Vor mehr als 50 Jahren warnten Wissenschaftler erstmals vor der Gefahr einer Klimaerwärmung. Die Warnungen wurden schließlich so ernst genommen, dass die UN und die zuständige Weltorganisation für Meteorologie (WMO) 1988 den Weltklimarat (Zwischenstaatlicher Ausschuss über Klimaveränderung, IPCC) als Expertengruppe ins Leben riefen.
Daniel Tanuro
Seit seiner Gründung hat der Weltklimarat – ein eigentümliches Konstrukt, dessen Erkenntnisse zwar von Wissenschaftlern endredaktionell verantwortet werden, während die (politisch letztlich relevanten) „Zusammenfassungen für die Entscheidungsträger“ jedoch mit staatlichen Vertretern ausgehandelt werden müssen – fünf umfangreiche Berichte geliefert. In allen wurde die Ausgangsthese bestätigt, dass nämlich die Durchschnittstemperatur der Erdoberfläche ansteigt, dass dieser Anstieg nahezu vollständig auf die anthropogenen (menschengemachten) Emissionen von Treibhausgas zurückzuführen ist und dass das wichtigste davon, Kohlendioxid, bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe entsteht [1].
Seit über 25 Jahren wird dort immer wieder betont, dass ohne eine erhebliche Reduktion der Emissionen die Erwärmung zu einem Anstieg der Meeresspiegel, einer Vervielfachung der extremen Wetterereignisse, einer Verminderung der landwirtschaftlichen Produktivität, einer Abnahme der Trinkwasserreserven und einem drastischen Verlust an Biodiversität sowie entsprechenden gesundheitlichen Folgen führen wird. Es ist also nicht nur ein Umweltproblem, auch wenn dies das zentrale Problem darstellt.
Die fünf Berichte unterscheiden sich voneinander nur durch die wachsende Präzision und den Grad der Wahrscheinlichkeit der Vorhersagen. Zudem lassen sich die Vorhersagen mit der Zeit mit den seither gemachten Beobachtungen korrelieren, was zu der beunruhigenden Schlussfolgerung führt, dass die Wirklichkeit noch schlimmer als die Modellberechnungen ist. [2]
Die fossilen Brennstoffe decken 80 % des weltweiten Energiebedarfs. Die Energiefrage ist somit die zentrale Problematik. Naomi Klein schreibt dazu: [3] Wenn die Entscheidungsträger den Stier rasch bei den Hörnern gepackt hätten, hätten sie (vielleicht) einen relativ sanften Umstieg auf eine Versorgung mit ausschließlich erneuerbaren Energien mit maximalem Nutzungsgrad herbeiführen können. Aber sie haben es nicht getan, sodass wir heute vor einer absolut dringlichen Lage stehen, wo die Bedrohung nur noch mit sehr drastischen Methoden abgewendet werden kann, die genau denen entsprechen, die die Entscheidungsträger vermeiden wollten.
Der Weltgipfel in Rio 1992 hatte mit viel Pomp eine Klimarahmenkonvention (Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, UNFCCC) alle Länder dieselbe historische Verantwortung für die Erwärmung tragen und nicht dieselben Kapazitäten haben, ihr entgegenzuwirken.
Gemäß dem Grundsatz der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung“ und der unterschiedlichen Kapazitäten haben die Industrieländer auf der Dritten Vertragsstaatenkonferenz (COP 3) das Kyoto-Protokoll vereinbart, wonach sie sich verpflichteten, ihre Emissionen zwischen 2008 und 2012 um 5,2 % auf der Basis von 1990 zu reduzieren.
Der Beitrag, den die Industrieländer hätten zugestehen müssen, war lächerlich, zumal er mit Taschenspielertricks erzielt werden konnte, wovon die beiden wichtigsten der Emissionshandel mit Zertifikaten, die den Unternehmen gratis und im Übermaß zugeteilt wurden, und die Berechtigung der Industrieländer sind, die Reduzierung der Emissionen im eigenen Land durch den Kauf von Emissionsgutscheinen zu kompensieren, die durch angeblich „saubere“ Investitionen (was i.d.R. ein Hohn ist) oder durch Waldschutzmaßnahmen (zulasten der indigenen Bevölkerung) in den „Entwicklungsländern“ generiert werden. [4] Nichtsdestotrotz weigerten sich die USA, das Protokoll zu ratifizieren.
Kyoto war Augenwischerei, was entscheidend zum Scheitern der Klimakonferenz in Kopenhagen beitrug, wo ein Weltklimaabkommen hätte erzielt werden sollen. Die Länder des Südens warfen den Industrieländern vor, kein konkretes Engagement aufzubringen. Obwohl insgesamt zutreffend, war dieser Vorwurf nicht frei von Hintergedanken, v. a. seitens der großen „Schwellenländer“ und der ölexportierenden Länder, die darauf bedacht sind, dass die heimische Wirtschaft möglichst lange durch ihre fossilen Energiereserven floriert.
Am Ende einer chaotischen Vollversammlung, auf der Hugo Chávez und Evo Morales lautstark intervenierten, wurde eine Erklärung „zur Kenntnis genommen“, wiewohl nicht offiziell verabschiedet, die hinter den Kulissen von den USA und China ausgehandelt worden war, den beiden größten Umweltverschmutzern (mit freilich – historisch bedingt – unterschiedlich großer Verantwortung für die Klimaerwärmung).
Kopenhagen war ein Reinfall und zugleich aber ein Paradigmenwechsel in der Methodik, weil sich die Teilnehmer darauf verständigten, das Top-Down-Prinzip fallen zu lassen, das bedeutet hätte, das weltweit noch verfügbare „Emissionsbudget“ festzulegen und es entlang der jeweiligen Verantwortung und Kapazität der Länder zu verteilen.
Ein Emissionsbudget festzulegen bedeutet sich auf die Menge X an Kohlendioxid zu verständigen, die noch in die Atmosphäre emittiert werden kann, um eine maximale Erwärmung von Grad Y einzuhalten. Dies ist die einzige Methode, die sowohl wissenschaftlich genau als auch unter dem Aspekt der unterschiedlichen Verantwortung – potentiell – gerecht ist. Ihre „Kehrseite“ allerdings liegt darin, dass daraus ganz eindeutige ökologische Verpflichtungen erwachsen und die unterschiedliche Verantwortung in jedem Fall überprüft werden muss. [5]
Da sich alle Regierungen Spielräume offen lassen wollten, entschied die Konferenz, dass jedes Land seinen eigenen Klimaplan, die sog. „angestrebten nationalen Beiträge“ (INDC) dem Sekretariat der UN-Klimarahmenkonvention mitteilen solle und die Verhandlungen auf dieser Grundlage stattfinden sollen, will heißen, es regiert das Prinzip völliger Beliebigkeit.
Außerdem wurde in Kopenhagen die Schaffung eines „Grünen Klimafonds“ beschlossen, über den die Industrieländer den Entwicklungsländern bei der Anpassung an und Eingrenzung des Klimawandels helfen sollen. Der Gipfel in Cancún im Jahr darauf legte dafür eine jährliche Summe von 100 Mrd. Dollar ab 2020 fest, aber der Fonds, der hauptsächlich von der Weltbank verwaltet wird, enthält noch nicht einmal ein Zehntel dieser Summe – und die Regierungen der Industrieländer denken dabei eher an Darlehen denn an Spenden …
Fast 20 Jahre nach der Klimakonferenz von Rio wurde in Cancún eine Zahl als zentrales Ziel der Klimarahmenkonvention genannt, und zwar wurde entschieden, dass eine Temperaturerhöhung um 2 °C im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter die „Gefahrengrenze“ darstellt, die ggf. entlang neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse auf 1,5 °C korrigiert werden könne. Auf den ersten Blick ist dies ein positiver Beschluss, der an entscheidender Stelle jedoch zwei Mankos aufweist.
Die erste Einschränkung ist politischer und wissenschaftlicher Natur: Die Festlegung auf 2 °C als Gefahrenschwelle ist sehr umstritten. Sie geht auf eine Studie des Wirtschaftswissenschaftlers Nordhaus zurück, der sich darauf festlegte, weil sie scheinbar einer Verdopplung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre entspricht. Bereits in einem Bericht des Stockholmer Umweltinstituts von 1990 hieß es, dass besser 1 °C nicht überschritten werden soll, aber das Maximum von 2 °C setzte sich dann später durch, als sich die EU-Kommission dieses Ziel zu eigen machte.
Trotzdem ist die Messe noch nicht gelesen. In Cancún haben über 100 Länder – kleine Inselstaaten und LLDC – wieder gefordert, den Schwellenwert auf 1,5 °C festzusetzen. Es wurde beschlossen, der Frage nachzugehen und dafür auf dem COP 18 in Doha ein „strukturierter Expertendialog“ ins Leben gerufen. Aus dem daraus entstandenen Bericht vom Mai 2015 geht hervor, dass eine Erwärmung von 2 °C zu gefährlich sei und ein Ziel von 1,5 °C die Risiken verringern würde. [6] Als Beispiel für diese Risiken wird von Anders Levermann, einem der Leitautoren des Kapitels über den Anstieg des Meeresspiegels im vierten Bericht des IPCC, geschätzt, dass bei jedem zusätzlichen Grad (wir sind schon bei 0,8 °C) im Gleichgewichtszustand der Meeresspiegel um 2,3 Meter steigen würde. [7] Zwar fehlen weltweite Daten über die Bevölkerungsdichte in einer bestimmten Höhe über dem Meeresspiegel, aber es wird angenommen, dass ein Meter die Vertreibung von Hunderten von Millionen Menschen bedeuten wird. Nicht auszudenken, was also bei 4,6 Metern geschieht.
Das zweite Manko ist methodologisch. Es sind keine Maßnahmen vorgesehen, um die Klimapläne (INDC) anzupassen, damit das Zwei-Grad-Ziel tatsächlich eingehalten werden kann. Das System des Selbstbedienungsladens erlaubt es den Protagonisten, sich vor den Medien aufzuplustern und zu erklären, „die Situation ist unter Kontrolle, wir tun alles, um die Zwei-Grad-Grenze nicht zu überschreiten“, ohne jedoch die Anforderungen dafür im Geringsten zu erfüllen.
Dies ist keineswegs übertrieben. Die globalen Emissionen sind in den 80er Jahren um 1 % jährlich gestiegen und heute steigen sie doppelt so schnell. Bei diesem Rhythmus wird, wenn nichts geschieht, die Erwärmung bis zur nächsten Jahrhundertwende um 6 °C steigen. Auf längere Zeit würde die Temperatur wohl gar um 11 °C steigen. [8]
Dass die Regierungen ein Abkommen in Paris unterzeichnen werden, ist wahrscheinlich, aber nicht sicher. Sicher aber ist, dass die Großkonzerne hinter dem Problem des Klimawandels nur eine Möglichkeit sehen, „neue Märkte“ zu erschließen: Handel mit Emissionsrechten und erneuerbaren Energien, CO2-Abscheidung und -Speicherung, Ausbeutung von Ressourcen, Anpassungsmaßnahmen (natürlich im neoliberalen Sinn, was die Privatisierungen, insbesondere des Wassers, impliziert). Diese ganze Politik wurde im Einverständnis mit den Unternehmen ausgearbeitet, wie man im letzten Mai auf dem „Gipfel der Unternehmen für das Klima“ in Paris sehen konnte.
Ebenfalls sicher ist, dass das mögliche Abkommen nur Augenwischerei sein wird. Dies wurde schon mit dem Abkommen Ende 2014 zwischen den USA und China, den beiden größten Umweltverschmutzern, klar. Im günstigsten Falle, wenn also die EU ihre Selbstverpflichtung einhält, die Emissionen um 40 % bis 2030 einzuschränken (was an sich schon ungenügend ist und von den oben genannten Taschenspielertricks noch unterminiert wird), die anderen Industriestaaten sich den Klimazielen der USA anschließen (eine Zielsetzung, die bis 2025 eine Reduktion vorsieht, die nur leicht höher ist als jene, welche die USA im Rahmen des Kyoto-Protokolls bis 2012 hätten erreichen sollen) und die Entwicklungsländer die Zielsetzung Chinas übernehmen (keine absolute Emissionsreduktion vor 2030), werden wir bis 2100 höchstwahrscheinlich auf eine Erwärmung von 3,6 °C zusteuern. Dies würde dem Temperaturanstieg seit der letzten Eiszeit vor 20 000 Jahren entsprechen, nur eben binnen weniger als einem Jahrhundert. Eine unsagbare, unvorstellbare und schreckliche Katastrophe. Präziser ausgedrückt, ein Verbrechen, das die COP 21 kaschieren soll.
Die Ursachen dieser Situation liegen nicht darin, dass es technologisch unmöglich wäre, den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen umzusetzen, oder im demographischen Wandel, sondern in der Natur des kapitalistischen Wirtschaftssystems. „Ein Kapitalismus ohne Wachstum ist ein Widerspruch in sich“, sagte bereits Schumpeter. Niemand kann dies heute noch negieren: Es ist das Hauptproblem. Das Klima zu retten bedeutet, die Emissionen so drastisch zu senken, dass dies eine entscheidende Reduktion des Energiekonsums zur Voraussetzung hat. Eine derartige Reduktion ist jedoch nicht ohne eine spürbare Abnahme der Verarbeitung und des Transportes von Rohstoffen – mit anderen Worten: ohne auf Wachstum zu verzichten – möglich.
Die Fortschritte in der effektiveren Nutzung der Energien helfen uns auch nicht, diesen physischen Einschränkungen zu entfliehen. Abgesehen von diesen physischen Grenzen gilt auch, dass diese technischen Fortschritte vom „Rebound-Effekt“ kompensiert werden, nämlich dass ersparte Energie dazu benutzt wird, etwas anderes zu produzieren oder das gleiche in größeren Mengen. Dies ist unumgänglich, solange die Logik der Produktivität, die Unternehmerfreiheit und die Konkurrenz der Märkte die Regeln bestimmen.
Neue Technologien liefern ebenso wenig eine Lösung. Hier kann man davon ausgehen, dass der letzte Bericht der IPCC ein falsches Bild der Realität zeichnet. Laut diesem Bericht kann unter den zugrunde gelegten Voraussetzungen (dass das wirtschaftliche Wachstum konstant bleibt) die Zwei-Grad-Grenze nur eingehalten werden, wenn die Emissionen des weltweiten Energiesystems ab 2070 negativ werden (in anderen Worten, wenn das System mehr CO2 aufnimmt als ausstößt). Um dieses Resultat zu erreichen, greifen alle Szenarien auf die massive Nutzung von Biomasse mit CO2-Abscheidung und –Speicherung zurück. Die Arbeiten der Gruppe III des IPCC kommen aber zum Schluss, dass es erstens keine Beweise gibt, dass diese Technologie sicher ist und dass zweitens keine Garantie besteht bezüglich der sozialen und ökologischen Konsequenzen dieser Technologie. [9] Diese Folgen sind jedoch möglicherweise sehr schwerwiegend, weil einerseits der Anbau zur Nahrungsmittelerzeugung mit dem von Energielieferanten konkurriert und andererseits die Biodiversität dadurch beeinträchtigt wird.
Tatsächlich haben alle Szenarien, die vorgeben, das Wachstum und den Übergang zu einem System ohne Treibhausgasemissionen, also unter Einhaltung der Zwei-Grad-Grenze, zu vereinen, den Fehler, die Wurzel aller Probleme namens Kapitalismus nicht zu berücksichtigen. [10] Aber „Kapitalismus“ und „Wachstum“ sind bei den Forschern des IPCC Tabuthemen.
In einer Analyse des Textes, der als Basis für die Verhandlungen in Paris dienen wird, hat Pablo Solon die Aufmerksamkeit auf einen anderen wichtigen Punkt gelenkt, der auf anderem und spezifischerem Weg zu den selben antikapitalistischen Schlussfolgerungen gelangt: Obwohl die Selbstverpflichtungen zur Emissionsreduktion bis 2030 zentral für das Erreichen des Zweigradziels sind, fehlen sie im Vorbereitungstext. Zu Recht bringt der ehemalige UNO-Botschafter von Bolivien diesen Umstand mit der Methode des Selbstbedienungsladens in Verbindung. Dahinter steckt jedoch eine weitere Frage: Warum schweigt man sich über die Frist von 2030 aus?
Drei Elemente geben eine Antwort und alle haben etwas mit den finanziellen Mitteln zu tun, aus denen die Leugner des Klimawandels schöpfen: erstens die kapitalisierten Reserven an fossilen Brennstoffen, zweitens die Amortisierung des (zu 80 % auf fossilen Brennstoffen basierenden) Energiesystems und drittens der Einfluss des Finanzkapitals, das hinter den beiden erstgenannten Punkten steht.
Um das Klima zu retten müssten erstens die Erdöl-, Gas- und Kohleunternehmen darauf verzichten, vier Fünftel der Reserven, die sie besitzen, auszubeuten. Diese Reserven sind Teil ihrer Aktiva und bestimmen ihre Börsenquotierung. [11] Zweitens müsste ein Großteil des globalen Energiesystems, das ein Fünftel des weltweiten Bruttosozialprodukts darstellt, verschrottet werden. [12] Dies würde in beiden Fällen zum Platzen einer enormen Blase und zu einer riesigen Finanzkrise führen.
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Der COP 21-Gipfel verspricht, ein Gipfel der Lüge, der Geschäfte und des Klimaverbrechens zu werden. Gibt es keinen Widerstand, führt das System weiter in Richtung sozialer und ökologischer Zerstörung. Daher täuschen die Begriffe der „Klimakrise“ oder des „vom Menschen beeinflussten Klimawandels“. Die Situation muss vielmehr unter dem Gesichtspunkt der Systemkrise und der historischen Sackgasse des Kapitalismus betrachtet werden. In diesem Kontext müssen auch die Gegenstrategien entwickelt werden. Die antikapitalistische Linke steht vor der Herausforderung, eine Gesellschaft zu konzipieren, die nicht produktivistisch ist, und Praktiken, Forderungen und Organisationsformen zu entwickeln, die dieses Projekt umsetzen können.
Eine große Mobilisierung ist im Gange, die ihren vorläufigen Höhepunkt in Paris anlässlich des Klimagipfels finden sollte, aber in der Folge darüber hinausgehen muss. Die dafür aktiven Organisationen wollen erreichen, dass dort alle Bewegungen der Ausgebeuteten und Unterdrückten zusammenfinden. Die Bauerngewerkschaften sowie die indigenen Bevölkerungsgruppen sind an vorderster Front bei der Eroberung gemeinschaftlicher Lebensgrundlagen. In diesen Kämpfen spielen die Frauen eine entscheidende Rolle. Große Teile der Jugend sind gleichfalls bereits an Kämpfen gegen große Infrastrukturprojekte mit fossilen Energieträgern beteiligt. Aber die Arbeiterbewegung ist im Hintertreffen.
Selbstverständlich beteiligen sich die Gewerkschaften an den Mobilisierungen. Aber es geht darum, die ArbeiterInnen davon zu überzeugen, dass dieser Kampf auch der ihrige ist und daher täglich geführt werden muss. Dies ist eine schwierige aber entscheidende Herausforderung. Ein solches Ziel kann nur mittels einer Demokratisierung der Gewerkschaften sowie einer antikapitalistischen Radikalisierung ihrer Programme und Aktionsformen erreicht werden. Ansonsten bleibt der „gerechte Übergang zu einer Wirtschaft ohne Kohlenstoffemissionen“, wie er vom Internationalen Gewerkschaftsbund gefordert wird, nur ein Anhängsel einer kapitalistischen Strategie und deren Konsequenzen. [13]
Das Zusammenwachsen dieser Bewegungen unterstreicht die Notwendigkeit, ein nicht-kapitalistisches Gesellschaftsmodell auszuarbeiten, das den Anforderungen unserer Zeit gerecht wird, ein ökosozialistisches Modell, das die Befriedigung der realen menschlichen Bedürfnisse anstrebt, die unter Berücksichtigung der ökologischen Zwänge demokratisch bestimmt werden. Selbst wenn dieses dezentralisierte, selbstverwaltete, feministische und internationalistische Projekt – das nicht den Illusionen einer „Beherrschung der Natur“ und des „immer mehr“ verfällt – noch nicht ausgereift ist, ist es dennoch bereits in den vielen Kämpfen für Emanzipation sichtbar. Es gibt keine dringendere Aufgabe, als es weiter ausreifen zu lassen.
Übersetzung: MiWe |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 6/2015 (November/Dezember 2015). | Startseite | Impressum | Datenschutz