Palästina

Erklärung der IV. Internationale zu Palästina

Die folgende Erklärung zu Palästina wurde vom Internationalen Komitee der IV. Internationale am 24. Februar 2015 verabschiedet.

Internationales Komitee der IV. Internationale


Die Ausgangslage



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Das Jahr 2014 war in Israel und den palästinensischen Territorien von einer Vertiefung der Dynamik geprägt, die die beiden letzten Jahrzehnte kennzeichnete: Israel verstärkte seinen Zugriff auf Gaza und die Westbank; die jüdische Besiedelung hielt an und beschleunigte sich; die Unterdrückung der Palästinenser ging ununterbrochen weiter und wurde von wiederholten, gezielten und extrem gewalttätigen Angriffen begleitet, die mit der blutigen Attacke auf Gaza im Sommer 2014 eine neue Qualität annahmen. Die politische und ökonomische Strangulierung der palästinensischen Gesellschaft setzte sich ebenso fort wie die Radikalisierung der israelischen Gesellschaft und Politik nach rechts.


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Diese Dynamik offenbarte sich bereits vor den Vereinbarungen von Oslo 1993/94. Der langfristige Prozess der Enteignung palästinensischen Landes und die ethnische Säuberung waren bereits vorangeschritten – auf einer gleitenden Stufenleiter und in unterschiedlichem, konjunkturell wechselndem Tempo. Aber die heutige Situation ist nur zu verstehen, wenn man die Veränderungen in Betracht zieht, die sich durch die Einrichtung der „Palästinensischen Autonomie“ ergeben haben: Ende der direkten militärischen Besetzung der hauptsächlichen palästinensischen Siedlungsgebiete durch Israel und Etablierung der Palästinensische Autonomiebehörde (PA) mit einem politisch-administrativen repressiven Apparat. Im Rahmen dieses Prozesses wurden die palästinensischen Flüchtlinge außerhalb des historischen Palästinas an den Rand gedrängt.


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Der „Friedensprozess“ und mit ihm die Aufgaben, die der PA zugedacht wurden, war voller innerer Widersprüche. Das Ganze war dazu gedacht, mit der Zuteilung internationaler Hilfen und dem Einsatz repressiver Mittel die palästinensischen Forderungen und den Widerstand einzudämmen. Aber angesichts des Ausbleibens irgendwelcher tatsächlicher politischer Fortschritte explodierten diese Widersprüche im September 2000 mit dem Ausbruch der zweiten Intifada. Diese Revolte machte offenbar, dass breite Teile der palästinensischen Gesellschaft nicht gewillt waren, weiter stillzuhalten angesichts der Reorganisierung der israelischen Besatzungspolitik – schändlicherweise „Friedensprozesses“ genannt – und konfrontiert mit der beispiellosen Beschleunigung des Kolonisierungsprozesses. Der Aufstand offenbarte auch deutlicher die Spaltungslinien in der Führung der PA – auf der einen Seite diejenigen, die sich für den unglaubwürdigen Spagat zwischen dem Kampf gegen die Besetzung und die gleichzeitige Kollaboration mit den Besatzungsbehörden aussprachen, und auf der anderen Seite jene, die eine bedingungslose Integration in das koloniale Regime unterstützten.


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Israel unterdrückte die Intifada, indem es Tausende der Widerstandskämpfer liquidierte oder einkerkerte – in der Mehrheit Mitglieder der Fatah. Diese gewalttätige Repression förderte die am stärksten zur Aufgabe neigenden Strömungen in der palästinensischen Führung. Der Tod von Yassir Arafat und seine Ersetzung durch Mahmoud Abbas war der sichtbare Ausdruck der neuen Machtbalance. Seit 2005, unter der Leitung von Abbas und seinen alten und neuen Verbündeten, spielt die PA komplett die Rolle einer Hilfstruppe der israelischen Besatzer. Das wurde besonders deutlich bei der Reorganisierung des palästinensischen Sicherheitsapparates unter Kontrolle der USA. Außerdem beschleunigte und vervollständigte die PA, vorangetrieben vom vormaligem IWF-Angestellten und PA- Premierminister Salam Fayyad, die ökonomische Integration und Unterordnung der palästinensischen Wirtschaft unter das kapitalistische Weltsystem und dessen lokalen Repräsentanten, nämlich Israel. Auch wenn es immer noch innerhalb der palästinensischen Autonomiebehörde nationalistische Sektoren gibt, die aus der Fatah stammen und gegenüber dem Co-Management mit den Besatzern feindlich eingestellt sind, so werden diese doch mehr und mehr marginalisiert.


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Der Sieg von Hamas bei den Wahlen 2006 war ein neuerlicher, wenn auch deformierter Ausdruck davon, dass die Mehrheit der palästinensischen Gesellschaft die Unterordnung unter die westlichen und israelischen Vorgaben ablehnt und die Politik der kapitulatorischen und korrupten PA zurückweist. Die meisten PalästinenserInnen setzten allerdings die PA nicht mit der Fatah gleich: Während die PA-Offiziellen in den Einzelwahlen unterlagen, war das Wahlergebnis für die Fatah als Organisation nur wenig schlechter als das der Hamas.


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Dem Sieg der Hamas folgte ihre komplette Macht-übernahme im Gazastreifen als Reaktion auf den Putschversuch des Fatah-Führers Mohammed Dahlan, der direkt oder indirekt von den USA, Ägypten und Israel unterstützt wurde. Aber das setzte die Hamas den Widersprüchen des Oslo-Abkommens aus. Es gibt zunehmend sichtbar werdende Differenzen innerhalb der Hamas zwischen den Verfechtern des Widerstandes gegen Israel, einschließlich des bewaffneten Kampfs – und damit der Konfrontation mit der Führung unter Abbas –, und denen, die eine Wiederannäherung an die Abbas-Führung unterstützen (und damit einen „kalten Frieden“ mit Israel).


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Hamas steht vor dem gleichen Problem wie die Fatah in den ersten Jahren der palästinensischen Autonomie: dem Spannungsfeld zwischen Co-Management der Strukturen des Besatzungssystems einerseits und der Fortführung des Kampfes gegen die Besatzung andererseits. Bisher hat es Hamas vermocht, ihre Einheit mittels der Verbindung ihrer klientelistischen Verwaltung ihres Ministaates mit dem bewaffneten Kampf (neben anderen palästinensischen Organisationen, aber weit sichtbarer und in einem größeren Ausmaß als die anderen), insbesondere, was die Antwort auf die israelische Aggression betriff, aufrechtzuerhalten. Das hat es Hamas ermöglicht, ihre Legitimität zu bewahren, sowohl bei denen, die direkt von der Institutionalisierung der Bewegung (durch Aneignung eines Teiles der materiellen Mittel des Ministaates) profitieren (und die friedlichere Beziehungen zu Israel befürworten), als auch bei denen unter den marginalisiertesten Schichten der Bevölkerung (speziell in den Flüchtlingscamps), die jegliche Form friedlicher Beziehungen zu Israel ablehnen.


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Dieses prekäre Gleichgewicht beruht außerdem auf einem Diskurs – der reaktionären Utopie eines islamischen Staates in Palästina, dessen räumliche und zeitliche Dimensionen absichtlich undefiniert bleiben – der es möglich macht, soziale Schichten mit unterschiedlichen, sogar sich widersprechenden materiellen Interessen zu vereinen. Hamas hat kein Monopol auf die religiöse Ideologie, und das ist nicht die hauptsächliche Spaltungslinie in der palästinensischen Politik. Aber die Religion ist zentral für Hamas und das manifestiert sich in den Projekten und in der Praxis der Bewegung: Marginalisierung der Frauen, Ersetzung von Politik durch Religion, Vermischung von Antizionismus mit Antisemitismus, usw. Unabhängig von der Tatsache, dass es eines gemeinsamen Rahmens bedarf, der die Einheit der unterschiedlichen Strömungen des palästinensischen Widerstandes im Kampf ermöglicht, unterstreichen diese Tatsachen die Notwendigkeit einer politischen Führung, die eine Alternative zu Hamas darstellen kann.


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Die palästinensische Linke (PFLP, DFLP, PPP und die Strömung von Mustafa Barghouti) ist derzeit nicht in der Lage, diese notwendige Alternative zu bilden. Sie ist gespalten in die Anwälte einer völligen (im Falle der PPP) oder teilweisen (im Falle der DFLP) Integration in die PA und die Verfechter (im Falle der PFLP) der nationalen Einheit zwischen Hamas und der Abbas-Führung. Das ist der Preis, den die Linke für ihre zweideutige Haltung zum „Friedensprozess“ zahlt. Anders als die PPP gingen DFLP und PFLP formal in Opposition zu den Oslo-Vereinbarungen. Aber das Bestehen ihrer Führung auf der Legitimität der PLO führte dazu, dass sie einen Teil ihrer Kritik abmilderten. Ihr Versäumnis des Aufbaus einer „dritten Kraft“ verschaffe der Hamas das Image der einzigen glaubhaften Opposition, erst zu Arafat, dann zu Abbas. Angesichts dieses Mangels an Perspektive reorientierten sich schrittweise viele der linken Kader und Aktivisten auf die Arbeit in Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Wenn auch ihre Arbeit oft sehr wichtig war, so trägt es doch zur Entpolitisierung und „NGO-isierung“ der palästinensischen Gesellschaft bei, solange dies nicht mit dem Aufbau einer politischen Alternative verbunden ist.


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Währenddessen setzt sich die Radikalisierung der israelischen Gesellschaft und Politik nach rechts fort. Die jüngsten israelischen Regierungen, dominiert von rassistischen, antidemokratischen und extrem rechten Kräften, haben Siedlungspolitik, Unterdrückung und ethnische Säuberung fortgesetzt und beschleunigt – nicht nur in der Westbank und dem Gazastreifen (dort ohne Siedlungsvorhaben), sondern auch in den Grenzen Israels vor 1967. Die israelischen Zentrums- und Mitte-Links-Parteien trugen ihren Teil der Verantwortung für diese Entwicklung, entweder durch Teilnahme an Koalitionsregierungen oder durch stille Komplizenschaft mit dieser Politik. Die „Friedensbewegung“ zahlt ihren Preis für die Orientierung auf die Arbeitspartei. Nur kleine antikolonialistische Gruppen gehen nun die Aufgabe an, wirklich gegen alle Dimensionen des israelischen Kolonialismus zu kämpfen und volle Solidarität mit den PalästinenserInnen zu praktizieren. Unglücklicherweise stellen sie eine kleine Minderheit in Israel dar. Sie sehen sich zunehmender Repression und Verfolgung durch den israelischen Staat und extrem rechte Gruppen ausgesetzt.


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Diese Entwicklungen und die Verschiebung der Kräfteverhältnisse zuungunsten der Palästinenser insgesamt kann man nur verstehen und analysieren, wenn man sie in ihrem regionalen und internationalen Kontext betrachtet. Der israelische Staat ist tatsächlich politisch und ökonomisch ein integraler Bestandteil der imperialistischen Weltordnung. Er profitiert von der offenen oder indirekten Unterstützung praktisch aller westlichen Staaten. Die Spannungen, die es zwischen der Obama-Administration und der Netanjahu-Regierung gibt, führen zu keinerlei Druck auf Israel; die USA, die in der Region geschwächt sind, können sich keine offene Konfrontation mit ihrem israelischen Verbündeten leisten. Sogar manche Staaten, die eine kritischere Haltung zur israelischen Politik einnehmen (wie Brasilien, die Türkei oder sogar China) verstärken weiterhin ihre militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Israel. Die jüngsten Abstimmungen in einigen europäischen Ländern für die Anerkennung eines palästinensischen Staates mögen eine gewisse Irritation angesichts der israelischen Gewalt, Arroganz und Sturheit ausdrücken, aber sie haben zu keiner wirklichen Veränderung der diplomatischen Kräfteverhältnisse geführt. Der arabische revolutionäre Prozess, der die Möglichkeit eines Bruchs der regionalen Isolierung der Palästinenser eröffnet hatte, durchlebt eine Periode des Rückschwungs mit dem Aufstieg der Konterrevolution in unterschiedlicher Form, sowohl repressiver Regimes als auch des islamischen Fundamentalismus. Der Prozess ist nicht besiegt, die Region ist weit entfernt von einer Stabilisierung und neue Entwicklungen sind zu erwarten, insbesondere in Syrien und Ägypten, die Auswirkungen auf die palästinensische Situation haben könnten. Die revolutionäre Ebbe bevorteilt derzeit den israelischen Staat ebenso wegen der extremen Rivalität unter den arabischen Staaten, wie auch wegen der wachsenden Kollaboration einiger arabischer Staaten mit Israel: Ägypten, Jordanien, die Golfstaaten usw. Die Isolierung der Palästinenser zusammen mit der verbreiteten starken Unterstützung, die Israel genießt, unterstreicht umso mehr die dringende Notwendigkeit internationaler Solidarität als Schlüssel für die Veränderung der Kräfteverhältnisse.


Aufgaben



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Seit fast drei Jahren waren wir nun Zeugen der taktischen Wendung der palästinensischen Führung unter Abbas: Sie hat sich entschlossen, direkt an die internationalen Institutionen zu appellieren, um sich so teilweise aus den Beschränkungen des Rahmens der Oslo-Vereinbarungen zu befreien. So hat die PA um die Aufnahme in die UNO und ihre verschiedenen Organisationen nachgesucht, ist an den Internationalen Strafgerichtshof herangetreten, hat versucht, eine UN-Resolution zur Festlegung eines Zeitplans für den Abzug des israelischen Militärs aus den seit 1967 besetzten Gebieten durchzusetzen usw. Das Scheitern des letztgenannten Versuchs dokumentiert die Grenzen dieser taktischen Wende. So drohen der PA finanzielle Sanktionen, hauptsächlich seitens der USA und Israels, insbesondere, wenn die PA ihre Anrufung des Strafgerichtshofes weiterverfolgt. Das würde das Funktionieren der palästinensischen Institutionen paralysieren.


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Nichtsdestotrotz ist die Schlussfolgerung unabweisbar, dass diese Initiativen ein stärkeres Bewusstsein eines Teils der palästinensischen Führung dafür belegen, dass der „Friedensprozess“ und bilaterale Verhandlungen unter Aufsicht der USA in eine Sackgasse geführt haben. Trotzdem planen Abbas und seine Verbündeten derzeit nicht, formell mit dem Oslo-Abkommen zu brechen. Ihr Ziel ist es vielmehr, das Kräfteverhältnis gegenüber Israel zu verbessern. Diese Initiativen reflektieren auch, allerdings in einer etwas verdrehten Weise, den Wunsch des palästinensischen Volkes in den besetzten Gebieten nach einem Ausweg aus dem Käfig des „Friedensprozesses“, der die Aussicht auf Erlangung nationaler Rechte der Palästinenser in immer weitere Ferne rücken lässt.


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Es ist insbesondere diese Erkenntnis, die die Palästinenser leitete, die im Juli 2005 den Aufruf an die Zivilgesellschaft für Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BDS) lancierten. Ohne eine Position zu beziehen, was eine langfristige Lösung betriff, konstatierten sie das Fehlschlagen der Verhandlungsstrategie und das Ungleichgewicht der Kräfteverhältnisse, und setzten als Ziel, den Staat Israel politisch, ökonomisch und diplomatisch zu isolieren, bis die nationalen Rechte der Palästinenser erlangt würden. BDS ist folglich dazu gedacht, aus der Logik der bilateralen Verhandlungen und des „akzeptablen Kompromisses“ auszubrechen. Das Ziel ist es, Mechanismen zu entwickeln, die Israel, das sich bisher stur geweigert hat, eine andere Sprache als die der Gewalt zu verstehen, dazu zu zwingen, seinen Kurs zu ändern. Es ist auch dazu gedacht, die Logik der militärischen Konfrontation mit Israel zu durchbrechen, die eine Sackgasse für die Palästinenser ist, und Druck von außen mit der Entwicklung einer neuen Volksbewegung innerhalb des Landes zu verbinden.


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BDS gibt der internationalen Solidaritätsbewegung ein entscheidendes Werkzeug in die Hand, um nicht nur den Staat Israel anzuprangern und unter Druck zu setzen, sondern ebenso andere Staaten, die bei der Besetzung als Komplizen agieren, sowie die multinationalen Kapitalgruppen, die davon direkt oder indirekt durch ihre Beteiligung an der ökonomischen Ausbeutung der palästinensischen Territorien profitieren. In den vergangenen zehn Jahren, insbesondere seit dem Massaker von Gaza im Winter 2008/2009, hat BDS stetige Fortschritte auf internationaler Ebene gemacht. Es wurde zu einem zentralen Betätigungsfeld der Solidaritätsbewegung und hat einige wichtige Siege errungen, hauptsächlich bei Boykott und Desinvestition.


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Die palästinensischen Initiatoren der BDS-Kampagne vertrauen auf das kreative und taktische Geschick der internationalen Solidaritätsbewegungen, dass diese in den jeweiligen Ländern die unterschiedlichen Aspekte und Ebenen von BDS jeweils angepasst an die spezifische nationale und regionale Realität zur Anwendung bringen. In unterschiedlichen Ländern und Regionen können also unterschiedliche Forderungen im Vordergrund stehen, wobei solche zu bevorzugen sind, die direkte Auswirkungen auf Israel haben: Suspendierung des EU-Abkommens mit Israel, sofortiges Ende der ägyptischen Beteiligung an der Gaza-Blockade und Öffnung des Übergangs von Rafah, ein Waffenembargo, das Ende der militärischen und ökonomischen Kooperation mit Israel (z. B. bei der Gasförderung im Mittelmeer), die Freilassung der Gefangenen, insbesondere der minderjährigen, usw. Der zentrale Punkt ist dabei, unabhängig von allen taktischen Varianten, jede Konzession bei den grundsätzlichen Forderungen abzulehnen und daran festzuhalten, dass BDS erst beendet wird, wenn die nationalen Rechte der Palästinenser voll und ungeschmälert durchgesetzt sind, einschließlich der Rechte der PalästinenserInnen in den seit 1967 besetzten Territorien, der PalästinenserInnen in Israel von vor 1967 und der exilierten palästinensischen Flüchtlinge außerhalb des historischen Palästinas.


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Mittels BDS aber auch darüber hinaus sollten wir besonderes Gewicht darauf legen, die Kontakte, Verbindungen und Partnerschaften zwischen den verschiedenen sozialen und Arbeiterbewegungen und ihren palästinensischen Pendants zu stärken – Gewerkschaften, Bauernbewegung, Frauenbewegung, die LGBT-Bewegung, die Bewegungen für Menschenrechte, progressive christliche Bewegungen usw. Diese Partnerschaften nützen den PalästinenserInnen direkt dadurch, dass sie ihre Isolation durchbrechen und dass sie den sozialen Bewegungen ermöglichen, sich stärker in der nationalen und regionalen sozialen und politischen Dynamik zu verankern, indem sie ihre soziale Basis verstärken und mehr Gehör finden. Das durch die Konterrevolution hervorgerufene Chaos in der Region hat die Logik des Exodus der palästinensischen Flüchtlinge, besonders nach Europa, verstärkt: Angesichts dessen sollte hierauf ein besonderes Augenmerk der Solidaritätsbewegung wie der Bewegungen für die Verteidigung der Rechte der MigrantInnen und Flüchtlinge darauf gerichtet werden. Die Kriminalisierung der BDS-Bewegung und darüber hinaus der Solidaritätsbewegung, unter anderem besonders in Frankreich, ist ebenso eine neue Entwicklung, der wir mit dem Aufbau breitest möglicher und einheitsorientierter Mobilisierungen begegnen sollten.


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Wir sollten natürlich innerhalb der Palästina-Solidarität jede Form von Rassismus bekämpfen – sowohl die Islamophobie als auch den Antisemitismus – und jede Form der Zusammenarbeit mit extrem rechten Kräften ablehnen. Die jüngsten Ereignisse in Paris und Kopenhagen, als jüdische Menschen gezielt ermordet wurden, unterstreichen die Notwendigkeit, gegen jede Form der Stigmatisierung aufgrund von Ethnie oder Religion zu kämpfen, und ebenso die Wichtigkeit der Mitarbeit von jüdischen Bewegungen und Netzwerken in der Solidaritätsbewegung gegen die Besatzungspolitik. Das bedeutet die Entwicklung einer Solidaritätsbewegung, die auf strikten Prinzipien beruht. In den imperialistischen Ländern schließt das allerdings nicht ein inklusives und aktives Herantreten an Menschen arabischer/muslimischer Kultur aus, die oft zu den hauptsächlichen UnterstützerInnen der Solidarität gehören. Im Gegenteil sollten die Solidaritätsbewegungen auf eine Zusammenarbeit mit Kräften, die diese Gruppen repräsentieren – einschließlich muslimischer Bewegungen und Graswurzelorganisationen – hinarbeiten, bzw. eine bestehende vertiefen, so weit wie Einheit möglich ist, ohne so grundsätzliche Prinzipien wie die Ablehnung jeglicher konfessioneller Herangehensweise an die Palästinafrage und jeder Instrumentalisierung der Solidarität für religiöse Zwecke aufzugeben.

      
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Und schließlich ist es wichtig, Verbindungen zur palästinensischen Linken zu knüpfen und zu pflegen, in all deren Unterschiedlichkeit, ohne irgendwelche Vorbedingungen. Dieser Dialog sollte einerseits auf mögliche Formen der Zusammenarbeit in der internationalen Solidaritätsarbeit zielen und andererseits auf Perspektiven der Neuformierung der antiimperialistischen Linken regional und international, sowie auf den Beitrag, den wir zu diesem Prozess leisten können, insbesondere, was die Verteidigung unseres revolutionär-marxistischen Standpunktes betriff. In diesem Zusammenhang stellen die gemeinsamen Treffen und Erklärungen der revolutionären linken Organisationen der arabischen Region eine wertvolle Unterstützung dar, auch wenn wir sie manchmal als unzulänglich und/oder nicht genügend repräsentativ ansehen. Es ist unsere Aufgabe, sie zu stärken und zu verbreitern, unter gleichzeitiger Respektierung des Pluralismus und dem Zugestehen taktischer Differenzen. In der Solidaritätsbewegung sollten wir gegen jeden Versuch auftreten, den regionalen revolutionären Prozess und den Kampf der Palästinenser gegeneinander auszuspielen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der historischen Feindseligkeit der Regimes in der Region gegenüber den Forderungen der Palästinenser. Wir sollten die Komplementarität des Kampfes gegen Israel und des Kampfes gegen die jeweiligen Regimes unterstreichen. Die Verbindung zwischen dem palästinensischen Kampf und den anderen Kämpfen für Emanzipation sollte auch besonders in unserem Bildungssystem, einschließlich und besonders in den IIRE-Seminaren (www.iire.org), herausgestellt werden.


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In all diesen Kämpfen und Diskussionen werden wir die in der Resolution des Weltkongresses der IV. Internationale von 2010 festgehaltenen Forderungen vertreten:

Wir unterstützen den Kampf des palästinensischen Volkes zur Erlangung seiner Rechte in all seinen Formen:

Außerdem bekräftigen wir unseren Standpunkt, dass es für die Emanzipation der arabischen Völker der Beseitigung des zionistischen Staates bedarf, der ein rassistisches und kolonialistisches Projekt im Dienst des Imperialismus darstellt. Wir treten ein für eine politische Lösung, durch die alle Völker Palästinas (PalästinenserInnen und israelische Juden und Jüdinnen) in voller Gleichheit ihrer Rechte zusammenleben können.

Internationales Komitee der IV. Internationale, 24. Februar 2015

Übersetzung aus dem Englischen: Thadeus Pato



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 3/2015 (Mai/Juni 2015). | Startseite | Impressum | Datenschutz