Feminismus

Marxismus und Feminismus

„Cinzia Arruzza liefert einen trefflichen Überblick über das vertrackte Verhältnis zwischen Feminismus und Sozialismus über mehr als 200 Jahre hinweg … bis in die gegenwärtigen Debatten hinein. Das Buch dient hervorragend als Einführung in ein mehr denn je brisantes Thema: Wie lassen sich angesichts der globalen kapitalistischen Krise der Kampf gegen die Vorherrschaft des Mannes mit den Kämpfen gegen den Neoliberalismus verbinden.“, schreibt die Politikwissenschaftlerin und Feministin Nancy Fraser über das Buch Feminismus und Marxismus der italienischen Marxistin und Feministin, das unter dem Titel Matrimoni e divorzi tra marxismo e femminismo erschienen ist und im Laufe des Jahres im isp-Verlag veröffentlicht wird. Nachfolgend einige Auszüge, übersetzt von MiWe.

Cinzia Arruzza

Die Frauen- und die Arbeiterbewegung blicken auf eine wechselseitige Geschichte aus Allianzen, verpassten Gelegenheiten, offener Feindseligkeit, Annäherung und Entfremdung zurück. Als Produkt der bürgerlichen Revolutionen kam der Feminismus recht bald mit den sozialen Bewegungen und Umwälzungen in Berührung. Durch sie wurden jeweils neue demokratische Freiräume geschaffen, die den Frauen ermöglicht haben, bis dahin unbekannte Rechte zu erlangen, öffentlich das Wort zu ergreifen und sich am politischen Leben aktiv zu beteiligen. Als die erdrückenden Mauern jahrtausendelanger Unterdrückung Risse bekommen hatten, lernten die Frauen, sich als solche zu organisieren und unabhängig für ihre Befreiung zu kämpfen. Dieser Prozess verlief freilich nicht ohne Widersprüche, sondern stieß vielmehr häufig auf Geringschätzung und Misstrauen unter den Organisationen der traditionellen Arbeiterbewegung und der Neuen Linken. Die Folgen daraus waren unterschiedlich und reichten vom mühsamen Unterfangen, die schwierigen Beziehungen aufrechtzuerhalten, bis hin zu regelrechten Zerwürfnissen.

Diese wechselvolle Dynamik spiegelte sich auch auf dem Feld der Theorie wider. Auf der Suche nach entsprechenden Antworten auf die Probleme, die durch den hart umkämpften Selbstfindungsprozess der Frauen aufgeworfen wurden, entwickelten die Vordenkerinnen der Frauenbefreiung die unterschiedlichsten Vorstellungen über das Verhältnis zwischen Geschlecht und Klasse und zwischen Patriarchat und Kapitalismus. Es gab bspw. Versuche, die Geschlechterfrage in den Kategorien der Kritik der politischen Ökonomie zu interpretieren, die Frauenunterdrückung aus dem Ausbeutungsverhältnis zwischen Kapital und Arbeit abzuleiten oder das Verhältnis zwischen Mann und Frau als Ausdruck des Klassenantagonismus zu sehen oder gar der patriarchalischen Unterdrückung gegenüber der kapitalistischen Ausbeutung den Vorrang zu geben. Andererseits gab es Tendenzen, das Verhältnis zwischen Kapitalismus und Patriarchat als Verflechtung zweier autonomer Systeme zu deuten oder umgekehrt darauf abzuheben, in welcher Art der Kapitalismus die patriarchalische Unterdrückung untergeordnet und tiefgreifend verändert hat.

Dies Büchlein will eine kurze und verständliche Einführung in das Problem der Beziehungen zwischen Frauen- und sozialen Bewegungen und des Verhältnisses zwischen Geschlecht und Klasse liefern. In den ersten beiden Kapiteln werden einige historische Gesichtspunkte wiedergegeben, die für den Organisations- und Emanzipationsprozess der Frauen oder für das wechselvolle Verhältnis dieses Prozesses zur Arbeiterbewegung bedeutsam waren. Die letzten beiden Kapitel hingegen liefern einen kurzen Überblick über die Theoriedebatte über das komplexe Verhältnis zwischen geschlechtlicher und sexueller Unterdrückung und Ausbeutung und versuchen dabei, die Probleme herauszuarbeiten, die von den verschiedenen vorliegenden Konzeptionen ausgehen und die bis heute noch ungelöst sind. Weder der historische noch der theoretische Teil dieses Buchs beanspruchen, eine erschöpfende Darstellung der historischen Ereignisse und der theoretischen Ansätze zu geben, sondern wollen lediglich das Verständnis für ein extrem komplexes und noch völlig offenes Thema erleichtern und Illustrationen dafür liefern. Die Darstellung ist nicht unparteiisch, sondern gibt die Standpunkte und Ansprüche der Autorin wieder.

Zunächst denke ich, dass es notwendiger denn je ist, das Verhältnis von Frauenunterdrückung und Ausbeutung und v. a. die Art und Weise, wie der Kapitalismus die patriarchalischen Strukturen integriert und grundlegend geändert hat, zu reflektieren. Denn einerseits ist die Unterdrückung der Frauen ein struktureller Bestandteil der Arbeitsteilung und gehört damit unmittelbar zu den Faktoren, durch die der Kapitalismus nicht nur seine Herrschaft in ideologischer Hinsicht stärkt, sondern auch die Ausbeutung der lebendigen Arbeit und ihre Reproduktion beständig organisiert. Andererseits hat die Integration der patriarchalischen Mechanismen in den Kapitalismus selbige grundlegend gewandelt, von der Familie über die Stellung der Frau in der Produktion und das Verhältnis zwischen den Geschlechtern bis hin zur sexuellen Identität etc.

Diese komplexen Zusammenhänge zu erkennen ist für den Marxismus absolut unumgänglich, wenn er auf dem Laufenden sein will über die gegenwärtigen Wandlungen und Krisen, vor deren Hintergrund die Globalisierung zu einem wachsenden Anteil weiblicher Arbeitskräfte führt und somit zu einem weiteren Wandel der Geschlechterverhältnisse. Anstatt die Geschlechtszugehörigkeit der Klassenzugehörigkeit unterzuordnen und darauf zu vertrauen, dass die Befreiung von der Ausbeutung automatisch zur Befreiung der Frau und Überwindung der Geschlechterrollen führt, oder umgekehrt die Klassenzugehörigkeit zu bagatellisieren und die Geschlechterdiskussion zum ideologischen Mittelpunkt zu überhöhen, sollte eher über die Komplexität der kapitalistischen Gesellschaft und ihr inneres Gefüge aus Ausbeutung, Herrschaft und Unterdrückung nachgedacht und dabei bequeme, aber wenig nützliche Vereinfachungen vermieden werden.

Ein weiteres, strikt mit dem ersten verbundenes Anliegen ist, dass auf die theoretische Durchdringung ein Ansatz von politischer Organisierung und Aktivität folgen muss, um die zwischen Frauenbewegung und Klassenkampf entstandene Distanz zu überwinden. Dabei muss von der überholten Dialektik der „Prioritäten“ abgegangen werden, die in den früheren Auseinandersetzungen immer dazu geführt hat, den Vorrang der Klasse vor dem Geschlecht oder umgekehrt zu beteuern.

Es geht hier nicht nur um ein theoretisches Problem, sondern auch um Organisationsfragen und politische Aufgaben. Die Art und Weise, wie das Verständnis der engen Verzahnung von Kapitalismus und Frauenunterdrückung in Bewusstseinsprozesse umgesetzt werden kann und Frauen befähigt werden können, politische Organisationen und Betätigungsfelder zu schaffen, mit denen sie sich identifizieren können, ist ein noch immer ungelöstes Problem, das nur durch praktische Erfahrungen überwunden werden kann. Was wir uns unverzüglich aneignen müssen, ist die Bereitschaft, uns auf die theoretischen, politischen und organisatorischen Grundlagen zu besinnen, wenn wir politisch aktiv sein und den Kampf für die Befreiung aller Menschen führen wollen, und somit unsere Erfahrungen einem ständigen Praxistest auszusetzen. […]


Diesseits und jenseits des Ärmelkanals


In England beteiligten sich die Frauen von Anfang an, also seit den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, an der Gewerkschaftsbewegung. Sie spielten dort auch eine wichtige Rolle, gründeten unabhängige Organisationen mit eigenen Führungen und beteiligten sich später an der Chartistenbewegung und trieben dort die Gründung von Frauenverbänden voran. Als gegen Mitte des Jahrhunderts die Gewerkschaften als eigenständige Strukturen entstanden, die sich auf die qualifizierten Arbeiter stützten und die ungelernten eher außen vor hielten, wurden die Frauen, die traditionell in der Produktionshierarchie die untersten Ränge bekleideten, an den Rand gedrängt oder direkt aus den Gewerkschaftsorganisationen ausgeschlossen.

Die Lage änderte sich, als 1888–1889 infolge anhaltender Arbeiterunruhen, die etliche Fabriken im ganzen Land erschütterten und somit die Voraussetzungen für die Gründung neuer Gewerkschaftsorganisationen schufen, eine neue Gewerkschaftsbewegung entstand – diesmal offen für unqualifizierte Arbeiter und Frauen. Binnen zwanzig Jahren – von 1886 bis 1906 – stieg die Zahl der in den Gewerkschaften eingeschriebenen Frauen von 37 000 auf 167 000 und 1914 waren es bereits 357 956. Dabei beschränkten sich die Frauen nicht auf die Beteiligung in gemischten Gewerkschaften, sondern schufen eigene Verbände für die Frauen, die in Sektoren arbeiteten, die entweder nicht gewerkschaftlich organisiert waren oder wo Frauen nicht als Mitglieder zugelassen wurden. Mary Macarthur gründete 1904 zu diesem Zweck die National Federation of Women Workers, die zwischen 1906 und 1914 von 2000 auf 20 000 Mitglieder wuchs.

Auf der anderen Seite des Ärmelkanals stellten die Frauen aus dem Volk von Paris, die bereits 1789 als erste nach Versailles marschiert waren, erneut ihre Entschlossenheit und Mut in der kurzen Blüte der Pariser Kommune unter Beweis, als die Hoffnung bestand, „mit der Vergangenheit reinen Tisch zu machen“ (Liedzeile aus der „Internationale“) und den Grundstein für eine neue Gesellschaft legen zu können. Am 18. März 1871 stellten sich die Frauen von Paris den Bajonetten der von Thiers gesandten Soldaten entgegen, als diese sich der Kanonen der Nationalgarde bemächtigten wollten – dieselben Kanonen, die das Volk von Paris von seinem eigenen spärlichen Geld bezahlt hatte, um die Hauptstadt gegen die preußische Invasion zu verteidigen. Sie mengten sich unter die Truppen, sprachen mit den Soldaten und fragten sie, ob sie wirklich gewillt seien, auf ihre Männer, Brüder und Söhne zu schießen. Mit ihrem entschlossenen Vorgehen leisteten sie ihren entscheidenden Beitrag zum Scheitern dieses Vorstoßes von Thiers. Tatsächlich entschlossen sich die Soldaten zur Meuterei, fraternisierten mit der Menge und verhafteten ihre eigenen Offiziere. Dies war der Beginn des Pariser Frühlings, der nur zwei Monate dauernden Pariser Kommune, die in der Woche zwischen dem 22. und 28. Mai im Blut erstickt wurde.

Am 8. April 1871 erschien ein Manifest zur Schaffung einer Frauenorganisation, die drei Tage später, am 11. April, offiziell gegründet wurde. Dabei handelte es sich um die Frauenunion zur Verteidigung von Paris und die Pflege der Verletzten. Das ursprüngliche Ziel dieser Organisation war die Übernahme von Fürsorgetätigkeiten, aber schon bald begann sie, über diese Grenzen hinaus aktiv zu werden. Federführend waren die Frauen, die der Ersten Internationale angehörten, allen voran Elisabeth Dmitrijew, Tochter eines russischen Adligen, der aus Russland geflohen war und sich erst in der Schweiz und dann in London niedergelassen hatte, wo er mit Karl Marx zusammen gekommen war. Das Manifest vom 8. April war eines der fortschrittlichsten Schriftstücke, die während der Pariser Kommune zustande gekommen sind. Unter dem Sammelsurium an Konzepten und Ideen, die die lebhafte und oft konfuse Diskussion unter den Kommunarden inspirierten und die aus den verschiedensten Strömungen des Sozialismus des 19. Jahrhunderts und des französischen Republikanertums – Anhänger von Saint-Simon, Proudhon oder Blanqui, radikale Republikaner, Internationalisten … – stammten, bezog das Manifest eindeutig Position für die soziale Revolution, die Abschaffung des Kapitalismus und das Ende jeglicher Form von Ausbeutung. Und es rief konsequenterweise die Frauen dazu auf, aktiv an der Revolution teilzunehmen.

Neben den Fürsorgetätigkeiten und der Unterstützung für die Kommune, die die Frauen gewöhnlich verrichteten und die sich besonders auf die Krankenpflege der verletzten Kombattanten aber auch auf die Essensverteilung und die Verwaltung der Spendensammlungen erstreckten, nahm die Union recht bald eine zentrale Funktion in Zusammenarbeit mit der Kommission für Arbeit ein. Diese bezog dann auch eine klare Position zugunsten der Förderung der Frauenarbeit, entwarf die Einrichtung von Handarbeitswerkstätten, die ausschließlich Frauen vorbehalten waren, betrieb die Organisierung einer Frauengewerkschaft und setzte sich dafür ein, den Frauen mehr Gelegenheit zur aktiven Teilnahme am politischen und sozialen Leben der Kommune zu verschaffen. Von den 128 Mitgliedern der Union gehörte die Mehrheit der Arbeiterklasse an. Daneben spielten die Frauen von Paris damals eine zentrale Rolle im Produktionssektor.

Vor dem Krieg arbeiteten in der Pariser Region ca. 550 000 ArbeiterInnen, zumeist in kleinen oder mittleren Handwerksbetrieben als hochqualifizierte Kräfte. Die Großindustrie war damals zweitrangig. Neben diesen ArbeiterInnen gab es eine große Zahl von KrämerInnen, Handwerkern und armen Intellektuellen. Im Unterschied zu 1848 hatte in den Jahren vor dem französisch-preußischen Krieg und während dieses Krieges eine Deklassierung des Kleinbürgertums und von Teilen der Intelligenzia stattgefunden, was durch die Wirtschaftskrise und die Massenarbeitslosigkeit infolge des Kriegs noch verstärkt worden war. In der Zeit der Kommune hatten von vormals 550 000 ArbeiterInnen gerade noch 114 000 eine Stelle und mehr als die Hälfte davon waren Frauen. Aus diesem zentralen Stellenwert der Frauen im Arbeitsleben erklärt sich auch zum Teil, warum sie in der Revolution eine solche Rolle spielten.

Trotz aller Beschränkungen und Vorurteile, die auch im Alltag der Kommune weiterlebten, führten einige der beschlossenen sozialen und politischen Maßnahmen zu einer eindeutigen Verbesserung der Lage der Frauen. Unter anderem wurde eine Sonderkommission geschaffen, die nur aus Frauen bestand und deren Aufgabe die Gründung von reinen Mädchenschulen war, um den Frauen Zugang zur Berufsausbildung zu ermöglichen. In diesem Zug wurde auch eine Berufsschule nur für Frauen eingerichtet. Um die Arbeits- und Lebensbedingungen der Frauen zu verbessern, wurde versucht, arbeitsplatznahe Krippenplätze zu schaffen. Außerdem wurden Werkstätten gegründet, die exklusiv weibliche Arbeitskräfte beschäftigten, und unter dem Einfluss der Internationalistinnen – besonders von Elisabeth Dmitrijew – die Abschaffung der Lohnungleichheit diskutiert. Per Dekret vom 10. April wurde den Witwen und Waisen der gefallenen Kommunarden eine Rente zuerkannt, unabhängig vom rechtlichen Stand der Beziehung. Somit erfolgte faktisch eine Gleichstellung von unverheirateten und verheirateten Paaren, womit explizit die herrschende Moral infrage gestellt wurde. Die darauf folgende Repression erstickte jedoch all diese Ansätze im Keim, sodass sich über die weitere mögliche Entwicklung dieser Maßnahmen nur spekulieren lässt.

Neben der Frauenunion entstanden in verschiedenen Pariser Stadtbezirken andere reine Frauenorganisationen, etwa die Überwachungskomitees der Bürgerinnen in den Stadtvierteln, die ursprünglich ebenfalls hauptsächlich Fürsorgefunktionen hatten. Außerdem zogen einige Frauen es vor, an den Versammlungen der nicht gemischten Überwachungskomitees teilzunehmen – darunter Louise Michel. Seit jeher laizistisch und Republikanerin, beteiligte sich die Lehrerin sofort an der Kommune und trat dem Überwachungskomitee von Montmartre bei. Sie beteiligte sich unermüdlich an den Fürsorgearbeiten, arbeitete an den Sozial- und Bürgerrechtsreformen mit und kämpfte an vorderster Front im Frauenbataillon. Nach dem Fall der Kommune stellte sie sich den Versailler Truppen, um die Freilassung ihrer Mutter zu erreichen, die an ihrer Stelle verhaftet worden war. Entgegen den Erwartungen ihrer Folterknechte, die ohne langes Zögern ihre Deportation nach Neukaledonien verfügten, geriet ihr Prozess zu einem leidenschaftlichen Plädoyer für die revolutionäre Sache: „Ich will mich nicht verteidigen, und ich will nicht verteidigt werden. Ich gehöre vollständig zur sozialen Revolution und übernehme die Verantwortung für alle meine Taten. […] Ich soll aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden und Euch hat man damit beauftragt. Nun gut! Die Anklage hat Recht. Wenn heute jedes Herz, das für die Freiheit schlägt, nur noch das Recht auf einen Klumpen Blei hat, dann verlange ich meinen Anteil.“

Dieser Mut war keine Ausnahme. Während der „Blutwoche“ arbeiteten die Frauen unablässig an der Errichtung von Barrikaden und kämpften an vorderster Front, um die Straßen von Paris Meter für Meter gegen den Vormarsch der Versailler Truppen zu verteidigen. Zwischen der Place Blanche und dem Boulevard Clichy errichtete ein Bataillon von 120 Frauen eine Barrikade, die sie einen ganzen Tag lang heroisch verteidigten, wobei viele von ihnen den Tod fanden. Nach der Niederlage der Kommune kamen 1051 Frauen vor das Kriegsgericht und wurden abgeurteilt: Davon waren 756 Arbeiterinnen, 246 ohne Beruf und nur eine aus dem Bürgertum. Der Freiheitswillen und Mut der Kommunardinnen riefen den Geifer der bürgerlichen Versailler Presse auf den Plan. Die Mär von der Mordbrennerin (la petroleuse), der Pariser Arbeiterin – einfach gekleidet und bar jeder Moral – die sich auf den Straßen von Paris herumtrieb, um zu zündeln, wurde eigens dafür geschaffen, um die Bresche, die die Kommune zur Befreiung der Frauen geschlagen hatte, zu denunzieren. Die mitunter größten Eiferer waren die Frauen aus dem Bürgertum und dem Adel – besonders wenn es gegen ihre eigenen Geschlechtsgenossinnen ging. Lissagaray, einer der Vorkämpfer der Kommune, der dann nach England flüchtete und mit Eleanor Marx verlobt war, schrieb in einem Werk, wie die schicken Damen in den Wochen nach dem Fall der Kommune durch Paris spazierten und sich am Anblick der unentwegten Exekutionen der Kommunarden ergötzten. Unter dem beifälligen Nicken der französischen Bourgeoisie wurden 30 000 Menschen füsiliert und 40 000 deportiert und somit ein wahres Blutbad unter der Arbeiterklasse angerichtet. Unter den Opfern waren auch die Petroleuses. […]


Frauen an der Front im Spanischen Bürgerkrieg


Noch wenige Jahre vor dem Spanischen Bürgerkrieg hätte niemand erwartet, dass Frauen mit soviel Mut und Entschlossenheit in vorderster Reihe gegen die Falangisten kämpfen würden, die den Traum von einer besseren und gerechteren Gesellschaft im Blut ersticken wollten. Denn die Frauen in Spanien, die seit jeher vom politischen und gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, von der Bildung ferngehalten und dem allgegenwärtigen Einfluss einer besonders reaktionären katholischen Kirche unterworfen waren, hatten sich erst sehr spät politisiert. Wenige Monate des Spanischen Bürgerkriegs hatten jedoch ausgereicht. Die Frauen in Spanien stellten 1931 lediglich 12 % der arbeitenden Bevölkerung, waren aber besonders stark vertreten in einigen der kämpferischsten Industriesektoren und Fabriken, gerade in der Textilindustrie, die in Katalonien von ausschlaggebender Bedeutung waren. Von den 26 300 Streikenden in der Textilindustrie von Barcelona 1913 waren 22 000 Frauen. Von den Beschäftigten in der Textilindustrie arbeitete 1936 ein Fünftel in Katalonien, wobei die breite Mehrheit der Arbeitskräfte in dieser Branche Frauen waren. Sie arbeiteten elf Stunden täglich und verdienten durchschnittlich halb so viel wie die Männer.

Die schlimmsten Bedingungen galten jedoch für die Landarbeiterinnen, die zu pausenloser, bis zu achtzehnstündiger Arbeit gezwungen und dabei oft nur in Naturalien entlohnt wurden. Sie machten ein Viertel der berufstätigen Frauen aus. Was Bildung angeht, war die Situation nicht besser: im Jahr 1931 waren 90 % der Frauen auf dem Land und 80 % in den Städten Analphabetinnen. Die von der republikanischen Regierung 1931 verabschiedete Verfassung ging sicherlich über das politische Bewusstsein der weiblichen Bevölkerung hinaus, da darin das aktive und passive Wahlrecht der Frauen und die formale Gleichstellung der Geschlechter beschlossen wurden. Die Ergänzungsgesetze verbaten Arbeitsverträge, die automatische Entlassungen im Heiratsfall vorsahen, versuchten die Lohnungleichheit zu verhindern und legten das Prinzip der Koedukation (gemeinsame Unterrichtung von Jungen und Mädchen) fest. Weitere Gesetzesmaßnahmen folgten: 1932 das Scheidungsgesetz, das bei gegenseitigem Einvernehmen das Recht auf Scheidung erließ und die Kinder der Mutter zusprach, sowie die Abschaffung des Ehrendeliktes und 1933 ein Gesetz gegen die Prostitution. Diese Gesetze wurden durch weitere Maßnahmen ergänzt. 1936 wurde schließlich das Abtreibungsgesetz verabschiedet. All diese Gesetze, die nach Francos Sieg dann abgeschafft wurden, kamen zustande, ohne dass es eine nennenswerte Frauenbewegung, noch nicht einmal von bürgerlich feministischer Seite, gegeben hätte.

Die marginale Rolle der Frauen in der Produktion in Verbindung mit dem großen Einfluss der katholischen Kirche und dem Machismus hatte eine starke Passivität unter den Frauen erzeugt, die erst in den Monaten unmittelbar vor dem Bürgerkrieg begannen, sich zu engagieren. Anfänglich erlaubte die Desorganisation des traditionellen Heeres den Frauen, an den Kämpfen aktiv teilzunehmen und sich im Gefecht zu behaupten, wobei sie sich als unglaublich mutig erwiesen. Die ersten, die die Frauen zu den Waffen riefen, waren die Anarchisten.

Zwischen 1936 und 1938 nahmen 60–70 % der Frauen eine Arbeit außer Haus an, um die Männer an der Front zu ersetzen. Obwohl das Kriegsministerium der Regierung ihnen den Zutritt zum regulären Heer verwehrt hatte, hatten die Frauen durch den Bürgerkrieg enorme Möglichkeiten, sich zu engagieren und zu organisieren: Sie standen im Beruf, nahmen am kollektiven Organisationsleben teil und waren schließlich direkt in das politische und soziale Geschehen involviert. Zu den besonderen Umständen eines Krieges, der gemeinhin auch in anderen Ländern die Frauen in großem Umfang auf den Arbeitsmarkt drängt, kam in Spanien hinzu, dass er mit einer regen politischen und publizistischen Aktivität der Frauen einherging und diese einen rasanten Politisierungsschub durchmachten.

Einer der fortgeschrittensten Ansätze in dieser Hinsicht waren die „mujeres libres“ (freie Frauen), deren Bewegung auf die Initiative von CNT-Gewerkschafterinnen des Madrider Ortsverbands zurückging. Sie waren 1935 zu der Überzeugung gelangt, dass eine reine Frauenorganisation erforderlich wäre. Die Gruppe gründete eine Zeitschrift und organisierte Alphabetisierungskurse und Seminare. Bis 1938 war daraus ein Verband mit 30 000 Frauen geworden – zumeist Arbeiterinnen – die sich in etwa 150 Gruppen über ganz Spanien verteilten. Auch wenn er nicht ausschließlich aus Anarchistinnen bestand, betrachtete sich der Verband als Teil der anarchistischen Bewegung. Auf dem Kongress vom August 1937 konstituierte er sich als föderale Struktur mit autonomen Ortsgruppen, einem Zwischenkomitee und sechs Sekretariaten. Da sie im Unterschied zu anderen Frauenorganisationen bereits vor dem Bürgerkrieg entstanden waren, verfolgten die „mujeres libres“ längerfristige politische Ziele. Sie gingen davon aus, dass die Frauen autonom kämpfen müssen, um ihr Selbstbewusstsein zu stärken und ihre Emanzipation zu erringen. Daher führten sie zwei Alphabetisierungskampagnen durch, organisierten Unterrichtskurse und gründeten in Valencia, Madrid und Barcelona Institute mit Bibliotheken. Das Problem der Berufstätigkeit war eines ihrer zentralen Anliegen. Entgegen dem Konservatismus, der in den anderen Organisationen der spanischen Arbeiterbewegung herrschte, bekämpften die „mujeres libres“ die Vorstellung, dass die Frauenarbeit lediglich ein Notbehelf sei und setzten sich für die Schaffung von Kindergärten in der Industrie, den öffentlichen Ämtern und auf dem Land ein.

Sie kritisierten auch die von den Anarchisten geführte Kampagne für sexuelle Freiheit, die bei vielen Männern zu einem Verhalten geführt hatte, das den Interessen der Frauen entgegen stand. Denn schlussendlich stellte sich die Frage so: „Sexuelle Freiheit, ja! Aber für wen?“ Dieses Problem sollte später erneut innerhalb der wieder aufgelebten feministischen Bewegung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts diskutiert werden. In manchen Fragen jedoch hielten sich damals auch durchaus ambivalente Positionen weiter aufrecht, etwa über die Selbstbestimmung der Frau über den eigenen Körper und die Schwangerschaft oder hinsichtlich der Prostitution. […]


Ein Geburtsfehler


Die Annahme, das Aufeinandertreffen von Feminismus und Arbeiterbewegung sei naturgegeben oder frei von Widersprüchen und Problemen, wäre vollkommen irreführend. Denn erstens entstand der Feminismus – wie oben ausgeführt – zunächst in dem Freiraum, den die bürgerlichen Revolutionen eröffnet hatten, und die ersten theoretischen Annäherungen gingen von Frauen aus, die dem (gehobenen) Mittelstand angehörten. Und zweitens war jede Arbeiterbewegung Resultat bestimmter historischer Umstände und ihre Mitglieder, Führer und Theoretiker insofern keineswegs frei von Vorurteilen, Klischeevorstellungen und Abneigungen, die aus einer Jahrtausende lang praktizierten Unterdrückung der Frau rührten. Daneben gibt es weitere Gründe, die an spezifische geschichtliche Prozesse gekoppelt sind, wie die bürokratische Degeneration der Sowjetunion und nachfolgend der internationalen Arbeiterbewegung oder die Binnendynamik in den Gruppierungen der Neuen Linken in den 60er und 70er Jahren. Der junge Marx hat durchaus, ungeachtet dessen, was sich über seine privaten Beziehungen zu den Frauen sagen lässt, in den ökonomisch-philosophischen Manuskripten von 1844 geschrieben: „In dem Verhältnis zum Weib, als dem Raub und der Magd der gemeinschaftlichen Wollust, ist die unendliche Degradation ausgesprochen, in welcher der Mensch für sich selbst existiert …“. Ebenso haben Engels und Bebel zwei Bücher verfasst, die lange Zeit als grundlegende Referenz des sozialistischen Feminismus galten und in denen das Verhältnis zwischen Mann und Frau mit dem zwischen Kapitalist und Proletarier verglichen wurde. Während Fourier in dem Grad der Emanzipation der Frau den Gradmesser für die Entwicklungsstufe einer Gesellschaft sah und die radikale Infragestellung der Geschlechterrollen propagierte, zählte die aufkommende Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts auch Pierre- Joseph Proudhon zu ihren Ahnherren – den wohl größten Frauenfeind des 19. Jahrhunderts.

Als unermüdlicher Streiter für die Familie und die Rolle, die der Frau darin von Natur aus zugedacht sei, war er ein strikter Gegner der Frauenerwerbsarbeit außerhalb der häuslichen Mauern. Nicht zufrieden damit, meinte er auch noch, dass die Frau dem Manne als sein Anhängsel untertan sein müsse. Denn die Frau sei entgegen ihren Ansprüchen nach Gleichheit von Natur aus dem Mann in moralischer, physischer und intellektueller Hinsicht unterlegen. Jeder Versuch zur Selbstbefreiung der Frauen wurde daher umstandslos verdammt und von sexueller Freiheit war erst gar nicht die Rede.

Derlei Positionen waren keine Ausnahme und es war auch kein Zufall, dass in der Ersten Internationale den Frauen die Teilnahme verwehrt war. Die Frauenfeindlichkeit hatte im Fall von Jeanne Deroin tragische Auswirkungen. Als Redaktionsmitglied von Voix des femmes und Gründerin einer anderen Zeitung, Opinion des femmes, war sie in der feministischen Bewegung engagiert und auf Seiten der Arbeiter in der französischen Revolution 1848 aktiv. Von August 1849 bis Mai 1850 widmete sie sich dem Aufbau einer Assoziation von Arbeiterorganisationen, die auf gleichen Rechten für Mann und Frau gründete und für die sie auch die programmatischen Schriften verfasste. Im Mai 1850 schlossen sich 400 Arbeiterorganisationen, die aus der 48er Revolution hervorgegangen waren, zu dieser Assoziation zusammen. Als Jeanne Deroin am 29. Mai 1850 wegen Verschwörung verhaftet wurde, baten die eigenen Genossen sie, ihre Funktion in der Organisation nicht offen zu legen, da die Arbeiterassoziation in ein schlechtes Licht gerückt würde, wenn bekannt würde, dass eine Frau dahinter stünde und das Programm verfasst hätte. Hin und her gerissen zwischen ihren ehernen feministischen Überzeugungen und dem Wunsch, den Arbeiterorganisationen nicht schaden zu wollen, kapitulierte Jeanne Deroin am Ende und entschied sich, das Geheimnis für sich zu behalten. Über ihr Exil in England nach dem Putsch von Napoleon III. geriet auch in Vergessenheit, was sie geleistet hatte. Erst mit der zweiten feministischen Welle fand sie ihren Platz in der Geschichte wieder.

Gegen Frauenerwerbsarbeit und für die herkömmliche Familie trat in Deutschland auch Ferdinand Lassalle ein, den freilich ein in der Arbeiterbewegung durchaus gängiges Motiv umtrieb, nämlich dass die Erwerbstätigkeit der Frauen im Allgemeinen sehr viel schlechter bezahlt wurde als bei Männern, die Erwerbsquote unter den Frauen niedriger war und insofern die Frauen eine Gefahr für die Arbeiter darstellten, da sie als Reservearmee und Reservoir billiger Arbeitskräfte fungierten. Um diesen Unterbietungswettbewerb der Löhne zu bekämpfen, kam Lassalle nicht in den Sinn, gleiche Löhne und Rechte für Mann und Frau zu fordern sondern vielmehr die Frauen auf ihre angestammte Rolle innerhalb der Familie zu verweisen. Die Löhne der Männer sollten ausreichend erhöht werden, um davon die ganze Familie ernähren zu können, ohne auf Frauen- oder Kinderarbeit zurückgreifen zu müssen.

Frauenerwerbsarbeit galt davon abgesehen als Mittel zu Zerfall und Korruption der Arbeiterfamilie. Hierbei vermischten sich wirtschaftliche Überlegungen mit moralistischen und grundkonservativen Motiven. Dabei lag derlei Überlegungen innerhalb der Arbeiterbewegung nicht unbedingt bloßer Sexismus oder Konservatismus zugrunde. Man braucht bloß über die Lebensbedingungen der Arbeiter zu lesen, wie sie Engels in Die Lage der Arbeiterklasse in England oder Marx im Band I des Kapitals beschrieben haben. Darin schildern sie die verheerenden Auswirkungen der verschärften industriellen Ausbeutung auf die Familien, auf Lebenserwartung und Gesundheit der Arbeiter und Arbeiterinnen einschließlich der Kinder. So wird verständlich, dass die Ablehnung der Frauen- und Kinderarbeit in gewisser Weise auch dem Selbstschutz vor der allumfassenden Ausbeutung diente.

Die Positionen der Lassallianer schufen natürlich zahlreiche Probleme nach der Vereinigung mit der Organisation von Bebel und der Gründung der deutschen Sozialdemokratie. Und sie trugen dazu bei, Clara Zetkin Steine in den Weg zu legen, während sie ohnehin schon genug Last mit den damals vorherrschenden frauenfeindlichen Tendenzen in der Arbeiterklasse hatte. Zusätzliche Probleme bereiteten später die Revisionisten in den Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, als die autonomen Frauenorganisationen und die Zeitung Gleichheit generell revolutionäre und eindeutig antiimperialistische Positionen angenommen hatten. Daher und weil zudem der führende Kopf der revolutionären Strömung, Rosa Luxemburg, eine Frau war, droschen sie auf die Frauen und deren Organisationen und Publikationen ein, um das revolutionäre Gedankengut zu treffen.

In dieser Hinsicht war es während der Pariser Commune auch nicht besser gelaufen, obwohl die Frauen von Paris dort eine herausragende aktive Rolle gespielt hatten. Tatsächlich stand nie zur Debatte, das Wahlrecht auf die Frauen auszudehnen und somit war die Hälfte der Bevölkerung ausgeschlossen bei diesem ersten Versuch, eine Arbeiterdemokratie und eine Staatsform zu errichten, die sich grundlegend von der bürgerlichen unterschied.

Ganz generell war die Ausweitung des Wahlrechts auf die Frauen innerhalb der Arbeiterbewegung heftig umstritten. Denn man befürchtete, dass die Frauen, die aufgrund ihrer Unterdrückung ein weitaus weniger aktives Sozialleben führten, in ihrer Mehrheit anfällig für religiöse Einflüsse, Aberglauben und konservative Positionen seien. Ein Frauenwahlrecht würde somit zu einer Rechtsverschiebung der politischen Landschaft beitragen und die sozialistischen Parteien bestrafen. […]


„Ein Schweinkram“: die Kommunistischen Parteien und die Frauen


Die Degeneration der Sowjetunion hatte auf alle Mitgliedsparteien der Dritten Internationale entscheidenden Einfluss. Wie sonst auch bestimmte der Kreml auch hier die politische Linie. Unter den ersten, die darunter zu leiden hatten, waren die spanischen Frauen während des Bürgerkriegs. Die Kommunistische Partei vertrat eine Position, die im praktischen Gegensatz zu den Anarchisten stand, und übte daher von Beginn des Bürgerkriegs an Druck auf den sozialistischen Kriegsminister Largo Caballero aus, die Milizen aufzulösen, in denen auch die Frauen kämpften. Stattdessen wollte sie eine reguläre Armee, diszipliniert und ausschließlich aus Männern bestehend. Der Mut, den die Frauen in den Kämpfen gezeigt hatten, sollte ihnen nicht das Recht verschaffen, so wie die Männer an vorderster Front zu kämpfen. Caballero beließ es nicht dabei, nur die Milizen aufzulösen, sondern verbot auch die Beteiligung der Frauen an den Kämpfen: Ihr Platz war in der Etappe, wo sie sich der Erwerbsarbeit zu widmen hatten. Die Situation verschlimmerte sich noch ab September 1936 mit der Auflösung aller Organe der Gegenmacht, die in den Tagen des Juli entstanden waren, denn gerade in diesen Strukturen hatten viele Frauen erstmals die Möglichkeit gehabt, politisch aktiv zu werden.

Die Politik der KP wurde von einer weiblichen Massenorganisation flankiert, die als spanische Sektion der internationalen und von der Komintern abhängigen Organisation „Frauen gegen Krieg und Faschismus“ entstanden war: „Die antifaschistischen Frauen“. Wie schon der Name sagte, war die Organisation hauptsächlich auf den antifaschistischen Kampf ausgerichtet und sekundierte der KP, indem sie oft an das Schuldbewusstsein der Frauen und ihr Verantwortungsgefühl gegenüber ihren Kindern appellierte, um ihnen auszureden, auf Seiten der Männer kämpfen zu wollen. Natürlich lag diese Position auf der generellen Kompromisslinie mit der Bourgeoisie, um deretwillen die KP auf die Losung vom „Volk in Waffen“ zugunsten der regulären Armee verzichtete. Für die „antifaschistischen Frauen“ war die Frage der Frauenerwerbsarbeit ein zentrales Anliegen, aber trotzdem verstiegen sich ihre Führerinnen bei offiziellen Reden oft zu der Behauptung, dass die Beteiligung der Frauen an der Produktion nur eine provisorische Maßnahme wäre, um die Männer zu ersetzen, solange sie an den Kämpfen teilnehmen, und dass diese aber ihre angestammten Arbeitsplätze nach Kriegsende wieder bekämen.

Die Kommunisten waren nicht die einzigen, die die Frauen zurück in die Etappe schicken wollten. Auch die POUM riet von einer Beteiligung der Frauen an der regulären Armee ab. Außerdem hatten zwar die Frauen in der POUM viele Losungen der Bolschewiki aufgegriffen, indem sie bspw. die doppelte Ausbeutung und spezifische Unterdrückung der Frauen oder das Erfordernis der Sozialisierung von Fürsorgetätigkeiten und gleicher Löhne anerkannten, aber in dem auf dem Gründungskongress 1935 verabschiedeten Programm kamen diese Losungen praktisch nicht vor, genauso wenig wie in dem Programm von 1936 oder den 13 Punkten vom März 1937. Was die Anarchisten anbetrifft, hatten sie zwar die fortschrittlichsten Positionen zur Emanzipation der Frauen, weigerten sich aber, die „mujeres libres“ als offizielle Organisation der anarchistischen Bewegung anzuerkennen. Die Forderung, als Sektion der Bewegung anerkannt zu werden, welche die „mujeres libres“ bei der Regionalversammlung in Katalonien 1938 aufgestellt hatten, wurde mit der Begründung abgelehnt, dass eine spezifisch feministische Organisation zur Spaltung der Bewegung beitrage und den Interessen der Arbeiterklasse schaden könne. […]


Die gefährlichen Beziehungen zwischen Geschlecht und Klasse


Bereits lange vor Engels’ Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates gab es Ansätze, die Durchsetzung der männlichen Vorherrschaft mit der Entstehung der Klassengesellschaft und des Privateigentums und der Überwindung der Stammesgesellschaft in Zusammenhang zu bringen. Unter „Stamm“ versteht man die verwandtschaftliche Zugehörigkeit zu einer definierten Gruppe, die alle auf einen bestimmten gemeinsamen Vorfahren zurückgehen. Die Deszendenz kann hierbei matrilinear oder patrilinear sein, wobei im ersten Fall die Kinder dem Clan der Mutter und im zweiten dem des Vaters angehören. In den Stammesgesellschaften gestalten sich die sozialen Beziehungen entlang verwandtschaftlicher Linien und Verhältnisse, die somit die grundlegenden sozialen Strukturen darstellen. Engels’ Analyse der Stammes- und Ehegesellschaften basiert weitgehend auf den Forschungsergebnissen zweier Autoren: Bachofen und seine Theorie von der Existenz eines Urmatriarchats, das nach und nach durch das Patriarchat verdrängt wurde, und Lewis Henry Morgan, Autor der Ancient Society und damit faktisch Gründer der evolutionistischen Anthropologie. Das Werk von Engels enthält allerdings falsche Tatsachenbehauptungen, die überwiegend durch die mangelnde Materiallage entstanden sind und weil die Ethnologie damals noch in den Kinderschuhen steckte. Der Rollenwandel der Frau und ihre historische „Niederlage“ waren in Engels’ Augen zwei Prozessen geschuldet: der fortschreitenden Durchsetzung des Privateigentums – gegenüber dem Kollektiveigentum der Gens (Sippe) – und der Übergang von der Gruppenfamilie zur monogamen Familie. Der Untergang des Matriarchats und der matrilinearen Deszendenz sei durch den Willen der Männer entstanden, den eigenen Kindern das Erbe zu sichern, was voraussetzte, dass sie die Fähigkeit der Frau zur Reproduktion kontrollieren und die Bindung der Frau an ihre Gens zerbrechen konnten. Dieser Entstehungsgeschichte liegen ein Mythos und eine Verwechslung zugrunde. Der Mythos liegt in der Existenz des Matriarchats, die faktisch niemals bewiesen wurde und in den allermeisten modernen anthropologischen Studien sogar bestritten wird. Des ungeachtet hat der Mythos des Ursprungsmatriarchats in der Frauenbewegung nicht unbedingt eine negative Rolle gespielt, da er den Frauen im Alltag ihr Selbstvertrauen und den Glauben an die eigenen Fähigkeiten wiedergegeben hat. Und die Verwechslung besteht darin, dass zwischen Matriarchat und matrilinearer Deszendenz nicht unterschieden wird. Letztere beinhaltet nicht notwendigerweise mehr Macht oder Prestige für die Frauen. Trotz dieser Irrtümer bleibt die Methode, die Engels zum Verständnis der Ursprünge und Gründe für die Männerherrschaft anzuwenden versucht hat, bis heute wertvoll. Es geht nämlich darum, dieses Phänomen in den Kontext der sozialen Verhältnisse und ihrer Entwicklung zu stellen und dabei in Rechnung zu stellen, dass in den früheren klassenlosen Gesellschaften die Ehe- und Verwandtschaftsbeziehungen mit den sozialen Verhältnissen schlechthin gleichzusetzen sind. Und über diese definieren und entwickeln sich die Produktions- und Verteilungsverhältnisse innerhalb einer bestimmten sozialen Gruppe. Insofern sind die dort aufgeworfenen Fragen weiterhin aktuell. Standen die Frauen bereits in den Jägerund Sammlergesellschaften in untergeordneter Position? Wie hat sich ihr Status mit der Entstehung von Mehrwert durch erhöhte Produktivität, der Entwicklung des Gartenund später Ackerbaus und der Viehzucht, dem Aufkommen privaten Landeigentums und erster sozialer Differenzierungsprozesse innerhalb der Gruppen geändert?

Die Anthropologin Eleanor Burke Leacock hat jahrelang recherchiert, um zu zeigen, wie die Jäger- und Sammlergesellschaften grundlegend egalitär aufgebaut waren, was nicht nur für die männlichen Mitglieder der verschiedenen Gruppen, sondern auch für die Geschlechter galt. Die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern war wahrscheinlich viel weniger rigide als vermutet und war nicht automatisch hierarchisch entlang des Geschlechts strukturiert. Leacock zeigt in ihren Schriften, wie entscheidend sich das Aufeinandertreffen mit den westlichen Kolonialisten auf die Jäger- und Sammlergesellschaften auswirkte, sei es in ökonomischer Hinsicht, indem die Gleichgewichtsverhältnisse, die den Frauen die Kontrolle über ihre eigene Arbeitskraft und Produktion zugestanden, verzerrt wurden; oder sei es in kultureller Hinsicht, indem sexuelle Gebräuche und vormals inexistente Eheschließungen rigide geregelt wurden. Dem Volk der Montagnais-Naskapi in Labrador, das Leacock vor Ort erforschte, versuchten jesuitische Missionare besonders zuvor unbekannte Tugenden einzubläuen, wie Gehorsam und Unterordnung der Frau unter den Ehemann. Mit dem Einfluss der Kolonialisierung lässt sich zwar weitgehend erklären, warum in vormals egalitären Jäger- und Sammlergesellschaften hierarchische und Herrschaftsverhältnisse zwischen den Geschlechtern entstanden sind, so wie auch der Einfluss von Gesellschaften mit fortgeschritteneren sozialen Differenzierungsprozessen sicherlich eine Rolle bei der Verbreitung der Männerherrschaft in anderen Gesellschaften gespielt hat. Aber trotzdem bleibt die Frage, wodurch die Hierarchie zwischen den Geschlechtern überhaupt entstanden ist. […]


Eine Theorie für zwei Systeme


Heidi Hartmann veröffentlichte 1979 das Essay Marxismus und Feminismus: Eine unglückliche Ehe. Der Artikel wurde vielfach kritisiert, sowohl seitens des marxistischen Feminismus als auch der Radikalfeministinnen, und löste eine Debatte aus, die in der von Lydia Sargent 1981 herausgegebenen Anthologie Frauen und Revolution dokumentiert ist.

In ihrem Beitrag entwickelte Hartmann die sogenannte Theorie der zwei Systeme, Patriarchat und Kapitalismus, wobei sie von der Annahme ausgeht, dass Marxismus und Feminismus einander verpasst haben. Denn der Marxismus hat es versäumt, die durch die zweite Welle des Feminismus gebotene Gelegenheit zu einer tiefgreifenden Erneuerung wahrzunehmen, und stattdessen daran festgehalten, dass die geschlechtliche Unterdrückung zweitrangig und der Ausbeutung der Klasse grundsätzlich untergeordnet sei. Zwischen Marxismus und Feminismus bestünde quasi eine Ehe nach englischem Recht, wonach Mann und Frau bzw. Marxismus und Feminismus eins seien und dies Eine sei eben der Marxismus.

Die Überlegung, die Engels im Ursprung der Familie anstellte, dass die Produktion und die Reproduktion des unmittelbaren Lebens als entscheidender Faktor der Geschichte aus zwei Komponenten besteht: der Produktion der Existenzmittel und der Erzeugung der menschlichen Lebewesen selbst, wurde weder von Engels selbst nochmals aufgegriffen und vertieft noch von späteren marxistischen Theoretikern. Dies hat dazu beigetragen, dass die marxistischen Kategorien „geschlechtsblind“ geblieben seien und folglich damit nicht nur die Unterdrückung der Frauen unterbewertet werde, sondern auch eine komplexe Realität wie der Kapitalismus nicht adäquat erfasst werden könne. Solche Kategorien wie „Klasse“, „Reservearmee“ oder „Arbeitskraft“ seien „geschlechtsblind“, da sie der „geschlechtsblinden“ Natur der Entwicklungsgesetze des Kapitalismus nachempfunden worden sind. Nach Meinung Hartmanns schafft der Kapitalismus nämlich Hierarchien innerhalb der Arbeitskraft, aber seine Entwicklungsgesetze lassen offen, wer die jeweiligen Plätze in diesen Hierarchien einnehmen wird. Betrachtet man nur die „Bewegungsgesetze“ des Kapitals, ist es tatsächlich völlig gleichgültig, ob Männer oder Frauen, Schwarze oder Weiße eine untergeordnete Position einnehmen. Und da die Kategorien der Kritik der politischen Ökonomie die Entwicklungsgesetze des Kapitals respektieren, können auch sie nicht sagen, wer welchen Platz innerhalb der Hierarchie einnehmen wird. In diesem Fall reicht der Begriff der Klasse allein nicht aus und muss um Geschlecht, Rasse, Nationalität und Religion ergänzt werden. Was dem Kapitalismus erlaubt, die Frauen auf den niederen Rängen dieser Hierarchien anzusiedeln, entspringt nicht der inneren Logik der kapitalistischen Funktionsabläufe, sondern ist tragender Bestandteil eines anderen Unterdrückungssystems, das zwar mit dem Kapitalismus verflochten ist, aber ein Eigenleben führt und unabhängig davon ist: das patriarchalische System. Die vom patriarchalischen System, dessen Ursprünge vorkapitalistisch sind, erzeugte Unterordnung der Frauen wird daher vom Kapitalismus für seine eigenen Zwecke benutzt.

      
Mehr dazu
Edith Bartelmus-Scholich: So revolutionär wie feministisch (Rezension zu Cinzia Arruzza: Feminismus und Marxismus), die internationale Nr. 1/2018 (Januar/Februar 2018)
Jacqueline Heinen: Frauenbefreiungsbewegung und Klassenkampf, Inprekorr Nr. 442/443 (September/Oktober 2008)
Lidia Cirillo: Feministische Theoriebildung, Inprekorr Nr. 329 (März 1999)
Barbara Schulz: Frauen in der Oktoberrevolution, Inprekorr Nr. 253 (November 1992)
Frederiqe Vinteuil: Marxismus und Feminismus, Inprekorr Nr. 223 (Januar 1990)
 

Die von Hartmann benutzte Definition des Patriarchats ist bewusst nicht universell und unveränderlich angelegt, sondern respektiert historische Bezüge und daraus abgeleitete Bedeutungswandel. Insofern ist es auch nicht möglich, von einem reinen Patriarchat zu reden, da dessen materielle Strukturen immer in bestimmten Produktionsverhältnissen wurzeln und diese unentwirrbare Beziehung jedes Mal neue Formen und Besonderheiten annimmt. Vielmehr müsste man von einem Sklavenhalter-Patriarchat, einem feudalistischen Patriarchat, einem kapitalistischen Patriarchat usw. sprechen.

Auf Grundlage der historischen Bedingtheit des Patriarchats und seiner Transformationen entwickelt Hartmann eine Sicht auf die Beziehungen zwischen Kapitalismus und Patriarchat, die sich von der von Juliet Mitchell in Psychoanalyse und Feminismus unterscheidet. Nach Mitchells Ansicht sind die psychologischen und ideologischen Aspekte der patriarchalischen Strukturen universell und ahistorisch und überdauern die verschiedenen Produktionsweisen. Und es hängt von der Interaktion zwischen diesen Strukturen und einer bestimmten Produktionsweise ab, wie sich diese universellen Strukturen differenzieren und konkretisieren und die weibliche Unterdrückung dadurch unterschiedliche Ausdrucksformen annimmt, je nach geschichtlichen und örtlichen Umständen und Klassenzugehörigkeit.

Hartmann hingegen argumentiert, dass die patriarchalischen Strukturen als solche und nicht nur ihre Ausdrucksformen historischen Änderungen unterworfen sind. Obwohl die Produktionsweise und das patriarchalische System eng miteinander verbunden sind, funktionieren beide gemäß ihrer inneren Logik und entlang spezifischer Gesetzmäßigkeiten, die wechselseitig in Einklang stehen, aber auch in Konflikt geraten können. Auch wenn der Kapitalismus das Patriarchat dazu benutzt hat und auch weiterhin benutzt, die eigene Herrschaft zu sichern und die Ausbeutung zu organisieren, können unter bestimmten Umständen die Bewegungsgesetze des Kapitals in ihrer „Geschlechtsblindheit“ in Widerspruch mit denen des patriarchalischen Systems geraten. Insofern muss man diese den beiden Systemen eigenen Gesetzmäßigkeiten berücksichtigen, wenn man das Wesen dieser Widersprüche erfassen will. Die von Hartmann ersehnte fruchtbare Verbindung zwischen Feminismus und Sozialismus müsste daher eine gemeinsame Theorie entwickeln, die die inneren Abläufe beider Systeme und ihre Wechselwirkungen erkennen und interpretieren kann, ohne eines dem anderen unterordnen zu wollen.


Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 2/2016 (März/April 2016). | Startseite | Impressum | Datenschutz