Die folgende Erklärung wurde auf der Solidarity-Konferenz im Juli 2015 diskutiert und mit Stimmenmehrheit angenommen, mit einem zusätzlichen Verweis darauf, dass die Organisation auch viele Mitglieder hat, die sich in der Grünen Partei engagieren und wir ihre Arbeit und den Wahlkampf von Jill Stein unterstützen. Diese Resolution soll ein Konzept dafür umreißen, wie wir uns zur Kandidatur von Bernie Sanders und seinen Anhängerinnen und Anhängern verhalten; es geht dabei nicht um eine Beurteilung von Sanders selbst oder seiner politischen Ansichten.
Erklärung von Solidarity
Solidarity betont die strategische Notwendigkeit, eine Massenbasis für eine unabhängige politische Aktivität der Arbeiterklasse zu organisieren, die die arbeitenden Menschen, die unabhängigen sozialen Bewegungen und Organisationen der Unterdrückten in einem Kampf um ihre gemeinsamen Interessen gegen den Kapitalismus und seine politischen Vertreter vereinigt.
Im Gegensatz zu denen auf der Linken, die immer noch in der Demokratischen Partei ein kleineres Übel sehen, das von innen beeinflusst werden könne, betrachten wir die Partei als unreformierbar und fest darauf eingeschworen, das neoliberale Projekt des Kapitals umzusetzen. Die Geschichte hat allzu oft gezeigt, dass sie der Friedhof der sozialen Bewegungen bleibt.
Wir lehnen es ab, auf die Rutschbahn der Politik der Demokratischen Partei zu geraten. Dennoch wird kein nennenswerter Schritt vorwärts hin zu einer unabhängigen politischen Aktivität der Arbeiterklasse möglich sein ohne Abspaltung der Massenbasis von der Partei. Als eine „Sparpolitik über alles“-Partei hat die Demokratische Partei viel von ihrem Reiz eines „kleineren Übels“ verloren.
Wir stimmen absolut nicht mit Bernie Sanders Entschluss überein, zu den Vorwahlen der Demokraten zu kandidieren und zu versprechen, am Ende die von der Partei nominierte Person zu unterstützen. Es wäre jedoch ein Fehler für die Linken, nicht die enorme Bedeutung und das Potenzial zu sehen, wenn Millionen von Menschen rund um seine Kampagne aktiv werden und nach Möglichkeiten zum Kampf gegen die Unternehmer und dem, was sie als Kidnapping des demokratischen Prozesses empfinden, suchen.
Obwohl Sanders für die Demokratische Partei antritt, ist uns die Bedeutung der breiten Unterstützung für seine Kernbotschaft bewusst. Es ist die Botschaft von Occupy – die 99 % gegen das eine Prozent – die trotz acht Jahren verheerender Rezession und verschärfter neoliberaler Sparpolitik durch die Obama-Regierung immer noch sehr lebendig und im Bewusstsein großer Schichten der US-Bevölkerung tief verwurzelt ist.
Dies gilt vor allem für junge Menschen, die, von Sanders Botschaft inspiriert, gerade beginnen, sich im nationalen Wahlkampf zu engagieren. Wir sollten dieses Aufblühen vom Kampfgeist begrüßen und versuchen gemeinsam an den Problemen zu arbeiten, die von ihnen aufgeworfen werden, während wir zugleich betonen, dass eine Orientierung auf die Demokratische Partei eine Sackgasse wäre und sie stattdessen von der Notwendigkeit unabhängiger Politik und des Aufbaus von Bewegungen, die die Gesellschaft verändern können, überzeugen.
Wir fordern Solidarity-Mitglieder und andere revolutionäre Sozialistinnen und Sozialisten auf, Möglichkeiten zu finden, um sich mit den Millionen von Menschen zu verbinden, die von der Sanders-Kampagne angezogen werden, von denen die meisten aber keine Geduld mit dem demokratischen Establishment haben werden und noch viel weniger sich in einem längerfristigen Kampf um die Führung der Partei sehen. Dies ist eine Kernzielgruppe, mit der man sich verbinden und zu der man Brücken schlagen muss, um unabhängiger linker Politik zum Durchbruch zu verhelfen.
Viele Sanders-Unterstützerinnen und -Unterstützer sind bereits aktiv oder können gewonnen werden für kontinuierliche Aktionen gegen Sparmaßnahmen und andere soziale Bewegungen, für lokale unabhängige Wahlstrukturen und die Bemühungen der Grünen Partei zum Aufbau einer nationalen unabhängigen Partei / Bewegung.
Wir unterstützen eigenständige Aktivitäten der Mitglieder innerhalb der Gewerkschaften wie die unabhängige Basisgruppierung „Labor for Bernie“ (http://www.laborforbernie.org). Sie bieten die Möglichkeit zu diskutieren, welches Programm und welche Ziele die politischen Entscheidungen der Arbeiterbewegung bestimmen sollten.
Widerwillen und Protest gegen von Bürokraten gesteuerte, wirtschaftszentrierte, ewiggleiche Politik schaffen Notwendigkeit und Möglichkeit zum Aufbau von Basis-Netzwerken innerhalb der Arbeiterbewegung, die einen wirklich demokratischen Prozess zur Entscheidung über Wahlaufrufe verlangen und dafür kämpfen, dass die Bürokraten darauf verpflichtet werden, nur Kandidierende zu unterstützen, die tatsächlich die Gewerkschaftspolitik unterstützen.
Wahlaufrufe werden unsere Gewerkschaften oder die Arbeiterklasse nicht „retten“. Aber ein Kampf um interne Demokratie in unseren Gewerkschaften wie der in der Lehrererinnen- und Lehrergewerkschaft „American Federation of Teachers“ (über deren frühzeitige Unterstützungszusage für Hillary Clinton – d. Red.)
Unsere Aufgabe als Sozialistinnen und Sozialisten in der Arbeiterbewegung umfasst eine Strategie der Förderung von Rissen in der sklavischen Unterwerfung der Arbeiterbewegung unter das Establishment der Demokratischen Partei. Ein Riss in Form eines Wahlaufrufs für Sanders ist eine gute Sache. In diesen Kampf sind wir nicht neutral. Eine unabhängige Massenpartei der Arbeiterklasse wird in diesem Land nicht entstehen ohne die Arbeit der Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, die die Sanders-Kampagne unterstützen.
Dies ist auch das Milieu von Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, die die notwendige Aufgabe der Stärkung der politischen Fähigkeiten der Arbeiterinnen und Arbeiter angehen – etwas, was weit über den Rahmen von Auseinandersetzungen über Wahlen hinausreicht.
Wir sollten Bewegungen und Mobilisierungen für konkrete Forderungen, die aus der Sanders-Kampagne entstehen, aufgreifen. Es gibt jetzt einen Aufruf von jungen Menschen, die durch die Kampagne aktiviert wurden, für einen Studierendenmarsch auf Washington in diesem Herbst (2015 – d. Üb.) zur Abschaffung von Studiengebühren.
Was noch kommen muss, ist die Entstehung einer großen Bewegung gegen die Sparpolitik und eine klare politische Alternative der Arbeiterbewegung auf nationaler Ebene. Eine wirksame Politik, die erfolgreich sein und ein linkes Programm umsetzen kann, erfordert eine organisatorische Infrastruktur und politische Kultur, die momentan nicht existiert. Wegen des Fehlens einer kontinuierlichen, erfolgreichen unabhängigen linken Politik müssen wir uns der Realität stellen, dass Ärger über die Unternehmerkontrolle der Politik sich in vagem Populismus und meist innerhalb der Demokratischen Partei ausdrückt.
Wir stellen fest, dass Wahlinitiativen wie die von Kshama Sawant in Seattle, Chokwe Lumumba in Mississippi, die Vermont Progressive Party, die Richmond Progressive Alliance, die United Working Families in Chicago, Howie Hawkins Kampagne für die Grüne Partei und andere trotz ihrer Begrenztheit und Probleme die Kontrolle des Establishments der Demokratischen Partei bedrohen. Wir unterstützen alle Bemühungen für Kandidaturen im Interesse der Arbeiterbewegung als Unabhängige oder auf Stimmzetteln von nicht-unternehmerkontrollierten Parteien.
Wir sind an der Zusammenarbeit mit Menschen interessiert, die von einer Kampagne angezogen werden, die selber warnt: „Der beste Präsident in der Weltgeschichte … wird nicht die großen Krisen bewältigen können, vor denen wir stehen, wenn es keine politische Massenbewegung gibt, wenn es keine politische Revolution in diesem Land gibt.“
Wir können Sanders' Aufruf zum Aufbau einer Bewegung, die auch über diese Wahlkampagne hinaus weiterbesteht, nur zustimmen. Doch wir erwarten nicht, dass die Sanders-Kampagne selbst eine dauerhafte Basisorganisation aufbauen wird. Der Ball ist also im weitesten Sinne in unserem Feld.
Lasst uns diese Organisationsmöglichkeit ergreifen und Menschen, die durch die Sanders-Kampagne begeistert sind, mit dieser Botschaft ansprechen: „Lasst uns diesen Augenblick nicht verpassen, wo sich Leute um ein gegen die Konzerne und gegen die Sparpolitik gerichtetes Programm sammeln, indem wir am Ende jammernd Hillary wählen und dann Schluss machen. Lasst uns unsere Kraft aufbauen.“
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Die Tragödie wäre gar nicht so sehr, dass Leute einen Hebel für Clinton ansetzen, sondern dass der massenhafte Aufschrei zerstreut und aufgelöst würde und von allen Bemühungen der Basis nichts zurückbliebe. Trotz seiner acht Millionen Stimmen im Jahr 1988 löste Jesse Jackson die angeblich unabhängige Rainbow Coalition (Regenbogenbündnis) nach dem Verlust des Kampfes um die Nominierung der Demokraten auf, so dass kein dauerhaftes Bündnis die Arbeit zu Fragen der wirtschaftlichen und rassischen Gerechtigkeit weiterführte, nachdem die Kampagne beendet war.
Dieses Mal sollte die Linke die Sanders-Unterstützerinnen und Unterstützer drängen, den Kampf aufrechtzuerhalten und sich an Aktionen gegen Sparmaßnahmen und an sozialen Bewegungen zu beteiligen oder lokale, multi-ethnische Bündnisse einschließlich unabhängiger Wahlstrukturen aufzubauen, die auch nach der Präsidentschaftskampagne weiterleben.
Wir stimmen Howie Hawkins zu, wenn er sagt: „Wir sollten darüber reden, warum unabhängige Politik der beste Weg ist, eine progressive Kraft aufzubauen, über die Demokratische Partei als dem historischen Friedhof von fortschrittlichen Bewegungen und über die Notwendigkeit einer fortschrittlichen Alternative bei den Wahlen 2016, wenn Sanders einknickt und Clinton unterstützt. Ich erwarte nicht, dass man viele überreden kann, die Sanders-Kampagne vor den Vorwahlen zu beenden. Aber ich erwarte, dass viele von ihnen nach den Vorwahlen einen Plan B haben wollen, eine fortschrittliche Alternative zu Clinton.“
Übers.: Björn Mertens |
Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von Inprekorr Nr. 2/2016 (März/April 2016) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz