantragt, um sich so vor seinen Gläubigern zu schützen – in Tat und Wahrheit vor seinen Lohnabhängigen, denen er rund 7 Millionen Euro an nicht bezahlten Löhnen schuldet! – beschlossen sie, parallel zu den Mobilisierungen und gerichtlichen Klagen ihre eigene Zeitung herauszugeben. Sie wird über das Verteilernetz in ganz Griechenland für 1 € (anstatt 1,30 € der anderen Zeitungen) verkauft, um so die Streikkasse zu füllen.

Da die Lohnabhängigen seit August keinen Lohn mehr erhalten haben, werden sie von mehreren Organisationen und sogar von Einzelpersonen unterstützt, die Geld oder Sachen spenden (Nahrungsmittel, Decken usw.). Ihr Streik ist allein mit der Herausgabe ihrer Zeitung und mit dem Verkaufserlös, das heißt, auch ohne zusätzliche Hilfe gesichert. Sie gehen in Richtung Selbstverwaltung.

Am Anfang wurde die Zeitung in einem befreundeten Betrieb quasi geheim produziert. Als die Direktion erfuhr, dass die JournalistInnen weitermachen, wurde zuerst die Heizung, dann die ganze Anlage abgestellt, auf der die RedakteurInnen ihre Artikel geschrieben hatten und schließlich wurde der ganze Betrieb geschlossen, doch die Büros der Zeitung sind nach wie vor zugänglich. Die Eleftherotypia der Lohnabhängigen wird mit Hilfe der Zeitungsgewerkschaften in einer anderen Druckerei gedruckt, weil die DruckerInnen der eigenen Druckerei ihre Arbeitsplätze nicht besetzen wollten.

Die Direktion droht mit Klagen, da sie sich vor dem Echo fürchtet, das die selbstverwaltete Herausgabe der Zeitung auslösen könnte. Sie versucht einzuschüchtern, indem sie droht, die Redaktionsmitglieder zu entlassen, die von der Streikvollversammlung völlig demokratisch gewählt worden sind. Doch das griechische Publikum und keineswegs bloß die Leserinnen und Leser der Eleftherotypia wartet neugierig auf die nächste Ausgabe. Wir wurden von Botschaften überschwemmt, die die Journalisten dazu ermuntern, die Zeitung allein herauszugeben. Denn die Diktatur der Märkte ist an die Diktatur der Medien gekoppelt, die die griechische Realität undurchsichtig gemacht hat. Wenn die Medien 2010 der Unterzeichnung des ersten Memorandums durch die Regierung Papandreou nicht in ihrer Mehrheit zugestimmt hätten – mit der Begründung, es gebe keine Alternative –, dessen Scheitern heute von allen anerkannt wird, hätte sich das griechische Volk vielleicht früher gegen eine Politik gewehrt, die für ganz Europa eine Katastrophe ist.

      
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Es gibt nicht nur Eleftherotypia. In Dutzenden von Privatbetrieben werden seit langem keine Löhne mehr bezahlt, die Aktionäre haben sich von ihnen abgewandt und hoffen auf bessere Zeiten … Bei der Presse ist es sogar noch schlimmer. Wegen der Krise gewähren die Banken den Unternehmen keine Kredite mehr und die Unternehmer wollen nicht aus eigenem Sack bezahlen. Sie greifen lieber zu Art. 99 – mindestens 100 börsennotierte Gesellschaften haben dies bereits getan –, um bis zu einem eventuellen Staatsbankrott und bis zum wahrscheinlichen Austritt aus der Euro-Zone Zeit zu gewinnen.

Eleftherotypia [1] wurde 1975, im Jahr der Radikalisierung nach dem Sturz der Diktatur von 1974, als „Zeitung ihrer Redakteure“ gegründet. Heute, in einer Zeit der neuen „Diktatur der internationalen Kreditgeber“, wollen die Lohnabhängigen der Eleftherotypia zum leuchtenden Beispiel für eine völlig andere Information werden. Sie tun dies, indem sie dem „Terror“ der Unternehmer und der Medienbarone Widerstand leisten, die keinesfalls zulassen wollen, dass die Lohnabhängigen das Schicksal der Information selber bestimmen.

Moisis Litsis ist Wirtschaftsjournalist und Redaktionsmitglied bei der Eleftherotypia der Lohnabhängigen sowie Ersatzmitglied im Verwaltungsrat der Journalistengewerkschaft Griechenlands (ESHEA).

Übersetzung: Ursi Urech



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 3/2012 (Mai/Juni 2012).


[1] Griechisch für: „Pressefreiheit“ – d. Red.