Griechenland

Griechenland im Zeichen der Memoranden – abhängiges oder imperialistisches Land?

Durch die Spardiktate der „Troika“ steht Griechenland vor dem Abgrund des Elends. Ist es zu einem „abhängigen Land“, gar zu einer „Kolonie der EU“ geworden, in dem die Forderung des „Ausstiegs aus der EU und der Euro-Zone“ eine Perspektive bieten kann?

Andreas Kloke

Die verheerenden Attacken der Troika, d. h. des Banken-Kapitals der EU – einschließlich des griechischen – und der USA, aber auch der (bis vor kurzem) „griechischen Troika“, der schwarzen Front aus PASOK, der rechtsgerichteten Nea Dimokratia und dem rechtsextremen LAOS, sowie des griechischen Großkapitals auf die Lebensbedingungen der überwiegenden Mehrheit der griechischen Bevölkerung, die Arbeitenden, RentnerInnen, Jugendlichen, auf die Rechte der ArbeiterInnen-Klasse, auf den Begriff der Demokratie selbst und jede Aussicht auf einen Wirtschaftsaufschwung und sogar auf das Überleben der Gesellschaft, auf alle, die in Griechenland leben und arbeiten (oder versuchen, dies zu tun), werden mit unverminderter Wut fortgesetzt. Das „Memorandum Nr. 2“ bedeutet die Auflösung der griechischen Gesellschaft, wie sie bis 2009 bekannt war. Nichts scheint dem Orkan widerstehen zu können, Einkommen und Renten gehen verloren, die Arbeitslosigkeit grassiert, das öffentliche Schul- und Gesundheitssystem nähert sich dem Nullpunkt, ein ganzes Land steht vor dem Abgrund des Elends – wobei zu ergänzen wäre, dass dieser rasante Abstieg zutiefst klassenmäßig bestimmt ist. Einige profitieren von diesem Niedergang und der Nivellierung. Auch für viele Ökonomen, deren Zielsetzung nicht die Abschaffung des Kapitalismus ist, wie Paul Krugman, ist die Politik der Troika irrational und wird unvorhersehbare und schwerwiegende Folgen nicht nur in Griechenland, sondern auch in Europa, wo sehr bald die gleiche Memoranden-Politik in vielen Ländern, beginnend mit den als „PIGS“ [1] apostrophierten, zu erwarten ist, und auf der ganzen Welt haben.

Sowohl in der reformistischen als auch der außerparlamentarischen, antikapitalistisch-revolutionär griechischen Linken tauchten seit der Einführung des ersten Memorandums durch die Regierung Papandreou eine Reihe von Fragen über die Ursachen und Verantwortlichen dieser Politik und die Möglichkeiten eines Auswegs aus der Diktatur der Kreditgeber und ihren vorsätzlichen und fortgesetzten Verbrechen auf. Die Diskussion und Analysen konzentrieren sich weitgehend auf die Beziehungen der EU und der großen imperialistischen Staaten der Eurozone, vor allem Frankreichs und insbesondere Deutschlands, das in den vergangenen zwei Jahren inoffiziell die Führung übernommen hat, zur europäischen Peripherie (Irland, Portugal, Spanien, Italien), und besonders zu Griechenland. In diesem Artikel kann nicht auf die ungeheuren Probleme des übrigen Balkans und Osteuropas eingegangen werden.

Einige Kräfte und Organisationen haben den Schluss gezogen, dass Griechenland wieder einmal ein „besetztes“ Land ist oder in die „erste Kolonie eines Mitgliedslands der EU“ verwandelt wird, wie KOE [2] schreibt. Dieser Teil der Linken ist der Auffassung, dass die griechischen Politiker vor allem „Kollaborateure“ und an die „ausländischen imperialistischen Kräfte ausverkauft“ sind, vergisst dabei aber, dass das griechische Kapital und der griechische Staat selbst weiter eine imperialistische Rolle auf dem südlichen Balkan und im östlichen Mittelmeerraum spielen. Damit wird ein strategisches Konzept entwickelt, demzufolge sich Griechenland von der „Abhängigkeit vom Imperialismus“ befreien und in erster Linie seine wirtschaftliche und politische „nationale Souveränität“ wiedererlangen muss, wenn auch in eine „progressive Richtung“, mit einer „linken Regierung“ und mit einer Änderung der Machtverhältnisse, mit der es möglich sein soll, das Land, die Arbeitenden und die Bevölkerung aus der schlimmen Sackgasse der Memoranden-Politik zu führen. Ein Protagonist dieser Auffassung ist zweifellos P. Lafazanis, Abgeordneter von SYRIZA [3]. (In diesem Sinne sprach auch der SYRIZA-Vorsitzende Tsipras am 9.2. von der „Versklavung“ durch die Troika und Merkel und von der Transformation Griechenlands in ein „Dritte-Welt-Land“ etc.)


Die Memoranden als Klassenkampf


Als Ausweg aus der Misere und als Befreiung von den immer gröberen Erpressungen durch die Troika und die Diktatur des internationalen Banken- und Finanzkapitals schlagen die meisten linken Kräfte den Austritt aus der EU (wie z. B. die Führung der Kommunistischen Partei/KKE) oder aus der Eurozone (wie etwa ein Flügel von SYN und SYRIZA sowie die ANTARSYA [4] und andere Organisationen) vor. Das Thema dieses Artikels ist, inwieweit die „Abhängigkeitstheorie“ derzeit zutreffend sein und in welchem Umfang der Slogan des „Ausstiegs aus der EU und der Euro-Zone“ eine ernsthafte Perspektive bieten kann, mit der die ArbeiterInnen-Klasse und die breiten Volksschichten aus dem Sumpf der Verelendung, den Kapital und Regierungen ihnen bereitet haben, herauskommen können.

Zunächst einmal ist es offensichtlich, dass alle Memoranden, und vor allem seine neueste Version, nicht nur vollkommen auf die Ansprüche der Troika, d. h. vor allem des ausländischen Bankenkapitals, das nicht vom Monopolkapital allgemein, d. h. dem „produktiven“ Kapital der großen multinationalen Unternehmen Deutschlands, Frankreichs usw. getrennt werden kann, zugeschnitten sind, sondern auch auf die Forderungen der griechischen Bourgeoisie. Die Aufhebung der Branchentarifverträge und der unternommene Versuch, die ganze Gesellschaft in eine Art rohesten „Manchester“-Kapitalismus des 19. Jahrhunderts zurückzustoßen, ist in dieser Hinsicht entlarvend, falls noch weitere Beweise notwendig waren.

Ein zentrales Element ist, dass die Memoranden-Politik von der Regierung Papandreou auf Initiative des europäischen „Zentrums“, d. h. Brüssels und der Regierungen von Berlin und Paris, eingeführt wurde, um die Einheit der Euro-Zone, die Interessen des internationalen Bankenkapitals und – angeblich – Griechenlands zu retten! Es war absolut vorhersehbar und geplant, was folgen sollte: die Ausplünderung der Arbeitenden, die eine bewusst herbeigeführte und verheerende Rezession der griechischen Wirtschaft und eine nicht unbedeutende Verschlechterung der Position des griechischen Kapitalismus im internationalen Umfeld, insbesondere innerhalb des Euroraums, zur Folge hatte. Dennoch behauptet die griechische Bourgeoisie ihre Stellung in einem imperialistischen Staat gegenüber seinen Nachbarländern und, was die Türkei betrifft, unter den Bedingungen imperialistischer Konkurrenz. Das Neue ist, dass ein Land, das selbst auf der Grundlage der imperialistischen Herrschaft funktioniert, einem Ausbeutungsprozess der (europäischen) „Peripherie“ durch das „Zentrum“ unterworfen wird. Derartige Beziehungen unterhielten die imperialistischen Staaten in den vergangenen Jahrzehnten mit den Ländern der Dritten Welt und Osteuropas und waren typisch für die extrem aggressiven Raubzüge des IWF in Dutzenden von Ländern.

Griechenland ist sicherlich erst der Anfang und das „Versuchskaninchen“, und andere Länder, insbesondere Italien mit der drittgrößten Wirtschaft der Eurozone, werden folgen. Die Beteiligung des IWF an den griechischen Memoranden dient nicht nur der beispiellosen Terrorisierung der Arbeitenden und der Bevölkerung, sondern symbolisiert auch, dass hier etwas Ungewöhnliches passiert: Es handelt sich den Versuch einer Koordination der großen imperialistischen Staaten, den Euro und die Stabilität des globalen Finanzsystems nach dem ersten Zusammenbruch und dem offenen Ausbruch der globalen kapitalistischen Krise im Jahr 2008 zu „retten“. Es versteht sich, dass in einer derart ernsthaften „Rettungs“-Prozedur die Interessen der kleineren und peripheren Länder nicht im Mittelpunkt der Maßnahmen stehen können, sondern ihre Unabhängigkeit, Demokratie und ihr Wohlstand unweigerlich schweren Schaden leiden oder einfach eliminiert werden müssen.

So beschlossen die Staats-und Regierungschefs der Eurozone, sich im Sommer 2009, als die Bevölkerung Griechenlands von alledem noch nichts ahnte, mit den Führungen der (damals noch regierenden) „Nea Dimokratia“ und von PASOK (die ihre „neue Rolle“ sofort akzeptierte), den Führungsstäben des griechischen Kapitals und dem IWF zu verständigen. Es wurde vereinbart, das erste Memorandum über Griechenland zu verhängen. Zweifellos war dies eine unerhörte und gewalttätige Einmischung der späteren „Troika“ in die „inneren Angelegenheiten“ der griechischen Politik, und die Ergebnisse der nationalen Wahlen im Jahr 2009 waren von vornherein total gefälscht, weil die WählerInnen nicht wussten, für welche Art von Politik sie abstimmten, vor allem was die PASOK-Stimmzettel betraf. Diese zunächst lautlose Einmischung wurde in den folgenden beiden Jahren immer dreister und erreichte schließlich die Ebene roher Erpressung, z. B. im Vorschlag, ein Konto einzurichten, auf das große Teile des Staatshaushalts Griechenlands einzuzahlen sind und das ausschließlich von der Troika kontrolliert werden soll.


Die Ausplünderung zugunsten der Troika


Auch steht außer Frage, dass „Griechenland“, d. h. natürlich die arbeitende Bevölkerung, bluten und zum Nutzen des internationalen Bankenkapitals ausgequetscht werden soll. Dutzende Milliarden Euro sind bereits vom Reichtum der griechischen Gesellschaft durch Privatisierungen, Lohn- und Rentenkürzungen, Entlassungen und die Ausbeutungsmechanismen der Memoranden auf die Konten der Troika transferiert worden und dieser Prozess wird weiterhin erbarmungslos fortgesetzt. Dies ist der eigentliche Inhalt des „PSI“-Abkommens, das am 12.2. von den „199“ (wahrlich ausverkauften) Abgeordneten des griechischen Parlaments angenommen wurde. Von dem angeblichen „Rettungspaket für Griechenland“ in Höhe von 130 Mrd. € werden 89 Mrd. sofort einkassiert. Von den 350 Mrd. € Staatsverschuldung, die 180 % des BIP darstellen, was einen Anstieg von 60 % im Vergleich zu 2008 bedeutet, werden nach dem PSI-„Haircut“ 275 Mrd. € Schulden übrig bleiben, d. h. die Verschuldung wird sich weiter auf einem nicht überlebensfähigen Niveau bewegen. Die ganze Welt weiß das. Im „besten Fall“ einer brutal durchgezogenen Sparpolitik wird der Schuldenstand im Jahr 2020 wieder auf 120 % des BIP sinken, ein „großartiger Erfolg“ der in der griechischen Wirtschaft und Gesellschaft angewandten Schocktherapie!

Aber das ist noch nicht alles. Die Anleihen der Gläubiger, die ihren Wert verloren hatten, werden erneuert und in „Diamanten“ für die Bankiers verwandelt. Es ist natürlich wieder die griechische Bevölkerung, die die Zeche zu begleichen hat. Die Griechenland gewährten Kredite müssen wieder von denselben, d. h. den Werktätigen, RentnerInnen usw., mit einer Rate von 4 bis 6 % zurückgezahlt werden. Dies bedeutet, dass die griechischen Steuerzahler in den nächsten 20 Jahren oder darüber hinaus mehr als 11 Mrd. € jährlich an Zinsen abbezahlen müssen. Das ist der Strafpark, den Brüssel und die Troika vorbereitet und für die Arbeitenden und die Bevölkerung Griechenlands vereinbart haben (für Details siehe den informativen Artikel von S. Kontogiannis, „Die PSI-Märchen“, Ergatikí Allilengíi, Zeitung von SEK, Nr. 1003). Dies ist die „Rettung Griechenlands“ durch die Troika und die griechischen Regierung und ihre Abgeordneten. Es ist in jeder Hinsicht der reine Bankrott und der absolute Ruin.

Die im Dezember 2011 verabschiedete „politische Resolution“ von OKDE-Spartakos beschreibt die aktuellen Entwicklungen und Ergebnisse der Memoranden-Politik wie folgt: „Es ist bekannt, dass der Prozess des Kapitalexports die wirtschaftliche Entwicklung der weniger entwickelten Länder erstickt, weil er in qualitativ erweiterter Menge die verfügbaren Ressourcen für die primäre Kapitalakkumulation absorbiert. Was die nationale Wirtschaft betrifft, vollzieht sich eine ständige Enteignung der einheimischen sozialen Überschüsse im Interesse des ausländischen Kapitals, was offensichtlich die Reduzierung der verfügbaren Mittel für die inländische Kapitalakkumulation zur Folge hat. Die restlichen Mittel fließen dann in Bereiche wie Außenhandel, Vermittlungs-Dienstleistungen für internationale Unternehmen, Immobilien-Spekulation, Wucher, Glücksspiele, Tourismus und Lebensmittelindustrie. Die erweiterte Reproduktion des Kapitals, die in den fortgeschrittenen Ländern den Prozess der fortlaufenden primären Kapitalakkumulation fördert, behindert also diesen Prozess in den weniger entwickelten Ländern. Wo das Kapital im Überfluss vorhanden ist, dort akkumuliert es sich in hohem Tempo, wo es nur geringfügig zur Verfügung steht, geht seine Investition und Akkumulation nur langsam und widersprüchlich vonstatten.“


Griechenland als ein schwaches Glied in der imperialistischen Kette


Dieser Trend ist nicht vom Himmel gefallen, obwohl die Einführung der Memoranden-Politik ohne Zweifel einen unglaublichen Einschnitt darstellte, der alle überraschte. Ihr „Erfolg“ beruhte auf der Bürokratisierung und der politischen Spaltung der ArbeiterInnen-Bewegung, die den massiven Angriffen von Kapital und Regierungen nicht widerstehen konnte. Die unaufhaltsame Durchsetzung dieses Trends, der die Machtverhältnisse allmählich zu Ungunsten des schwächeren griechischen Kapitalismus verschob, war das Ergebnis der strategischen Entscheidungen der griechischen Bourgeoisie, die der EU beitrat, den Vertrag von Maastricht unterzeichnete und meinte, dass Griechenland als Teil der Eurozone „stark“ wäre. Das Triumph-Gerede von Simitis [5] und dem gesamten Establishment des Landes ist noch nicht vergessen. Tatsächlich diente die Einführung des Euro in erster Linie den Interessen der großen multinationalen Konzerne und dem Finanzkapital der wirtschaftlich mächtigsten Staaten Europas. Das Gleiche gilt für die „Großprojekte“ vor den Olympischen Spielen von 2004, die astronomischen Kosten des griechischen Staates für die Rüstung und die unvermeidliche Öffnung des griechischen Inlandsmarkt für die großen multinationalen Unternehmen in der gleichen Periode, also für die Entwicklungen, die in den wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten beiden Jahrzehnte dominierten.

Gleichzeitig sollte nicht übersehen werden, dass Griechenland nicht mit den armen Ländern der Dritten Welt zu vergleichen ist. In einem bemerkenswerten Artikel hat P. Papakonstantinou darauf hingewiesen, dass das BIP Griechenlands im Jahr 2010 nach Angaben von EUROSTAT 232 Milliarden € betrug und ausreichen würde, allen Berufstätigen ein Einkommen von 2580 €, jedem Arbeitslosen 900 € und allen RentnerInnen je 1500 € pro Monat zu garantieren. Und hier ist nicht die Rede von der Lösung der grundlegenden Probleme der Arbeitenden, sondern nur von Hilfsmaßnahmen im Rahmen des Systems („Sind wir dazu verdammt zu hungern?“, PRIN, 11.12.11). Dies zeigt erneut, dass das Problem der Memoranden ausschließlich eine Klassenfrage ist. Und wir lassen hier die rund 560 Mrd. €, die die reichen Griechen auf Konten im Ausland deponiert haben, sowie das Eigentum der orthodoxen Kirche unberücksichtigt.

Auf jeden Fall ist hinzuzufügen, dass die ganze tragische Einebnungs- und Auflösungspolitik nicht möglich gewesen wäre, wenn sie nicht auf dem vollen Einverständnis der griechischen Kapitalisten-Klasse mit der Troika beruhen würde. Es handelt sich also um ein fortgesetztes Verbrechen aufgrund einer Übereinkunft der Troika mit der griechischen Bourgeoisie. Die einzige logische Schlussfolgerung ist, dass Griechenland das charakteristische – wenn auch sicherlich nicht das einzige – „schwache Glied“ in der imperialistischen Kette der Eurozone und der EU darstellt. Das bedeutet auch, dass Griechenland in eine Periode eingetreten ist, wo „Unruhen“, Revolten oder eine authentische Revolution immer wahrscheinlicher werden. Ebenso ist wahr, dass die Memoranden-Politik in Griechenland in eine Strategie der herrschenden Klassen eingebettet ist, um den Lebensstandard der Arbeitenden nach und nach in ganz Europa so drastisch zu senken, dass produktive Investitionen wieder profitabel können. Diese Strategie scheint ihr einziger Ausweg aus der Krise sein. Aus dieser Perspektive ist das soziale Schlachtfest, das in Griechenland stattfindet, nur der Anfang des allgemeinen Angriffs auf die Rechte und den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung in der Eurozone und der EU. Dies ist nur ein weiteres Indiz dafür, dass alle Probleme nur im europäischen und schließlich globalen Maßstab gelöst werden können.


Der Kampf gegen EU und Eurozone und seine Ziele


Es ist unbestreitbar, dass sich der von den Arbeitenden und einem Großteil der Bevölkerung geleistete Widerstand gegen den Block aus Troika und griechischer Bourgeoisie sowie ihrer politischen Formationen, ihrer Medien etc. richten muss. Es hat sich gezeigt, dass die EU-Institutionen von Brüssel unter der Führung des deutschen Kapitals zu Gunsten der imperialistischen Politik besonders der größeren Mächte funktionieren. Ein Plan ist entwickelt worden, der auf die Abschaffung der Rechte aller europäischen Arbeitenden abzielt. Es handelt sich um einen Klassenkrieg, der seit Jahrzehnten schwelt, aber im Jahr 2009 verheerende Dimensionen angenommen hat und vor nichts Halt macht. Der Hauptgrund dafür, dass die deutsche Bourgeoisie Griechenland in der EU und der Eurozone halten will, ist, dass die Rolle eines „global Player“ die wirtschaftliche Dominanz auch in der europäischen Peripherie erfordert. Daher ist der Kampf gegen die imperialistische EU und für ihre Auflösung unumgänglich. Es wäre eine Illusion zu glauben, dass im Rahmen der bestehenden Institutionen „ein anderes Europa“, ein „Europa der Arbeiter und der Völker“ etc. erreichbar wäre.

In der griechischen Linken zirkulieren verschiedene Ideen und programmatischen Elemente für den „Austritt aus der EU und der Eurozone.“ Das Problem mit dieser Forderung ist, dass sie ohne den Stopp und die Annullierung der Schulden, aber auch ohne die Nationalisierung der Banken und Großunternehmen ohne Entschädigung und unter Arbeiterkontrolle nur die reformistische Utopie eines „besseren“ Kapitalismus in den Grenzen Griechenlands bedeutet. Sogar ihre Ergänzung durch ein Programm der Umverteilung des Reichtums, eines „gerechteren“ Steuersystems sowie eine „progressive linke Regierung“ mit „sozialistischer Ausrichtung“ oder „Perspektive“ würde nichts Grundlegendes an dieser Feststellung ändern. Es wäre der Versuch einiger Verbesserungen im Rahmen des bestehenden Systems und könnte weder das Funktionieren des Kapitalismus noch den bürgerlichen Staat, der alle repressiven Mechanismen, Polizei, Armee und Gefängnisse als Instrumente der Klassenherrschaft in den Händen hält, ernsthaft herausfordern. Eine solche „linke Regierung“ wäre nicht nur eine Geisel der tatsächlichen bürgerlichen Machtverhältnisse, sondern würde auch die Gefahr eines konterrevolutionären Putschs wie 1973 in Chile erzeugen.

      
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Die beiden reformistischen Parteien, SYRIZA und die Kommunistische Partei, hoffen und verbreiten, jede auf ihre eigene Weise, die Illusion, dass durch Wahlen und andere politische Mehrheiten im Parlament die vorherrschende Politik besiegt und durch eine bessere, „progressive und linke“ Politik ersetzt werden könnte, die in unbestimmter Zukunft sogar zum „Sozialismus“ führen könnte. Solche vergeblichen Hoffnungen scheitern sowohl an der harten Realität der bürgerlichen Macht des griechischen Staates als auch am Funktionieren des kapitalistischen Systems in Europa und weltweit, von dem die griechische Wirtschaft nur einen kleinen Teil darstellt. Nein, weder Griechenland noch Europa können durch irgendwelche „linke Regierungen“, die einige Reformen für die Arbeitenden auf Grundlage des bestehenden Systems durchführen wollten, gerettet werden. Der „bessere Kapitalismus“ ist nicht machbar. Das zeigen die ökonomischen Analysen von Karl Marx im „Kapital“, die Richtigkeit der Theorie der „langen Wellen“ der kapitalistischen Krisen von Ernest Mandel und zuletzt die Analysen von Robert Brenner (um hier nur einige der interessantesten Ergebnisse der marxistischen Analyse zu erwähnen).

Der Austritt aus der EU und der Eurozone hat nur dann Sinn und einen konkreten Klasseninhalt, wenn er mit dem Bruch und dem tatsächlichen Sturz des kapitalistischen Systems verbunden ist. Dies wird durch die Routine der Parlamentswahlen, so wichtig diese auch als ein Spiegel der öffentlichen Meinung zu einem bestimmten Zeitpunkt sein mögen, nicht möglich sein. Erforderlich ist die Selbstorganisation der Beschäftigten in den Unternehmen, der breiten Bevölkerungsschichten in den Städten und Stadtteilen, mit abrufbaren Delegierten auf zentraler und nationaler Ebene in einem System realer Demokratie, die die Sphäre der Wirtschaft und die demokratische Planung umfasst. Dieses System realer Basisdemokratie wird die verfaulte parlamentarische „Demokratie“, die nichts anderes als eine getarnte Diktatur von Kreditgebern und Kapital ist, herausfordern und schließlich zu Fall bringen. Ein solcher antikapitalistischer Umsturz wäre die sozialistische Revolution (oder zumindest ihr Beginn) und zwangsläufig der Kampf um die Eroberung der Macht durch die Arbeiterinnen, Arbeiter und Unterdrückten. Und dieser Kampf kann erfolgreich sein, wenn die Solidarität der anderen Völker Europas und der Welt zur Ausbreitung des antikapitalistischen Umsturzes in ganz Europa und zur Errichtung der sozialistischen Gesellschaften Europas führt.

Der Artikel ist die vom Autor angefertigte deutsche Übersetzung eines Artikels der griechischen Zeitschrift Spartakos, März 2012.



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 3/2012 (Mai/Juni 2012).


[1] Portugal, Italien, Griechenland, Spanien – d. Red.

[2] KOE, „Kommunistische Organisation Griechenlands“, ist eine der größeren linken Organisationen, die an SYRIZA beteiligt sind. SYRIZA wird allerdings von der reformistischen Partei SYN dominiert, die aus dem Spektrum des Eurokommunismus stammt. KOE ist stalinistischen Konzepten und Strategemen verhaftet.

[3] Verschiedene Strömungen von SYRIZA und dem SYN sind uneins darüber, ob der Austritt aus der Eurozone derzeit eine erstrebenswerte Forderung und Perspektive darstellt. Der Abgeordnete Lafazanis ist entschiedener Austritts-Verfechter, die Mehrheitsströmung des SYN unter dem SYRIZA-Vorsitzenden Tsipras ist nicht dafür.

[4] ANTARSYA ist ein außerparlamentarisches antikapitalistisch-revolutionäres Bündnis von Organisationen und Unorganisierten. Zu seinen Bestandteilen zählen NAR, SEK (griechische Sektion der IST), ARAS, ARAN und OKDE-Spartakos (griechische Sektion der IV. Internationale).

[5] Ministerpräsident von 1996 bis 2004 – d. Red.