Ökologie

Land Grabbing und Ernährungssouveränität

Der Artikel basiert auf einem Beitrag des Autors auf einem Seminar von Socialist Resistance im Amsterdamer IIRE im Juni über den Marxismus des 21. Jahrhunderts.

Jamie S. Moloney

Nach allgemeiner Einschätzung begann das globale Land Grabbing [1] um 2007/08, als die weltweiten Investitionen in Kauf oder Pacht von Land von zuvor durchschnittlich 2,7 Millionen Hektar auf annähernd 42 Millionen anstiegen. [2] Dieser aktuelle Entwicklungstrend des globalen Kapitalismus spiegelt auch die wachsende Stärke der Schwellenländer wider: unter den Top twenty der Landinvestoren sind 4 der 5 BRICS-Staaten. Brasilien hat ca. 6,2 Mio. ha erworben, Indien 4,5 Mio. ha, China 11,6 Mio. ha und Südafrika ungefähr 5,1 Millionen, daneben sind Länder wie Malaysia, Saudi-Arabien, Katar und Südkorea.

Die Zielländer dieser Investitionen liegen überwiegend in Afrika (Mosambik, Tansania, Äthiopien, Sudan, Demokratische Republik Kongo etc.), die für ihre schwachen Regierungsapparate und für das Anwerben von Auslandsinvestitionen ungeachtet der Kosten für Gesellschaft und Umwelt bekannt sind. Außerdem wurden beträchtliche Umsätze in Südostasien gemacht, besonders auf den Philippinen, in Laos und Indonesien. [3]

 

Opfer von Landraub

Auf dem Welternährungstag 2012 berichten Frauen aus Tansania, die Opfer von Lanraub geworden sind. Amina Rashid, Mutter zweier kleiner Kinder, hatte zusammen mit ihren Eltern ein kleines Stück Land beim Dorf Kipera bewirtschaftet. Jetzt beansprucht ein ausländischer Investor einen Großteil der Ländereien des Dorfes und hat einen Zaun direkt am Ortsrand gesetzt. Foto: Marc Wegerif / Oxfam East Africa

Viele dieser Geschäfte laufen sowohl über privaten wie auch öffentlich/staatliche Institutionen, wobei das Gros bei bestimmten Industriezweigen liegt. Nach Angaben der Weltbank liegen verständlicherweise landwirtschaftlich tätige Unternehmen hierbei mit 79 % der gezielten Investitionen an der Spitze, wobei allein der Biotreibstoff – Bioethanol und Biodiesel – der aus Getreide, Rohrzucker, Palmöl und Jatropha produziert wird, davon 21 % ausmacht. Dieser Industriezweig ist während des vergangenen Jahrzehnts massiv gewachsen, wie bspw. der Kauf von 11 000 ha Land in Isabela auf den Philippinen zum Zweck der Bioethanolproduktion zeigt. Die restlichen 21 % entfallen auf Forstwirtschaft und Viehzucht. [4] Allerdings ist ein großer Teil von dem während der ersten Investitionswelle erworbenem Land bisher unbebaut geblieben, was zeigt, dass es bei diesem Land Grabbing ganz wesentlich um Monopolbildung geht, unabhängig davon, ob das Kapital das Land für Produktionszwecke nutzen will oder nicht. Welche Absicht steckt dahinter?

Die landläufigen Erklärungsmuster lauten, dass die Zunahme der – beschönigend so genannten – Landakquisitionen auf den Anstieg der Nahrungsmittelpreise zurückzuführen sei und daher die Länder von der Sorge um die Ernährung ihrer Bevölkerung umgetrieben seien und sich Hals über Kopf Land zur Nahrungsmittelerzeugung sichern würden. Soweit das – mitunter malthusianisch eingefärbte – Märchen von der Ernährungskrise. Auch wenn dies zum Teil wahr ist, indem die Nahrungsmittelpreise tatsächlich angestiegen sind und für die künftige Produktion von Ernährungsressourcen hinreichend Ackerland verfügbar sein muss, was natürlich Auswirkungen auf den Preis der Arbeit hat, täuscht dies de facto nur über die grundlegenden Kapitalverhältnisse hinweg, die für dieses Vorgehen verantwortlich sind (wie wir weiter unten sehen).

Im Journal of Peasant Studies benannten kürzlich einige der Befürworter sechs zentrale Motive für den sprunghaften Anstieg dieser „Akquisitionen“: weltweite Erwartung einer Nahrungskrise; Sicherung alternativer Energieformen; Herausforderungen des Umweltschutzes; Schaffung von neuer Infrastrukturen und Sonderwirtschaftszonen; Schaffung neuer Finanzinstrumente; und schließlich Gesetze und Regulierungen und Anreize durch die internationale Gemeinschaft. [5]

Während sich diese Autoren um eine langwierige Erklärung der empirischen Verhältnisse des Land Grabbings bemühen, basiert die hier vorgelegte Theorie auf einer Analyse der grundlegenden Kapitalverhältnisse, die faktisch ausschlaggebend für den globalen Landraub sind. Meines Erachtens investiert das Kapital deswegen in Grundbesitz, weil es darin eine stabile und lukrative Profitquelle sieht und sich ein Monopol auf natürliche Ressourcen verschaffen möchte. Dieser Trend besteht besonders seit der Wirtschaftskrise 2007/8, die – auch und nicht per Zufall – mit einem Anstieg der Nahrungsmittelpreise einherging, und beschert sowohl dem Kapital profitable Investitionsmöglichkeiten als es auch zur Ausbreitung des Kapitalverhältnisses in der südlichen Hemisphäre und damit zur Schaffung einer Reservearmee an Arbeitskräften für die Agrarindustrie führt. [6]

Worauf gründet meine These? Wie Marx in Das Kapital Band I darlegt, beruht die kapitalistische Produktionsweise darauf, dass das Kapital auf den Markt drängt und dort Arbeitskräfte einkauft, die er für eine bestimmte Zeit zur Arbeit an seinen Produktionsmitteln einsetzt, um sie anschließend um den Mehrwert zu erleichtern, die sie im Produktionsprozess geschaffen haben. So lauten verkürzt das Wertgesetz und die Theorie über das Verhältnis der beiden sozioökonomischen Klassen, der Bourgeoisie und dem Proletariat.

Marx erklärt weiterhin, dass diese Produktionsverhältnisse bestimmte objektive Bedingungen voraussetzen, nämlich dass es Menschen gibt, die gezwungen sind ihre Arbeitskraft zu verkaufen und dafür eine Trennung der Arbeiter von den Produktionsmitteln bestehen muss. Mit anderen Worten müssen das Land und die natürlichen Ressourcen, mit denen die Natur uns freundlicherweise ausgestattet hat, der Allgemeinheit entrissen werden, sodass die Arbeiter ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um existieren zu können. Marx stellt fest: „Das Kapitalverhältnis setzt die Scheidung zwischen den Arbeitern und dem Eigentum an den Verwirklichungsbedingungen der Arbeit [d.h. ihrer Reproduktion] voraus.“ Marx führt weiter aus, dass das Kapital diese Trennung nicht nur aufrecht erhalten, sondern „sie auf stets wachsender Stufenleiter reproduzieren“ muss. [7]

Die innere Logik des Kapitalismus erzwingt also, dass er das Lohnarbeitsverhältnis stets ausweiten muss, indem er den Arbeiter von seinen Produktionsmitteln trennt. Dazu gehört jedoch, dass das Land und die darauf befindlichen natürlichen Ressourcen auch zur Ware und damit zu Kapital verwandelt werden. Dies bedeutet, dass das Land abgegrenzt und in Privatbesitz übergehen muss, und zwar „auf stets wachsender Stufenleiter“.

Diese systemimmanente Tendenz bezeichnet Marx als „primitive Akkumulation“: „ein Prozess, der einerseits die gesellschaftlichen Lebens- und Produktionsmittel in Kapital verwandelt, andrerseits die unmittelbaren Produzenten in Lohnarbeiter. Die sog. ursprüngliche Akkumulation ist also nichts als der historische Scheidungsprozess von Produzent und Produktionsmittel.“ [8] Marx nennt dies die „primitive“ Akkumulationsweise und beschreibt sie anhand des historischen Übergangs der britischen Produktionsweise von der feudalistischen zur kapitalistischen Organisation; für ihn bildete sie dadurch gleichsam die „Vorgeschichte“ des Kapitals.

Rosa Luxemburg hingegen argumentiert in Die Akkumulation des Kapitals „dass der Kapitalismus auch in seiner vollen Reife in jeder Beziehung auf die gleichzeitige Existenz nichtkapitalistischer Schichten und Gesellschaften angewiesen ist.... Das Kapital kann ohne die Produktionsmittel und die Arbeitskräfte des gesamten Erdballes nicht auskommen, zur ungehinderten Entfaltung seiner Akkumulationsbewegung [d.h. Anhäufung] braucht es die Naturschätze und die Arbeitskräfte aller Erdstriche.“ [9] Rosa Luxemburgs Argumentation galt wohl dem zeitlichen Kontext des Kolonialismus, aber auch unter den zeitgenössischen Kritikern gibt es viele, wie etwa David Harvey (The New Imperialism, 2003), die argumentieren, dass sich die primitive Akkumulation inzwischen in den vielfältigen Formen des gegenwärtigen Neokolonialismus vollzieht und ganz besonders in der Abzäunung und Privatisierung öffentlichen Bodens.

Die Logik, die zur Monopolisierung des Grundbesitzes drängt und der Tatsache huldigt, dass mit zunehmender Privatisierung von Grundbesitz umso weniger als Quelle zur Subsistenzsicherung des Arbeiters zur Verfügung steht und ihn dadurch zum Verkauf seiner Arbeitskraft zwingt, gehorcht grundsätzlich dem Prinzip, dass der Besitzer ohne Monopolstellung keine „absolute Rente“ erzielen kann. Dies Konzept, das Marx in Das Kapital, Band III entwickelt hat, postuliert, dass nur infolge des Monopols des Grundeigentums der Besitzer eine Rente daraus ziehen kann. Das heißt, dass solange es anderweitig Boden in öffentlichem Besitz gibt, um darauf Landwirtschaft betreiben zu können, die Menschen dann dorthin gehen und Nahrungsmittel anbauen, statt jemanden für die Nutzung ihres Landes zu bezahlen.

Außerdem muss die Produktivität des Bodens berücksichtigt werden, d.h. dass es natur- oder technikbedingt hierin Unterschiede und folglich auch in der Rendite gibt. Marx nennt dies die „Differentialrente“, die aus dem Boden herausgeholt werden kann. Anders formuliert, kann der Grundbesitzer die geforderte Rente nur erzielen, wenn er eine Monopolstellung innehat. Und damit wird klar, wie die ursprüngliche Akkumulation und die Erzielung einer Rendite zugleich die Monopolbildung des Grundbesitzes forcieren, um dadurch die erforderlichen Bedingungen für den Kapitaleinsatz zu schaffen.

Auf welche Weise der Staat dem Kapital das Recht auf Grundbesitz garantiert, ist für unser Thema hier von größter Bedeutung, wobei wir auch hier auf Marx zurückgreifen wollen. Dass der Staat dabei für die Institutionalisierung des Diebstahls sorgt, stellt Marx in Das Kapital, Band I fest: „In der wirklichen Geschichte spielen bekanntlich Eroberung, Unterjochung, Raubmord, kurz Gewalt die große Rolle. … In der Tat sind die Methoden der ursprünglichen Akkumulation alles andre, nur nicht idyllisch.“ [10] Marx schreibt, dass dieser Raub durch eine entsprechende Gesetzgebung sukzessive institutionalisiert wurde, ganz besonders durch die „Bills of enclosure of the Commons“ (Aufhebung der Allmenderechte); d.h. dass die ursprüngliche Akkumulation hauptsächlich dadurch bewerkstelligt wurde, dass öffentliches Eigentum mithilfe des Rechtssystems in Privatbesitz überführt worden ist.

Und genau diese Mechanismen werden gegenwärtig in der südlichen Hemisphäre angewandt, um die ursprüngliche Akkumulation weiterzuführen und somit kapitalistische Verhältnisse herzustellen. Der indische Wirtschaftswissenschaftler Basu schreibt: „… in der heutigen Zeit werden Gesetze, Vorschriften und sogar Rechtsgrundlagen in großem Stil dahingehend verändert, dass die imperialistische Ausplünderung straffrei gestellt und somit erleichtert wird“. [11] Er beschreibt weiterhin, wie den drei großen internationalen Finanzinstitutionen – Weltbank, Welthandelsorganisation (WHO) und Internationaler Währungsfonds (IWF) – in ihrer Funktion als globale „Entwicklungshelfer“ „zwar eine zentrale Rolle dabei zukommt, aber dass die entsprechenden Änderungen nur dadurch implementiert werden können, dass die Staaten ihre Macht im Interesse des globalen Kapitals einsetzen“ (ebd.).

Mit anderen Worten sorgt also der Staat für die geeigneten rechtlichen Voraussetzungen, dem globalen Kapital die Plünderung von Grund und Boden zu erleichtern, und folgt dabei den Vorgaben der internationalen Finanzinstitutionen, wie sich bspw. an den unseligen Strukturanpassungsprogrammen ersehen lässt, die in den 80er und 90er Jahren als „Schocktherapie“ für die Herstellung „investitionsfreundlicher“ Verhältnisse für das Kapital gesorgt haben.

Ich möchte diesen ganzen theoretischen Sermon mit zwei empirischen Beispielen unterlegen: zunächst anhand der ländlichen Region von Orissa in Indien. Orissa, ohnehin bekannt für seine erbärmliche Armut und die Konflikte anlässlich der Vertreibungen, erlebt gegenwärtig den Übergang zur kapitalistischen Produktionsweise, was zuvörderst mit der Schaffung von Lohnarbeitsverhältnissen einher geht. Wie Deepak Mishra beschreibt, finden die Landakquisitionen in unterschiedlicher Weise statt: „durch Abbau von Rohstoffen und industrielle oder militärische Infrastrukturprojekte; … durch Umwandlung von Wäldern in agrarindustrielle Plantagen oder durch staatlich initiierte Umwandlung von Gemeindeland. … Dies führt zur systematischen Untergrabung der existentiellen Ressourcen wie Wälder, Weideland und Wasservorkommen, zur Umordnung der Eigentumsrechte an den Ressourcen (Wälder, Ackerland, Gemeindeland … Teiche, Seen und Flüsse) und zur Ausgrenzung von Teilen der Bevölkerung“ – all dies dient der Kommerzialisierung natürlicher Ressourcen und der Schaffung von Arbeitskräften. [12]

In Laos erleben wir dasselbe Schauspiel: die Erteilung von Landkonzessionen an ausländisches Kapital für die Schaffung riesiger Plantagen, was mit erheblichen Nachteilen für die einheimische und namentlich indigene Bevölkerung und deren Zugang zu natürlichen Ressourcen einher geht. Viele von ihnen haben keinen Zugang mehr zu Acker- und Forstland und damit zu ihren Subsistenzmitteln, was dazu führt, dass sie ihre Arbeitskraft an genau die Konzerne verkaufen müssen, die sie zuvor von ihrem Land vertrieben haben. Dies zeigt, wie Arbeitskräfte durch die Lostrennung von den Produktions- bzw. Reproduktionsmitteln erzeugt werden und wie diese Arbeitskräfte anschließend auf den neu geschaffenen Plantagen eingesetzt werden.

Dies Szenario gilt gemeinhin für die ganze südliche Hemisphäre: eine – oftmals indigene – Bevölkerung, die ihre Subsistenz ganz oder teilweise aus der Landwirtschaft bezieht, indem sie kleine Höfe bewirtschaftet und sich vorwiegend durch Agrarwirtschaft ernährt, und die durch Landnahme und Privatisierungen vom vormals öffentlichen Land vertrieben wird. Dies führt zur Proletarisierung der Bevölkerung, die ihre Arbeitskraft verkaufen muss, um zu überleben. Einige werden zu Halbproletariern, indem sie zwar kleine Landflecken behalten können, aber trotzdem ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um über die Runden zu kommen. Baird beschreibt dies so: „… die Regierungspolitik in Laos – Umwandlung von Land in Kapital – geht grundsätzlich mit einem zweiten wesentlichen Aspekt einher – der Umwandlung der Bevölkerung in Arbeitskräfte. [13] An diesen beiden Beispielen ursprünglicher Akkumulation lässt sich erkennen, wie sich das grundlegende Kapitalverhältnis durchsetzt.

Inwiefern steht Ernährungssouveränität im Gegensatz zu diesen Trends zu Landraub und ursprünglicher Akkumulation? Meines Erachtens steht Ernährungssouveränität theoretisch und praktisch in direktem Gegensatz zu den Grundlagen des Kapitalverhältnisses, das öffentliches Land für private Profite usurpiert. Esther Vivas erklärt dies so: „Ernährungssouveränität gründet auf dem Recht der Gemeinschaften, über ihre eigene Landwirtschafts- und Ernährungspolitik zu befinden, die Produktion und den inneren Agrarhandel so zu steuern, dass eine nachhaltige Entwicklung und Nahrungssicherheit geschaffen werden.“ [14] Dies bedeutet, dass „Land, Samen, Wasser … den Bauern zurückgegeben werden müssen, damit sie sich selbst ernähren und ihre Erzeugnisse an die einheimische Bevölkerung verkaufen können … indem der Anbau diversifiziert, das Land gepflegt, das Wasser sinnvoll genutzt und lokale Märkte und gemeinschaftliche Ernährungssysteme geschaffen werden“. [15]

Das heißt, dass die Produktion wieder gemeindenah erfolgen muss, was in direktem Gegensatz zur Warenproduktion für einen globalisierten Markt im existierenden Kapitalismus – verkörpert durch das Agrarbusiness – steht und den Arbeitern ihre Autonomie und die Kontrolle über die Produktion zurückgibt. Basu argumentiert: „Einen alternativen Entwicklungsweg einzuschlagen setzt voraus, dass anstelle globaler Profitmaximierung lokale Unterschiede zum Tragen kommen. … Eine Produktion auf gemeinwirtschaftlicher Grundlage muss auf Initiative der arbeitenden Bevölkerung erfolgen“. [16]

      
Mehr dazu
Ökologiekommission der NPA: „Sozialversicherung für Ernährung“ als Modell?, die internationale Nr. 3/2022 (Mai/Juni 2022)
Erklärung der afrikanischen Organisationen für Klimagerechtigkeit zu Covid-19: Ein anderes Afrika ist möglich!, die internationale Nr. 4/2020 (Juli/August 2020). Bei intersoz.org
Interview mit Fábio Pitta, Devlin Kuyek und Attila Szöcs: Landraub oder die Kommodifizierung des Agrarbodens, die internationale Nr. 4/2018 (Juli/August 2018)
Thadeus Pato: Bangladesh und der Klimawandel, intersoz.org (21.01.2012)
Danielle Sabaï: Klimawandel und neoliberale Politik: der Fall Bangladesch, Inprekorr Nr. 4/2011 (Juli/August 2011)
Eric Toussaint: Die Hintergründe der Nahrungsmittelkrise, Inprekorr Nr. 448/449 (März/April 2009)
Interview mit João Pedro Stedile: Die Bewegung der Landlosen und die Globalisierung, Inprekorr Nr. 347 (September 2000)
Raúl Zibechi: Die Bewegung der Landlosen: eine neue Form des Lebens, Inprekorr Nr. 323 (September 1998)
Interview mit Subcomandante Marcos: Neoliberalismus raubt den Boden, Inprekorr Nr. 292 (Februar 1996)
 

Wie etliche andere Marxisten, darunter der peruanische Revolutionär Hugo Blanco [17], bin ich der Ansicht, dass der Kampf gegen die ursprüngliche Akkumulation eine weitere Front im Klassenkrieg ist und dass wir diejenigen, die an der Spitze dieses Kampfes stehen, unterstützen müssen. Dies gilt namentlich für die indigenen und Kleinbauern der südlichen Hemisphäre, die – gerade durch die Vermittlung von Strukturen wie La via campesina – sich ihrer gemeinsamen Interessen gegenüber dem globalen Kapitalismus bewusst werden. Mit dieser Herangehensweise und den sich daraus ergebenden Strategien des Widerstands stärken wir m. E. unsere ökosozialistische Position beträchtlich und stellen uns in direkte Opposition zu den räuberischen Tendenzen des globalen neoliberalen Kapitalismus und dessen Tendenz, die ganze Welt zur Ware zu machen, ganz zu schweigen von den ausgesprochenen Umweltaspekten in diesem Zusammenhang, die ich bewusst außen vor gelassen habe, um die Verhältnisse zwischen Kapital und Arbeit herauszuarbeiten, auch wenn sie genauso wichtig sind.

Nehmen wir die MST (Movimento dos Trabalhadores Sem Terra; Landlosenbewegung) in Brasilien als Beispiel. In ihr fließen Marxismus, Befreiungstheologie und pädagogische Ansätze von P. Freire zusammen, und sie haben es mit einer Strategie aus Besetzungen und Widerstandsaktionen geschafft, in ganz Brasilien Gemeinden aufzubauen, in denen die Beschäftigten nicht nur die Produktionsmittel zurückerobern und außerhalb des globalen Agrarbusiness arbeiten können, sondern auch radikaldemokratische und ökologische Agrarproduktionsstrukturen hervorbringen, die von WissenschaftlerInnen wie Roxanne Dunbar-Ortiz als modellhaft für einen „indigenen Sozialismus“ gehalten werden.

Mehr noch spricht der Erfolg für sie. Auf einem letztjährigen Treffen der World Development Movement (Weltentwicklungsbewegung; WDM) berichtete Delwek Mateus von der MST, dass 400 000 Familien in solche Projekte dauerhaft einbezogen sind und weitere 100 000 zeitweise. Auch wenn man diese Zahlen zurückhaltend werten muss, schmälert dies nicht den massiven Einfluss der MST. Politisch hingegen sind sie orientierungslos und setzen weiterhin ein falsches Vertrauen in Lula und seine Arbeiterpartei PT. Auch wenn sie nach deren unerfüllten Versprechen einer Landreform wieder zur Taktik der Besetzungen und Widerstandsaktionen zurückgekehrt sind, fügen sie sich letztlich in das System. Sie wären weit besser beraten, auf die PSOL (Partei des Sozialismus und der Freiheit) zu setzen, zu der unsere brasilianische Sektion Enlace gehört (vgl. Inprekorr 4/2012) und eine vergleichbare parteipolitische Bewegung aufzubauen.

Aber es gibt nicht nur die MST; unsere GenossInnen von der philippinischen RPM-M betreiben auf ihren Höfen ebenfalls Ernährungssouveränität mit demokratisch kontrollierter ökologischer Agrarproduktion und sogar Samenbanken, um der Monopolisierung dieser eminent wichtigen Produktionsmittel entgegenzuwirken, die durch Gentechnologie und Gesetze über intellektuelles Eigentum gefördert wird. Darin liegt übrigens eine weitere Form der ursprünglichen Akkumulation, indem öffentliche Ressourcen für privates Profitstreben usurpiert werden.

Es leuchtet ein, dass die ursprüngliche Akkumulation in der Ausbreitung des Land Grabbing fortlebt und dass wir zur Abwehr der besonders fatalen Kollateraleffekte wie Nahrungsverknappung, Umweltkrisen und Verknappung von Ressourcen für Millionen von Menschen den Widerstand und die Verteidigung unserer GenossInnen auf der südlichen Halbkugel organisieren müssen. Dies bedingt ein Bewusstsein, dass hier eine strategische Front im Krieg gegen das Kapital liegt.

Jamie S. Moloney ist Mitglied der britischen Sektion der IV. Internationale und der nationalen Leitungen von Socialist Resistance und der Kampagne gegen die Klimakatastrophe (CaCC). Aktiv in zahlreichen Bewegungen, die den Widerspruch von Kapitalismus und Natur thematisieren.
Aus: International Viewpoint
Übersetzung MiWe



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 5/2012 (September/Oktober 2012). | Startseite | Impressum | Datenschutz


[1] Deutsch:„Land-Ergreifung“, in illegaler Form „Landraub“. Siehe auch Wikipedia – Anm.d.Red.

[2] World Bank, 2010, Rising Global Interest in Farming.

[3] International Land Coalition (ILC), 2012, Transnational Land Deals for Agriculture in the Global South.

[4] World Bank, 2010, ebd.

[5] Ben White, Saturnino M. Boras Jr., Ruth Hall, Ian Scoones and Wendy Wolford, 2012, ‘The new enclosures: critical perspectives on corporate land deals’, JPS, 39:3–4, S. 619–647

[6] Auch viele andere Autoren der JPS geben durchaus zu, dass für die Verbreitung kapitalistischer Verhältnisse die Schaffung von Arbeitskräften essentiell ist, sehen aber die Monopolisierung der Landbesitzrechte nicht als Folge der Profitlogik.

[7] Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 23, „Das Kapital“, Bd. I, Siebenter Abschnitt, S. 742, Dietz Verlag, Berlin/DDR 1968

[8] Ebd.

[9] Rosa Luxemburg, Gesammelte Werke. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Band 5. Berlin/DDR. 1975. „Die Akkumulation des Kapitals“, S. 314.

[10] Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 23, „Das Kapital“, Bd. I, Siebenter Abschnitt, S. 741, Dietz Verlag, Berlin/DDR 1968.

[11] Pranab Kanti Basu, ‘Political Economy of Land Grab’, Economic and Political Weekly, April 2007, S. 1281–1282.

[12] Deepak Mishra, 2011, ‘Behind Dispossession: State, Land Grabbing and Agrarian Change in Rural Orissa’, Vortrag auf der International Conference on Global Land Grabbing, 6-8 April 2011

[13] Ebd.

[14] "Food sovereignty, political objective", europe-solidaire.org

[15] ”Causes, consequences and alternatives“,internationalviewpoint.org

[16] Basu, 2007, S. 1285.

[17] See Hugo Blanco, 2010, ‘Foreword’. In: Derek Wall, The Rise of the Green Left, S. xiii.