Von den ersten Sklavenaufständen über die Bürgerrechtsbewegung bis hin zur Revolte in den Ghettos liefert die Geschichte der schwarzen Bevölkerung in den USA ein reiches Feld an Erfahrungen, Projekten und Lehrbeispielen.
Galia Trépère
United States Census Bureau der Bundesregierung der Vereinigten Staaten und die Einzelstaaten legten fest, welcher Rasse jemand angehörte. In Georgia wurde jede Person mit einem farbigen Vorfahren, gleich welcher Generation, selbst als farbig eingestuft. Und ob jemand als Weißer oder Nicht-Weißer galt, hatte grundlegende Auswirkungen, besonders in den 29 Staaten, in denen die Rassentrennung existierte.
Schwarze konnten bspw. nicht dort wohnen, wo sie wollten. Die Gemeindeverordnungen, die vor Gericht rechtsverbindlich waren, verboten ihnen den Zugang zu bestimmten Wohnvierteln und wenn sie es jemals wagten, sich in Wohngegenden der Weißen niederzulassen, wurden sie eingeschüchtert, bedroht und terrorisiert. Auf der Arbeit waren sie die letzten, die eingestellt, und die ersten, die entlassen wurden. Meist waren sie arbeitslos, verrichteten Schwerstarbeit in Arbeitslagern oder waren als Gesinde angestellt – 45 % der Hausangestellten waren Schwarze. Selbst während des Zweiten Weltkriegs, als die Waffenindustrie händeringend nach Arbeitskräften suchte, waren nur 3 % der Arbeiter dort Schwarze.
In 14 Bundesstaaten durften Schwarze nicht dieselben Zugabteile, Wartesäle, Restaurants oder Hotels benutzen wie die Weißen. Nur in 18 von 48 war Rassentrennung in öffentlichen Stätten verboten – ein Gesetz, das allerdings nur selten zur Anwendung kam. In 29 von 48 Staaten war es illegal, dass Angehörige verschiedener Rassen untereinander heirateten und Kinder bekamen. Es kam vor, dass Ehen annulliert wurden, weil einer der beiden Partner angeblich ein Sechzehntel schwarzes Blut in den Adern hatte.
Die Schwarzen standen nicht nur unter dauernder Beobachtung seitens der Behörden, sondern auch der weißen Rassisten. Wie sehr die Bevölkerung von der rassistischen Pest durchdrungen war, zeigt die damalige Stärke des Ku Klux Klans, der in seiner Hochzeit 1925 sechs Millionen Mitglieder hatte und mit 40 000 TeilnehmerInnen nach Washington vor das Kapitol zog. Nach einem Abflauen in den 30er Jahren kam es während des McCarthyismus der Nachkriegsjahre zu einem Wiederaufschwung. Anfang der 60er Jahre konnte er in manchen Städten der Südstaaten ungestraft aufmarschieren und sich öffentlich zu Morden an Mitgliedern der Bürgerrechtsbewegung bekennen.
Rosa Parks erhielt nach ihrem Tod 2005 ein Staatsbegräbnis. Als sie sich freilich am 1. Dezember 1955 im Alter von 43 weigerte, ihren Sitzplatz im Bus für einen Weißen zu räumen, war sie noch dafür festgenommen worden. Dies war damals der Auftakt zur Bürgerrechtsbewegung.
Als Zeichen des Protestes organisierten schwarze AktivistInnen einen Busboykott, was einen Umsatzeinbruch von 60 % zur Folge hatte. Nach mehrmonatigem Kampf und Terrormaßnahmen des KKK entschied das Bundesbezirksgericht schließlich am 4. Juni 1956, dass die Segregationspraxis in den öffentlichen Verkehrsmitteln in Alabama illegal sei. Bis zum Ende des Jahres wurde in 21 weiteren Städten im Süden nach vergleichbaren Boykottmaßnahmen die Rassentrennung im Transportwesen aufgehoben. Einer der prägenden Figuren dieser Bewegung war Martin Luther King, damals Prediger in Montgomery. Er gehörte 1957 zu den Gründungsvätern der Southern Christian Leadership Conference (SCLC).
Junge StudentInnen, die 1961 das Student Nonviolent Coordinating Committee (SNCC) gründeten, führten Sitzstreiks (Sit-ins) durch, um Plätze, Bars, Restaurants oder Geschäfte zu besetzen, die für Schwarze verboten waren. Andere Aktionen gegen die Rassentrennung in den Überlandbussen, sobald diese die Nordstaaten verließen, wurden vom Congress of Racial Equality (CORE) organisiert und von jungen weißen und schwarzen AktivistInnen aus dem Norden durchgeführt, die sich „Freedom Riders“ nannten. Große Aufmerksamkeit wurde ihnen zuteil, als die New York Times 1961 ein Titelphoto von einem dieser Busse veröffentlichte, der von Rassisten zur Explosion gebracht worden war.
They said if you was white should be all right
(Refrain eines Volksliedes aus dem Süden der USA) |
Die Rassentrennung galt auch für öffentliche Schulen und Universitäten trotz gegenteiligen Beschlusses durch den Obersten Gerichtshof von 1954 (Causa Brown). In Little Rock, Arkansas, befahl 1957 der rassistische Gouverneur Orval Faubus der ihm unterstellten Nationalgarde, neun schwarzen Studenten den Zutritt zur Universität zu verwehren. Sie wurden von den Garden und der weißen Bevölkerung weggedrängt und beleidigt, aber sie wichen nicht. Als sie dann auf Geheiß der Bundesverwaltung unter militärischem Geleit zur Universität zugelassen wurden, exmatrikulierten sich weiße StudentInnen und später wurde die Universität seitens der Stadtverwaltung sogar geschlossen. Im Juni 1963 postierte sich sogar der Gouverneur von Alabama, George Wallace, höchstselbst vor dem Portal der Universität von Alabama, um zwei schwarzen Studenten den Zutritt zu versperren.
Dort, wo es um kommerzielle Interessen ging, etwa in Bussen, Restaurants oder Bars, waren diese Kampagnen erfolgreich. Viel schwieriger war es, die Gleichberechtigung in den Schulen durchzusetzen. Noch schwerer, aber entscheidend war der Kampf um das bedingungslose Wahlrecht. Er begann, nachdem im „Gesetz über die Bürgerrechte“ vom 2. Juli 1964 in den ganzen USA die Rassentrennung an öffentlichen Stellen und in den Schulen verboten worden war. Mit diesem Gesetz wurde auch die Benachteiligung bei der Arbeitsplatzsuche verboten, vom Wahlrecht jedoch war keine Rede.
Das Wahlrecht konnte von den lokalen Behörden gewährt, beschränkt oder verwehrt werden und war oft an Steuerzahlungen gekoppelt. Die größte Hürde jedoch war, dass Wahlen in den Augen des KKK eine „Angelegenheit der Weißen“ waren und die Schwarzen, die wählen wollten, schikaniert oder gar ermordet wurden.
Dort, wo die Schwarzen die Bevölkerungsmehrheit stellten, waren die Hürden zur Einschreibung in die Wahlregister am höchsten. In der Stadt Selma in Alabama waren über 50 % der Einwohner Schwarze, insgesamt 15 000. Davon waren nur 383 auf den Wählerlisten registriert. In Mississippi durften nur 6,4 % wählen.
Als der SNCC in diesem Staat die Einschreibung der Schwarzen in die Wählerlisten durchsetzen wollte, wurden im Lauf des Sommers 1964 insgesamt 35 Kirchen angesteckt, 30 Gebäude in die Luft gesprengt, 80 Menschen verprügelt und mindestens sechs umgebracht. Nachdem in Selma am 18. Februar 1965 ein junger Aktivist von den Bullen totgeprügelt worden war, rief der SCLC zu einem Marsch nach Montgomery, der Hauptstadt von Alabama, auf, um den Gouverneur Wallace zur Rede zu stellen. Martin Luther King unterstützte den Marsch, nahm aber nicht am Auftakt am 7. März 1965 teil. An diesem Tag begaben sich 600 Marschierer auf die Edmund-Pettus-Brücke, benannt nach einem Südstaaten-General und Führungsfigur des KKK in Alabama. Ihnen gegenüber standen 150 bewaffnete und teils berittene Zivilisten und Polizisten. Sie trugen Gasmasken, Schlagstöcke, Peitschen oder Elektroknüppel, die zum Viehtrieb verwendet wurden. Hinzu kamen zahlreiche weiße Schaulustige aus der Stadt.
Die Marschierer wurden unvermittelt mit Pferden und Tränengas malträtiert und am Ende standen 90 Verletzte. Die Szenerie wurde von Presse und Fernsehen aufgezeichnet und am selben Abend über ABC gesendet: eine viertel Stunde lang Schreie und Knüppelschläge ohne Kommentar.
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Daraufhin kehrte Luther King nach Selma zurück und schwor, dass der Marsch fortgeführt würde. Landesweite Aufrufe ergingen und fast 1000 Menschen schickten sich an, die Brücke erneut zu überqueren. Auf richterlichen Beschluss wurde der Marsch bis auf Weiteres untersagt. Als er dann trotzdem am 9. März stattfand, wurde er erneut auf halber Strecke beendet – diesmal auf Geheiß von Luther King zur Deeskalation. […]
Nachdem am 15. März die richterliche Genehmigung erfolgt war und Präsident Johnson ein Gesetz zum Wahlrecht vor dem Kongress und im Fernsehen angekündigt hatte, machten sich am 21. März 3600 Marschierer unter dem Schutz der Nationalgarde auf nach Montgomery und erreichten ihr Ziel nach vier Tagen. Am Folgetag sprach Luther King vor 25 000 DemonstrantInnen vor dem State Capitol Building in Montgomery und am selben Tag legte Johnson dem Kongress das neue Gesetz vor, das mit übergroßer Mehrheit in beiden Kammern angenommen und am 6. August 1965 von Johnson ratifiziert wurde.
Zwischen 1965 und 1968 schrieben sich im tiefsten Süden 740 000 neue afro-amerikanische WählerInnen ein. Der zentrale Bestandteil der rassistischen Jim-Crow-Gesetze war damit erledigt und mit ihm die fast 70 Jahre dauernde Rassentrennung.
Unter leichter Kürzung übersetzt von MiWe |
Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 5/2016 (September/Oktober 2016). | Startseite | Impressum | Datenschutz